Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 V 712/75
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach allgemeiner medizinischer Meinung bleiben die neurologischen Ausfälle als Folgen einer Hirnkontusion nach einer gewissen Zeit stationär. Die psychischen Schädigungsfolgen können sich aber im Laufe der Zeit verschlimmern. Es ist bei Alterung früher als bei Hirngesunden mit einer Dekompensation zu rechnen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 1975 dahin abgeändert, daß die Beschädigtenrente nach einer MdE um 90 v.H. erst ab 1. September 1971 zu gewähren ist.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 56-jährige Kläger wurde im Januar 1945 in einem Erdbunker in Ungarn durch Artillerietreffer verschüttet, war nach seinen Angaben längere Zeit danach bewußtlos und hatte später heftige Kopfschmerzen und Benommenheit. Er hatte durch Bescheid vom 23. März 1953 wegen Hirnleistungsschwäche leichten Grades, geringer Bewegungsbeschränkung im rechten Schulter- und rechnen Ellenbogengelenk bei geringer Verkürzung und Verformung des rechten Oberarmknochens, Narben am rechten Kniegelenk ohne feststellbare Gebrauchsbehinderung ab 1. April 1951 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. erhalten. Dem Bescheid hatte ein Gutachten von Priv. Doz. Dr. M. und Dr. K. von der Psychiatrischen und Neurologischen Klinik der Universität H. vom 14. November 1952 zugrunde gelegen. Danach waren die vasomotorische vegetative Labilität und Erregbarkeit und psychischen Ausfälle Folgen eines stumpfen Schädeltraumas, wodurch eine MdE um 30 v.H. hervorgerufen worden war. Die MdE für die Schulter- und Ellenbogengelenkschädigung wurde mit 10 v.H. angegeben.
Der Kläger übte auch nach dem Krieg den Beruf eines Friseurs aus und legte darin am 3. Dezember 1957 die Meisterprüfung ab. Er betrieb mit seiner Ehefrau in W. einen Friseursalon, den er am 31. Dezember 1973 an sie übertrug. Die Landesversicherungsanstalt Hessen hatte ihm mit Bescheid vom 16. April 1975 ab 1. Januar 1974 Arbeiterversicherungsrente wegen Berufsunfähigkeit und durch Anerkenntnis vom 21. Oktober 1975 (Az. Sozialgericht Wiesbaden S-1/J-74/75) wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt. Beim Kläger waren im Oktober 1970 Schwindelanfälle mit Erbrechen aufgetreten, weshalb er in der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik W. von Dr. W. und Dr. M. untersucht wurde. Die Untersuchung mit Pneumoencephalogramm ergab eine deutliche Erweiterung des dritten Ventrikels und eine frontoparietale Rindenatrophie beiderseits, die wahrscheinlich auf die im zweiten Weltkrieg erlittene Contusio cerebri zurückzuführen seien.
Der Kläger beantragte am 1. September 1971 Erhöhung der Rente wegen Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes, dem er eine fachärztliche Bescheinigung der Nervenärztin Dr. S.-F., beifügte, wonach bei ihm ein hirnorganisches Psychosyndrom mit depressivem Versagenszustand als Folge der Hirn Schädigung vorliege. Aus einem Schreiben des Dr. K. von der Deutschen Klinik für Diagnostik in W. vom 5. Juli 1970 ist zu entnehmen, daß der depressive Versagenzustand, der sich nach akutem Drehschwindelanfall infolge Labyrinthausfall rechts im Oktober 1970 entwickelt hatte, wahrscheinlich auf die Vorschädigung des Gehirns durch Contusio cerebri im Krieg zurückgehe. Luftenzephalographisch sei eine Verplumpung des Ventrikelsystems und eine leichte diffuse Rindenatrophie nachgewiesen.
Die von dem Beklagten mit der Untersuchung des Klägers beauftragte Nervenfachärztin Dr. S. erstattete am 17. September 1973 ein Gutachten dahin, daß die vom Kläger geschilderten Auswirkungen der Verschüttung nicht für eine schwere Hirnkontusion sprächen, da Lähmungszeichen und schwere cerebrale symptomatische Ausfälle fehlten. Nach der herrschenden medizinischen Meinung kämen Folgen einer Gehirnkontusion innerhalb der ersten drei Jahre zum Abschluß. Eine spätere Progredienz des Psychosyndroms bei gedeckten Hirnverletzungen gehe meist auf eine cerebrale Arteriosklerose zurück. Die Schädigungsfolgen hätten sich nicht verschlimmert.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Januar 1974 den Antrag auf Erhöhung der Versorgungsrente ab, weil in den für den letzten Bescheid maßgeblichen Verhältnissen keine Änderung eingetreten sei. Die 1970 festgestellte Hirnatrophie könne nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Hirnkontusion zurückgeführt werden. Das jetzt feststellbare ausgeprägte Psychosyndrom sei ausschließlich auf eine Sklerose der Hirngefäße zurückzuführen, die ihre Ursache in einer seit langen Jahren bestehenden Blutdruckerhöhung habe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, dem er eine Bescheinigung von Dr. S.-F. beifügte, wonach es in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verschlechterung der psychoorganischen Ausfallserscheinungen und zu depressiven Versagenszuständen gekommen sei. Das sei auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen. Dem seit einigen Jahren bestehenden Hypertonus komme daneben nur untergeordnete Bedeutung zu. Er fügte weiter eine ärztliche Bescheinigung von Dr. W. bei, wonach eine chronische Hypertension nicht vorgelegen habe, so daß sie als Ursache für eine Hirnarteriosklerose ausscheide. Er legte weiter ärztliche Bescheinigungen von Dr. G., Dr. S.-V., Dr. H. und Dr. H. vor, wonach bei ihm von 1961 bis 1974 keine Hypertonie bestanden habe.
