Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 278/72
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 180/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gerät ein Betriebsratsvorsitzender durch ein äußeres, psychisches, betriebsbedingtes Ereignis in einen Zustand der wesentlichen Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Willensbildung und begeht er deshalb Suicid, so liegen die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall vor.
Auf die Berufung der Klägerinnen werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 1974 sowie der Bescheid vom 6. Juli 1972 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat den Klägerinnen die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind die Ehefrau sowie minderjährigen und inzwischen handlungsfähigen Kinder des 1972 nach Suicid verstorbenen R. A. (A.). Mit der Beklagten streiten sie um die Gewährung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der im Jahre 1934 geborene A. war bei der F. Druckerei GmbH in F. seit etwa 15 Jahren als Setzer tätig sowie in den letzten 5 Jahren Mitglied des Betriebsrates und am 5. Mai 1972 zu dessen Vorsitzenden gewählt worden. Am 19. Mai 1972 zeigte die F. Druckerei GmbH der Beklagten förmlich an, daß sich A. am Vortage zwischen 13.30 und 13.45 Uhr im Betriebsratszimmer erstochen habe. Prof. Dr. G. (Institut für Rechtsmedizin der Universität F.) bestätigte, daß der Tod durch Verblutung nach einem Scherenstich eingetreten sei. Die Beklagte holte den Bericht der Psychologen W. und B. (F.) vom 6. Juni 1972 über ein Gespräch mit A. am Vorabend seines Todes ein. Danach hatte A. unter anderem angegeben, daß ihn das Amt des Betriebsratsvorsitzenden nervlich belaste und er sich im Gegensatz zu seinen früher souverän gemeisterten beruflichen Aufgaben jetzt wie gelähmt fühle. Diese Psychologen nahmen eine reaktive depressive Verstimmung mit affektiver Labilisierung an. Außerdem teilten sie mit, daß bei A. im Verlaufe des Gesprächs eine zunehmende innere Beruhigung mit deutlicher Lösung der eingangs bestandenen labilen psychischen Verfassung eingetreten sei. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Suicid geplant gewesen sei. Er könne nur als Kurzschlußreaktion einer labilen Persönlichkeit verstanden werden. Ferner zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main (70 Js 320/72) bei. Nach den in dem dortigen Ermittlungsverfahren gemachten Angaben des ebenfalls zum Betriebsrat gehörenden A. war A. mit dem büromäßigen Arbeitsanfall bzw. dem "Papierwust” als Betriebsratsvorsitzender nicht fertig geworden. Außerdem gab es wegen eines Beschlusses des Betriebsrates vom 16. Mai 1972 Meinungsverschiedenheiten.
Hierauf lehnte die Beklagte ohne weitere Sachaufklärung mit dem an die Klägerin zu 1) zugleich als gesetzliche Vertreterin der Klägerinnen zu 2) und 3) gerichteten Bescheid vom 6. Juni 1972 die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung ab, da es sich bei dem Suicid des A. nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe; wesentliche Ursache hierfür sei dessen psychische Labilität, die zu einer Depression geführt habe, gewesen.
Gegen diesen am 7. Juli 1972 mittels eingeschriebenen Briefes an sie abgesandten Bescheid haben die Klägerinnen bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main – SG – am 25. Juli 1972 Klage erhoben. Das SG hat zunächst das Verzeichnis der AOK F. über Vorerkrankungen des A. beigezogen und als Zeugen den früheren Gewerkschaftssekretär H. die damaligen Betriebsratsmitglieder S. und A., die Sekretärin des Betriebsrates E. und den Gewerkschaftssekretär T. als Zeugen sowie die Klägerin zu 1) persönlich gehört. Danach wurden im Betriebsrat – insbesondere am Todestag des A. – u.a. zwischen ihm und A. erhebliche Meinungsverschiedenheiten ausgetragen. Auf diese Bekundungen und Angaben wird Bezug genommen. Sodann hat das SG das nervenfachärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. (F.) vom 1. November 1973 eingeholt, das von ihm am 8. Februar 1974 erläutert worden ist. Danach führte eine schwere reaktive depressive Verstimmung zum Suicid des A. Deren Ursachen seien einerseits die persönliche Eigenart und ein bestimmter Grad an "Unvermögen” des A. sowie andererseits massive Auseinandersetzungen im Betriebsrat und persönliche Angriffe des A. gegen A. am Todestag gewesen, die nach einer vorübergehenden Beruhigung der Depression am Vorabend diese wieder verstärkt und massiv in Erscheinung hatten treten lassen. Ihnen komme daher die überwiegende Bedeutung zu; zumindest seien sie aber als gleichwertige Bedingung für die zum Tode führende Depression anzusehen. Nachdem die Beklagte zwei gutachtliche Stellungnahmen des Prof. Dr. G. (Neuropsychiatrische Universitätsklinik M.) vom 12. Dezember 1973 und 15. Januar 1974, in denen die Ereignisse am 18. Mai 1972 nur als unbedeutende Gelegenheitsursache berechnet worden sind, vorgelegt hatte, hat das SG mit Urteil vom 8. Februar 1974 die Klage abgewiesen. Es sei nicht erweislich, daß die Auseinandersetzungen im Betriebsrat am Todestag eine wesentliche Ursache für den Suicid, des A. gewesen seien. Es müsse vielmehr daran gedacht werden, daß diese lediglich das Ende einer mit der Wahl des A. zum Betriebsratsvorsitzenden eingeleiteten Entwicklung dargestellt hätten. Diese folgen der objektiven Beweislosigkeit gingen aber zu Lasten der Klägerinnen.
Gegen dieses ihnen am 25. Februar 1974 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen bei dem Hessischen Landessozialgericht am 5. März 1974 schriftlich Berufung eingelegt.
Es ist im Berufungsverfahren der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden. Zunächst sind die Zeugen T., S. und A. ergänzend vernommen worden. Auf deren Bekundungen wird ebenfalls Bezug genommen.
Nachdem die Beklagte erneut eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. G. vom 22. Dezember 1975 vorgelegt hatte, in der darauf hingewiesen ist, daß die neuerliche Zeugenvernehmung keine andere Beurteilung rechtfertige, ist von Amts wegen ein Gutachten des Prof. Dr. Dr. T. (Psychiatrische Universitätsklinik H.) vom 29. April 1977 eingeholt worden. In ihm wurde die Auffassung vertreten, daß A. ein Melancholiker gewesen sei, der seine Aufgaben als Betriebsratsvorsitzender nicht ausreichend habe bewältigen können. Die entscheidenden Gründe für den brutalen Suicid seien ausschließlich in dessen Persönlichkeit zu suchen, was der Sachverständige Dr. H. verkannt habe.
Außerdem ist auf Antrag der Klägerinnen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. M. (S. Institut F.) vom 17. April 1978 eingeholt worden. Es habe sich bei A. nach seiner Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden eine reaktive Depression entwickelt, deren Beginn sich nicht genau festlegen lasse, jedenfalls nicht eine endogene Depression im Sinne einer psychotischen Melancholie. Trotz der sich entwickelnden Depression habe A. über ein hohes Maß an Ich-Leistung verfügt. So habe er die Sitzungen des Betriebsrates vom 12. und 16. Mai 1972 geleitet. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß er trotz der Einarbeitungsschwierigkeiten und unter Abwägung persönlichkeitseigener und situativer Momente diese seelische Störung nicht überwunden hätte, wäre nicht ein neues Moment hinzugekommen, nämlich die Rivalität des A. und dessen Verhalten am 17. und 18. Mai 1972. Die Anlage des A. sei nicht so leicht ansprechbar gewesen, daß sie gegenüber den psychischen Auswirkungen eines Unfallereignisses als die allein rechtlich wesentliche Ursache anzusehen sei. Nach dem Bericht der Psychologen W. und B. sowie den Angaben der Klägerin zu 1) müsse davon ausgegangen werden, daß A. die am 17. Mai 1972 erlittene Kränkung durch A. abends überwunden gehabt habe. Es habe sich um eine echte Befindensänderung und nicht nur um Schwankungen gehandelt, wie sie bei Melancholikern beobachtet würden. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Psychologen A. unrichtig beurteilt hätten, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. T. annehme. Entscheidend sei, daß der am Vortage gegen A. erhobene Vorwurf nach einer Lösung der Depression am Todestag erneuert worden sei und zu einer neuen seelischen Störung geführt habe. Insoweit lägen, wie auch Dr. H. ausgeführt habe, deutlich abgrenzbare traumatisierende Vorgänge vor.
