Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6/8 U 29/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 169/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 28. September 2004 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das Ereignis vom 14. Juli 2003 ein Arbeitsunfall ist.
Der 1951 geborene Kläger ist als Maler bei der Deutschen Bahn AG beschäftigt. Nach seiner Unfallschilderung vom 23. Dezember 2003 gegenüber der Krankenversi-cherung und der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 22. Juli 2003 habe er am 14. Juli 2003 gegen 8.30 Uhr Farbarbeiten an einem Netzfahrzeug ausgeführt. Bei dem ge-waltsamen Versuch, einen zum Fahrzeug gehörenden schwergängigen Containerdeckel ohne Hilfsmittel zu öffnen, habe er große Kraft anwenden müssen. Dabei habe er sich überanstrengt, sodass im rechten Oberarm die Bizepssehne gerissen sei.
Gegen 17.50 Uhr des Unfalltags traf der Kläger beim Durchgangsarzt und Facharzt für Unfallchirurgie Dr. Sch. ein, der nach einer Sonographie einen Abriss der langen Bizepssehne rechts und einen intakten Sehenansatz des Ellenbogens diagnostizierte. Dr. Sch. gab in seinem Bericht an, ein Arbeitsunfall im Sinne der Definition habe nicht vorgelegen.
Mit Bescheid vom 7. August 2003 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 14. Juli 2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Sie führte zur Begründung aus, es habe kein als Arbeitsunfall anzuerkennendes Ereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegen. Es sei von seinem Hergangsablauf nicht geeignet gewesen, den geltend gemachten Schaden ursächlich herbeizuführen. Das geschilderte Ereignis sei nur eine rechtsunerhebliche Gelegenheitsursache für das klinische Wirksamwerden einer unfall-fremden Krankheitserscheinung.
Am 25. August 2003 erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei gemeinsam mit seinem Hausarzt Dr. J. der Ansicht, dass seine jetzigen Schmerzen im Oberarm- und Unterarmbereich bzw. im Schulterbereich auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Er habe zuvor dort keine Schmerzen gehabt. Der Containerdeckel habe ein Ge-wicht von ca. 75 kg bis 90 kg gehabt; dadurch sei die Verletzung entstanden. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 19. September 2003 mit, das Anheben von schweren Gewichten und willentliche Armbelastungen seien keine unfallbedingten Ab-läufe. Der zeitliche Zusammenhang zum Auftreten der Schmerzsymptomatik begründe keinen Unfallzusammenhang. Auch die Schmerzfreiheit vor dem Unfallereignis sei kein Argument für einen traumatischen Gewebsschaden, denn Degenerationsprozesse ver-liefen typischerweise "stumm". Mit Schreiben vom 9. Oktober 2003 trug der Kläger er-gänzend vor, eine durchgeführte Magnetresonanztomografie (MRT) habe einen plötzli-chen Abriss der Sehne nachgewiesen. Zudem legte er ein Schreiben von Dr. J. bei. Dieser hatte ihm mitgeteilt, bei einer außergewöhnlich schweren Arbeit sei es zu einem akuten Schmerz mit Bewegungseinschränkungen des rechten Oberarms gekommen. Die Anamnese habe keine Erkrankung, keinen Unfall oder außergewöhnliche Belas-tungen gezeigt, die zu einer Schädigung des rechten Arms hätten führen können. Der Kläger sei ihm ca. 20 Jahre bekannt. Daher gehe er von einem akuten Arbeitsunfall aus.
Die Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie M. ein. Diese berichtete unter dem 2. März 2004 von einer Behandlung des Klägers seit dem 16. Juli 2003 und diagnostizierte eine Ruptur des langen Bizepskopfes der Bizepssehne rechts. In Anlage befand sich die Epikrise des Johanniter-Krankenhauses St. vom 21. November 2003, in der über die Titanfadenanker-Refixierung der Bizepssehne be-richtet wird.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte zur Begründung aus, es habe keine überraschende Einwir-kung auf das Muskel-Sehnen-System und auch keine direkte Krafteinwirkung (Schlag, Quetschung) stattgefunden. Die lange Bizepssehne sei bis 300 kp belastbar. Infolge degenerativer Veränderungen nehme die Zugfestigkeit der Sehne ab. Degenerative Sehnenveränderungen verliefen in aller Regel klinisch stumm, verursachten keine Be-schwerden und führten zu keinen Funktionseinbußen. Der Hergangsmechanismus sowie die vorgefundenen Gesundheitsschäden sprächen in der Gesamtheit gegen den ursächlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis.
Am 28. April 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Stendal Klage erhoben und die Anerkennung des Abrisses der Bizepssehne als Arbeitsunfall weiterverfolgt. Er hat die Ansicht vertreten, bei ihm liege kein altersbedingter Verschleiß vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2004 hat das Sozialgericht die Klage abge-wiesen. Es hat ausgeführt, dass das Ereignis vom 4. Juli 2003 (richtig 14. Juli 2003) kein Arbeitsunfall gewesen sei, ergebe sich aus dem Bericht von Dr. Sch ... Dieser habe den Kläger untersucht und verfüge auf dem Gebiet des Unfallversicherungsrechts über hervorragende Kenntnisse. Sein Bericht sei schlüssig und nachvollziehbar. Diese Ansicht stehe auch in Übereinstimmung mit der aktuellen unfallmedizinischen Literatur. Danach sei es notwendig, dass neben dem Anheben von schweren Gewichten ein zusätzliches Ereignis einwirkt habe. Dies sei hier nicht der Fall. Begleitverletzungen anderer Weichteilstrukturen lägen nicht vor, sodass der alleinige Sehnenriss ohne pri-märe Muskelruptur gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls spreche.
Gegen den am 21. Oktober 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. November 2004 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, er habe sofort nach dem Unfallereignis aufgehört zu arbeiten. Zur Unterstützung seines Vortrags hat er eine weitere Stellungnahme des Dr. J. vom 2. März 2005 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 28. September 2004 so-wie den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 1. April 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Abriss der langen Bizepssehne rechts am 14. Juli 2003 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 28. September 2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, nach geltender medizinischer Lehrmeinung liege die Zug- und Hebefestigkeit der Bizepssehne über der Kraftbildungsfähigkeit des Mus-kels. Die Last wirke zunächst auf den Muskel, sodass eine Überlastung der Sehne nicht erfolge. Reiße dennoch bei einer willentlichen Kraftanstrengung eine Sehne, so setze der Riss eine Störung des Funktionssystems Muskel-Sehne voraus, wobei die Zugfestigkeit der Sehne unter die Kraft des Muskels absinke. Eine Sehne, die weniger zugfest sei als ihr Muskel an Kraft auszubringen vermag, sei krankhaft im Sinne dege-nerativer oder Altersveränderungen.