Hierzu nahm Dr. H. ablehnende Stellung, da dem Gutachten von Dr. S. zu folgen sei.
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 12. Juni 1974 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Januar 1974 zurück, weil der Zustand nach Gehirnkontusion unverändert bleibe und das jetzige Psychosyndrom auf eine cerebrale Arteriosklerose zurückgehe.
Der Kläger erhob beim Sozialgericht Wiesbaden Klage mit der Begründung, daß das erhebliche Psychosyndrom Folge der Gehirnkontusion sei.
Das Sozialgericht holte am 17. August 1974 von Prof. Dr. E. M. ein Gutachten ein, wonach Hirnverletzte nach den Untersuchungen von Sperling frühzeitiger als Gesunde zu Dekompensationen neigten. Diese Dekompensationszustände seien auf die Hirntraumen und nicht auf Altersvorgänge oder Arteriosklerose zurückzuführen. Eine Arteriosklerose der Hirngefäße sei beim Kläger nicht bewiesen. Die Hirnverletzungsfolgen seien mit einer MdE um 70 v.H. zu beurteilen, die Gesamt-MdE belaufe sich auf 80 v.H ... Ein besonderes berufliches Betroffensein als Friseur sei zu verneinen.
Dr. H. nahm zu diesem Gutachten ablehnend Stellung. Es könne nicht festgestellt werden, daß es sich um einen stationären Zustand handele. Vielmehr müsse angenommen werden, daß ein Prozeß vorliege. Es sei auch auf die Arbeiten von Prof. Dr. P. zu verweisen, wonach bei gedeckten Hirnschäden eine Voralterung infolge der Schädigung nicht anzunehmen sei und solche Hirngeschädigte nicht früher oder stärker als der Durchschnitt der Bevölkerung zu cerebralen Durchblutungsstörungen auf arteriosklerotischer Basis neigten.
Hierzu nahm Prof. Dr. E. Stellung, wobei er auf die S. Untersuchungsergebnisse verwies.
Dr. H. entnahm einem im November 1975 erstellten Kurgutachten, daß beim Kläger ein schädigungsunabhängiger hirnatrophischer Prozeß bestehender nicht auf erheblichen Bluthochdruck oder arteriosklerotische Veränderungen zurückgehen müsse. Es hätten sich Persönlichkeitseigenarten und Tendenzreaktionen gezeigt, die ebenfalls Ursache des derzeitigen Zustandsbildes sein könnten.
Das Sozialgericht Wiesbaden verurteilte den Beklagten am 5. Mai 1975, dem Kläger ab 1. August 1971 unter Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins eine Rente in Höhe von 90 v.H. zu gewähren. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. E. sei der jetzige Zustand ursächlich auf die Hirnkontusion zurückzuführen. Die Auffassung von Dr. H., es liege keine stationäre Hirnschädigung, sondern ein Prozeß vor, könne nach den getroffenen medizinischen Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden. Der Kläger sei auch in seinem Beruf als Friseur besonders beruflich betroffen, Er habe bis 1973, dem Zeitpunkt der Aufgabe seines Geschäftes, unter Gefährdung der Gesundheit mit außergewöhnlichem Energieaufwand gearbeitet.
Gegen das am 30. Juni 1975 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 29. Juli 1975 Berufung ein. Zur Begründung führte er aus, daß eine Arteriosklerose bei dem Kläger zu einem Abbauprozeß geführt habe. Die Auffassung von Dr. E. könne bei der Beurteilung der Frage des ursächlichen Zusammenhangs nicht zugrunde gelegt werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er legte ein Gutachten von Dr. D. vom 30. September 1975, das in dem Rechtsstreit gegen die Landesversicherungsanstalt Hessen (Aktenzeichen des Sozialgerichts Wiesbaden: S-1/J – 74/75) erstattet wurde, vor. Danach habe die Gehirnkontusion eine Hirnleistungsschwäche und eine Wesensänderung mit sich gebracht.