Die Klägerinnen berufen sich auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. M. und beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 1974 sowie den Bescheid vom 6. Juli 1972 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie stützt sich auf die Gutachten der Profes. Dres. G. und T. und eine Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. (K.) vom 23. Mai 1978. Auch dieser Arzt vertrete die Auffassung, daß es sich bei den Ereignissen am 18. Mai 1972 lediglich um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streit- sowie Strafakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) ist statthaft, da im Berufungsverfahren lediglich der Berufung uneingeschränkt fähige wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als dreizehn Wochen, nämlich laufende Hinterbliebenenrenten, streitig sind (§§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG i.V.m. §§ 589 Abs. 1 Nr. 3, 590, 595 Reichsversicherungsordnung – RVO), und daher insgesamt zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil ist aufzuheben, da das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerinnen haben Anspruch auf Hinterbliebenenrenten, da der Tod des A. durch einen Arbeitsunfall eingetreten ist (§§ 548, 589 Abs. 1, 590, 595 RVO).
Hierzu stellt der Senat aufgrund der Ermittlungen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, der Beklagten sowie in beiden Rechtszügen fest: A. war seit 1956 bei der F. Druckerei GmbH als Setzer tätig und dort allgemein anerkannt und geschätzt. In den letzten 5 Jahren vor seinem Tod gehörte er dem Betriebsrat an und wurde am 5. Mai 1972 zu dessen Vorsitzenden bestellt sowie von der Arbeit freigestellt. Er löste den langjährigen Vorsitzenden K. ab, der freigestelltes Betriebsratsmitglied blieb. Weitere freigestellte Betriebsratsmitglieder waren die Zeugen S. und A. Nach deren Aussagen und denen des damaligen Gewerkschaftssekretärs H. hatten sich zwei im Betriebsrat rivalisierende Gruppierungen, deren Exponenten einerseits der Zeuge A. und andererseits die Zeugen S. und K. waren, auf A. als Kompromißkandidaten geeinigt. Die Situation, in der sich A. nach der Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden befand, ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen T., der A. aus der gemeinsamen Gewerkschaftsarbeit kannte. Danach versuchte A. den A. auf seine Seite zu ziehen, um zunächst zu erreichen, daß der frühere Betriebsratsvorsitzende K. gemaßregelt und nicht mehr von der Arbeit freigestellt werde. Auch sollte dieser das von ihm noch innegehabte Einzelzimmer aufgeben. Da sich A. dem widersetzte, geriet er in einen Konflikt mit A. der ihm vorwarf, wenn er nicht standhaft sei, könne man von ihm auch nicht erwarten, daß er sich für die Kollegen einsetze. Die Stellung des A. als Betriebsratsvorsitzender wurde noch durch folgende Ereignisse beeinträchtigt: Der Betriebsrat hatte nach zwei am 12. und 16. Mai 1972 von A. geleiteten Sitzungen beschlossen, daß auch K. zu einem Lehrgang der IG Druck und Papier wegen des neuen Betriebsverfassungsgesetzes fahren sollte. Davon befreite ihn A., was er der Unternehmensleitung und H. schriftlich mitteilte, der sich hierfür ebenfalls eingesetzt hatte. Als A. davon am Nachmittag des 17. Mai 1972 erfuhr, versuchte er, dem Beschluss des Betriebsrates Geltung zu verschaffen, wobei er A. Mißachtung dieses Gremiums vorwarf und sich dafür aussprach, über die Teilnahme des K. eine neue Betriebsratsentscheidung herbeizuführen. Die Diskussionen hierüber dauerten bis gegen 20.00 Uhr. Auf dem Heimweg traf A. den Zeugen T., dem er erklärte, der nächste Tag werde für ihn wohl entscheidend sein. Wenn es A. gelinge, K. zu "chassen”, so werde über kurz oder lang auch sein Kopf zur Debatte stehen, denn dann sei A. nicht mehr auf ihn angewiesen. Von den anderen Betriebsratsmitgliedern könne er keine Unterstützung erwarten, da A. diesen weit überlegen sei. Der Zeuge T. bekundete weiter, A. würde seine Abwahl als Vertrauensverlust nur schmerzlich verwunden haben, da er sehr ehrgeizig und in Betriebsangelegenheiten engagiert gewesen sei. A. begab sich dann am Vorabend seines Todes auf die Initiative seiner Ehefrau zu den Psychologen W. und B. die nach einem Gespräch mit ihm zu dem Ergebnis kamen, es habe eine reaktive, depressive Verstimmung mit Labilisierung bestanden. Durch das Gespräch sei eine zunehmende innere Beruhigung mit deutlicher Lösung der vorhanden gewesenen labilen psychischen Verfassung eingetreten. Es gab für sie keinen Anhalt dafür, daß A. einen Suicid plante. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin zu 1) wirkte A. anschließend zu Hause gelöst und widmete sich bis gegen 1.00 Uhr freundlich einer Besucherin, schlief in dieser Nacht auch besser als zuvor und zeigte keinen veränderten Eindruck, als er morgens in den Betrieb ging.
Dort begann A., der am Vorabend noch versucht hatte, A. telefonisch in dessen Wohnung zu erreichen, mit ihm sofort heftige Erörterungen wegen der von A. veranlassten Freistellung des K. von dem Lehrgang und legte im Laufe des Morgens einen handschriftlich formulierten Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Betriebsratssitzung vor, den er zerknüllte, nachdem er Zeuge eines in seiner Gegenwart zwischen S. und H. geführten Telefongesprächs war und dabei erfahren hatte, daß die Freistellung des K. vom Lehrgang im wesentlichen auf den Einfluß des H. zurückzuführen war. A. sah daher keinen Sinn mehr in seinem Antrag, hielt A. nach der Bekundung des Zeugen S. aber weiterhin ständig dessen Verfehlung vor und erklärte, er beabsichtige, den Betriebsrat noch mit dieser Angelegenheit zu befassen, da es für ihn eine prinzipielle Angelegenheit sei, ob ein Betriebsratsbeschluß auch dessen Vorsitzenden binde. Sinngemäß erklärte er, A. habe den Betriebsrat bewußt hintergangen. Der Zeuge A. hat dies im wesentlichen bestätigt und bekundet, A. sei am Morgen seines Todestages äußerst nervös gewesen und habe sich "in der Klemme” gefühlt. Nach der Bekundung des Zeugen S. war A. sehr erregt "und ging fast ununterbrochen in seinem Zimmer auf und ab oder legte Schriftstücke von einer Seite seines Schreibtisches auf die andere. Ferner sagte der Zeuge H. aus, durch sein Telefongespräch mit S. habe er erreicht, daß A. seinen schriftlichen Antrag auf Einberufung des Betriebsrates zerriss. A. sei darüber bestürzt gewesen, daß ihm das nicht selbst gelungen sei. Dies habe er bei einem anschließenden Telefongespräch mit A. festgestellt. Außerdem habe er dabei auch erfahren, daß sich A. Vorwürfe machte, weil ein bestimmter Änderungsvertrag, der eine Abteilung betraf, dessen besonderes Vertrauen er genoß, von der Geschäftsleitung nicht unterschrieben worden war. Als alle, außer A., das Büro des Betriebsrates verließen, um das Mittagessen einzunehmen, machte er auf sie einen abwesenden sowie gedrückten Eindruck und erklärte, er wolle im Büro bleiben. S. und A. kehrten früher als üblich vom Mittagessen zurück, weil sie in Unruhe waren, und fanden A. in den von innen verschlossenen Betriebsratsräumen tot auf. Aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und der Unfallanzeige geht hervor, daß sich A. eine Büroschere etwa 4 cm unterhalb der linken Brustwarze in den Brustkorb gestoßen hatte. Nach dem Bericht des Prof. Dr. G. vom 9. Juni 1972 ist aufgrund der vorgenommenen Obduktion eine Verblutung nach Öffnung der Hauptschlagader infolge der Scherenstichverletzung eingetreten. Eine fremde Gewalteinwirkung oder ein Unglücksfall wurden ausgeschlossen. Von diesem sich aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ergebenden Sachverhalt gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Obwohl A. im Zeitpunkt seines Todes und davor keine betriebliche Beschäftigung im engeren Sinn verrichtete, stand er doch als Mitglied des Betriebsrates unter Versicherungsschutz, weil ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen dieser Beschäftigung und der Betriebsratstätigkeit bestand. Ein Betriebsratsmitglied ist nämlich in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Tätigkeiten versichert, die der Regelung innerbetrieblicher Belange dienen oder die zumindest einen unmittelbaren Bezug zum Betrieb oder dem Aufgabenbereich des Betriebsrates haben, wie das BSG in seinem Urteil vom 20. Mai 1976 (8 RU 76/75 in E 42, 36) zutreffend ausgeführt hat. A. war in den letzten Stunden vor seinem Tod ausschließlich als Vorsitzender des Betriebsrates in den von seiner Arbeitgeberin dafür zur Verfügung gestellten Räumen tätig, und zwar auch in der Zeit, als die anderen Betriebsratsmitglieder zum Mittagessen gegangen waren, weil er dafür sorgte, daß in den Räumen des Betriebsrates jemand anwesend war, was der allgemeinen Übung entsprach, wie die Zeugin E. bekundet hat.
