L 4 V 266/78

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 266/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Sozialgericht muß sich bei Bescheiden mit Dauerwirkung gedrängt fühlen, die weitere berufliche Entwicklung nach Erlaß des früheren, möglicherweise falschen Verwaltungsaktes bis zum Erlaß des Urteils aufzuklären.
Die Frage der Unrichtigkeit eines früheren Verwaltungsaktes beurteilt sich nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage. Liegt im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltung ein besonderes berufliches Betroffensein nicht mehr vor, hat der Beklagte die Erteilung eines Zugunstenbescheides gem. § 40 KOV-VfG abzulehnen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Januar 1978 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 61jährige Kläger war vom 1. Januar 1939 bis Kriegsende bei der Schutzpolizei K ... Während des Krieges war er an der Westfront eingesetzt. Am 21. September 1946 wurde er in die neu aufgestellte städtische Schutzpolizei in K. aufgenommen, jedoch aus politischen Gründen wieder entlassen. Am 1. November 1948 wurde er nach erfolgreichem Abschluß des Entnazifizierungsverfahrens wieder als Beamter eingestellt. Am 21. Juli 1949 entließ ihn der Magistrat der Staat K. unter Widerruf des Beamtenverhältnisses wegen der bei ihm festgestellten inaktiven Lungentuberkulose als polizeidienstuntauglich. Er war ab 1. Dezember 1952 als Verwaltungsangestellter bei der Polizeiverwaltung tätig. Nach einer Auskunft des Magistrats der Stadt K. erhielt er als Verwaltungsangestellter im Dezember 1953 333,60 DM brutto und 293,17 DM netto. Als Beamter im Polizeivollzugsdienst der Bes. Gr. A 8 c hätte er in der gleichen Zeitspanne 389,60 DM brutto erhalten. Der Kläger kündigte am 1. Oktober 1962 sein Dienstverhältnis zum 31. Oktober 1962. Ab 1. Dezember 1962 bis 30. September 1972 war er Tagespförtner bei der Hauptverwaltung der W. AG K. Der Kläger erzielte im Jahre 1963 als Bediensteter bei dieser Firma 5.939,– DM, also monatlich 495,– DM. Als Ruhegehalt erhielt er 444,– DM, so daß seine Gesamtbezüge 939,– DM betragen.

Die Bundesknappschaft, Verwaltungsstelle K., gewährte ihm ab 1. Oktober 1972 Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Knappschaftsrente betrug ab 1. Oktober 1972 432,20 DM. Im Oktober 1974 belief sich die Knappschaftsrente auf 594,20 DM. Das Ruhegehalt war im Oktober 1972 947,34 DM und im Oktober 1974 1.151,56 DM. Im Juni 1976 betrug die Knappschaftsrente 660,10 DM und das Ruhegehalt 1.287,59 DM. Im Januar 1978 erhielt der Kläger Knappschaftsrente in Höhe von 805,60 DM und Ruhegehalt in Höhe von 1.605,18 DM. Der Beklagte hatte durch Umanerkennungsbescheid vom 6. Juli 1951 ab 1. Oktober 1950 Versorgungsrente nach einer Hinderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. wegen Fistelbildung nach operativ behandelter Sitzbeintuberkulose mit Muskelschwäche am rechten Oberschenkel, inaktiver Lungentuberkulose gewährt. Der Kläger hatte am 14. Januar 1953 Erhöhung der Versorgungsrente beantragt. Mit Bescheid vom 17. August 1954 hatte der Beklagte die MdE wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse ab 1. Mai 1954 auf 30 v.H. herabgesetzt. Der Beklagte hatte die Schädigung steigen neu mit abheilender Tuberkulose des rechten Sitzbeines, inaktiver Lungentuberkulose bezeichnet, die Minderung der Erwerbsfähigkeit aber deshalb auf 30 v.H. herabgesetzt, weil eine wesentliche Änderung der dem früheren Bescheid zugrunde liegenden Verhältnisse, nämlich eine Besserung insoweit eingetreten sei, als eine Fisteleiterung im Bereich des Sitzbeines seit längerer Zeit nicht mehr bestehe und auch röntgenologisch keine Anzeichen für das Fortbestehen eines tuberkulösen Knochenprozeßes vorlägen. Eine Erhöhung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins sei deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Kläger als Angestellter im Polizeidienst der Stadt K. tätig sei, was seinen bisherigen Lebensverhältnissen entspreche. Mit Bescheid vom 4. Mai 1957 hatte der Beklagte als Schädigungsfolgen alte Narbenbildung im Bereich der Lungenoberfelder anerkennt, aber ab 1. Juni 1957 deshalb die Heute entzogen, weil die Tuberkulose des rechten Sitzbeines völlig abgeheilt sei und die noch bestehenden Schädigungsfolgen auch unter Berücksichtigung seines Berufes keine MdE von mindestens 25 v.H. verursachten.