Der Senat holte gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. A. Direktor des Psychiatrischen Krankenhauses E. ein Gutachten ein. Danach liegen beim Kläger eine posttraumatische Hirnschädigung mit Atrophie im Bereich des dritten Ventrikels und neurologischen und elektrobiologischen Ausfällen und ein organisches Psychosyndrom vor. Zeichen für eine Hirndurchblutungsstörung hätten nicht nachgewiesen werden können. Die MdE belaufe sich auf 80 v.H. Mit der Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins sei sie auf 90 v.H. festzusetzen.
Dr. H. gab hierzu am 17. September 1977 eine ablehnende Stellungnahme ab.
Der Senat holte weitere Gutachten bei Prof. Dr. H. Prof. Dr. L., dem Augenarzt Prof. Dr. N. und Prof. Dr. W. und Dipl.-Psychologe Dr. D. ein.
Prof. Dr. N. fand die Gefäße des Augenhintergrundes verhärtet, jedoch gingen diese Veränderungen nicht über das altersentsprechende Maß hinaus. Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. kamen zu dem Ergebnis, daß sich beim Kläger bestehende schädigungsbedingte Gesundheitsstörungen verschlimmert hätten. Die Ausführungen von Prof. Dr. E. und Dr. A., nach denen sich die Folgen der Hirnkontusion verschlimmert haben, entspreche der heutigen medizinischen Lehrmeinung. Eine einmal aufgetretene Gehirnkontusion sei nur von der gewebspathologischen Seite, nicht aber hinsichtlich der funktionellen Folgen feststehend, Eine posttraumatische Hirnleistungsschwäche neige eigengesetzlich zur Verschlimmerung. Gehirndurchblutungsstörungen, die über das altersphysiologische Maß hinausgehen, würden nicht vorliegen. Eine Arteriosklerose von nennenswertem Umfang lasse sich nicht belegen. Infolge der Hirnkontusion mit Hirnleistungsschwäche sei es zu einer Frühdekompensation beim Kläger gekommen. Die MdE durch die hirntraumatisch bedingten Anfälle werde auf 80 v.H. geschätzt. Es bestehe Berufsunfähigkeit als Friseur.
Hierzu nahm Dr. H. nochmals ablehnend Stellung.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch statthaft, denn es ist zwar die Erhöhung des Grades der MdE wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse im Streit (§ 62 Bundesversorgungsgesetz – BVG –, § 148 Nr. 3 SGG), jedoch ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der schädigungsbedingten Hirnkontusion und den jetzigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (§ 150 Ziff. 3 SGG) streitig.
Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden ist nur insoweit unzutreffend, als das Sozialgericht zur Gewährung der erhöhten Rente bereits ab 1. August 1971 verurteilte. Gemäß § 60 Bundesversorgungsgesetz beginnt die erhöhte Rente mit dem Antragsmonat. Da der Erhöhungsantrag erst am 1. September 1971 beim Beklagten einging, durfte die erhöhte Rente nicht bereits ab 1. August 1971 gewährt werden. Insoweit hatte die Berufung Erfolg. Sie ist aber unbegründet, soweit die Rente auf 90 v.H. festgesetzt wurde, Gemäß § 62 BVG hat der Beklagte den Versorgungsanspruch neu festzusetzen, wenn in den Verhältnissen, die für die frühere Feststellung des Anspruches maßgebend waren, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 23. März 1953 die MdB auf 50 v.H. festgesetzt, weil unter anderem Schädigungsfolgen eine Hirnleistungsschwäche leichten Grades nach einem stumpfen Schädeltrauma bestand. Dieses Leiden hat sich in der Folgezeit so verschlimmert, daß die hierdurch hervorgerufene MdE auf 80 v.H. anstieg. Zu diesem Ergebnis kam der Senat aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. E. Dr. A., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. Bereits Dr. S.-F. war in ihrer ärztlichen Stellungnahme der Auffassung, daß das beim Kläger bestehende Psychosyndrom mit depressivem Versagenszustand auf die Hirnschädigung zurückgehe, die nach den Feststellungen von Dr. W. und Dr. M. von der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik W. zu einer deutlichen Erweiterung des dritten Ventrikels und zu einer frontoparietalen Rindenatrophie, beiderseits geführt hatte. Auch Dr. K. von der Deutschen Klinik für Diagnostik, W., vertrat die Ansicht, daß sich der nach einem akuten Drehschwindel infolge Labyrinthausfall rechts 1970 eingetretene Versagenszustand auf die Vorschädigung des Gehirns durch Contusio cerebri während des Krieges ausgebildet hätte. Die vom Senat gehörten Sachverständigen Prof. Dr. E., Dr. A., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. waren nach eingehenden Untersuchungen des Klägers und Überprüfung der medizinischen Unterlagen der Überzeugung, daß der jetzige Zustand Folge der Hirnkontusion ist und daß sich die Hirnleistungsschwäche verschlimmert