Grundsätzlich ist beim Suicid die Anerkennung eines Arbeitsunfalls zwar ausgeschlossen (§ 553 RVO). Hiervon sind in Schrifttum und Rechtsprechung Ausnahmen gemacht worden, wenn sich der Versicherte im Zeitpunkt des Suicids infolge der Auswirkung von Unfallfolgen in einem Zustand der wesentlichen Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Willensbildung befand (vgl. BSG, Urteile vom 18.12.1962 – 2 RU 74/57 – in E 18, 163 = NJW 1963, 1691 mit Anmerkung von Witter; 29.5.1964 – 2 RU 96/59; 29.4.1964 – 2 RU 215/60; 24.2.1967 – 2 RU 114/65; Hess. LSG, Urteil vom 18.2.1976 – L 3/U – 1154/72). Ein solches körperlich schädigendes Ereignis hatte A. zwar nicht erlitten. Indessen ist dies keine unabdingbare Voraussetzung für die Anerkennung eines Suicids als Arbeitsunfall. Es reicht vielmehr aus, wenn der Versicherte durch ein äußeres qualifiziertes psychisches und betriebsbedingtes Trauma in einen Zustand der wesentlichen Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Willensbildung gerät und dadurch einen Suicid begeht. Wie das BSG in seinem Urteil vom 18. Dezember 1962 – 2 RU 74/57 – zutreffend ausgeführt hat, darf die Prüfung, welche Ursachen für den Suicid rechtlich als wesentlich anzusehen sind, nicht auf Geschehensabläufe beschränkt werden, die sich auf körperlich-organischem Gebiet abgespielt haben, vielmehr sind auch Vorgänge im Bereich des Psychischen und Geistigen hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung zu würdigen (vgl. hierzu BSGE 1, 150, 156; BGHZ 20, 137). Ein solches Trauma kann auch vorliegen, wenn besondere betriebsbedingte äußere Umstände, z.B. schwere betriebliche Auseinandersetzungen, bei dem Versicherten zu einem Schock bzw. einer reaktiven Depression mit der Vorstellung führen, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 6.11.1974 – L 3/U – 476/73 – unter Hinweis auf Schönberger in DVZ 1966, 33 ff.; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: März 1978, Bd. II, S. 479 b und 489 g ff.; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 7 Nr. 2 zu § 553 RVO mit jeweils weiteren Nachweisen; Bayr. LSG, Urteil vom 19.7.1968 – L 2/U – 170/65 – in Breithaupt 1969, 475). Im Falle der kausalen Konkurrenz einer äußeren Einwirkung mit einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage ist der Kausalzusammenhang zu bejahen, wenn beide Umstände in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind (BSGE 15; 176; Lauterbach a.a.O., Anm. 8 zu § 548 RVO). Ist die zum Suicid führende psychische Beeinträchtigung nur bei Gelegenheit einer versicherten Tätigkeit hervorgetreten und wäre sie nach menschlichem Ermessen auch bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlaß außerhalb dieser Tätigkeit oder ohne besonderen Anlaß im Ablauf des täglichen Lebens zum Ausbruch gekommen, so handelt es sich nur um eine Gelegenheitsursache, bei der es an dem notwendigen Ursachenzusammenhang fehlt. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob die äußere Einwirkung nur geringfügig oder erheblich war (vgl. BSG BG 1961, 222; Nr. 47 zu § 542 RVO a.F.; Urteil vom 30.10.1974 – 2 RU 50/74; Lauterbach, a.a.O., Anm. 10 zu § 548 RVO; Brackmann, a.a.O., S. 480 k II und 488 k ff.). Andererseits sind psychische Reaktionen des Versicherten als Ursache des Suicids rechtlich noch nicht deshalb unwesentlich, weil sie eine entsprechende psychische Anlage voraussetzen. Auch darf bei der rechtlichen Wertung nicht von vornherein nur darauf abgestellt werden, wie ein normaler Verletzter reagiert hätte. Vielmehr müssen auch bei einer solchen rechtlichen Wertung grundsätzlich die gleichen Erwägungen Platz greifen, die von Bedeutung sind, wenn bei einem Verletzten infolge einer körperlichen Anlage eine geringere Widerstandsfähigkeit besteht, oder vor dem Unfall ein Leiden in der Anlage oder in fortgeschrittener Entwicklung vorhanden war, das erst durch Auswirkungen das Unfalls in Erscheinung tritt oder sich verschlimmert. Auch bei psychischen Reaktionen kann der Anlage nicht in jedem Fall von vornherein eine so überragende Bedeutung zugemessen werden, daß sie rechtlich die allein wesentliche Ursache ist. Vielmehr bedarf es der Prüfung, ob die betriebsbedingte Beeinträchtigung des psychischen Zustandes ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich, d.h., z.B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar ist, und ob die Anlage so leicht ansprechbar war, daß sie die rechtlich allein wesentliche Ursache ist. Hierüber wird die Schwere der psychischen Beeinträchtigung vielfach gewisse Anhaltspunkte geben können. Weiterhin ist von Bedeutung, ob lediglich eine völlig latente Anlage bestand oder ob diese sich bereits in Symptomen manifestiert hatte, deren Entwicklung durch die betriebsbedingte Einwirkung dauernd oder nur vorübergehend beeinflußt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1962 – 2 RU 189/59 Martineck in Breithaupt 1950, 1133, 1137).
Hierzu stellt der Senat aufgrund des Beweisergebnisses fest, daß bei A. keine leicht ansprechbare Anlage für eine schwere reaktive depressive Verstimmung bestand. Zunächst ergibt sich aufgrund des Vorerkrankungsverzeichnisses der AOK F., den Angaben der persönlich gehörten Klägerin zu 1) sowie den Bekundungen des Zeugen T., daß A. bisher nicht in entsprechender Art und Weise bereits auffällig und behandlungsbedürftig gewesen war. Entgegen der Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T. war er auch kein "Melancholiker”, d.h., er litt nicht unter einer endogenen Depression im Sinne einer psychotischen Melancholie. Das hat die Sachverständige Prof. Dr. M. nach der Exploration der Klägerin zu 1) und den sonst vorliegenden Ermittlungsergebnissen zur Überzeugung des Senats zutreffend ausgeführt. Danach ist es zwar richtig, daß die Persönlichkeit des A. von Wesensmerkmalen wie ruhig und ausgeglichen, gründlich, pflichtbewußt, skrupulös, allen gerecht werdend, introvertiert und ähnlichem geprägt war, wie sie auch bei Melancholikern beobachtet werden. Dem stehen aber Verhaltensweisen gegenüber, die wichtigen Zügen des typus melancholicus nicht entsprechen. A. entwickelte bei aller Ernsthaftigkeit im Wesen Humor, Fröhlichkeit, Gemütlichkeit, kollegialen Umgang und schnelles Reagieren auf Herausforderungen. Er vermochte zum Erstaunen aller aus seinem gewohnten Verhalten hinauszuschlüpfen, scheute aber auch nicht Auseinandersetzungen, z.B. der Klägerin zu 1) gegenüber. Er zeigte dabei die Fähigkeit des Sich-Zusammenraufens. Dem hat die Beklagte auch nicht widersprochen. Daraus folgt, das A. entgegen der Auffassung des Prof. Dr. Dr. T. durchaus die nötige Rollendistanz zur Aufgabe eines Betriebsratsvorsitzenden besaß und über ein starkes Maß an Ich-Fähigkeiten verfügte. Prof. Dr. Dr. T. hat übersehen, daß es sich bei der Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden nicht um eine "Beförderung” handelte. Es ist ferner unzutreffend, daß A. für dieses Amt nicht befähigt gewesen sein soll, wenn auch gewisse Anfangs- und Umstellungsschwierigkeiten bestanden. Der Entschluß, sich in einem großen Industriebetrieb zur Betriebsratswahl zu stellen, bedeutet Mut zur Konfrontation. Sie verlangt bereits als solche eine bedeutende Ich-Fähigkeit. Daß A. hierüber verfügte, beweist auch seine Wiederwahl und letztlich die Bestellung zum Betriebsratsvorsitzenden, mag es sich dabei auch "nur” um eine Kompromisslösung gehandelt haben. Er war jedenfalls befähigt, Entscheidungen zu treffen, wie sich z.B. in bezug auf K. zeigten. Das hat Frau Prof. Dr. M. überzeugend nachgewiesen. Auch Prof. Dr. G. und Dr. H. haben A. zu Recht nicht als typus melancholicus eingeordnet. Dafür, daß er nicht diesem Typ angehörte, spricht auch die Brutalität, mit welcher der Suicid ausgeführt wurde, wie Dr. H. überzeugend ausgeführt hat. Es handelte sich bei A. vielmehr um eine depressiv-zwanghaft strukturierte Persönlichkeit. Dieses Charakterbild allein rechtfertigt aber nicht die Annahme, daß es die rechtlich allein wesentliche Ursache für die Suicidhandlung darstellte. Der Ablauf des Gesamtgeschehens seit der Bestellung des A. zum Betriebsratsvorsitzenden am 5. Mai 1972 ist weder von den Professoren G. und T. noch von Dr. D. ausreichend differenziert beurteilt worden. Prof. Dr. Dr. T. konnte zu einer solchen notwendigen Differenzierung nicht gelangen, da er ein Anhänger der sog. Melancholielehre ist, wie Prof. Dr. M. nachgewiesen hat. Nur aufgrund dieser seiner Betrachtungsweise ist es erklärlich, daß er die Diagnose der Psychologen W. und B. über eine Lösung der reaktiv-depressiven Verstimmung mit affektiver Labilisierung nach deren Beratung am 17. Mai 1972 anzweifelt und dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen dessen Vortrag als unrechtmäßig bzw. unfaßbar vorhält, A. sei von A. in den Tod getrieben worden und würde heute ohne dessen Verhalten noch leben. Diese Ausführungen zum Vorbringen der Klägerinnen, die in dem Vorwurf gipfeln, A. sei als potentieller Mörder bezeichnet worden, entsprechen nicht einer unparteiischen gutachtlichen Beurteilung (§ 118 Abs. 2 SGG i.V.m. § 410 Abs. 1 ZPO) und lassen die notwendige Abwägung der verschiedenen Bedingungen in ihrer Wertigkeit zueinander vermissen. Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ist es für den erkennenden Senat erwiesen, daß die oben festgestellten Ereignisse am Todestag des A. jedenfalls, eine wesentliche Mitursache im Rechtssinne für den Suicid waren, wie Dr. H. und Prof. Dr. M. überzeugend ausgeführt haben. Sie stellten nicht nur den "letzten Tropfen” dar, der den Krug zum Überlaufen brachte. Die Profes. T. und G. übersehen bzw. bewerten einzelne Umstände unzutreffend. Zwar wurde bei der letzten Betriebsratssitzung dem Zeugen H. bewußt, daß es wohl zu Schwierigkeiten im Betriebsrat kommen werde. Diese zeigten sich aber erst in erheblichem Umfang, als A. am 17. Mai 1972 nachmittags dem A. wegen der Freistellung des K. vom Lehrgang Vorhaltungen machte. Diesem Geschehen kam aber nicht die entscheidende Bedeutung im Sinne einer rechtlich wesentlich mitwirkenden Ursache zu. Der Senat folgert aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme und insbesondere aus den Bekundungen des Zeugen T., daß es weder für sich allein noch in Verbindung mit der vorangegangenen Tätigkeit des A. als Betriebsratsvorsitzender zu dessen Suicid geführt hätte, zumal mit den medizinischen Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. M. entgegen den Professoren G. und T. festzustellen ist, daß die von den Psychologen W. und B. diagnostizierte depressive Verstimmung mit affektiver Labilisierung nach deren Beratung am Abend des 17. Mai 1972 gelöst war. Es gibt nach alledem keine Anhaltspunkte dafür, daß sich A. bereits am 17. Mai 1972 in einer ausweglosen Situation sah. Er zeigte ein solches Verhalten, wie es unmittelbar vor seinem Suicid von H., A., E. und S. beobachtet worden war, vorher nicht. Im Gegenteil, er brach am Vorabend die Diskussion im Betriebsrat ab, weil er den Termin mit den Psychologen einhalten wollte. Obwohl dieser von der Klägerin zu 1) arrangiert worden war, so spricht doch auch dessen Einhaltung gegen eine weit fortgeschrittene Depression, weil A. sonst den Willen zu ihrer Beseitigung nicht mehr aufgebracht hätte. Es bestand somit eine noch intakte Ich-Fähigkeit. Hierfür spricht auch der weitere Verlauf des Abends. A. widmete sich aufgeschlossen seinem Besuch und schlief auch wieder ruhig. Auch das ist nach den unangegriffenen Angaben der Klägerin zu 1) gegenüber dem SG und bei ihrer Exploration durch Prof. Dr. M. erwiesen. Somit waren die Geschehnisse vor dem Todestag des A. nicht von wesentlicher Bedeutung für den Suicid, während diejenigen am Todestag demgegenüber ein von der Suicidhandlung nicht wegzudenkendes selbständiges Eigengewicht erlangten. Der Senat ist mit der Sachverständigen Prof. Dr. M. der Überzeugung, daß A. erst aufgrund der mit seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Betriebsrates zusammenhängenden Ereignisse an seinem Todestag mit Wahrscheinlichkeit in eine bisher nicht vorhanden gewesene, zunehmende starke depressive Verstimmung mit agitierender Note geriet, die schließlich im Sinne eines affektiven Stupors alle psychischen Funktionen hemmte und zu einem daraus abzuleitenden Zustand der Einschränkung der freien Willensbestimmung führte. Dieses aufgrund der Geschehnisse am 18. Mai 1972 eingetretene seelische Trauma war die rechtlich wesentlich mitwirkende Ursache des Suicids. A. hatte erst am Todestag erkannt, daß er sich als Betriebsratsvorsitzender nicht werde halten können, vor allem auch, weil er mit weiteren Angriffen des A. auf einer außerordentlichen Betriebsratssitzung rechnen musste. Wie der Zeuge T. bekundete, sagte ihm A., vielleicht sehe T. nicht, "was noch alles auf uns zukomme” und es scheine so gewesen zu sein, daß A. erkannt habe, A. wolle selbst Betriebsratsvorsitzender werden, was dann auch eingetreten ist, nachdem zunächst Stepp eine Zeitlang dieses Amt bekleidet hatte. Das Ausmaß der hierdurch evozierten affektiven Erregung, die bei einem zu Selbstbeschuldigungen neigenden Mann in einem depressiven Zustand nicht nach außen abgeführt, sondern nach innen genommen wird, war für A. nicht mehr regulierbar. Durch die Massivität der Ereignisse an diesem Tag erfolgte eine psychische Regression, so daß die zwanghaften Persönlichkeitsanteile ihren Einfluß verloren; denn sie stellen nach allgemeiner psychiatrischer Erfahrung einen Schutz gegen einen Suicid dar. Wie die Sachverständige Prof. Dr. M. überzeugend ausgeführt hat, werden Suicidhandlungen bei Zwangsneurotikern äußerst selten gesehen. Diese Darlegungen, die mit denen des Dr. H., einem auf dem Gebiet der Suicidbeurteilung ebenfalls erfahrenen Sachverständigen übereinstimmen, sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in sich widersprüchlich. Sie beruft sich zu Unrecht auf die Stellungnahme des sie beratenden Dr. D. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß sie in wesentlichen nur die Auffassungen der Profes. Dres. T. und G. wiedergibt. Im übrigen hat Dr. D. selbst zum Ausdruck gebracht, daß er wegen eigener Erkrankung nicht in der Lage sei, ein ausreichendes Gutachten zu erstatten. Anlaß zu Zweifeln an der Folgerichtigkeit des Gutachtens der Frau Prof. Dr. M. könnte allenfalls der letzte Absatz auf Seite 67 ergeben. Dort heißt es, daß sich "ein akutes traumatisierendes Ereignis für die Tage nach der Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden nicht finden” lasse und daß die Gesamtsituation mit Wahrscheinlichkeit der Hintergrund für die reaktive Depression des A. gewesen sei. Diese Ausführungen enthalten zum sonstigen Inhalt dieses Gutachtens jedoch keinen Widerspruch, da sie nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Der Senat geht ebenfalls davon aus, daß die Gesamtsituation, in der sich A. nach der Wahl zum Vorsitzenden des Betriebsrates befand, eine Depression gefördert hat. Hierbei handelte es sich aber lediglich um eine Bedingung. Sie allein war aber nicht die wesentliche und hätte nicht zum Suicid geführt, wie oben dargetan ist. Die weiteren Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. M. beweisen, daß auch nach ihrer Auffassung von ganz entscheidender Bedeutung für den Suicid des A. das am 18. Mai 1972, also innerhalb einer Arbeitsschicht, erlittene seelische Trauma war. Der nochmaligen Anhörung dieser Sachverständigen zur Erläuterung ihres Gutachtens vor dem Senat bedurfte es nach alledem ebenso wenig wie einer sonstigen weiteren Beweisaufnahme.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
Die Beklagte hat den Klägerinnen die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind die Ehefrau sowie minderjährigen und inzwischen handlungsfähigen Kinder des 1972 nach Suicid verstorbenen R. A. (A.). Mit der Beklagten streiten sie um die Gewährung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der im Jahre 1934 geborene A. war bei der F. Druckerei GmbH in F. seit etwa 15 Jahren als Setzer tätig sowie in den letzten 5 Jahren Mitglied des Betriebsrates und am 5. Mai 1972 zu dessen Vorsitzenden gewählt worden. Am 19. Mai 1972 zeigte die F. Druckerei GmbH der Beklagten förmlich an, daß sich A. am Vortage zwischen 13.30 und 13.45 Uhr im Betriebsratszimmer erstochen habe. Prof. Dr. G. (Institut für Rechtsmedizin der Universität F.) bestätigte, daß der Tod durch Verblutung nach einem Scherenstich eingetreten sei. Die Beklagte holte den Bericht der Psychologen W. und B. (F.) vom 6. Juni 1972 über ein Gespräch mit A. am Vorabend seines Todes ein. Danach hatte A. unter anderem angegeben, daß ihn das Amt des Betriebsratsvorsitzenden nervlich belaste und er sich im Gegensatz zu seinen früher souverän gemeisterten beruflichen Aufgaben jetzt wie gelähmt fühle. Diese Psychologen nahmen eine reaktive depressive Verstimmung mit affektiver Labilisierung an. Außerdem teilten sie mit, daß bei A. im Verlaufe des Gesprächs eine zunehmende innere Beruhigung mit deutlicher Lösung der eingangs bestandenen labilen psychischen Verfassung eingetreten sei. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Suicid geplant gewesen sei. Er könne nur als Kurzschlußreaktion einer labilen Persönlichkeit verstanden werden. Ferner zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main (70 Js 320/72) bei. Nach den in dem dortigen Ermittlungsverfahren gemachten Angaben des ebenfalls zum Betriebsrat gehörenden A. war A. mit dem büromäßigen Arbeitsanfall bzw. dem "Papierwust” als Betriebsratsvorsitzender nicht fertig geworden. Außerdem gab es wegen eines Beschlusses des Betriebsrates vom 16. Mai 1972 Meinungsverschiedenheiten.