Der Senat hat den Pathologiebefund des Dr. P. vom 31. Juli 2003 beigezogen. Als Diagnose hatte dieser eine nicht mehr ganz frische Sehnenläsion mitgeteilt. In den erhaltenen Anteilen des Sehnengewebes habe kein Hinweis auf nennenswerte vorbe-stehende degenerative Veränderungen vorgelegen. Außerdem hat der Senat den Ope-rationsbericht vom 28. Juli 2003 beigezogen. Des Weiteren hat der Senat den Arztbrief über die durch Dr. A. durchgeführte MRT vom 22. Juli 2003 angefordert. Danach habe sich eine pathologische Signalgebung im Verlauf der Sehne des langen Bizeps-kopfes im Schulterbereich mit Auftreibung im Sinne einer partiellen Ruptur gezeigt. Eine pathologische Signalgebung habe sich entlang der Rotatorenmanschette im Sin-ne einer Tendinitis (Sehnenentzündungen) und Paratendinitis begleitet von einer par-tiellen Ruptur dargestellt. Eine leichte Signalanhebung habe im Bereich der Bursa su-bacromiale und subdeltoidea im Sinne einer Bursitis (Schleimbeutelentzündung) vorge-legen. Das AC-Gelenk sei mit einer Einengung des subacromialen Raums hypertroph (vergrößert) gewesen. Geringe Mengen eines Reizergusses seien festzustellen gewe-sen.
Daraufhin hat die Beklagte ausgeführt, Rupturen der langen Bizepssehne stünden oft in enger Beziehung zu degenerativen Veränderungen im Schultergelenk, insbesondere der Rotatorenmanschette. Der MRT-Befund habe Entzündungen von Sehnen- und Sehnengleitgewebe, eine partielle Ruptur und ein hypertrophes Gelenk mit Einengung des subacromialen Raums gezeigt. Außerdem hat die Beklagte eine Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. J. vom Johanniter-Krankenhaus Stendal vom 19. Mai 2005 nach Aktenlage eingeholt. Dieser hatte ausgeführt, die Bizepssehne sei bis zu ca. 330 kp belastbar. Diese Kraft könne der Bizepsmuskel in aller Regel nicht auf-bringen, sodass degenerative Veränderungen zu einer verminderten Belastbarkeit der Sehne hätten führen müssen. Obwohl die histologische Untersuchung keinen Hinweis auf nennenswerte vorbestehende degenerative Veränderungen gezeigt habe, sei die-ser Untersuchungsbefund nur als Baustein in einer Gesamtbewertung zu sehen. So sei das eingesandte Präparat nur ein Ausschnitt der Gesamtsehne; zum anderen sei durch den geschilderten Unfallhergang von einer falschen individuellen Abstimmung zwi-schen muskulärer Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der nachgeordneten Sehne auszugehen.
Außerdem hat die Beklagte eine von ihr veranlasste Stellungnahme des Arbeitgebers des Klägers vom 31. August 2005 vorgelegt. Danach habe der Kläger am Unfalltag um 8.39 Uhr die Sanitätsstelle des Betriebs aufgesucht; im Sanitätsbuch sei als Art der Verletzung "rechter Oberarm Überbeanspruchung" notiert und eine Bewegungsein-schränkung dokumentiert worden. Danach habe der Kläger die Arbeit eingestellt und einen Arzt aufgesucht. Des Weiteren hat die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. P. zu seiner feingeweblichen Beurteilung vom 31. Juli 2003 eingeholt. Dieser hat eine Sehnenverletzung bestätigt, deren Entstehung mehrere Tage bis einige Wochen zu-rückliegen könne. Außerdem hat er auf die Nichtnachweisbarkeit von geweblichen Ver-schleißzeichen in kleinen, nicht verletzungsbedingt veränderten Sehnenanteilen ver-wiesen. Da sich in der vorliegenden Gewebeprobe keine Verschleißerscheinungen bzw. degenerative Veränderungen hätten nachweisen lassen, sei eine durch "willentli-chen Kraftaufwand" verursachte Sehnenverletzung nicht zu widerlegen.
Weiterhin hat die Beklagte eine beratende Stellungnahme des Chirurgen Dr. Th. vom 14. Oktober 2005 vorgelegt. Danach gehe aus der Gewebeprobe nicht eindeutig hervor, um welche Art der Rissbildung der langen Bizepssehne es sich tatsächlich ge-handelt habe. Daher seien weiteren Ermittlungen notwendig. In einer daraufhin auf Veranlassung der Beklagten abgegebenen Stellungnahme von Dres. J. /A. (Jo-hanniter-Krankenhaus St. ) vom 25. Oktober 2005 haben diese mitgeteilt, nach Durchsicht der Krankenunterlagen könne eingeschätzt werden, dass es sich um einen Riss im Verlauf der langen Bizepssehne rechts gehandelt habe.
Zudem hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 13. Februar 2006 vorgelegt, die dieser im Betrieb des Klägers unter seiner Mitwirkung erstellt hat. Dabei sei der Hebevorgang simuliert und fotografisch festgehal-ten worden. Nunmehr habe der Kläger vorgetragen, durch das plötzliche Zurückschla-gen des Deckels sei er mit der linken Hand abgerutscht. Somit sei das gesamte Ge-wicht auf dem rechten Arm gewesen, mit dem er noch versucht habe nachzudrücken. Der TAD hat ausgeführt, in dieser Stellung habe nach der anliegenden Kräfteberech-nung bei einem angenommenen Deckelgewicht von 69 kg auf den Arm eine Kraft mit 314 Newton (= 32 kg) gewirkt.
Schließlich hat die Beklagte eine weitere beratende Stellungnahme des Dr. Th. vom 17. Februar 2006 vorgelegt. Danach sei der durch den TAD dokumentierte Bewe-gungsablauf nicht geeignet gewesen, eine traumatische Rissbildung der langen Bi-zepssehne zu verursachen. Aus der Fotodokumentation ergebe sich, dass der Kläger eine Einwärtsdrehstellung mit den Unterarmen und Händen eingenommen habe, so-dass er den Deckel mit den Handflächen nach oben haben wuchten können. Aber erst wenn eine Auswärtsdrehung ausgeübt werde, spanne sich der Bizeps an. Daher könne keine traumatische Rissbildung der langen Bizepssehne eingetreten sein. Dagegen hat der Kläger eingewendet, die Fotodokumentation zeige eine Auswärtsdrehung der Hän-de. Auch könne aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr 100%ig nachvollzogen werden, in welcher Haltung das Umgreifen und Hochdrücken des Deckels nach dem Wegrutschen des linken Arms ausgeführt worden sei. Da das Deckelgewicht nicht lediglich 69 kg sondern 75 kg bis 90 kg betragen habe, habe die von ihm aufzubringende Kraft zum Unfallzeitpunkt auch deutlich über 32 kg gelegen.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Die Fachärztin für Orthopädie M. hat unter dem 31. August 2006 mitgeteilt, bis zum Unfallereignis habe der Kläger keine Beschwerden im Bereich der Schulter und des rechten Arms geäußert. Der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. R. hat am 29. August 2006 über Behandlungen des Klägers in den Jahren 2004 und 2005 berichtet. Dr. J. hat mit Befundbericht vom 12. September 2006 seine bisherigen Ausführungen wiederholt.