hat und jetzt als deutlich bis stark bezeichnet werden muß. Der Vergleich zwischen dem 1970 angefertigten Pneumoencephalogramm und der 1978 angefertigten Computer-Tomographie ergab keine Hinweise für eine Progredienz der 1970 festgestellten, als posttraumatische Erweiterung des dritten Ventrikels angesehenen hirnatrophischen Veränderungen. Nach allgemeiner medizinischer Lehrmeinung hinterläßt eine Hirnkontusion nach Abschluß der Abräum- und Reparationsvorgänge einen stationären Zustand. Als Folge hiervon bleibt nach allgemeiner Ansicht auch der neurologische und psychische Zustand gleich. Bei Auftreten einer Verschlimmerung des neurologischen Zustandes sind fast immer überwiegend traumaunabhängige Gründe, insbesondere bei fortschreitendem Alter die Arteriosklerose die Ursache. Dagegen können sich die psychischen Schädigungsfolgen nach einer Hirnkontusion im Laufe der Zeit verschlimmern. Die Einschränkung der psychischen Leistungsbreite mit oft rasch absinkender Leistungsfähigkeit durch vorzeitige Ermüdung, Stimmungsschwankungen und stärkerer Affektlabilität als Folge der Hirnleistungsschwäche macht sich später störend bemerkbar und führt zu einer Zunahme der Dekompensationssituationen. Da ein Teil der ursprünglichen Leistungsbreite des Gehirns infolge eines traumatischen Hirnschadens verlorengegangen ist, ist wesentlich früher mit einer Dekompensation zu rechnen, als diese schicksalsmäßig aufgetreten wäre. Beim Kläger hat die traumabedingte Verminderung der Kompensationsbreite sowohl bei akuten körperlichen und seelischen Mehrbelastungen als auch bei zusätzlichen andersartigen chronischen Schädigungen und Abbauprozessen einschließlich physiologischer Alterungsvorgänge zu einer vorzeitigen Dekompensation und zu einer zunehmenden stark depressiv erlebten Leistungseinbuße geführt. Sowohl Prof. Dr. E. als auch Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. kommen zu diesem Ergebnis aufgrund der Untersuchungen von Sperling an einer großen Anzahl von Hirnverletzten. Demgegenüber konnte der Senat Dr. S. und Dr. H. nicht folgen, Ihre Auffassung, daß eine einmal eingetretene Hirnverletzung nach etwa drei Jahren zum Stillstand kommen und danach eine weitere Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes nicht mehr eintrete, ist unzutreffend. Zwar bleibt der pathologischanatomische Zustand des Gehirns gleich, was auch den Gutachten von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. zu entnehmen ist, die aufgrund des Pneumoencephalogramms und der Computer-Tomographie keine Progredienz der substantiellen Hirnschädigung feststellen konnten. Jedoch kommt es im zunehmenden Alter zu einer traumabedingten Verminderung der Kompensationsbreite. Die Schädigungsfolge ist daher als wesentliche Ursache für die Leistungseinbuße anzusehen. Soweit Dr. S. und Dr. H. den Leistungsabfall auf eine in der Zwischenzeit aufgetretene Arteriosklerose zurückführen, kann ihnen deshalb nicht gefolgt werden, da der Kläger nicht an Bluthochdruck leidet, was sich sowohl aus den gemessenen Blutdruckwerten, dem Fehlen von Risikofaktoren wie Diabetes mellitus und den altersentsprechenden Augenhintergrundveränderungen ergibt. Auch der im Jahre 1970 aufgetretene Ausfall der Labyrinthfunktion spricht nicht für ein cerebrales Gefäßleiden. Eine über das physiologische Ausmaß hinausgehende allgemeine oder cerebrale Arteriosklerose besteht deshalb nicht. Der jetzige Zustand des Klägers geht ursächlich auf die Hirnkontusion zurück und verursacht nach der Beurteilung aller gerichtlich gehörten Sachverständigen eine MdE um 80 v.H.
Die MdE ist um weitere 10 v.H. auf 90 v.H. zu erhöhen, denn bereits bei Antragstellung im September 1971 konnte der Kläger wegen der Verschlimmerung des psychologischen Zustandsbildes seine Tätigkeit nur noch unter Aufbietung besonderer Energie und Tatkraft und unter Gefährdung seiner Gesundheit ausüben. Aus der Bescheinigung von Dr. S.-F. vom 23. August 1971 ergibt sich, daß eine erhebliche Verschlechterung des neuro-psychiatrischen Zustandsbildes mit depressivem Versagenszustand vorlag. In den letzten Jahren vor Aufgabe seines Geschäfts 1973 war es zu Zusammenstößen mit Kunden gekommen, so daß sich deren Zahl im Laufe der Zeit verringerte. Außerdem hatte damals bei ihm eine erhebliche Abnahme der Unternehmungslust und Initiative bestanden, weshalb eine Erhöhung des Grades der MdB um 10 v.H. gerechtfertigt erscheint. Ab Aufgabe des Geschäftes ist die Erhöhung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG gerechtfertigt, denn er übertrug es aus Schädigungsgründen im Alter von 50 Jahren auf seine Ehefrau.