Hierauf lehnte die Beklagte ohne weitere Sachaufklärung mit dem an die Klägerin zu 1) zugleich als gesetzliche Vertreterin der Klägerinnen zu 2) und 3) gerichteten Bescheid vom 6. Juni 1972 die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung ab, da es sich bei dem Suicid des A. nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe; wesentliche Ursache hierfür sei dessen psychische Labilität, die zu einer Depression geführt habe, gewesen.
Gegen diesen am 7. Juli 1972 mittels eingeschriebenen Briefes an sie abgesandten Bescheid haben die Klägerinnen bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main – SG – am 25. Juli 1972 Klage erhoben. Das SG hat zunächst das Verzeichnis der AOK F. über Vorerkrankungen des A. beigezogen und als Zeugen den früheren Gewerkschaftssekretär H. die damaligen Betriebsratsmitglieder S. und A., die Sekretärin des Betriebsrates E. und den Gewerkschaftssekretär T. als Zeugen sowie die Klägerin zu 1) persönlich gehört. Danach wurden im Betriebsrat – insbesondere am Todestag des A. – u.a. zwischen ihm und A. erhebliche Meinungsverschiedenheiten ausgetragen. Auf diese Bekundungen und Angaben wird Bezug genommen. Sodann hat das SG das nervenfachärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. (F.) vom 1. November 1973 eingeholt, das von ihm am 8. Februar 1974 erläutert worden ist. Danach führte eine schwere reaktive depressive Verstimmung zum Suicid des A. Deren Ursachen seien einerseits die persönliche Eigenart und ein bestimmter Grad an "Unvermögen” des A. sowie andererseits massive Auseinandersetzungen im Betriebsrat und persönliche Angriffe des A. gegen A. am Todestag gewesen, die nach einer vorübergehenden Beruhigung der Depression am Vorabend diese wieder verstärkt und massiv in Erscheinung hatten treten lassen. Ihnen komme daher die überwiegende Bedeutung zu; zumindest seien sie aber als gleichwertige Bedingung für die zum Tode führende Depression anzusehen. Nachdem die Beklagte zwei gutachtliche Stellungnahmen des Prof. Dr. G. (Neuropsychiatrische Universitätsklinik M.) vom 12. Dezember 1973 und 15. Januar 1974, in denen die Ereignisse am 18. Mai 1972 nur als unbedeutende Gelegenheitsursache berechnet worden sind, vorgelegt hatte, hat das SG mit Urteil vom 8. Februar 1974 die Klage abgewiesen. Es sei nicht erweislich, daß die Auseinandersetzungen im Betriebsrat am Todestag eine wesentliche Ursache für den Suicid, des A. gewesen seien. Es müsse vielmehr daran gedacht werden, daß diese lediglich das Ende einer mit der Wahl des A. zum Betriebsratsvorsitzenden eingeleiteten Entwicklung dargestellt hätten. Diese folgen der objektiven Beweislosigkeit gingen aber zu Lasten der Klägerinnen.
Gegen dieses ihnen am 25. Februar 1974 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen bei dem Hessischen Landessozialgericht am 5. März 1974 schriftlich Berufung eingelegt.
Es ist im Berufungsverfahren der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden. Zunächst sind die Zeugen T., S. und A. ergänzend vernommen worden. Auf deren Bekundungen wird ebenfalls Bezug genommen.
Nachdem die Beklagte erneut eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. G. vom 22. Dezember 1975 vorgelegt hatte, in der darauf hingewiesen ist, daß die neuerliche Zeugenvernehmung keine andere Beurteilung rechtfertige, ist von Amts wegen ein Gutachten des Prof. Dr. Dr. T. (Psychiatrische Universitätsklinik H.) vom 29. April 1977 eingeholt worden. In ihm wurde die Auffassung vertreten, daß A. ein Melancholiker gewesen sei, der seine Aufgaben als Betriebsratsvorsitzender nicht ausreichend habe bewältigen können. Die entscheidenden Gründe für den brutalen Suicid seien ausschließlich in dessen Persönlichkeit zu suchen, was der Sachverständige Dr. H. verkannt habe.
Außerdem ist auf Antrag der Klägerinnen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. M. (S. Institut F.) vom 17. April 1978 eingeholt worden. Es habe sich bei A. nach seiner Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden eine reaktive Depression entwickelt, deren Beginn sich nicht genau festlegen lasse, jedenfalls nicht eine endogene Depression im Sinne einer psychotischen Melancholie. Trotz der sich entwickelnden Depression habe A. über ein hohes Maß an Ich-Leistung verfügt. So habe er die Sitzungen des Betriebsrates vom 12. und 16. Mai 1972 geleitet. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß er trotz der Einarbeitungsschwierigkeiten und unter Abwägung persönlichkeitseigener und situativer Momente diese seelische Störung nicht überwunden hätte, wäre nicht ein neues Moment hinzugekommen, nämlich die Rivalität des A. und dessen Verhalten am 17. und 18. Mai 1972. Die Anlage des A. sei nicht so leicht ansprechbar gewesen, daß sie gegenüber den psychischen Auswirkungen eines Unfallereignisses als die allein rechtlich wesentliche Ursache anzusehen sei. Nach dem Bericht der Psychologen W. und B. sowie den Angaben der Klägerin zu 1) müsse davon ausgegangen werden, daß A. die am 17. Mai 1972 erlittene Kränkung durch A. abends überwunden gehabt habe. Es habe sich um eine echte Befindensänderung und nicht nur um Schwankungen gehandelt, wie sie bei Melancholikern beobachtet würden. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Psychologen A. unrichtig beurteilt hätten, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. T. annehme. Entscheidend sei, daß der am Vortage gegen A. erhobene Vorwurf nach einer Lösung der Depression am Todestag erneuert worden sei und zu einer neuen seelischen Störung geführt habe. Insoweit lägen, wie auch Dr. H. ausgeführt habe, deutlich abgrenzbare traumatisierende Vorgänge vor.