Den Antrag auf Erhöhung des Grades der MdE vom 7. März 1963 hatte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 1963 abgelehnt, weil in den dem Bescheid vom 2. April 1957 zugrundeliegenden Verhältnissen keine wesentliche Änderung eingetreten sei, so daß eine Neufestsetzung gemäß § 62 BVG nicht möglich sei. Die Schädigungsfolgen waren neu mit alter Narbenbildung im Bereich der Lungenoberfelder, geringe Muskelschwäche des rechten Beines nach abgeheilter Tuberkulose des rechten Sitzbeines bezeichnet worden. Eine Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins war deshalb abgelehnt worden, weil der Kläger durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten Beruf als Polizeibeamter und später als Verwaltungsangestellter nicht besonders beruflich betroffen gewesen sei. Denn nach Entlassung als Beamter aus dem Polizeidienst sei er von der Stadt K. als Verwaltungsangestellter nach TOA ab 1. April 1961 BAT VII beschäftigt worden und habe somit einen sozial gleichwertigen Beruf ausgeübt.

Der Beklagte hatte nach Begutachtung durch Dr. H. und Dr. F. auf Grund des Antrages des Klägers vom 10. Januar 1973 mit Zugunstenbescheid vom 28. Oktober 1974 ab 1. Januar 1969 Rente nach einer MdE um 30 v.H. wegen alter Narbenbildung im Bereich der Lungenoberfelder und geringer Muskelschwäche des rechten Beines nach abgeheilter Tuberkulose des rechten Sitzbeines gewährt.

Eine Erhöhung der Versorgungsrente wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse hatte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 1974 abgelehnt.

Der Kläger beantragte am 6. April 1976 die Gewährung von Berufsschadensausgleich. Zur Begründung führte er aus, daß er wegen der Schädigungsfolgen am 31. Oktober 1949 aus dem Polizeidienst der Stadt K. entlassen worden sei. Hierdurch seien ihm alle Aufstiegschancen im Beruf eines Polizeibeamten genommen worden.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 9. Juni 1976 den Erlaß eines Zugunstenbescheides hinsichtlich eines besonderen beruflichen Betroffenseins ab, weil die Bescheide vom 17. August 1954 und 18. Dezember 1963 nicht unrichtig gewesen seien.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, daß er den erstrebten Beruf eines Polizeihauptmeisters wegen seiner anerkannten Schädigungsfolgen nicht erreicht habe. Der Beklagte wies mit Bescheid vom 24. August 1976 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, im bindenden Bescheid vom 18. Dezember 1963 sei festgestellt worden, daß ein besonderes berufliches Betroffensein im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG nicht vorliege. Er habe zwar den Beruf als Polizeibeamter aufgeben müssen, aber als Angestellter eine sozial und wirtschaftlich gleichwertige Stellung ausgeübt. Sein beruflicher Aufstieg sei durch die Schädigung nicht behindert worden.

Der Kläger erhob dagegen beim Sozialgericht Kassel Klage. Zur Begründung führte er aus, daß die Verwaltungstätigkeit nicht so ziel gleichwertig gewesen sei. Ihm seien dadurch wertvolle Aufbaujahre in seinem Beruf als Beamter verlorengegangen. Wenn er auch als Angestellter im Polizeidienst seinen Lebenserwerb habe bestreiten können, sei die besondere berufliche Betroffenheit darin zu sehen, daß er nicht Polizeimeister habe werden kennen.

Demgegenüber vertrat der Beklagte im Schriftsatz vom 3. November 1977 die Auffassung, daß der Bescheid vom 18. Dezember 1963 nicht unrichtig gewesen sei. Ein besonderes berufliches Betroffensein sei im damaligen Zeitpunkt abgelehnt worden, weil der Kläger seine Tätigkeit als Angestellter der Tätigkeitsgruppe BAT VII bei der Polizei Verwaltung der Stadt K. aus schädigungsunabhängigen Gründen auf gegeben habe. Er habe im Oktober 1962 gekündigt, obwohl seine Übernahme in das Beamtenverhältnis geplant gewesen sei.