Die Berufung hatte insoweit Erfolg, als die erhöhte Rente erst ab 1. September 1971 zusteht.
Im übrigen hatte sie keinen Erfolg.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 56-jährige Kläger wurde im Januar 1945 in einem Erdbunker in Ungarn durch Artillerietreffer verschüttet, war nach seinen Angaben längere Zeit danach bewußtlos und hatte später heftige Kopfschmerzen und Benommenheit. Er hatte durch Bescheid vom 23. März 1953 wegen Hirnleistungsschwäche leichten Grades, geringer Bewegungsbeschränkung im rechten Schulter- und rechnen Ellenbogengelenk bei geringer Verkürzung und Verformung des rechten Oberarmknochens, Narben am rechten Kniegelenk ohne feststellbare Gebrauchsbehinderung ab 1. April 1951 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. erhalten. Dem Bescheid hatte ein Gutachten von Priv. Doz. Dr. M. und Dr. K. von der Psychiatrischen und Neurologischen Klinik der Universität H. vom 14. November 1952 zugrunde gelegen. Danach waren die vasomotorische vegetative Labilität und Erregbarkeit und psychischen Ausfälle Folgen eines stumpfen Schädeltraumas, wodurch eine MdE um 30 v.H. hervorgerufen worden war. Die MdE für die Schulter- und Ellenbogengelenkschädigung wurde mit 10 v.H. angegeben.
Der Kläger übte auch nach dem Krieg den Beruf eines Friseurs aus und legte darin am 3. Dezember 1957 die Meisterprüfung ab. Er betrieb mit seiner Ehefrau in W. einen Friseursalon, den er am 31. Dezember 1973 an sie übertrug. Die Landesversicherungsanstalt Hessen hatte ihm mit Bescheid vom 16. April 1975 ab 1. Januar 1974 Arbeiterversicherungsrente wegen Berufsunfähigkeit und durch Anerkenntnis vom 21. Oktober 1975 (Az. Sozialgericht Wiesbaden S-1/J-74/75) wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt. Beim Kläger waren im Oktober 1970 Schwindelanfälle mit Erbrechen aufgetreten, weshalb er in der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik W. von Dr. W. und Dr. M. untersucht wurde. Die Untersuchung mit Pneumoencephalogramm ergab eine deutliche Erweiterung des dritten Ventrikels und eine frontoparietale Rindenatrophie beiderseits, die wahrscheinlich auf die im zweiten Weltkrieg erlittene Contusio cerebri zurückzuführen seien.
Der Kläger beantragte am 1. September 1971 Erhöhung der Rente wegen Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes, dem er eine fachärztliche Bescheinigung der Nervenärztin Dr. S.-F., beifügte, wonach bei ihm ein hirnorganisches Psychosyndrom mit depressivem Versagenszustand als Folge der Hirn Schädigung vorliege. Aus einem Schreiben des Dr. K. von der Deutschen Klinik für Diagnostik in W. vom 5. Juli 1970 ist zu entnehmen, daß der depressive Versagenzustand, der sich nach akutem Drehschwindelanfall infolge Labyrinthausfall rechts im Oktober 1970 entwickelt hatte, wahrscheinlich auf die Vorschädigung des Gehirns durch Contusio cerebri im Krieg zurückgehe. Luftenzephalographisch sei eine Verplumpung des Ventrikelsystems und eine leichte diffuse Rindenatrophie nachgewiesen.
Die von dem Beklagten mit der Untersuchung des Klägers beauftragte Nervenfachärztin Dr. S. erstattete am 17. September 1973 ein Gutachten dahin, daß die vom Kläger geschilderten Auswirkungen der Verschüttung nicht für eine schwere Hirnkontusion sprächen, da Lähmungszeichen und schwere cerebrale symptomatische Ausfälle fehlten. Nach der herrschenden medizinischen Meinung kämen Folgen einer Gehirnkontusion innerhalb der ersten drei Jahre zum Abschluß. Eine spätere Progredienz des Psychosyndroms bei gedeckten Hirnverletzungen gehe meist auf eine cerebrale Arteriosklerose zurück. Die Schädigungsfolgen hätten sich nicht verschlimmert.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. Januar 1974 den Antrag auf Erhöhung der Versorgungsrente ab, weil in den für den letzten Bescheid maßgeblichen Verhältnissen keine Änderung eingetreten sei. Die 1970 festgestellte Hirnatrophie könne nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Hirnkontusion zurückgeführt werden. Das jetzt feststellbare ausgeprägte Psychosyndrom sei ausschließlich auf eine Sklerose der Hirngefäße zurückzuführen, die ihre Ursache in einer seit langen Jahren bestehenden Blutdruckerhöhung habe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, dem er eine Bescheinigung von Dr. S.-F. beifügte, wonach es in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verschlechterung der psychoorganischen Ausfallserscheinungen und zu depressiven Versagenszuständen gekommen sei. Das sei auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen. Dem seit einigen Jahren bestehenden Hypertonus komme daneben nur untergeordnete Bedeutung zu. Er fügte weiter eine ärztliche Bescheinigung von Dr. W. bei, wonach eine chronische Hypertension nicht vorgelegen habe, so daß sie als Ursache für eine Hirnarteriosklerose ausscheide. Er legte weiter ärztliche Bescheinigungen von Dr. G., Dr. S.-V., Dr. H. und Dr. H. vor, wonach bei ihm von 1961 bis 1974 keine Hypertonie bestanden habe.