Die Klägerinnen berufen sich auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. M. und beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 1974 sowie den Bescheid vom 6. Juli 1972 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie stützt sich auf die Gutachten der Profes. Dres. G. und T. und eine Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. (K.) vom 23. Mai 1978. Auch dieser Arzt vertrete die Auffassung, daß es sich bei den Ereignissen am 18. Mai 1972 lediglich um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streit- sowie Strafakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) ist statthaft, da im Berufungsverfahren lediglich der Berufung uneingeschränkt fähige wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als dreizehn Wochen, nämlich laufende Hinterbliebenenrenten, streitig sind (§§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG i.V.m. §§ 589 Abs. 1 Nr. 3, 590, 595 Reichsversicherungsordnung – RVO), und daher insgesamt zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil ist aufzuheben, da das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerinnen haben Anspruch auf Hinterbliebenenrenten, da der Tod des A. durch einen Arbeitsunfall eingetreten ist (§§ 548, 589 Abs. 1, 590, 595 RVO).
Hierzu stellt der Senat aufgrund der Ermittlungen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, der Beklagten sowie in beiden Rechtszügen fest: A. war seit 1956 bei der F. Druckerei GmbH als Setzer tätig und dort allgemein anerkannt und geschätzt. In den letzten 5 Jahren vor seinem Tod gehörte er dem Betriebsrat an und wurde am 5. Mai 1972 zu dessen Vorsitzenden bestellt sowie von der Arbeit freigestellt. Er löste den langjährigen Vorsitzenden K. ab, der freigestelltes Betriebsratsmitglied blieb. Weitere freigestellte Betriebsratsmitglieder waren die Zeugen S. und A. Nach deren Aussagen und denen des damaligen Gewerkschaftssekretärs H. hatten sich zwei im Betriebsrat rivalisierende Gruppierungen, deren Exponenten einerseits der Zeuge A. und andererseits die Zeugen S. und K. waren, auf A. als Kompromißkandidaten geeinigt. Die Situation, in der sich A. nach der Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden befand, ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen T., der A. aus der gemeinsamen Gewerkschaftsarbeit kannte. Danach versuchte A. den A. auf seine Seite zu ziehen, um zunächst zu erreichen, daß der frühere Betriebsratsvorsitzende K. gemaßregelt und nicht mehr von der Arbeit freigestellt werde. Auch sollte dieser das von ihm noch innegehabte Einzelzimmer aufgeben. Da sich A. dem widersetzte, geriet er in einen Konflikt mit A. der ihm vorwarf, wenn er nicht standhaft sei, könne man von ihm auch nicht erwarten, daß er sich für die Kollegen einsetze. Die Stellung des A. als Betriebsratsvorsitzender wurde noch durch folgende Ereignisse beeinträchtigt: Der Betriebsrat hatte nach zwei am 12. und 16. Mai 1972 von A. geleiteten Sitzungen beschlossen, daß auch K. zu einem Lehrgang der IG Druck und Papier wegen des neuen Betriebsverfassungsgesetzes fahren sollte. Davon befreite ihn A., was er der Unternehmensleitung und H. schriftlich mitteilte, der sich hierfür ebenfalls eingesetzt hatte. Als A. davon am Nachmittag des 17. Mai 1972 erfuhr, versuchte er, dem Beschluss des Betriebsrates Geltung zu verschaffen, wobei er A. Mißachtung dieses Gremiums vorwarf und sich dafür aussprach, über die Teilnahme des K. eine neue Betriebsratsentscheidung herbeizuführen. Die Diskussionen hierüber dauerten bis gegen 20.00 Uhr. Auf dem Heimweg traf A. den Zeugen T., dem er erklärte, der nächste Tag werde für ihn wohl entscheidend sein. Wenn es A. gelinge, K. zu "chassen”, so werde über kurz oder lang auch sein Kopf zur Debatte stehen, denn dann sei A. nicht mehr auf ihn angewiesen. Von den anderen Betriebsratsmitgliedern könne er keine Unterstützung erwarten, da A. diesen weit überlegen sei. Der Zeuge T. bekundete weiter, A. würde seine Abwahl als Vertrauensverlust nur schmerzlich verwunden haben, da er sehr ehrgeizig und in Betriebsangelegenheiten engagiert gewesen sei. A. begab sich dann am Vorabend seines Todes auf die Initiative seiner Ehefrau zu den Psychologen W. und B. die nach einem Gespräch mit ihm zu dem Ergebnis kamen, es habe eine reaktive, depressive Verstimmung mit Labilisierung bestanden. Durch das Gespräch sei eine zunehmende innere Beruhigung mit deutlicher Lösung der vorhanden gewesenen labilen psychischen Verfassung eingetreten. Es gab für sie keinen Anhalt dafür, daß A. einen Suicid plante. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin zu 1) wirkte A. anschließend zu Hause gelöst und widmete sich bis gegen 1.00 Uhr freundlich einer Besucherin, schlief in dieser Nacht auch besser als zuvor und zeigte keinen veränderten Eindruck, als er morgens in den Betrieb ging.
Dort begann A., der am Vorabend noch versucht hatte, A. telefonisch in dessen Wohnung zu erreichen, mit ihm sofort heftige Erörterungen wegen der von A. veranlassten Freistellung des K. von dem Lehrgang und legte im Laufe des Morgens einen handschriftlich formulierten Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Betriebsratssitzung vor, den er zerknüllte, nachdem er Zeuge eines in seiner Gegenwart zwischen S. und H. geführten Telefongesprächs war und dabei erfahren hatte, daß die Freistellung des K. vom Lehrgang im wesentlichen auf den Einfluß des H. zurückzuführen war. A. sah daher keinen Sinn mehr in seinem Antrag, hielt A. nach der Bekundung des Zeugen S. aber weiterhin ständig dessen Verfehlung vor und erklärte, er beabsichtige, den Betriebsrat noch mit dieser Angelegenheit zu befassen, da es für ihn eine prinzipielle Angelegenheit sei, ob ein Betriebsratsbeschluß auch dessen Vorsitzenden binde. Sinngemäß erklärte er, A. habe den Betriebsrat bewußt hintergangen. Der Zeuge A. hat dies im wesentlichen bestätigt und bekundet, A. sei am Morgen seines Todestages äußerst nervös gewesen und habe sich "in der Klemme” gefühlt. Nach der Bekundung des Zeugen S. war A. sehr erregt "und ging fast ununterbrochen in seinem Zimmer auf und ab oder legte Schriftstücke von einer Seite seines Schreibtisches auf die andere. Ferner sagte der Zeuge H. aus, durch sein Telefongespräch mit S. habe er erreicht, daß A. seinen schriftlichen Antrag auf Einberufung des Betriebsrates zerriss. A. sei darüber bestürzt gewesen, daß ihm das nicht selbst gelungen sei. Dies habe er bei einem anschließenden Telefongespräch mit A. festgestellt. Außerdem habe er dabei auch erfahren, daß sich A. Vorwürfe machte, weil ein bestimmter Änderungsvertrag, der eine Abteilung betraf, dessen besonderes Vertrauen er genoß, von der Geschäftsleitung nicht unterschrieben worden war. Als alle, außer A., das Büro des Betriebsrates verließen, um das Mittagessen einzunehmen, machte er auf sie einen abwesenden sowie gedrückten Eindruck und erklärte, er wolle im Büro bleiben. S. und A. kehrten früher als üblich vom Mittagessen zurück, weil sie in Unruhe waren, und fanden A. in den von innen verschlossenen Betriebsratsräumen tot auf. Aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und der Unfallanzeige geht hervor, daß sich A. eine Büroschere etwa 4 cm unterhalb der linken Brustwarze in den Brustkorb gestoßen hatte. Nach dem Bericht des Prof. Dr. G. vom 9. Juni 1972 ist aufgrund der vorgenommenen Obduktion eine Verblutung nach Öffnung der Hauptschlagader infolge der Scherenstichverletzung eingetreten. Eine fremde Gewalteinwirkung oder ein Unglücksfall wurden ausgeschlossen. Von diesem sich aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ergebenden Sachverhalt gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
Obwohl A. im Zeitpunkt seines Todes und davor keine betriebliche Beschäftigung im engeren Sinn verrichtete, stand er doch als Mitglied des Betriebsrates unter Versicherungsschutz, weil ein rechtlich wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen dieser Beschäftigung und der Betriebsratstätigkeit bestand. Ein Betriebsratsmitglied ist nämlich in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Tätigkeiten versichert, die der Regelung innerbetrieblicher Belange dienen oder die zumindest einen unmittelbaren Bezug zum Betrieb oder dem Aufgabenbereich des Betriebsrates haben, wie das BSG in seinem Urteil vom 20. Mai 1976 (8 RU 76/75 in E 42, 36) zutreffend ausgeführt hat. A. war in den letzten Stunden vor seinem Tod ausschließlich als Vorsitzender des Betriebsrates in den von seiner Arbeitgeberin dafür zur Verfügung gestellten Räumen tätig, und zwar auch in der Zeit, als die anderen Betriebsratsmitglieder zum Mittagessen gegangen waren, weil er dafür sorgte, daß in den Räumen des Betriebsrates jemand anwesend war, was der allgemeinen Übung entsprach, wie die Zeugin E. bekundet hat.