Das Sozialgericht Kassel hob mit Urteil vom 31. Januar 1978 den Bescheid vom 9. Juni 1976 in der Fassung das Widerspruchsbescheides vom 24. August 1976 auf und verurteilte den Beklagten, einen neuen Bescheid zu erteilen. Zur Begründung führte es aus, daß die Ablehnung eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Bescheid vom 13. August 1954 zweifelsfrei unrichtig sei. Als Polizeiangestellter habe der Kläger im Dezember 1953 ein Nettoeinkommen von 293,17 DM gehabt. Als Polizeibeamter hätte er ein Nettoeinkommen von etwa 370,– DM erhalten. Damals habe somit ein Einkommensverlust von 20 v.H. bestanden. Das Festhalten an dem Bescheid vom 13. August 1954 müsse deshalb als ermessensfehlerhaft angesehen werden.

Gegen das am 20. Februar 1978 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 10. März 1978 Berufung ein. Zur Begründung führte er aus, es lägen Verfahrenmängel vor. Denn das Sozialgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht und gegen die Denkgesetze sowie sein Recht auf freie Beweiswürdigung verstoßen und seine Meinung an die Stelle des Verwaltungsermessens gesetzt. Denn es habe als genügend angesehen, daß zu einem Zeitpunkt einmal ein besonderes berufliches Betroffensein vorgelegen habe, ohne zu überprüfen, ob dieser Zustand bis in die Gegenwart angedauert habe. Das Sozialgericht habe die Unrichtigkeit des

Bescheides vom 17. August 1954 daraus entnommen, daß damals eine 20%ige Verdiensteinbuße eine Erhöhung der MdE gerechtfertigt hätte. Es habe dabei nicht genau geprüft, ob bei dem damaligen Angestelltengehalt die Teuerungszulage und das Wohnungsgeld enthalten seien oder ob es sich nur um eine Grundvergütung handele. Weiter habe es nicht geprüft, ob dem Kläger noch ein Teil seines (gekürzten) Ruhegehalts als Beamter zugestanden habe. Weiter sei die Prüfung unterblieben, ob der Kläger nach seiner schädigungsbedingten Entlassung aus dem Polizeivollzugsdienst mit seiner Beschäftigung als Verwaltungsangestellter nicht eine wirtschaftlich und sozial gleichwertige Stellung erlangt habe. Das Sozialgericht wäre bei genauer Prüfung der Akten zu dem Ergebnis gekommen, daß sich ab 1962 die vorzeitige Zurruhesetzung sogar zu einem wesentlichen wirtschaftlichen Vorteil ausgewirkt hätte. Seitdem sei nämlich der Kläger in den Genuß seiner ungekürzten Versorgungsbezüge als Polizeibeamter im Ruhestand gekommen und außerdem hätte er Einkünfte aus seiner Pförtnertätigkeit bei der W. AG erzielt. Solange er noch im öffentlichen Dienst tätig war, hebe der größte Teil seiner Pensionsbezüge geruht, während er später neben seinem Behalt vom der Firma W. noch seine ungekürzte Pension bekommen habe. Ab Ende 1962 sei ein besonderes berufliches Betroffensein deshalb nicht mehr erkennbar. Daß der Kläger seit 1972 wegen einer schädigungsunabhängigen Herz-Kreislauferkrankung vorzeitig Erwerbsunfähigkeitsrente erhalte, sei ohne Bedeutung. Es erscheine rechtlich äußerst zweifelhaft, ob ein Gericht einen Ermessensmißbrauch allein bezüglich der Vergangenheit feststellen könne, wenn sich aus der Unrichtigkeit für die Gegenwart keine Rechte herleiten ließen.

Der Beklagte beantragt,
des Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Januar 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts Kassel für zutreffend.

Der Senat holte eine Auskunft beim Magistrat der Stadt K. ein, wonach der Kläger ab 1. November 1962 als Beamter der Besoldungsgruppe A 6 mit Ortszuschlag 747,44 DM, ab 1. Dezember 1962 765,46 DM erhalten hätte. Ab 1. September 1965 wäre des Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 mit Aufwandsentschädigung und Ortszuschlag 1.021,– DM, ab 1. Januar 1972 das Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 mit Zulage und Ortszuschlag 1.714,16 DM gewesen. Sein Gehalt als Polizeihauptmeister Besoldungsgruppe A 9 mit Polizeizulage ruhegehaltsfähiger Stellenzulage und Ortszuschlag hätte ab 1. Januar 1977 2.518,41 DM betragen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die Versorgungsakten, die Personalakten des Magistrats der Stadt K., die Akten der Bundesknappschaft K., die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist fern- und fristgerecht eingelegt worden. Die an sich gemäß § 148 Ziffer 3 Sozialgerichtsgesetz unzulässige Berufung, die eine Gradstreitigkeit im Wege des Zugunstenbescheides betrifft, ist deshalb zulässig, weil der Beklagte zu Recht einen Verfahrensmangel gerügt hat und dieser auch vorliegt. Es liegt ein Verstoß gegen § 128 Sozialgerichtsgesetz vor, denn das Sozialgericht hat seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt. Denn der Beklagte hatte in seinem Schriftsatz vom 3. November 1977 darauf hingewiesen, daß der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 18. Dezember 1963 seine Beschäftigung bei der Polizeiverwaltung der Stadt K. aus schädigungsunabhängigen Gründen aufgegeben hatte. Die Tätigkeit als Verwaltungsangestellter habe aber voll von ihm ausgeübt werden können, Trotzdem habe er eine Angestelltentätigkeit im öffentlichen Dienst nicht mehr weiter ausgeübt. Da es sich bei den Bescheiden über die Erhöhung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt, hätte die weitere berufliche Entwicklung seit dem Erlaß des Bescheides vom 17. August 1954 bis jetzt überprüft werden müssen, Durch den Schriftsatz des Beklagten vom 3. November 1977 hätte sich das Sozialgericht gedrängt fühlen müssen, die weitere berufliche Entwicklung des Klägers aufzuklären, da durch den Berufswechsel ein früher möglicherweise bestandenes berufliches Betroffensein deshalb weggefallen ist, weil keine Einkommenseinbuße von mindestens 20 v.H. mehr bestand. In dem Unterlassen von weiteren dahingehenden Ermittlungen ist ein wesentlicher Mangel des sozialgerichtlichen Verfahrens zu sehen. Die Berufung ist daher zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte hat zu Recht den Erlaß eines Zugunstenbescheides gemäß § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) abgelehnt, weil die Unrichtigkeit der Bescheide vom 17. August 1954, vom 4. Mai 1957 und vom 18. Dezember 1963, durch die die Erhöhung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins abgelehnt worden war, nicht zu bejahen ist. Es handelt sich bei der für den Erlaß eines Zugunstenbescheides gemäß § 40 KOV-VfG vorausgesetzten Unrichtigkeit um ein Tatbestandsmerkmal, das der vollen Nachprüfung der Berichte der Sozialgerichtsbarkeit unterliegt. Die Überprüfung ergab keine Unrichtigkeit. Bei den Bescheiden vom 17. August 1954, vom 4. Mai 1957 und vom 18. Dezember 1963 handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkungen. Das Sozialgericht hätte nicht nur prüfen dürfen, ob der Bescheid vom 17. August 1954 unrichtig gewesen war, sondern hätte weiter untersuchen müssen, ob die Bescheide vom 4. Mai 1957 und vom 18. Dezember 1963 im Zeitpunkt ihres Erlasses unrichtig gewesen wären und ob diese Unrichtigkeit auch noch im Zeitpunkt der Stellung das Antrages auf Erlaß eines Zugunstenbescheides, im Zeitpunkt der Ablehnung dieses Antrages und im Zeitpunkt der Urteilsfindung bestanden hat. Eine Erhöhung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz im Rahmen eines Zugunstenbescheides kann nur denn erfolgen, wenn nicht nur im Zeitpunkt des damaligen Antrages, sondern auch in der gesamten folgenden Zeit ein besonderes berufliches Betroffensein zu bejahen ist. Die fragt der Unrichtigkeit eines früheren Verwaltungsaktes beurteilt sich grundsätzlich nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Februar 1978 – 9 RV 46/77, abgedruckt in SozR 3100 § 30 Bundesversorgungsgesetz Nr. 35). Es kann dahin gestellt bleiben, ob im Zeitpunkt der Bescheide vom 17. August 1954 und vom 4. Mai 1957 ein besonderes berufliches Betroffensein wegen einer etwaigen schädigungsbedingten Einkommensminderung bestanden hatte. Ein besonderes berufliches Betroffensein ist insbesondere ab 1. Dezember 1962 zu verneinen. Der Kläger gab seine Tätigkeit als Verwaltungsangestellter im Polizeidienst der Stadt K. auf und begann ab 1. Dezember 1962 eine Beschäftigung als Pförtner bei der Firma W. AG in K ... Für seinen Berufswechsel waren die Schädigungsfolgen nicht ursächlich, da im damaligen Zeitpunkt keine Hinderung der Erwerbsfähigkeit durch die anerkannten Schädigungsfolgen, nämlich alte Narbenbildungen im Bereich der Lungenoberfelder, bestand (Bescheid vom 4. Mai 1957). Im übrigen betrug das Einkommen des Klägers aus der Tätigkeit als Pförtner im März 1963 495,– DM, wozu sein Ruhegehalt als ehemaliger Polizeibeamter der Besoldungsgruppe A 6 in Höhe von 444,– DM kam. Sein Gesamteinkommen von 939,– DM hätte dem Einkommen eines im Dienst befindlichen Polizeibeamten von 765,46 DM gegenüber gestanden, so daß der Kläger sogar ein höheres Einkommen erzielte, als er es als Polizeibeamter hätte erreichen können. Zwar stellt die Tätigkeit als Pförtner gegenüber der Tätigkeit als Angestellter bei der Polizeiverwaltung einen sozialen Abstieg dar. Jedoch rechtfertigt der Berufswechsel keine Bejahung eines besonderen beruflichen Betroffenseins, weil hierfür nicht die Schädigungsfolgen ursächlich waren, sondern der freie Entschluß des Klägers. Er gab nur deshalb seine Angestelltentätigkeit bei der Polizeiverwaltung auf, weil er neben dem vollen Ruhegehalt als Beamter noch Einkünfte als Angestellter in der freien Wirtschaft erzielen wollte. Denn mit beiden Einkünften war sein Gesamteinkommen höher als das eines Polizeibeamten seiner Gehaltsstufe. Ein besonderes berufliches Betroffensein ist somit in der Zeit ab Aufgabe der Verwaltungstätigkeit bei der Polizei nicht zu bejahen.

Ein besonderes berufliches Betroffensein ist auch nicht ab Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Bundesknappschaft, Verwaltungsstelle K., ab Oktober 1972 anzunehmen. Denn der Kläger schied aus seiner neuen Berufstätigkeit nicht wegen der Schädigungsfolgen, sondern wegen eines Herzleidens aus, das sich in häufigen Anfällen von Herzrasen zeigte. Medizinaldirektor Dr. K. K., war bei der Untersuchung für die Bundesknappschaft, Verwaltungsstelle K., zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger wegen der zeitweise auftretenden Herzanfälle, die zu allgemeiner Körperschwäche und Hinfälligkeit führten, nicht mehr für regelmäßige Arbeiten geeignet sei. Die Schädigungsfolgen sind auch nicht als wesentliche Mitursache für die Erwerbsunfähigkeit anzusehen, denn Dr. K. stellte das Herzleiden für die Frage der Erwerbsunfähigkeit völlig in den Vordergrund.

Im übrigen wäre deshalb keine Einkommensminderung fast zustellen, weil davon auszugehen ist, daß der Kläger im Zeitpunkt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit auch aus dem Polizeidienst ausgeschieden wäre. Er hätte als Beamter 75 % seines Gehaltes von 1.714,61 DM, also 1.285,50 DM erhalten, dem sein Einkommen von 435,– DM Erwerbsunfähigkeitsrente und von 947,– DM Ruhegehalt gegenübersteht.

Da der Kläger nicht aus Schädigungsgründen aus dem Berufsleben ausschied, war im Zeitpunkt der Ablehnung der Erteilung eines Zugunstenbescheides, nämlich am 9. Juli 1976 und im Zeitpunkt des Urteilserlasses am 31. Januar 1978 ein besonderes berufliches Betroffensein zu verneinen. Das Sozialgericht hat den Beklagten daher zu Unrecht dazu verurteilt, einen neuen Bescheid zu erteilen.

Das Urteil mußte aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

Die Revision ist nicht zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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