Hierzu nahm Dr. H. ablehnende Stellung, da dem Gutachten von Dr. S. zu folgen sei.
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 12. Juni 1974 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Januar 1974 zurück, weil der Zustand nach Gehirnkontusion unverändert bleibe und das jetzige Psychosyndrom auf eine cerebrale Arteriosklerose zurückgehe.
Der Kläger erhob beim Sozialgericht Wiesbaden Klage mit der Begründung, daß das erhebliche Psychosyndrom Folge der Gehirnkontusion sei.
Das Sozialgericht holte am 17. August 1974 von Prof. Dr. E. M. ein Gutachten ein, wonach Hirnverletzte nach den Untersuchungen von Sperling frühzeitiger als Gesunde zu Dekompensationen neigten. Diese Dekompensationszustände seien auf die Hirntraumen und nicht auf Altersvorgänge oder Arteriosklerose zurückzuführen. Eine Arteriosklerose der Hirngefäße sei beim Kläger nicht bewiesen. Die Hirnverletzungsfolgen seien mit einer MdE um 70 v.H. zu beurteilen, die Gesamt-MdE belaufe sich auf 80 v.H ... Ein besonderes berufliches Betroffensein als Friseur sei zu verneinen.
Dr. H. nahm zu diesem Gutachten ablehnend Stellung. Es könne nicht festgestellt werden, daß es sich um einen stationären Zustand handele. Vielmehr müsse angenommen werden, daß ein Prozeß vorliege. Es sei auch auf die Arbeiten von Prof. Dr. P. zu verweisen, wonach bei gedeckten Hirnschäden eine Voralterung infolge der Schädigung nicht anzunehmen sei und solche Hirngeschädigte nicht früher oder stärker als der Durchschnitt der Bevölkerung zu cerebralen Durchblutungsstörungen auf arteriosklerotischer Basis neigten.
Hierzu nahm Prof. Dr. E. Stellung, wobei er auf die S. Untersuchungsergebnisse verwies.
Dr. H. entnahm einem im November 1975 erstellten Kurgutachten, daß beim Kläger ein schädigungsunabhängiger hirnatrophischer Prozeß bestehender nicht auf erheblichen Bluthochdruck oder arteriosklerotische Veränderungen zurückgehen müsse. Es hätten sich Persönlichkeitseigenarten und Tendenzreaktionen gezeigt, die ebenfalls Ursache des derzeitigen Zustandsbildes sein könnten.
Das Sozialgericht Wiesbaden verurteilte den Beklagten am 5. Mai 1975, dem Kläger ab 1. August 1971 unter Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins eine Rente in Höhe von 90 v.H. zu gewähren. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. E. sei der jetzige Zustand ursächlich auf die Hirnkontusion zurückzuführen. Die Auffassung von Dr. H., es liege keine stationäre Hirnschädigung, sondern ein Prozeß vor, könne nach den getroffenen medizinischen Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden. Der Kläger sei auch in seinem Beruf als Friseur besonders beruflich betroffen, Er habe bis 1973, dem Zeitpunkt der Aufgabe seines Geschäftes, unter Gefährdung der Gesundheit mit außergewöhnlichem Energieaufwand gearbeitet.
Gegen das am 30. Juni 1975 zugestellte Urteil legte der Beklagte am 29. Juli 1975 Berufung ein. Zur Begründung führte er aus, daß eine Arteriosklerose bei dem Kläger zu einem Abbauprozeß geführt habe. Die Auffassung von Dr. E. könne bei der Beurteilung der Frage des ursächlichen Zusammenhangs nicht zugrunde gelegt werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er legte ein Gutachten von Dr. D. vom 30. September 1975, das in dem Rechtsstreit gegen die Landesversicherungsanstalt Hessen (Aktenzeichen des Sozialgerichts Wiesbaden: S-1/J – 74/75) erstattet wurde, vor. Danach habe die Gehirnkontusion eine Hirnleistungsschwäche und eine Wesensänderung mit sich gebracht.
Der Senat holte gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. A. Direktor des Psychiatrischen Krankenhauses E. ein Gutachten ein. Danach liegen beim Kläger eine posttraumatische Hirnschädigung mit Atrophie im Bereich des dritten Ventrikels und neurologischen und elektrobiologischen Ausfällen und ein organisches Psychosyndrom vor. Zeichen für eine Hirndurchblutungsstörung hätten nicht nachgewiesen werden können. Die MdE belaufe sich auf 80 v.H. Mit der Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins sei sie auf 90 v.H. festzusetzen.