Grundsätzlich ist beim Suicid die Anerkennung eines Arbeitsunfalls zwar ausgeschlossen (§ 553 RVO). Hiervon sind in Schrifttum und Rechtsprechung Ausnahmen gemacht worden, wenn sich der Versicherte im Zeitpunkt des Suicids infolge der Auswirkung von Unfallfolgen in einem Zustand der wesentlichen Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Willensbildung befand (vgl. BSG, Urteile vom 18.12.1962 – 2 RU 74/57 – in E 18, 163 = NJW 1963, 1691 mit Anmerkung von Witter; 29.5.1964 – 2 RU 96/59; 29.4.1964 – 2 RU 215/60; 24.2.1967 – 2 RU 114/65; Hess. LSG, Urteil vom 18.2.1976 – L 3/U – 1154/72). Ein solches körperlich schädigendes Ereignis hatte A. zwar nicht erlitten. Indessen ist dies keine unabdingbare Voraussetzung für die Anerkennung eines Suicids als Arbeitsunfall. Es reicht vielmehr aus, wenn der Versicherte durch ein äußeres qualifiziertes psychisches und betriebsbedingtes Trauma in einen Zustand der wesentlichen Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Willensbildung gerät und dadurch einen Suicid begeht. Wie das BSG in seinem Urteil vom 18. Dezember 1962 – 2 RU 74/57 – zutreffend ausgeführt hat, darf die Prüfung, welche Ursachen für den Suicid rechtlich als wesentlich anzusehen sind, nicht auf Geschehensabläufe beschränkt werden, die sich auf körperlich-organischem Gebiet abgespielt haben, vielmehr sind auch Vorgänge im Bereich des Psychischen und Geistigen hinsichtlich ihrer rechtlichen Bedeutung zu würdigen (vgl. hierzu BSGE 1, 150, 156; BGHZ 20, 137). Ein solches Trauma kann auch vorliegen, wenn besondere betriebsbedingte äußere Umstände, z.B. schwere betriebliche Auseinandersetzungen, bei dem Versicherten zu einem Schock bzw. einer reaktiven Depression mit der Vorstellung führen, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 6.11.1974 – L 3/U – 476/73 – unter Hinweis auf Schönberger in DVZ 1966, 33 ff.; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: März 1978, Bd. II, S. 479 b und 489 g ff.; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 7 Nr. 2 zu § 553 RVO mit jeweils weiteren Nachweisen; Bayr. LSG, Urteil vom 19.7.1968 – L 2/U – 170/65 – in Breithaupt 1969, 475). Im Falle der kausalen Konkurrenz einer äußeren Einwirkung mit einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage ist der Kausalzusammenhang zu bejahen, wenn beide Umstände in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind (BSGE 15; 176; Lauterbach a.a.O., Anm. 8 zu § 548 RVO). Ist die zum Suicid führende psychische Beeinträchtigung nur bei Gelegenheit einer versicherten Tätigkeit hervorgetreten und wäre sie nach menschlichem Ermessen auch bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlaß außerhalb dieser Tätigkeit oder ohne besonderen Anlaß im Ablauf des täglichen Lebens zum Ausbruch gekommen, so handelt es sich nur um eine Gelegenheitsursache, bei der es an dem notwendigen Ursachenzusammenhang fehlt. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob die äußere Einwirkung nur geringfügig oder erheblich war (vgl. BSG BG 1961, 222; Nr. 47 zu § 542 RVO a.F.; Urteil vom 30.10.1974 – 2 RU 50/74; Lauterbach, a.a.O., Anm. 10 zu § 548 RVO; Brackmann, a.a.O., S. 480 k II und 488 k ff.). Andererseits sind psychische Reaktionen des Versicherten als Ursache des Suicids rechtlich noch nicht deshalb unwesentlich, weil sie eine entsprechende psychische Anlage voraussetzen. Auch darf bei der rechtlichen Wertung nicht von vornherein nur darauf abgestellt werden, wie ein normaler Verletzter reagiert hätte. Vielmehr müssen auch bei einer solchen rechtlichen Wertung grundsätzlich die gleichen Erwägungen Platz greifen, die von Bedeutung sind, wenn bei einem Verletzten infolge einer körperlichen Anlage eine geringere Widerstandsfähigkeit besteht, oder vor dem Unfall ein Leiden in der Anlage oder in fortgeschrittener Entwicklung vorhanden war, das erst durch Auswirkungen das Unfalls in Erscheinung tritt oder sich verschlimmert. Auch bei psychischen Reaktionen kann der Anlage nicht in jedem Fall von vornherein eine so überragende Bedeutung zugemessen werden, daß sie rechtlich die allein wesentliche Ursache ist. Vielmehr bedarf es der Prüfung, ob die betriebsbedingte Beeinträchtigung des psychischen Zustandes ihrer Eigenart und Stärke nach unersetzlich, d.h., z.B. nicht mit anderen alltäglich vorkommenden Ereignissen austauschbar ist, und ob die Anlage so leicht ansprechbar war, daß sie die rechtlich allein wesentliche Ursache ist. Hierüber wird die Schwere der psychischen Beeinträchtigung vielfach gewisse Anhaltspunkte geben können. Weiterhin ist von Bedeutung, ob lediglich eine völlig latente Anlage bestand oder ob diese sich bereits in Symptomen manifestiert hatte, deren Entwicklung durch die betriebsbedingte Einwirkung dauernd oder nur vorübergehend beeinflußt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1962 – 2 RU 189/59 Martineck in Breithaupt 1950, 1133, 1137).
Hierzu stellt der Senat aufgrund des Beweisergebnisses fest, daß bei A. keine leicht ansprechbare Anlage für eine schwere reaktive depressive Verstimmung bestand. Zunächst ergibt sich aufgrund des Vorerkrankungsverzeichnisses der AOK F., den Angaben der persönlich gehörten Klägerin zu 1) sowie den Bekundungen des Zeugen T., daß A. bisher nicht in entsprechender Art und Weise bereits auffällig und behandlungsbedürftig gewesen war. Entgegen der Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T. war er auch kein "Melancholiker”, d.h., er litt nicht unter einer endogenen Depression im Sinne einer psychotischen Melancholie. Das hat die Sachverständige Prof. Dr. M. nach der Exploration der Klägerin zu 1) und den sonst vorliegenden Ermittlungsergebnissen zur Überzeugung des Senats zutreffend ausgeführt. Danach ist es zwar richtig, daß die Persönlichkeit des A. von Wesensmerkmalen wie ruhig und ausgeglichen, gründlich, pflichtbewußt, skrupulös, allen gerecht werdend, introvertiert und ähnlichem geprägt war, wie sie auch bei Melancholikern beobachtet werden. Dem stehen aber Verhaltensweisen gegenüber, die wichtigen Zügen des typus melancholicus nicht entsprechen. A. entwickelte bei aller Ernsthaftigkeit im Wesen Humor, Fröhlichkeit, Gemütlichkeit, kollegialen Umgang und schnelles Reagieren auf Herausforderungen. Er vermochte zum Erstaunen aller aus seinem gewohnten Verhalten hinauszuschlüpfen, scheute aber auch nicht Auseinandersetzungen, z.B. der Klägerin zu 1) gegenüber. Er zeigte dabei die Fähigkeit des Sich-Zusammenraufens. Dem hat die Beklagte auch nicht widersprochen. Daraus folgt, das A. entgegen der Auffassung des Prof. Dr. Dr. T. durchaus die nötige Rollendistanz zur Aufgabe eines Betriebsratsvorsitzenden besaß und über ein starkes Maß an Ich-Fähigkeiten verfügte. Prof. Dr. Dr. T. hat übersehen, daß es sich bei der Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden nicht um eine "Beförderung” handelte. Es ist ferner unzutreffend, daß A. für dieses Amt nicht befähigt gewesen sein soll, wenn auch gewisse Anfangs- und Umstellungsschwierigkeiten bestanden. Der Entschluß, sich in einem großen Industriebetrieb zur Betriebsratswahl zu stellen, bedeutet Mut zur Konfrontation. Sie verlangt bereits als solche eine bedeutende Ich-Fähigkeit. Daß A. hierüber verfügte, beweist auch seine Wiederwahl und letztlich die Bestellung zum Betriebsratsvorsitzenden, mag es sich dabei auch "nur” um eine Kompromisslösung gehandelt haben. Er war jedenfalls befähigt, Entscheidungen zu treffen, wie sich z.B. in bezug auf K. zeigten. Das hat Frau Prof. Dr. M. überzeugend nachgewiesen. Auch Prof. Dr. G. und Dr. H. haben A. zu Recht nicht als typus melancholicus eingeordnet. Dafür, daß er nicht diesem Typ angehörte, spricht auch die Brutalität, mit welcher der Suicid ausgeführt wurde, wie Dr. H. überzeugend ausgeführt hat. Es handelte sich bei A. vielmehr um eine