Schließlich hat der Senat das Gutachten des Chirurgen Dr. Sp. vom 26. März 2007 eingeholt. Dieser hat nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers eine Formver-änderung des rechten zweibauchigen Oberarmbeugemuskels (Bizepsmuskel) nach Zusammenhangstrennung der körpernahen langen Bizepssehne, eine Operationsnar-be am rechten Arm sowie geringfügige röntgenologische Veränderungen in Form ver-schleißbedingter knöcherner Randkantenausziehungen an der Unterkante der das Schultereckgelenk bildenden Knochen und der Gelenkflächen des rechten Schul-tereckgelenkes sowie einen im Oberarmkopf einliegenden metallischen Fremdkörper zur Refixierung der Bizepssehne diagnostiziert. Er hat ausgeführt, zwischen dem Er-eignis vom 14. Juli 2003 und der Zusammenhangstrennung der Bizepssehne lasse sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang her-stellen. Das Ereignis sei nicht geeignet gewesen, eine verletzungsbedingte Zusam-menhangstrennung einer intakten und normal belastbaren körpernahen langen Bizeps-sehne zu bewirken. Die Belastbarkeit der körpernahen langen Bizepssehne betrage normalerweise 300 kp und liege damit deutlich über der Kraft, die der dazugehörige Bizepsmuskel aufbringen könne. Daher führe die Anspannung des Bizepsmuskels im Regelfall nie zu einer Zusammenhangstrennung der dazugehörigen langen Bizepsseh-ne. Eine traumatische Schädigung könne nur durch unphysiologische Belastungen wie z. B. die plötzliche passive Belastung der Knochen-Muskel-Sehnen-Einheit bei musku-lär fixierten Gelenken eintreten (z.B. plötzliche passive Streckung des Armes bei ma-ximal angespannter Muskulatur oder der Schlag eines schweren Gegenstandes gegen einen Muskel bzw. eine Sehne bei maximal angespannter Muskulatur). Durch eine aktive maximale Anspannung der Muskulatur bei einer Halte- und Hebetätigkeit könne die Sehne nicht traumatisch geschädigt werden. Physiologischerweise lasse die Mus-kelanspannung beim Erreichen bzw. Überschreiten der individuellen Kraftgrenze nach, bevor die betroffene Struktur einen Schaden nehme. Nach dem geschilderten Ereig-nishergang und der Rekonstruktion des Ereignisses könne nicht auf eine unphysiologi-sche Einwirkung geschlossen werden. Insoweit hätten auch die unmittelbar nach dem Ereignis erhobenen bildtechnischen Befunde (Röntgenaufnahmen, Ultraschalluntersu-chung, MRT-Aufnahmen) keine Hinweise auf verletzungsbedingte Veränderungen an der rechten Schulter oder am rechten Oberarm gegeben. Im Operationsbericht sei der typische Befund einer kompletten Zusammenhangstrennung ohne Hinweise auf eine verletzungsbedingte Ursache des Sehnenschadens dokumentiert worden. Zwar habe sich im pathologisch-histologischen Präparat in den "erhaltenen" Anteilen kein Hinweis auf vorbestehende degenerative Veränderungen gezeigt. Aus dieser Wortwahl sei zu schließen, dass die zugrunde gegangenen Gewebspartikel vom Rissniveau nicht un-tersucht worden seien. Da sich ein Sehnenriss immer an der schwächsten Stelle ereig-ne, seien vorbestehende Gewebsschäden am ehesten am Rissniveau zu vermuten. Damit spreche der fehlende Nachweis degenerativer Veränderungen nicht grundsätz-lich gegen das Vorliegen belastungsmindernder Veränderungen innerhalb der Sehne und sei kein Nachweis für die Intaktheit des Systems insgesamt. Ein Indiz für degene-rative Veränderungen in der Funktionseinheit Oberarm-Schulter bzw. Knochen-Sehne-Muskel-Knochen sei der bildtechnische Befund degenerativer Veränderungen am rech-ten Schultergelenk mit Veränderungen der Gelenkfläche und umformenden Verände-rungen an den knöchernen Bestandteilen des Schultereckgelenks. Diese stünden im anatomischen und funktionellen Zusammenhang mit dem Schulterhauptgelenk und der Rotatorenmanschette (Schulterdrehmuskelmanschette), die unterhalb des Deltamus-kels dem Oberarmkopf anliege und die im unmittelbaren anatomischen Zusammen-hang mit der langen Bizepssehne stehe. Soweit Dr. J. auf die Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis hingewiesen habe, sei dem entgegenzuhalten, dass dies nicht gegen bestehende degenerative Veränderungen spreche. Schäden manifestierten sich erst beim Überschreiten gewisser Schwellenwerte. Unterhalb bestünden bis dahin we-der Schmerzen noch Funktionseinschränkungen.
Nachdem der Kläger gegen das Gutachten eingewendet hatte, dass er durch das plötzliche Zurückschlagen des Deckels mit der linken Hand abgerutscht und das ganze Gewicht auf seinen rechten Arm verlagert worden sei, hat Dr. Sp. unter dem 24. Mai 2007 ausgeführt, bei einer intakten Funktionseinheit Knochen-Sehne-Muskel-Knochen sei die Selbstzerstörung eines der Kettenglieder ausgeschlossen. Dieses Phänomen sei bei einem Gewichtheber zu beobachten, der beim Erreichen der Grenze seiner muskulären Leistungsfähigkeit das Gewicht fallen lasse, bevor es zu einem strukturellen Körperschaden komme.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ein-verstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstan-den erklärt haben.
Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialge-richt hat die Klage zu Recht abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 1. April 2004 nicht zu beanstanden und verletzt ihn nicht in seinen Rech-ten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn das Ereignis vom 14. Juli 2003 erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls. Deshalb hat das Begehren des Klägers, wel-ches er gemäß den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen kann (siehe Bundessozi-algericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3; Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 19/06 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 23), keinen Erfolg.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzli-che Unfallversicherung - SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versiche-rungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tä-tigkeit). Unfälle sind zeitlich (auf eine Arbeitsschicht) begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod füh-ren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Das bedeutet, dass die Verrichtung, die der Versicher-te zur Zeit des Unfalls ausübt, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (inne-rer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass dieses Unfaller-eignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht ha-ben muss (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R – zitiert nach Juris m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar besteht der sachliche Zusammen-hang zwischen dem Hochdrücken des Containerdeckels am 14. Juli 2003 als unfall-bringende Verrichtung und der versicherten Tätigkeit des Klägers. Denn auch körper-eigene Bewegungen sind äußere Vorgänge im Sinne des Unfallbegriffs, selbst wenn sie gewohnt und üblich sind (KassKomm-Ricke, Stand November 2006, § 8 SGB VII RdNr. 24). Auch steht im Sinne des Vollbeweises der Riss der körpernahen langen Bizepssehne fest. Doch muss darüber hinaus zwischen dem Unfallereignis und der als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsstörung – also dem Riss der Bizepssehne – entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden – ein Zusammen-hang im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R –, BSGE 94, 262 ff.). Letzteres ist hier nicht gegeben, denn die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung kann deshalb nicht als Folge des Ereignisses vom 14. Juli 2003 anerkannt werden, weil der Riss der körper-nahen langen Bizepssehne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den angeschuldigten Unfall zurückzuführen ist.
Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einem Unfall und der gel-tend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahr-scheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedin-gung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung des Gesundheitsschadens, sondern die wesentliche Ursache war (vgl. KassKomm-Ricke, Stand April 2008, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15 m.w.N.). Rechtlich erheblich ist deshalb nur diejenige Ursache, die bei wertender Be-trachtung zumindest als gleichwertige Mitursache einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt des Gesundheitsschadens gehabt hat. Von einer Wesentlichkeit im Rechtssinne kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn ein anderer (unversicherter) Umstand einen überwiegenden kausalen Einfluss auf den Eintritt des Schadens hatte. Das bedeutet, dass ein Gesundheitsschaden einem Versicherungsfall selbst dann nicht rechtlich zugerechnet werden kann, wenn das versicherte Geschehen zwar geeignet war, den Schadenseintritt zu verursachen, und ihn als letzte Bedingung in der Kausal-kette gelegentlich der versicherten Tätigkeit bewirkt hat (Adäquanztheorie), es jedoch keine wesentliche Bedeutung hatte (Auslöser bzw. Gelegenheitsursache). Welche Ur-sache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Le-bens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Ge-sundheitsschaden) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitli-che Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Anknüpfend hieran ist der Senat unter Berücksichtigung der ermittelten medizinischen Anknüpfungstatsachen bei der gebotenen wertenden Betrachtung unter Zugrundele-gung des Gutachtens von Dr. Sp. zu der Überzeugung gelangt, dass das Gesche-hen vom 14. Juli 2003, nämlich das Hoch- bzw. Nachdrücken des Deckels mit der rechten Hand, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die rechtlich wesentliche Be-dingung für den Riss der Bizepssehne war. Denn es spricht mehr gegen als für eine solche Kausalität.
Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht zunächst, dass kein geeigneter Unfallmechanismus vorgelegen hat. Dr. Sp. hat ausgeführt, dass eine traumati-sche Schädigung der körpernahen langen Bizepssehne nur durch unphysiologische Belastungen wie z. B. die plötzliche passive Belastung der Knochen-Muskel-Sehnen-Einheit bei muskulär fixierten Gelenken (z.B. plötzliche passive Streckung des Armes bei maximal angespannter Muskulatur oder der Schlag eines schweren Gegenstandes gegen einen Muskel bei maximal angespannter Muskulatur) eintreten könne. Ein sol-cher Unfallhergang hat aber nicht vorgelegen. Der Kläger hat mehrfach das Hochdrücken des schwergängigen Deckels unter maximaler Anspannung als Unfallereignis geschildert. Im späteren Verlauf hat er seine Aussage dahingehend geändert, dass durch das Abrutschen der linken Hand eine spontane Belastung des rechten Arms eingetreten sei, sodass er eine erhöhte Kraft habe aufbringen müssen. Doch selbst diese spätere Sachverhaltsschilderung kann keinen geeigneten Unfallmechanismus begründen, denn auch in dieser wird lediglich eine aktive maxima-le Anspannung der Muskulatur bei einer Halte- und Hebetätigkeit beschrieben. Dr. Sp. hat aber darauf hingewiesen, dass dadurch keine verletzungsbedingte Zusammen-hangstrennung einer intakten und normal belastbaren körpernahen langen Bizepsseh-ne bewirkt werden kann. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass die Belastbarkeit der körpernahen langen Bizepssehne deutlich über der Kraft liege, die der dazugehörige Bizepsmuskel aufbringen kann und daher die Anspannung des Bizepsmuskels im Re-gelfall nie zu einer Zusammenhangstrennung der dazugehörigen langen Bizepssehne führen könne. Da somit durch eine aktive Anspannung der Muskulatur die Bizepssehne nicht traumatisch geschädigt werden kann, kann hier auch dahingestellt bleiben, ob die auf den Arm wirkende Kraft höher als die vom TAD berechnete Kraft von 314 Newton (32 kg) war. Denn Dr. Sp. hat insoweit ausgeführt, dass physiologischerweise die Muskelanspannung beim Erreichen bzw. Überschreiten der individuellen Kraftgrenze nachlasse, bevor die betroffene Struktur einen Schaden nehme.
Doch auch unabhängig von einem geeigneten Unfallhergang ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Ereignis vom 14. Juli 2003 die Ruptur der Bizepssehne ver-ursacht hat. Dr. Sp. hat überzeugend darauf verwiesen, dass keine verletzungstypischen oder verletzungsspezifischen Befunde vorgelegen haben. Die unmittelbar nach dem Ereignis erhobenen bildtechnischen Befunde (Röntgenaufnah-men, Ultraschalluntersuchung, MRT-Aufnahmen) haben keine Hinweise auf verlet-zungsbedingte Veränderungen an der rechten Schulter oder am rechten Oberarm ge-geben. Typischerweise sind bei traumatischen Rissen aber Begleitverletzungen ande-rer Weichteilstrukturen, die zu dem durch das Ereignis belasteten Funktionsverbund gehören (Muskel/Kapsel-Bandapparat, Schleimbeutel, Haut, Unterhaut), zu finden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Kapitel 8.2.4.1.3., Seite 499). Auch in dem Operationsbericht sind keine Hinweise auf eine verletzungsbedingte Ursache des Sehnenschadens dokumentiert worden. Letztlich bietet der Pathologiebefund auch keine Hinweise auf die Ursache des Risses, denn auch in diesem sind keine verletzungstypischen Befunde, wie z. B. Einblutungen, be-schrieben worden.
Schließlich kann auch nicht der fehlende Nachweis degenerativer Veränderungen an der Bizepssehne den Kausalzusammenhang begründen. Zwar konnte nach dem Pa-thologiebefund in den erhaltenen Anteilen kein Hinweis auf vorbestehende degenerati-ve Veränderungen gefunden werden. Doch hat Dr. Sp. darauf hingewiesen, dass nach der Wortwahl des Pathologen die zugrunde gegangenen Gewebspartikel vom Rissniveau nicht untersucht worden seien. Da sich ein Sehnenriss immer an der schwächsten Stelle ereigne, seien vorbestehende Gewebsschäden am ehesten am Rissniveau zu vermuten, sodass der fehlende Nachweis degenerativer Veränderungen nicht grundsätzlich gegen das Vorliegen belastungsmindernder Veränderungen inner-halb der Sehne spreche. Im Übrigen hat Dr. Sp. unter Bezugnahme auf die bild-technischen Befunde als Indiz für degenerative Veränderungen in der Funktionseinheit Oberarm-Schulter bzw. Knochen-Sehne-Muskel-Knochen die degenerativen Verände-rungen am rechten Schultergelenk mit Veränderungen der Gelenkfläche und die um-formenden Veränderungen an den knöchernen Bestandteilen des Schultereckgelenks gesehen. Da diese im anatomischen und funktionellen Zusammenhang mit dem Schul-terhauptgelenk und der Rotatorenmanschette stehen, erscheinen degenerative Verän-derungen auch an der Bizepssehne jedenfalls nicht ausgeschlossen. Zudem ist zu be-rücksichtigen, dass degenerative Veränderungen im vierten Lebensjahrzehnt durch die fortschreitend absinkende Zugfestigkeit der Sehne auftreten (Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Kapitel 8.2.4.1.2., Seite 498).
Doch selbst wenn diese gewichtigen Argumente für auch im Bizepssehnenbereich be-stehende degenerative Veränderungen zurückgestellt werden, können selbst der feh-lende Nachweis degenerativer Veränderungen und die Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis keine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründen. Denn es gibt im Rahmen der Kausalitätsprüfung bei einem Arbeitsunfall keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automa-tisch auch die wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – m.w.N. – zitiert nach juris).
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob das Ereignis vom 14. Juli 2003 ein Arbeitsunfall ist.
Der 1951 geborene Kläger ist als Maler bei der Deutschen Bahn AG beschäftigt. Nach seiner Unfallschilderung vom 23. Dezember 2003 gegenüber der Krankenversi-cherung und der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 22. Juli 2003 habe er am 14. Juli 2003 gegen 8.30 Uhr Farbarbeiten an einem Netzfahrzeug ausgeführt. Bei dem ge-waltsamen Versuch, einen zum Fahrzeug gehörenden schwergängigen Containerdeckel ohne Hilfsmittel zu öffnen, habe er große Kraft anwenden müssen. Dabei habe er sich überanstrengt, sodass im rechten Oberarm die Bizepssehne gerissen sei.
Gegen 17.50 Uhr des Unfalltags traf der Kläger beim Durchgangsarzt und Facharzt für Unfallchirurgie Dr. Sch. ein, der nach einer Sonographie einen Abriss der langen Bizepssehne rechts und einen intakten Sehenansatz des Ellenbogens diagnostizierte. Dr. Sch. gab in seinem Bericht an, ein Arbeitsunfall im Sinne der Definition habe nicht vorgelegen.
Mit Bescheid vom 7. August 2003 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 14. Juli 2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Sie führte zur Begründung aus, es habe kein als Arbeitsunfall anzuerkennendes Ereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegen. Es sei von seinem Hergangsablauf nicht geeignet gewesen, den geltend gemachten Schaden ursächlich herbeizuführen. Das geschilderte Ereignis sei nur eine rechtsunerhebliche Gelegenheitsursache für das klinische Wirksamwerden einer unfall-fremden Krankheitserscheinung.
Am 25. August 2003 erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei gemeinsam mit seinem Hausarzt Dr. J. der Ansicht, dass seine jetzigen Schmerzen im Oberarm- und Unterarmbereich bzw. im Schulterbereich auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Er habe zuvor dort keine Schmerzen gehabt. Der Containerdeckel habe ein Ge-wicht von ca. 75 kg bis 90 kg gehabt; dadurch sei die Verletzung entstanden. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 19. September 2003 mit, das Anheben von schweren Gewichten und willentliche Armbelastungen seien keine unfallbedingten Ab-läufe. Der zeitliche Zusammenhang zum Auftreten der Schmerzsymptomatik begründe keinen Unfallzusammenhang. Auch die Schmerzfreiheit vor dem Unfallereignis sei kein Argument für einen traumatischen Gewebsschaden, denn Degenerationsprozesse ver-liefen typischerweise "stumm". Mit Schreiben vom 9. Oktober 2003 trug der Kläger er-gänzend vor, eine durchgeführte Magnetresonanztomografie (MRT) habe einen plötzli-chen Abriss der Sehne nachgewiesen. Zudem legte er ein Schreiben von Dr. J. bei. Dieser hatte ihm mitgeteilt, bei einer außergewöhnlich schweren Arbeit sei es zu einem akuten Schmerz mit Bewegungseinschränkungen des rechten Oberarms gekommen. Die Anamnese habe keine Erkrankung, keinen Unfall oder außergewöhnliche Belas-tungen gezeigt, die zu einer Schädigung des rechten Arms hätten führen können. Der Kläger sei ihm ca. 20 Jahre bekannt. Daher gehe er von einem akuten Arbeitsunfall aus.
Die Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie M. ein. Diese berichtete unter dem 2. März 2004 von einer Behandlung des Klägers seit dem 16. Juli 2003 und diagnostizierte eine Ruptur des langen Bizepskopfes der Bizepssehne rechts. In Anlage befand sich die Epikrise des Johanniter-Krankenhauses St. vom 21. November 2003, in der über die Titanfadenanker-Refixierung der Bizepssehne be-richtet wird.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte zur Begründung aus, es habe keine überraschende Einwir-kung auf das Muskel-Sehnen-System und auch keine direkte Krafteinwirkung (Schlag, Quetschung) stattgefunden. Die lange Bizepssehne sei bis 300 kp belastbar. Infolge degenerativer Veränderungen nehme die Zugfestigkeit der Sehne ab. Degenerative Sehnenveränderungen verliefen in aller Regel klinisch stumm, verursachten keine Be-schwerden und führten zu keinen Funktionseinbußen. Der Hergangsmechanismus sowie die vorgefundenen Gesundheitsschäden sprächen in der Gesamtheit gegen den ursächlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis.
Am 28. April 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Stendal Klage erhoben und die Anerkennung des Abrisses der Bizepssehne als Arbeitsunfall weiterverfolgt. Er hat die Ansicht vertreten, bei ihm liege kein altersbedingter Verschleiß vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2004 hat das Sozialgericht die Klage abge-wiesen. Es hat ausgeführt, dass das Ereignis vom 4. Juli 2003 (richtig 14. Juli 2003) kein Arbeitsunfall gewesen sei, ergebe sich aus dem Bericht von Dr. Sch ... Dieser habe den Kläger untersucht und verfüge auf dem Gebiet des Unfallversicherungsrechts über hervorragende Kenntnisse. Sein Bericht sei schlüssig und nachvollziehbar. Diese Ansicht stehe auch in Übereinstimmung mit der aktuellen unfallmedizinischen Literatur. Danach sei es notwendig, dass neben dem Anheben von schweren Gewichten ein zusätzliches Ereignis einwirkt habe. Dies sei hier nicht der Fall. Begleitverletzungen anderer Weichteilstrukturen lägen nicht vor, sodass der alleinige Sehnenriss ohne pri-märe Muskelruptur gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls spreche.
Gegen den am 21. Oktober 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. November 2004 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, er habe sofort nach dem Unfallereignis aufgehört zu arbeiten. Zur Unterstützung seines Vortrags hat er eine weitere Stellungnahme des Dr. J. vom 2. März 2005 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 28. September 2004 so-wie den Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 1. April 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Abriss der langen Bizepssehne rechts am 14. Juli 2003 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 28. September 2004 zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, nach geltender medizinischer Lehrmeinung liege die Zug- und Hebefestigkeit der Bizepssehne über der Kraftbildungsfähigkeit des Mus-kels. Die Last wirke zunächst auf den Muskel, sodass eine Überlastung der Sehne nicht erfolge. Reiße dennoch bei einer willentlichen Kraftanstrengung eine Sehne, so setze der Riss eine Störung des Funktionssystems Muskel-Sehne voraus, wobei die Zugfestigkeit der Sehne unter die Kraft des Muskels absinke. Eine Sehne, die weniger zugfest sei als ihr Muskel an Kraft auszubringen vermag, sei krankhaft im Sinne dege-nerativer oder Altersveränderungen.
Der Senat hat den Pathologiebefund des Dr. P. vom 31. Juli 2003 beigezogen. Als Diagnose hatte dieser eine nicht mehr ganz frische Sehnenläsion mitgeteilt. In den erhaltenen Anteilen des Sehnengewebes habe kein Hinweis auf nennenswerte vorbe-stehende degenerative Veränderungen vorgelegen. Außerdem hat der Senat den Ope-rationsbericht vom 28. Juli 2003 beigezogen. Des Weiteren hat der Senat den Arztbrief über die durch Dr. A. durchgeführte MRT vom 22. Juli 2003 angefordert. Danach habe sich eine pathologische Signalgebung im Verlauf der Sehne des langen Bizeps-kopfes im Schulterbereich mit Auftreibung im Sinne einer partiellen Ruptur gezeigt. Eine pathologische Signalgebung habe sich entlang der Rotatorenmanschette im Sin-ne einer Tendinitis (Sehnenentzündungen) und Paratendinitis begleitet von einer par-tiellen Ruptur dargestellt. Eine leichte Signalanhebung habe im Bereich der Bursa su-bacromiale und subdeltoidea im Sinne einer Bursitis (Schleimbeutelentzündung) vorge-legen. Das AC-Gelenk sei mit einer Einengung des subacromialen Raums hypertroph (vergrößert) gewesen. Geringe Mengen eines Reizergusses seien festzustellen gewe-sen.
Daraufhin hat die Beklagte ausgeführt, Rupturen der langen Bizepssehne stünden oft in enger Beziehung zu degenerativen Veränderungen im Schultergelenk, insbesondere der Rotatorenmanschette. Der MRT-Befund habe Entzündungen von Sehnen- und Sehnengleitgewebe, eine partielle Ruptur und ein hypertrophes Gelenk mit Einengung des subacromialen Raums gezeigt. Außerdem hat die Beklagte eine Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. J. vom Johanniter-Krankenhaus Stendal vom 19. Mai 2005 nach Aktenlage eingeholt. Dieser hatte ausgeführt, die Bizepssehne sei bis zu ca. 330 kp belastbar. Diese Kraft könne der Bizepsmuskel in aller Regel nicht auf-bringen, sodass degenerative Veränderungen zu einer verminderten Belastbarkeit der Sehne hätten führen müssen. Obwohl die histologische Untersuchung keinen Hinweis auf nennenswerte vorbestehende degenerative Veränderungen gezeigt habe, sei die-ser Untersuchungsbefund nur als Baustein in einer Gesamtbewertung zu sehen. So sei das eingesandte Präparat nur ein Ausschnitt der Gesamtsehne; zum anderen sei durch den geschilderten Unfallhergang von einer falschen individuellen Abstimmung zwi-schen muskulärer Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der nachgeordneten Sehne auszugehen.
Außerdem hat die Beklagte eine von ihr veranlasste Stellungnahme des Arbeitgebers des Klägers vom 31. August 2005 vorgelegt. Danach habe der Kläger am Unfalltag um 8.39 Uhr die Sanitätsstelle des Betriebs aufgesucht; im Sanitätsbuch sei als Art der Verletzung "rechter Oberarm Überbeanspruchung" notiert und eine Bewegungsein-schränkung dokumentiert worden. Danach habe der Kläger die Arbeit eingestellt und einen Arzt aufgesucht. Des Weiteren hat die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. P. zu seiner feingeweblichen Beurteilung vom 31. Juli 2003 eingeholt. Dieser hat eine Sehnenverletzung bestätigt, deren Entstehung mehrere Tage bis einige Wochen zu-rückliegen könne. Außerdem hat er auf die Nichtnachweisbarkeit von geweblichen Ver-schleißzeichen in kleinen, nicht verletzungsbedingt veränderten Sehnenanteilen ver-wiesen. Da sich in der vorliegenden Gewebeprobe keine Verschleißerscheinungen bzw. degenerative Veränderungen hätten nachweisen lassen, sei eine durch "willentli-chen Kraftaufwand" verursachte Sehnenverletzung nicht zu widerlegen.
Weiterhin hat die Beklagte eine beratende Stellungnahme des Chirurgen Dr. Th. vom 14. Oktober 2005 vorgelegt. Danach gehe aus der Gewebeprobe nicht eindeutig hervor, um welche Art der Rissbildung der langen Bizepssehne es sich tatsächlich ge-handelt habe. Daher seien weiteren Ermittlungen notwendig. In einer daraufhin auf Veranlassung der Beklagten abgegebenen Stellungnahme von Dres. J. /A. (Jo-hanniter-Krankenhaus St. ) vom 25. Oktober 2005 haben diese mitgeteilt, nach Durchsicht der Krankenunterlagen könne eingeschätzt werden, dass es sich um einen Riss im Verlauf der langen Bizepssehne rechts gehandelt habe.
Zudem hat die Beklagte eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 13. Februar 2006 vorgelegt, die dieser im Betrieb des Klägers unter seiner Mitwirkung erstellt hat. Dabei sei der Hebevorgang simuliert und fotografisch festgehal-ten worden. Nunmehr habe der Kläger vorgetragen, durch das plötzliche Zurückschla-gen des Deckels sei er mit der linken Hand abgerutscht. Somit sei das gesamte Ge-wicht auf dem rechten Arm gewesen, mit dem er noch versucht habe nachzudrücken. Der TAD hat ausgeführt, in dieser Stellung habe nach der anliegenden Kräfteberech-nung bei einem angenommenen Deckelgewicht von 69 kg auf den Arm eine Kraft mit 314 Newton (= 32 kg) gewirkt.
Schließlich hat die Beklagte eine weitere beratende Stellungnahme des Dr. Th. vom 17. Februar 2006 vorgelegt. Danach sei der durch den TAD dokumentierte Bewe-gungsablauf nicht geeignet gewesen, eine traumatische Rissbildung der langen Bi-zepssehne zu verursachen. Aus der Fotodokumentation ergebe sich, dass der Kläger eine Einwärtsdrehstellung mit den Unterarmen und Händen eingenommen habe, so-dass er den Deckel mit den Handflächen nach oben haben wuchten können. Aber erst wenn eine Auswärtsdrehung ausgeübt werde, spanne sich der Bizeps an. Daher könne keine traumatische Rissbildung der langen Bizepssehne eingetreten sein. Dagegen hat der Kläger eingewendet, die Fotodokumentation zeige eine Auswärtsdrehung der Hän-de. Auch könne aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr 100%ig nachvollzogen werden, in welcher Haltung das Umgreifen und Hochdrücken des Deckels nach dem Wegrutschen des linken Arms ausgeführt worden sei. Da das Deckelgewicht nicht lediglich 69 kg sondern 75 kg bis 90 kg betragen habe, habe die von ihm aufzubringende Kraft zum Unfallzeitpunkt auch deutlich über 32 kg gelegen.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers eingeholt. Die Fachärztin für Orthopädie M. hat unter dem 31. August 2006 mitgeteilt, bis zum Unfallereignis habe der Kläger keine Beschwerden im Bereich der Schulter und des rechten Arms geäußert. Der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. R. hat am 29. August 2006 über Behandlungen des Klägers in den Jahren 2004 und 2005 berichtet. Dr. J. hat mit Befundbericht vom 12. September 2006 seine bisherigen Ausführungen wiederholt.
Schließlich hat der Senat das Gutachten des Chirurgen Dr. Sp. vom 26. März 2007 eingeholt. Dieser hat nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers eine Formver-änderung des rechten zweibauchigen Oberarmbeugemuskels (Bizepsmuskel) nach Zusammenhangstrennung der körpernahen langen Bizepssehne, eine Operationsnar-be am rechten Arm sowie geringfügige röntgenologische Veränderungen in Form ver-schleißbedingter knöcherner Randkantenausziehungen an der Unterkante der das Schultereckgelenk bildenden Knochen und der Gelenkflächen des rechten Schul-tereckgelenkes sowie einen im Oberarmkopf einliegenden metallischen Fremdkörper zur Refixierung der Bizepssehne diagnostiziert. Er hat ausgeführt, zwischen dem Er-eignis vom 14. Juli 2003 und der Zusammenhangstrennung der Bizepssehne lasse sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang her-stellen. Das Ereignis sei nicht geeignet gewesen, eine verletzungsbedingte Zusam-menhangstrennung einer intakten und normal belastbaren körpernahen langen Bizeps-sehne zu bewirken. Die Belastbarkeit der körpernahen langen Bizepssehne betrage normalerweise 300 kp und liege damit deutlich über der Kraft, die der dazugehörige Bizepsmuskel aufbringen könne. Daher führe die Anspannung des Bizepsmuskels im Regelfall nie zu einer Zusammenhangstrennung der dazugehörigen langen Bizepsseh-ne. Eine traumatische Schädigung könne nur durch unphysiologische Belastungen wie z. B. die plötzliche passive Belastung der Knochen-Muskel-Sehnen-Einheit bei musku-lär fixierten Gelenken eintreten (z.B. plötzliche passive Streckung des Armes bei ma-ximal angespannter Muskulatur oder der Schlag eines schweren Gegenstandes gegen einen Muskel bzw. eine Sehne bei maximal angespannter Muskulatur). Durch eine aktive maximale Anspannung der Muskulatur bei einer Halte- und Hebetätigkeit könne die Sehne nicht traumatisch geschädigt werden. Physiologischerweise lasse die Mus-kelanspannung beim Erreichen bzw. Überschreiten der individuellen Kraftgrenze nach, bevor die betroffene Struktur einen Schaden nehme. Nach dem geschilderten Ereig-nishergang und der Rekonstruktion des Ereignisses könne nicht auf eine unphysiologi-sche Einwirkung geschlossen werden. Insoweit hätten auch die unmittelbar nach dem Ereignis erhobenen bildtechnischen Befunde (Röntgenaufnahmen, Ultraschalluntersu-chung, MRT-Aufnahmen) keine Hinweise auf verletzungsbedingte Veränderungen an der rechten Schulter oder am rechten Oberarm gegeben. Im Operationsbericht sei der typische Befund einer kompletten Zusammenhangstrennung ohne Hinweise auf eine verletzungsbedingte Ursache des Sehnenschadens dokumentiert worden. Zwar habe sich im pathologisch-histologischen Präparat in den "erhaltenen" Anteilen kein Hinweis auf vorbestehende degenerative Veränderungen gezeigt. Aus dieser Wortwahl sei zu schließen, dass die zugrunde gegangenen Gewebspartikel vom Rissniveau nicht un-tersucht worden seien. Da sich ein Sehnenriss immer an der schwächsten Stelle ereig-ne, seien vorbestehende Gewebsschäden am ehesten am Rissniveau zu vermuten. Damit spreche der fehlende Nachweis degenerativer Veränderungen nicht grundsätz-lich gegen das Vorliegen belastungsmindernder Veränderungen innerhalb der Sehne und sei kein Nachweis für die Intaktheit des Systems insgesamt. Ein Indiz für degene-rative Veränderungen in der Funktionseinheit Oberarm-Schulter bzw. Knochen-Sehne-Muskel-Knochen sei der bildtechnische Befund degenerativer Veränderungen am rech-ten Schultergelenk mit Veränderungen der Gelenkfläche und umformenden Verände-rungen an den knöchernen Bestandteilen des Schultereckgelenks. Diese stünden im anatomischen und funktionellen Zusammenhang mit dem Schulterhauptgelenk und der Rotatorenmanschette (Schulterdrehmuskelmanschette), die unterhalb des Deltamus-kels dem Oberarmkopf anliege und die im unmittelbaren anatomischen Zusammen-hang mit der langen Bizepssehne stehe. Soweit Dr. J. auf die Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis hingewiesen habe, sei dem entgegenzuhalten, dass dies nicht gegen bestehende degenerative Veränderungen spreche. Schäden manifestierten sich erst beim Überschreiten gewisser Schwellenwerte. Unterhalb bestünden bis dahin we-der Schmerzen noch Funktionseinschränkungen.
Nachdem der Kläger gegen das Gutachten eingewendet hatte, dass er durch das plötzliche Zurückschlagen des Deckels mit der linken Hand abgerutscht und das ganze Gewicht auf seinen rechten Arm verlagert worden sei, hat Dr. Sp. unter dem 24. Mai 2007 ausgeführt, bei einer intakten Funktionseinheit Knochen-Sehne-Muskel-Knochen sei die Selbstzerstörung eines der Kettenglieder ausgeschlossen. Dieses Phänomen sei bei einem Gewichtheber zu beobachten, der beim Erreichen der Grenze seiner muskulären Leistungsfähigkeit das Gewicht fallen lasse, bevor es zu einem strukturellen Körperschaden komme.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ein-verstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteilig-ten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstan-den erklärt haben.
Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialge-richt hat die Klage zu Recht abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Bescheid der Beklagten vom 7. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 1. April 2004 nicht zu beanstanden und verletzt ihn nicht in seinen Rech-ten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn das Ereignis vom 14. Juli 2003 erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls. Deshalb hat das Begehren des Klägers, wel-ches er gemäß den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen kann (siehe Bundessozi-algericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3; Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 19/06 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 23), keinen Erfolg.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzli-che Unfallversicherung - SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versiche-rungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tä-tigkeit). Unfälle sind zeitlich (auf eine Arbeitsschicht) begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod füh-ren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Das bedeutet, dass die Verrichtung, die der Versicher-te zur Zeit des Unfalls ausübt, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (inne-rer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass dieses Unfaller-eignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht ha-ben muss (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R – zitiert nach Juris m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar besteht der sachliche Zusammen-hang zwischen dem Hochdrücken des Containerdeckels am 14. Juli 2003 als unfall-bringende Verrichtung und der versicherten Tätigkeit des Klägers. Denn auch körper-eigene Bewegungen sind äußere Vorgänge im Sinne des Unfallbegriffs, selbst wenn sie gewohnt und üblich sind (KassKomm-Ricke, Stand November 2006, § 8 SGB VII RdNr. 24). Auch steht im Sinne des Vollbeweises der Riss der körpernahen langen Bizepssehne fest. Doch muss darüber hinaus zwischen dem Unfallereignis und der als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsstörung – also dem Riss der Bizepssehne – entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden – ein Zusammen-hang im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R –, BSGE 94, 262 ff.). Letzteres ist hier nicht gegeben, denn die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung kann deshalb nicht als Folge des Ereignisses vom 14. Juli 2003 anerkannt werden, weil der Riss der körper-nahen langen Bizepssehne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den angeschuldigten Unfall zurückzuführen ist.
Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einem Unfall und der gel-tend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahr-scheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedin-gung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung des Gesundheitsschadens, sondern die wesentliche Ursache war (vgl. KassKomm-Ricke, Stand April 2008, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15 m.w.N.). Rechtlich erheblich ist deshalb nur diejenige Ursache, die bei wertender Be-trachtung zumindest als gleichwertige Mitursache einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt des Gesundheitsschadens gehabt hat. Von einer Wesentlichkeit im Rechtssinne kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn ein anderer (unversicherter) Umstand einen überwiegenden kausalen Einfluss auf den Eintritt des Schadens hatte. Das bedeutet, dass ein Gesundheitsschaden einem Versicherungsfall selbst dann nicht rechtlich zugerechnet werden kann, wenn das versicherte Geschehen zwar geeignet war, den Schadenseintritt zu verursachen, und ihn als letzte Bedingung in der Kausal-kette gelegentlich der versicherten Tätigkeit bewirkt hat (Adäquanztheorie), es jedoch keine wesentliche Bedeutung hatte (Auslöser bzw. Gelegenheitsursache). Welche Ur-sache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Le-bens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Ge-sundheitsschaden) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitli-che Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Anknüpfend hieran ist der Senat unter Berücksichtigung der ermittelten medizinischen Anknüpfungstatsachen bei der gebotenen wertenden Betrachtung unter Zugrundele-gung des Gutachtens von Dr. Sp. zu der Überzeugung gelangt, dass das Gesche-hen vom 14. Juli 2003, nämlich das Hoch- bzw. Nachdrücken des Deckels mit der rechten Hand, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die rechtlich wesentliche Be-dingung für den Riss der Bizepssehne war. Denn es spricht mehr gegen als für eine solche Kausalität.
Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht zunächst, dass kein geeigneter Unfallmechanismus vorgelegen hat. Dr. Sp. hat ausgeführt, dass eine traumati-sche Schädigung der körpernahen langen Bizepssehne nur durch unphysiologische Belastungen wie z. B. die plötzliche passive Belastung der Knochen-Muskel-Sehnen-Einheit bei muskulär fixierten Gelenken (z.B. plötzliche passive Streckung des Armes bei maximal angespannter Muskulatur oder der Schlag eines schweren Gegenstandes gegen einen Muskel bei maximal angespannter Muskulatur) eintreten könne. Ein sol-cher Unfallhergang hat aber nicht vorgelegen. Der Kläger hat mehrfach das Hochdrücken des schwergängigen Deckels unter maximaler Anspannung als Unfallereignis geschildert. Im späteren Verlauf hat er seine Aussage dahingehend geändert, dass durch das Abrutschen der linken Hand eine spontane Belastung des rechten Arms eingetreten sei, sodass er eine erhöhte Kraft habe aufbringen müssen. Doch selbst diese spätere Sachverhaltsschilderung kann keinen geeigneten Unfallmechanismus begründen, denn auch in dieser wird lediglich eine aktive maxima-le Anspannung der Muskulatur bei einer Halte- und Hebetätigkeit beschrieben. Dr. Sp. hat aber darauf hingewiesen, dass dadurch keine verletzungsbedingte Zusammen-hangstrennung einer intakten und normal belastbaren körpernahen langen Bizepsseh-ne bewirkt werden kann. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass die Belastbarkeit der körpernahen langen Bizepssehne deutlich über der Kraft liege, die der dazugehörige Bizepsmuskel aufbringen kann und daher die Anspannung des Bizepsmuskels im Re-gelfall nie zu einer Zusammenhangstrennung der dazugehörigen langen Bizepssehne führen könne. Da somit durch eine aktive Anspannung der Muskulatur die Bizepssehne nicht traumatisch geschädigt werden kann, kann hier auch dahingestellt bleiben, ob die auf den Arm wirkende Kraft höher als die vom TAD berechnete Kraft von 314 Newton (32 kg) war. Denn Dr. Sp. hat insoweit ausgeführt, dass physiologischerweise die Muskelanspannung beim Erreichen bzw. Überschreiten der individuellen Kraftgrenze nachlasse, bevor die betroffene Struktur einen Schaden nehme.
Doch auch unabhängig von einem geeigneten Unfallhergang ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Ereignis vom 14. Juli 2003 die Ruptur der Bizepssehne ver-ursacht hat. Dr. Sp. hat überzeugend darauf verwiesen, dass keine verletzungstypischen oder verletzungsspezifischen Befunde vorgelegen haben. Die unmittelbar nach dem Ereignis erhobenen bildtechnischen Befunde (Röntgenaufnah-men, Ultraschalluntersuchung, MRT-Aufnahmen) haben keine Hinweise auf verlet-zungsbedingte Veränderungen an der rechten Schulter oder am rechten Oberarm ge-geben. Typischerweise sind bei traumatischen Rissen aber Begleitverletzungen ande-rer Weichteilstrukturen, die zu dem durch das Ereignis belasteten Funktionsverbund gehören (Muskel/Kapsel-Bandapparat, Schleimbeutel, Haut, Unterhaut), zu finden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Kapitel 8.2.4.1.3., Seite 499). Auch in dem Operationsbericht sind keine Hinweise auf eine verletzungsbedingte Ursache des Sehnenschadens dokumentiert worden. Letztlich bietet der Pathologiebefund auch keine Hinweise auf die Ursache des Risses, denn auch in diesem sind keine verletzungstypischen Befunde, wie z. B. Einblutungen, be-schrieben worden.
Schließlich kann auch nicht der fehlende Nachweis degenerativer Veränderungen an der Bizepssehne den Kausalzusammenhang begründen. Zwar konnte nach dem Pa-thologiebefund in den erhaltenen Anteilen kein Hinweis auf vorbestehende degenerati-ve Veränderungen gefunden werden. Doch hat Dr. Sp. darauf hingewiesen, dass nach der Wortwahl des Pathologen die zugrunde gegangenen Gewebspartikel vom Rissniveau nicht untersucht worden seien. Da sich ein Sehnenriss immer an der schwächsten Stelle ereigne, seien vorbestehende Gewebsschäden am ehesten am Rissniveau zu vermuten, sodass der fehlende Nachweis degenerativer Veränderungen nicht grundsätzlich gegen das Vorliegen belastungsmindernder Veränderungen inner-halb der Sehne spreche. Im Übrigen hat Dr. Sp. unter Bezugnahme auf die bild-technischen Befunde als Indiz für degenerative Veränderungen in der Funktionseinheit Oberarm-Schulter bzw. Knochen-Sehne-Muskel-Knochen die degenerativen Verände-rungen am rechten Schultergelenk mit Veränderungen der Gelenkfläche und die um-formenden Veränderungen an den knöchernen Bestandteilen des Schultereckgelenks gesehen. Da diese im anatomischen und funktionellen Zusammenhang mit dem Schul-terhauptgelenk und der Rotatorenmanschette stehen, erscheinen degenerative Verän-derungen auch an der Bizepssehne jedenfalls nicht ausgeschlossen. Zudem ist zu be-rücksichtigen, dass degenerative Veränderungen im vierten Lebensjahrzehnt durch die fortschreitend absinkende Zugfestigkeit der Sehne auftreten (Schönber-ger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Kapitel 8.2.4.1.2., Seite 498).
Doch selbst wenn diese gewichtigen Argumente für auch im Bizepssehnenbereich be-stehende degenerative Veränderungen zurückgestellt werden, können selbst der feh-lende Nachweis degenerativer Veränderungen und die Beschwerdefreiheit vor dem Unfallereignis keine hinreichende Wahrscheinlichkeit begründen. Denn es gibt im Rahmen der Kausalitätsprüfung bei einem Arbeitsunfall keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automa-tisch auch die wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – m.w.N. – zitiert nach juris).
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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