Dr. H. gab hierzu am 17. September 1977 eine ablehnende Stellungnahme ab.
Der Senat holte weitere Gutachten bei Prof. Dr. H. Prof. Dr. L., dem Augenarzt Prof. Dr. N. und Prof. Dr. W. und Dipl.-Psychologe Dr. D. ein.
Prof. Dr. N. fand die Gefäße des Augenhintergrundes verhärtet, jedoch gingen diese Veränderungen nicht über das altersentsprechende Maß hinaus. Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. kamen zu dem Ergebnis, daß sich beim Kläger bestehende schädigungsbedingte Gesundheitsstörungen verschlimmert hätten. Die Ausführungen von Prof. Dr. E. und Dr. A., nach denen sich die Folgen der Hirnkontusion verschlimmert haben, entspreche der heutigen medizinischen Lehrmeinung. Eine einmal aufgetretene Gehirnkontusion sei nur von der gewebspathologischen Seite, nicht aber hinsichtlich der funktionellen Folgen feststehend, Eine posttraumatische Hirnleistungsschwäche neige eigengesetzlich zur Verschlimmerung. Gehirndurchblutungsstörungen, die über das altersphysiologische Maß hinausgehen, würden nicht vorliegen. Eine Arteriosklerose von nennenswertem Umfang lasse sich nicht belegen. Infolge der Hirnkontusion mit Hirnleistungsschwäche sei es zu einer Frühdekompensation beim Kläger gekommen. Die MdE durch die hirntraumatisch bedingten Anfälle werde auf 80 v.H. geschätzt. Es bestehe Berufsunfähigkeit als Friseur.
Hierzu nahm Dr. H. nochmals ablehnend Stellung.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch statthaft, denn es ist zwar die Erhöhung des Grades der MdE wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse im Streit (§ 62 Bundesversorgungsgesetz – BVG –, § 148 Nr. 3 SGG), jedoch ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der schädigungsbedingten Hirnkontusion und den jetzigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (§ 150 Ziff. 3 SGG) streitig.
Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden ist nur insoweit unzutreffend, als das Sozialgericht zur Gewährung der erhöhten Rente bereits ab 1. August 1971 verurteilte. Gemäß § 60 Bundesversorgungsgesetz beginnt die erhöhte Rente mit dem Antragsmonat. Da der Erhöhungsantrag erst am 1. September 1971 beim Beklagten einging, durfte die erhöhte Rente nicht bereits ab 1. August 1971 gewährt werden. Insoweit hatte die Berufung Erfolg. Sie ist aber unbegründet, soweit die Rente auf 90 v.H. festgesetzt wurde, Gemäß § 62 BVG hat der Beklagte den Versorgungsanspruch neu festzusetzen, wenn in den Verhältnissen, die für die frühere Feststellung des Anspruches maßgebend waren, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 23. März 1953 die MdB auf 50 v.H. festgesetzt, weil unter anderem Schädigungsfolgen eine Hirnleistungsschwäche leichten Grades nach einem stumpfen Schädeltrauma bestand. Dieses Leiden hat sich in der Folgezeit so verschlimmert, daß die hierdurch hervorgerufene MdE auf 80 v.H. anstieg. Zu diesem Ergebnis kam der Senat aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. E. Dr. A., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. Bereits Dr. S.-F. war in ihrer ärztlichen Stellungnahme der Auffassung, daß das beim Kläger bestehende Psychosyndrom mit depressivem Versagenszustand auf die Hirnschädigung zurückgehe, die nach den Feststellungen von Dr. W. und Dr. M. von der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik W. zu einer deutlichen Erweiterung des dritten Ventrikels und zu einer frontoparietalen Rindenatrophie, beiderseits geführt hatte. Auch Dr. K. von der Deutschen Klinik für Diagnostik, W., vertrat die Ansicht, daß sich der nach einem akuten Drehschwindel infolge Labyrinthausfall rechts 1970 eingetretene Versagenszustand auf die Vorschädigung des Gehirns durch Contusio cerebri während des Krieges ausgebildet hätte. Die vom Senat gehörten Sachverständigen Prof. Dr. E., Dr. A., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. waren nach eingehenden Untersuchungen des Klägers und Überprüfung der medizinischen Unterlagen der Überzeugung, daß der jetzige Zustand Folge der Hirnkontusion ist und daß sich die Hirnleistungsschwäche verschlimmert hat und jetzt als deutlich bis stark bezeichnet werden muß. Der Vergleich zwischen dem 1970 angefertigten Pneumoencephalogramm und der 1978 angefertigten Computer-Tomographie ergab keine Hinweise für eine Progredienz der 1970 festgestellten, als posttraumatische Erweiterung des dritten Ventrikels angesehenen hirnatrophischen Veränderungen. Nach allgemeiner