depressiv-zwanghaft strukturierte Persönlichkeit. Dieses Charakterbild allein rechtfertigt aber nicht die Annahme, daß es die rechtlich allein wesentliche Ursache für die Suicidhandlung darstellte. Der Ablauf des Gesamtgeschehens seit der Bestellung des A. zum Betriebsratsvorsitzenden am 5. Mai 1972 ist weder von den Professoren G. und T. noch von Dr. D. ausreichend differenziert beurteilt worden. Prof. Dr. Dr. T. konnte zu einer solchen notwendigen Differenzierung nicht gelangen, da er ein Anhänger der sog. Melancholielehre ist, wie Prof. Dr. M. nachgewiesen hat. Nur aufgrund dieser seiner Betrachtungsweise ist es erklärlich, daß er die Diagnose der Psychologen W. und B. über eine Lösung der reaktiv-depressiven Verstimmung mit affektiver Labilisierung nach deren Beratung am 17. Mai 1972 anzweifelt und dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen dessen Vortrag als unrechtmäßig bzw. unfaßbar vorhält, A. sei von A. in den Tod getrieben worden und würde heute ohne dessen Verhalten noch leben. Diese Ausführungen zum Vorbringen der Klägerinnen, die in dem Vorwurf gipfeln, A. sei als potentieller Mörder bezeichnet worden, entsprechen nicht einer unparteiischen gutachtlichen Beurteilung (§ 118 Abs. 2 SGG i.V.m. § 410 Abs. 1 ZPO) und lassen die notwendige Abwägung der verschiedenen Bedingungen in ihrer Wertigkeit zueinander vermissen. Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ist es für den erkennenden Senat erwiesen, daß die oben festgestellten Ereignisse am Todestag des A. jedenfalls, eine wesentliche Mitursache im Rechtssinne für den Suicid waren, wie Dr. H. und Prof. Dr. M. überzeugend ausgeführt haben. Sie stellten nicht nur den "letzten Tropfen” dar, der den Krug zum Überlaufen brachte. Die Profes. T. und G. übersehen bzw. bewerten einzelne Umstände unzutreffend. Zwar wurde bei der letzten Betriebsratssitzung dem Zeugen H. bewußt, daß es wohl zu Schwierigkeiten im Betriebsrat kommen werde. Diese zeigten sich aber erst in erheblichem Umfang, als A. am 17. Mai 1972 nachmittags dem A. wegen der Freistellung des K. vom Lehrgang Vorhaltungen machte. Diesem Geschehen kam aber nicht die entscheidende Bedeutung im Sinne einer rechtlich wesentlich mitwirkenden Ursache zu. Der Senat folgert aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme und insbesondere aus den Bekundungen des Zeugen T., daß es weder für sich allein noch in Verbindung mit der vorangegangenen Tätigkeit des A. als Betriebsratsvorsitzender zu dessen Suicid geführt hätte, zumal mit den medizinischen Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. M. entgegen den Professoren G. und T. festzustellen ist, daß die von den Psychologen W. und B. diagnostizierte depressive Verstimmung mit affektiver Labilisierung nach deren Beratung am Abend des 17. Mai 1972 gelöst war. Es gibt nach alledem keine Anhaltspunkte dafür, daß sich A. bereits am 17. Mai 1972 in einer ausweglosen Situation sah. Er zeigte ein solches Verhalten, wie es unmittelbar vor seinem Suicid von H., A., E. und S. beobachtet worden war, vorher nicht. Im Gegenteil, er brach am Vorabend die Diskussion im Betriebsrat ab, weil er den Termin mit den Psychologen einhalten wollte. Obwohl dieser von der Klägerin zu 1) arrangiert worden war, so spricht doch auch dessen Einhaltung gegen eine weit fortgeschrittene Depression, weil A. sonst den Willen zu ihrer Beseitigung nicht mehr aufgebracht hätte. Es bestand somit eine noch intakte Ich-Fähigkeit. Hierfür spricht auch der weitere Verlauf des Abends. A. widmete sich aufgeschlossen seinem Besuch und schlief auch wieder ruhig. Auch das ist nach den unangegriffenen Angaben der Klägerin zu 1) gegenüber dem SG und bei ihrer Exploration durch Prof. Dr. M. erwiesen. Somit waren die Geschehnisse vor dem Todestag des A. nicht von wesentlicher Bedeutung für den Suicid, während diejenigen am Todestag demgegenüber ein von der Suicidhandlung nicht wegzudenkendes selbständiges Eigengewicht erlangten. Der Senat ist mit der Sachverständigen Prof. Dr. M. der Überzeugung, daß A. erst aufgrund der mit seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Betriebsrates zusammenhängenden Ereignisse an seinem Todestag mit Wahrscheinlichkeit in eine bisher nicht vorhanden gewesene, zunehmende starke depressive Verstimmung mit agitierender Note geriet, die schließlich im Sinne eines affektiven Stupors alle psychischen Funktionen hemmte und zu einem daraus abzuleitenden Zustand der Einschränkung der freien Willensbestimmung führte. Dieses aufgrund der Geschehnisse am 18. Mai 1972 eingetretene seelische Trauma war die rechtlich wesentlich mitwirkende Ursache des Suicids. A. hatte erst am Todestag erkannt, daß er sich als Betriebsratsvorsitzender nicht werde halten können, vor allem auch, weil er mit weiteren Angriffen des A. auf einer außerordentlichen Betriebsratssitzung rechnen musste. Wie der Zeuge T. bekundete, sagte ihm A., vielleicht sehe T. nicht, "was noch alles auf uns zukomme” und es scheine so gewesen zu sein, daß A. erkannt habe, A. wolle selbst Betriebsratsvorsitzender werden, was dann auch eingetreten ist, nachdem zunächst Stepp eine Zeitlang dieses Amt bekleidet hatte. Das Ausmaß der hierdurch evozierten affektiven Erregung, die bei einem zu Selbstbeschuldigungen neigenden Mann in einem depressiven Zustand nicht nach außen abgeführt, sondern nach innen genommen wird, war für A. nicht mehr regulierbar. Durch die Massivität der Ereignisse an diesem Tag erfolgte eine psychische Regression, so daß die zwanghaften Persönlichkeitsanteile ihren Einfluß verloren; denn sie stellen nach allgemeiner psychiatrischer Erfahrung einen Schutz gegen einen Suicid dar. Wie die Sachverständige Prof. Dr. M. überzeugend ausgeführt hat, werden Suicidhandlungen bei Zwangsneurotikern äußerst selten gesehen. Diese Darlegungen, die mit denen des Dr. H., einem auf dem Gebiet der Suicidbeurteilung ebenfalls erfahrenen Sachverständigen übereinstimmen, sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in sich widersprüchlich. Sie beruft sich zu Unrecht auf die Stellungnahme des sie beratenden Dr. D. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß sie in wesentlichen nur die Auffassungen der Profes. Dres. T. und G. wiedergibt. Im übrigen hat Dr. D. selbst zum Ausdruck gebracht, daß er wegen eigener Erkrankung nicht in der Lage sei, ein ausreichendes Gutachten zu erstatten. Anlaß zu Zweifeln an der Folgerichtigkeit des Gutachtens der Frau Prof. Dr. M. könnte allenfalls der letzte Absatz auf Seite 67 ergeben. Dort heißt es, daß sich "ein akutes traumatisierendes Ereignis für die Tage nach der Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden nicht finden” lasse und daß die Gesamtsituation mit Wahrscheinlichkeit der Hintergrund für die reaktive Depression des A. gewesen sei. Diese Ausführungen enthalten zum sonstigen Inhalt dieses Gutachtens jedoch keinen Widerspruch, da sie nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Der Senat geht ebenfalls davon aus, daß die Gesamtsituation, in der sich A. nach der Wahl zum Vorsitzenden des Betriebsrates befand, eine Depression gefördert hat. Hierbei handelte es sich aber lediglich um eine Bedingung. Sie allein war aber nicht die wesentliche und hätte nicht zum Suicid geführt, wie oben dargetan ist. Die weiteren Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. M. beweisen, daß auch nach ihrer Auffassung von ganz entscheidender Bedeutung für den Suicid des A. das am 18. Mai 1972, also innerhalb einer Arbeitsschicht, erlittene seelische Trauma war. Der nochmaligen Anhörung dieser Sachverständigen zur Erläuterung ihres Gutachtens vor dem Senat bedurfte es nach alledem ebenso wenig wie einer sonstigen weiteren Beweisaufnahme.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
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