medizinischer Lehrmeinung hinterläßt eine Hirnkontusion nach Abschluß der Abräum- und Reparationsvorgänge einen stationären Zustand. Als Folge hiervon bleibt nach allgemeiner Ansicht auch der neurologische und psychische Zustand gleich. Bei Auftreten einer Verschlimmerung des neurologischen Zustandes sind fast immer überwiegend traumaunabhängige Gründe, insbesondere bei fortschreitendem Alter die Arteriosklerose die Ursache. Dagegen können sich die psychischen Schädigungsfolgen nach einer Hirnkontusion im Laufe der Zeit verschlimmern. Die Einschränkung der psychischen Leistungsbreite mit oft rasch absinkender Leistungsfähigkeit durch vorzeitige Ermüdung, Stimmungsschwankungen und stärkerer Affektlabilität als Folge der Hirnleistungsschwäche macht sich später störend bemerkbar und führt zu einer Zunahme der Dekompensationssituationen. Da ein Teil der ursprünglichen Leistungsbreite des Gehirns infolge eines traumatischen Hirnschadens verlorengegangen ist, ist wesentlich früher mit einer Dekompensation zu rechnen, als diese schicksalsmäßig aufgetreten wäre. Beim Kläger hat die traumabedingte Verminderung der Kompensationsbreite sowohl bei akuten körperlichen und seelischen Mehrbelastungen als auch bei zusätzlichen andersartigen chronischen Schädigungen und Abbauprozessen einschließlich physiologischer Alterungsvorgänge zu einer vorzeitigen Dekompensation und zu einer zunehmenden stark depressiv erlebten Leistungseinbuße geführt. Sowohl Prof. Dr. E. als auch Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. kommen zu diesem Ergebnis aufgrund der Untersuchungen von Sperling an einer großen Anzahl von Hirnverletzten. Demgegenüber konnte der Senat Dr. S. und Dr. H. nicht folgen, Ihre Auffassung, daß eine einmal eingetretene Hirnverletzung nach etwa drei Jahren zum Stillstand kommen und danach eine weitere Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes nicht mehr eintrete, ist unzutreffend. Zwar bleibt der pathologischanatomische Zustand des Gehirns gleich, was auch den Gutachten von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. zu entnehmen ist, die aufgrund des Pneumoencephalogramms und der Computer-Tomographie keine Progredienz der substantiellen Hirnschädigung feststellen konnten. Jedoch kommt es im zunehmenden Alter zu einer traumabedingten Verminderung der Kompensationsbreite. Die Schädigungsfolge ist daher als wesentliche Ursache für die Leistungseinbuße anzusehen. Soweit Dr. S. und Dr. H. den Leistungsabfall auf eine in der Zwischenzeit aufgetretene Arteriosklerose zurückführen, kann ihnen deshalb nicht gefolgt werden, da der Kläger nicht an Bluthochdruck leidet, was sich sowohl aus den gemessenen Blutdruckwerten, dem Fehlen von Risikofaktoren wie Diabetes mellitus und den altersentsprechenden Augenhintergrundveränderungen ergibt. Auch der im Jahre 1970 aufgetretene Ausfall der Labyrinthfunktion spricht nicht für ein cerebrales Gefäßleiden. Eine über das physiologische Ausmaß hinausgehende allgemeine oder cerebrale Arteriosklerose besteht deshalb nicht. Der jetzige Zustand des Klägers geht ursächlich auf die Hirnkontusion zurück und verursacht nach der Beurteilung aller gerichtlich gehörten Sachverständigen eine MdE um 80 v.H.
Die MdE ist um weitere 10 v.H. auf 90 v.H. zu erhöhen, denn bereits bei Antragstellung im September 1971 konnte der Kläger wegen der Verschlimmerung des psychologischen Zustandsbildes seine Tätigkeit nur noch unter Aufbietung besonderer Energie und Tatkraft und unter Gefährdung seiner Gesundheit ausüben. Aus der Bescheinigung von Dr. S.-F. vom 23. August 1971 ergibt sich, daß eine erhebliche Verschlechterung des neuro-psychiatrischen Zustandsbildes mit depressivem Versagenszustand vorlag. In den letzten Jahren vor Aufgabe seines Geschäfts 1973 war es zu Zusammenstößen mit Kunden gekommen, so daß sich deren Zahl im Laufe der Zeit verringerte. Außerdem hatte damals bei ihm eine erhebliche Abnahme der Unternehmungslust und Initiative bestanden, weshalb eine Erhöhung des Grades der MdB um 10 v.H. gerechtfertigt erscheint. Ab Aufgabe des Geschäftes ist die Erhöhung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG gerechtfertigt, denn er übertrug es aus Schädigungsgründen im Alter von 50 Jahren auf seine Ehefrau.
Die Berufung hatte insoweit Erfolg, als die erhöhte Rente erst ab 1. September 1971 zusteht.
Im übrigen hatte sie keinen Erfolg.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved