Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 194/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 35/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ausländischer Mitbürger, deutsche Patienten nach Urlauben aus exotischen Ländern, ältere Menschen, neue Patienten, Patienten, die sich pro Quartal durchschnittlich 10-mal in ärztliche Behandlung begeben, Patienten im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter, Patienten mit genetischen Veranlagungen und Kinder bedürfen nicht von vornherein vermehrt einer Ganzkörperuntersuchung. Damit wird lediglich das typische hausärztliche Patientenspektrum nach Herkunft und Alter beschrieben.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den beiden Quartalen II und III/02 im Bereich der Leistungen nach Nr. 60 EBM in Höhe von insgesamt 6.842,00 EUR (unquotiert) bzw. 1.577,16 EUR (quotiert).
Der Kläger war als Arzt seit 1973 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A Stadt zugelassen. Er hat seine vertragsärztliche Tätigkeit zum 30.06.2004 beendet.
In den streitbefangenen Quartalen ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers im Vergleich mit seiner Fachgruppe (VG):
II/02 III/02
Fallzahl Kl/VG 798/1.083 730/1.075
Rentneranteil Kl/VG in % 29/31 30/33
Fallwert gesamt in EUR Kl/VG
Fallwert LG 3 in EUR 44,05/48,04 17,64/11,44 44,78/48,02 18,59/11,49 Nr. 60 EBM
Punktezahl pro Fall Kl/VG
Mehrkosten in Punkten
Mehrkosten in %
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Fälle Kl/VG 174,2/21,7 152,5 703 64/8 197,3/21,7 175,6 809 72/8
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen leitete ein Prüfverfahren wegen Unwirtschaftlichkeit im Bereich der Nr. 60 EBM in den beiden streitbefangenen Quartalen ein. Der Kläger führte an, dass der Anteil ausländischer Mitbürger an seinen Patienten annähernd 50% seines Patientenstammes ausmache. Diese ausländischen Mitbürger hielten sich des Öfteren zu länger andauernden Besuchen bei ihren Familien im Herkunftsland, in der Regel außerhalb Europas, auf. Nach Rückkehr ließen sie sich in seiner Praxis auf Krankheitserreger untersuchen. Die Erhebung eines Ganzkörperstatus sei daher erforderlich, zumal sich diese Patienten durch den bereits langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik in gewisser Weise der einheimischen Bevölkerung, was die Toleranz von Erregern angehe, angepasst hätten und daher ebenso wie einheimische Patienten leichter infiziert würden. Weiterhin sei ein Ganzkörperstatus auch hinsichtlich der deutschen Patienten dann erforderlich, wenn diese aus Urlauben, häufig exotischen Ländern, zurückkehrten. Sein Patientenstamm bestehe auch zu einem erheblichen Teil aus älteren Menschen. Aufgrund der höheren Krankheitsanfälligkeit mit zunehmendem Alter und dadurch vermehrt auftretenden Neuerkrankungen sei eine engmaschige Untersuchung und Kontrolle durch Erhebung des Ganzkörperstatus erforderlich. Ein Ganzkörperstatus sei auch bei Patienten, die sich erstmalig vorstellten oder erst nach einem längeren Zeitraum, erforderlich. Er habe auch einen spürbaren Anteil von Patienten, die sich pro Quartal durchschnittlich 10-mal in seine Behandlung begäben, weshalb er mindestens einmal im Quartal einen Ganzkörperstatus erheben müsse. Ein erheblicher Anteil von Patienten im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter bedürfe einer Erhebung des Ganzkörperstatus zur Abklärung eventuell bestehender Erkrankungen oder Risiken, die sich noch nicht in einem Krankheitsbild geäußert hätten. Es handele sich hierbei um eine Art Vorsorgeuntersuchung. Schließlich verfüge er zu einem erheblichen Anteil über Patienten mit genetischen Veranlagungen, deren Eltern an Karzinomen verstorben seien, Schlaganfälle oder Herzinfarkte erlitten hätten oder an Diabetes mellitus erkrankt seien. Auch in diesen Fällen sei die Erhebung des Ganzkörperstatus erforderlich. Der Ganzkörperstatus sei auch bei Kindern zu erheben, da sie über ihre Schmerzen nur ungenaue Angaben machen könnten.
Der Prüfungsausschuss der Ärzte- und Krankenkassen setzte mit Bescheid vom 08.10.2003, ausgefertigt am 01.03.2004, eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei der Nr. 60 vor Quotierung um 4,00 DM pro Fall bei 798 Gesamtfällen für das Quartal II/02 und von 5,00 DM pro Fall bei 730 Gesamtfällen für das Quartal III/02 fest. Zur Begründung führte er aus, aufgrund der statistischen Abweichung, die dem Bereich des "offensichtlichen Missverhältnisses" zuzuordnen sei, sei eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen eines statistischen Fallkostenvergleichs nach Durchschnittswerten zulässig. Eine Durchsicht orientierend hinzugezogener Behandlungsscheine habe die vermutete Unwirtschaftlichkeit bestätigt. Der Kläger weise ein relativ schmales Leistungsspektrum auf, wobei jedoch der Ansatz der Nrn. 650 (oszillographische und/oder rheographische Untersuchung) und 850 (Psychosomatik) als quartalsbezogene Praxisbesonderheit zu werten sei. Dies gelte ebenso für die Betreuung von Patienten mit präoperativer Labordiagnostik vor ambulanten oder belegärztlichen Eingriffen in Narkose. Die Fachgruppe erbringe aber eine Reihe von Leistungen, die in der Praxis des Klägers nicht zu finden seien und wodurch sich der Fachgruppendurchschnitt erhöhe. Der Prüfungsausschuss sei sich durchaus der Problematik eines erhöhten Ausländeranteils bewusst. Soweit Patienten nach Rückkehr aus ihrem Heimatland wegen Krankheitserregern untersucht würden, handele es sich um eine Präventivleistung, also vorsorgliche Leistung. Dies erfülle nicht den Sinn einer notwendigen und zweckmäßigen Leistung und könne somit nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Anders verhalte es sich in den Fällen, in denen Verdachtsmomente auf eine Erkrankung vorlägen, wobei auch hier die Wirtschaftlichkeit beachtet werden müsse. Auch bei Patienten, die längere Zeit nicht in der Praxis gewesen seien könne sich eine Untersuchung nur nach eventuellen Krankheitssymptomen etc. richten. Gleiches gelte auch für die Untersuchung bei Kindern, da hier die Bezugspersonen Angaben über die Symptomatik einer Erkrankung machen könnten. Die orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine deute darauf hin, dass der Kläger nicht in jedem Fall den Leistungsinhalt der Nr. 60 richtig interpretiert habe. Der Kläger habe den häufigen Ansatz der Nr. 60 nicht anhand von Einzelfällen belegt, so dass die überdurchschnittliche Abrechnung nicht ohne weiteres nachvollziehbar sei. Die statistischen Daten wiesen zwar einige Einsparungen auf, jedoch könnten diese nicht den Mehraufwand bei der Nr. 60 begründen. Der nach Kürzung verbleibende Mehrbetrag gegenüber der Fachgruppe begründe die unterdurchschnittliche Praxisgröße sowie die Besonderheit der Praxis und die Einsparungen in anderen Bereichen. Gleichzeitig werde dem Arzt mit dem belassenen Übergang ein individueller Handlungsspielraum zugebilligt, der auch nicht vordergründig erkennbare Eventualitäten abdecke.
Mit Schreiben vom 08.03.2004 teilte der Prüfungsausschuss dem Kläger und den übrigen Beigeladenen mit, da bei der Ausfertigung des Beschlusses ein Tippfehler unterlaufen sei (DM statt Euro), übersende er zwecks Austausches die erste Seite des Prüfungsbescheides.
Hiergegen legte der Kläger am 11.03.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trägt er vor, bei Kindern habe auch die Einholung von Auskünften bei den begleitenden Elternteilen keine genauere Lokalisation der Beschwerden ergeben. Eine Überweisung an andere Ärzte oder an die Städtische Klinik in A-Stadt hätte wegen der Wartezeiten aufgrund der akuten Beschwerden nicht erfolgen können. Er habe auch bei den anderen Patienten keine präventive Untersuchung vorgenommen, sondern lediglich nur dann, wenn über Krankheitsbilder unklarer Herkunft berichtet worden sei. Er könne eine Vielzahl von Einzelbeispielen benennen, sehe sich hieran jedoch aufgrund seiner ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung und dem Datenschutz seiner Patienten daran gehindert. Trotz Behandlungen über eine Dauer von 15 min. habe er vom Ansatz der Nr. 10 EBM abgesehen. Soweit die Patienten über spezifische Beschwerden geklagt hätten, habe er nicht die Nr. 60 abgerechnet. In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle hätten die Patienten jedoch über unbestimmte Beschwerden, etwa Ermüdbarkeit, Herzrasen, Schwitzen, Unwohlsein geklagt, was häufig in den Satz gemündet habe: "Herr Doktor, mir ist nicht gut." Er unterhalte seit 1973 eine Praxis für Allgemeinmedizin. Seine Patienten suchten ihn wegen konkreter Anlässe auf, diese würden jedoch in der Regel unspezifiziert vorgetragen werden. Durch die Erhebung des Ganzkörperstatus könne er organische Ursachen ausschließen. Häufig werde demzufolge eine psychosomatische Grunderkrankung festgestellt, die mittels relativ preisgünstiger Psychopharmaka behandelt werden könne. Es würden teure psychiatrische bzw. psychologische Behandlungsmaßnahmen vermieden werden. Hierzu nenne er drei Fallbeispiele.
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 24.04.2008 aufgrund des Beschlusses in der Sitzung am 05.12.2007 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte er aus, die Überschreitungswerte im Leistungsbereich der Nr. 60 EBM lägen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Vom Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses sei dann auszugehen, wenn die Abrechnungswerte den Wert der Vergleichsgruppe um ca. 40 bis 50% oder mehr überschritten. Der Beschwerdeausschuss habe im Zuge der Amtshilfe den Prüfungsausschuss GD. mit der erneuten Prüfung der zur Diskussion stehenden Leistungsziffern beauftragt. Dieser habe von einer nochmaligen Prüfung durch einen weiteren Sachverständigen abgesehen. Im Ergebnis sei die Honorarkürzung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu bestätigen. Der Ansatz der Nr. 60 durch die Diagnosen werde häufig nicht dokumentiert und sei somit unnötig, unwirtschaftlich und/oder fehlinterpretiert. Es sei nicht ersichtlich, warum ein Patient ausländischer Herkunft höhere Kosten verursachen müsse. Auch könne das Argument, der Kläger habe vermehrt bei Kindern die Nr. 60 eingesetzt, nicht nachvollzogen werden, da der Anteil der Familienversicherten nicht über dem der Fachgruppe liege. Wie aus den statistischen Unterlagen ersichtlich sei, habe der Kläger, nachdem ihm die festgestellten Auffälligkeiten über sein Abrechnungsverhalten mitgeteilt worden seien, sein Abrechnungsverhalten in den Folgequartalen grundlegend geändert. Er schließe sich den Ausführungen des Prüfungsausschusses GD. in vollem Umfang an und verweise daher wegen der näheren Begründung der Kürzungen nochmals auf den Bescheid des Prüfungsausschusses GD.
Der Kläger hat gegen den ihm am 28.04.2008 zugestellten Bescheid am 28.05.2008 die Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, die Kürzungssumme beider Quartale betrage insgesamt 6.842,00 EUR brutto, wobei eine entsprechende Belastung von Punktwert/Quote und Verwaltungskosten in Höhe von 1.577,16 EUR erfolgt sei. Der ursprüngliche Bescheid vom 01.03.2004 sei nichtig, da er eine falsche Währungsangabe enthalte. Das Schreiben vom 08.03.2004 und der Übersendung einer "Austauschseite" für Seite 1 des Prüfungsbescheides selbst stelle keinen Bescheid dar. Aber auch materiell-rechtlich lägen die Voraussetzungen für eine Honorarkürzung nicht vor. Ihm stünden objektive Gründe zur Seite, die die durchgeführten Untersuchungsmaßnahmen jeweils rechtfertigten, wie er bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 24.04.2008 den Beklagten zu verurteilen, ihn über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend unter Datum vom 07.01.2009 vor, der Bescheid des Prüfungsausschusses sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Unter dieser Maßgabe komme es auf etwaige Nichtigkeitserwägungen seitens des Klägers hinsichtlich des Bescheides des Prüfungsausschusses nicht weiter an. Aus dem Umstand der ausländischen Herkunft oder Staatsangehörigkeit vieler Patienten des Klägers könne nicht ohne weiteres und ohne Berücksichtigung der zu behandelnden Gesundheitsstörungen bzw. Behandlungsmethoden auf einen höheren Leistungsbedarf geschlossen werden.
Die Beigeladenen haben sich schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert und keinen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 29.05.2008 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 24.04.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses. Die Klage war daher abzuweisen.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.
Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 3773).
Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).
Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106. Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris Rdnr. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Prüfgremien ferner berechtigt, u. a. eine eingeschränkte Einzelfallprüfung durchzuführen. Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung untersuchen die Prüfinstanzen - ebenfalls regelmäßig unter Heranziehung von sachverständigen Ärzten - Behandlungsfälle eines Arztes aufgrund von dessen Behandlungsangaben und Behandlungsunterlagen. Die strenge Einzelfallprüfung unterscheidet sich von der eingeschränkten demnach dadurch, dass bei der letzteren der Prüfung der Behandlungsweise die Indikationsbeurteilung des geprüften Arztes zugrunde gelegt wird. Es handelt sich damit nicht um eine "wirkliche" Einzelfallprüfung, sondern im Kern um eine bloße Schlüssigkeitsprüfung. Sie kommt - nur - dann als geeignete Beweismethode in Betracht, wenn aussagekräftigere Beweismittel und -methoden nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Das Ergebnis einer eingeschränkten Einzelfallprüfung ist in seiner Aussagefähigkeit ebenfalls begrenzt. Da bei ihr die Angaben des zu prüfenden Arztes der Prüfung zugrunde gelegt werden, kann mit ihr zwar nicht der Nachweis der Wirtschaftlichkeit geführt werden. Die Ergebnisse können aber geeignete Grundlage einer wertenden Entscheidung der Prüfgremien sein, dass die Behandlung eines Arztes unwirtschaftlich ist (vgl. BSG, Urt. v. 08.04.1992 - 6 RKa 27/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 10 = BSGE 70, 246 = NZS 1992, 113 = SGb 1993, 124 = NJW 1993, 1549 = USK 92154, juris Rdnr. 38).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.
Der Beschluss ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Durch die Übersendung des Prüfberichts mit der Möglichkeit zur Stellungnahme lagen hat eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X). Hierbei ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang der Kläger sich dazu geäußert hat, da dies insoweit ihre freie Entscheidung war.
Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Eine Rechtswidrigkeit wegen Nichtigkeit des Bescheids des Prüfungsausschusses und eines damit fehlenden Ausgangsbescheids scheidet schon deshalb aus, weil der Bescheid des Prüfungsausschusses nicht nichtig ist.
Die fehlerhafte Tenorierung als DM- anstatt Euro-Beträge im Beschluss des Prüfungsausschusses vom 08.10.2003 ist unerheblich.
Das BSG sieht das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss – ebenso wie das vor dem Berufungsausschuss – in dem Sinne als "eigenständig" an, als der vom Beschwerde- bzw. Berufungsausschuss erlassene Verwaltungsakt selbstständig ist: Nur dieser Verwaltungsakt ist der alleinige Gegenstand eines anschließenden Gerichtsverfahrens (vgl. Clemens, in jurisPK § 106 SGB V, Rdnr. 281 m. w. N.).
Der Prüfbescheid vom 08.10.2003 ist nicht nichtig. Er konnte nach § 38 SGB X berichtigt werden, da es sich bei der Tenorierung als DM- anstatt Euro-Beträge nach Einführung des Euros bereits zum Zeitpunkt der Prüfquartale und einer Führung der Statistiken in Euro-Beträgen um einen offensichtlichen Schreibfehler handelte. Bereits von daher scheidet eine Nichtigkeit des Prüfbescheides vom 08.10.2003 aus und besteht kein Verfahrensmangel, der zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses des Beklagten führen würde. Gleichfalls kann dahinstehen, ob es sich bei der Berichtigung vom 08.03.2008 um einen Verwaltungsakt oder um schlichtes Verwaltungshandeln gehandelt hat (vgl. Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 38, Rdnr. 9).
Praxisbesonderheiten hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. In der Klagebegründung hat er sich nicht mehr mit dem angefochtenen Beschluss, der im Einzelnen auf sein Widerspruchsvorbringen eingeht, auseinandergesetzt. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren letztlich lediglich vorgetragen, ausländische Mitbürger, deutsche Patienten, wenn diese aus Urlauben, häufig exotischen Ländern, zurückkehrten, ältere Menschen, neue Patienten, Patienten, die sich pro Quartal durchschnittlich 10-mal in seine Behandlung begäben, Patienten im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter, Patienten mit genetischen Veranlagungen und Kinder bedürften vermehrt einer Ganzkörperuntersuchung. Dies trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu, insbesondere kann nicht allein aus der Herkunft eines Patienten auf einen höheren Versorgungsbedarf geschlossen werden (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.2000 - B 6 KA 25/99 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 49 = MedR 2001, 157 = NZS 2001, 219 = NJW 2002, 1822 = USK 2000-153). Im Übrigen wird damit das typische hausärztliche Patientenspektrum nach Herkunft und Alter beschrieben und ist gerade nicht geeignet, einen erhöhten Bedarf an Ganzkörperuntersuchungen zu begründen.
Die dem Kläger belassenen Restüberschreitungen von 342 % bzw. 353 % liegen noch eindeutig im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so dass eine weitergehende Schätzung der Wirtschaftlichkeit entbehrlich war.
Nach allem war der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den beiden Quartalen II und III/02 im Bereich der Leistungen nach Nr. 60 EBM in Höhe von insgesamt 6.842,00 EUR (unquotiert) bzw. 1.577,16 EUR (quotiert).
Der Kläger war als Arzt seit 1973 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A Stadt zugelassen. Er hat seine vertragsärztliche Tätigkeit zum 30.06.2004 beendet.
In den streitbefangenen Quartalen ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers im Vergleich mit seiner Fachgruppe (VG):
II/02 III/02
Fallzahl Kl/VG 798/1.083 730/1.075
Rentneranteil Kl/VG in % 29/31 30/33
Fallwert gesamt in EUR Kl/VG
Fallwert LG 3 in EUR 44,05/48,04 17,64/11,44 44,78/48,02 18,59/11,49 Nr. 60 EBM
Punktezahl pro Fall Kl/VG
Mehrkosten in Punkten
Mehrkosten in %
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Fälle Kl/VG 174,2/21,7 152,5 703 64/8 197,3/21,7 175,6 809 72/8
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen leitete ein Prüfverfahren wegen Unwirtschaftlichkeit im Bereich der Nr. 60 EBM in den beiden streitbefangenen Quartalen ein. Der Kläger führte an, dass der Anteil ausländischer Mitbürger an seinen Patienten annähernd 50% seines Patientenstammes ausmache. Diese ausländischen Mitbürger hielten sich des Öfteren zu länger andauernden Besuchen bei ihren Familien im Herkunftsland, in der Regel außerhalb Europas, auf. Nach Rückkehr ließen sie sich in seiner Praxis auf Krankheitserreger untersuchen. Die Erhebung eines Ganzkörperstatus sei daher erforderlich, zumal sich diese Patienten durch den bereits langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik in gewisser Weise der einheimischen Bevölkerung, was die Toleranz von Erregern angehe, angepasst hätten und daher ebenso wie einheimische Patienten leichter infiziert würden. Weiterhin sei ein Ganzkörperstatus auch hinsichtlich der deutschen Patienten dann erforderlich, wenn diese aus Urlauben, häufig exotischen Ländern, zurückkehrten. Sein Patientenstamm bestehe auch zu einem erheblichen Teil aus älteren Menschen. Aufgrund der höheren Krankheitsanfälligkeit mit zunehmendem Alter und dadurch vermehrt auftretenden Neuerkrankungen sei eine engmaschige Untersuchung und Kontrolle durch Erhebung des Ganzkörperstatus erforderlich. Ein Ganzkörperstatus sei auch bei Patienten, die sich erstmalig vorstellten oder erst nach einem längeren Zeitraum, erforderlich. Er habe auch einen spürbaren Anteil von Patienten, die sich pro Quartal durchschnittlich 10-mal in seine Behandlung begäben, weshalb er mindestens einmal im Quartal einen Ganzkörperstatus erheben müsse. Ein erheblicher Anteil von Patienten im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter bedürfe einer Erhebung des Ganzkörperstatus zur Abklärung eventuell bestehender Erkrankungen oder Risiken, die sich noch nicht in einem Krankheitsbild geäußert hätten. Es handele sich hierbei um eine Art Vorsorgeuntersuchung. Schließlich verfüge er zu einem erheblichen Anteil über Patienten mit genetischen Veranlagungen, deren Eltern an Karzinomen verstorben seien, Schlaganfälle oder Herzinfarkte erlitten hätten oder an Diabetes mellitus erkrankt seien. Auch in diesen Fällen sei die Erhebung des Ganzkörperstatus erforderlich. Der Ganzkörperstatus sei auch bei Kindern zu erheben, da sie über ihre Schmerzen nur ungenaue Angaben machen könnten.
Der Prüfungsausschuss der Ärzte- und Krankenkassen setzte mit Bescheid vom 08.10.2003, ausgefertigt am 01.03.2004, eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei der Nr. 60 vor Quotierung um 4,00 DM pro Fall bei 798 Gesamtfällen für das Quartal II/02 und von 5,00 DM pro Fall bei 730 Gesamtfällen für das Quartal III/02 fest. Zur Begründung führte er aus, aufgrund der statistischen Abweichung, die dem Bereich des "offensichtlichen Missverhältnisses" zuzuordnen sei, sei eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen eines statistischen Fallkostenvergleichs nach Durchschnittswerten zulässig. Eine Durchsicht orientierend hinzugezogener Behandlungsscheine habe die vermutete Unwirtschaftlichkeit bestätigt. Der Kläger weise ein relativ schmales Leistungsspektrum auf, wobei jedoch der Ansatz der Nrn. 650 (oszillographische und/oder rheographische Untersuchung) und 850 (Psychosomatik) als quartalsbezogene Praxisbesonderheit zu werten sei. Dies gelte ebenso für die Betreuung von Patienten mit präoperativer Labordiagnostik vor ambulanten oder belegärztlichen Eingriffen in Narkose. Die Fachgruppe erbringe aber eine Reihe von Leistungen, die in der Praxis des Klägers nicht zu finden seien und wodurch sich der Fachgruppendurchschnitt erhöhe. Der Prüfungsausschuss sei sich durchaus der Problematik eines erhöhten Ausländeranteils bewusst. Soweit Patienten nach Rückkehr aus ihrem Heimatland wegen Krankheitserregern untersucht würden, handele es sich um eine Präventivleistung, also vorsorgliche Leistung. Dies erfülle nicht den Sinn einer notwendigen und zweckmäßigen Leistung und könne somit nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Anders verhalte es sich in den Fällen, in denen Verdachtsmomente auf eine Erkrankung vorlägen, wobei auch hier die Wirtschaftlichkeit beachtet werden müsse. Auch bei Patienten, die längere Zeit nicht in der Praxis gewesen seien könne sich eine Untersuchung nur nach eventuellen Krankheitssymptomen etc. richten. Gleiches gelte auch für die Untersuchung bei Kindern, da hier die Bezugspersonen Angaben über die Symptomatik einer Erkrankung machen könnten. Die orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine deute darauf hin, dass der Kläger nicht in jedem Fall den Leistungsinhalt der Nr. 60 richtig interpretiert habe. Der Kläger habe den häufigen Ansatz der Nr. 60 nicht anhand von Einzelfällen belegt, so dass die überdurchschnittliche Abrechnung nicht ohne weiteres nachvollziehbar sei. Die statistischen Daten wiesen zwar einige Einsparungen auf, jedoch könnten diese nicht den Mehraufwand bei der Nr. 60 begründen. Der nach Kürzung verbleibende Mehrbetrag gegenüber der Fachgruppe begründe die unterdurchschnittliche Praxisgröße sowie die Besonderheit der Praxis und die Einsparungen in anderen Bereichen. Gleichzeitig werde dem Arzt mit dem belassenen Übergang ein individueller Handlungsspielraum zugebilligt, der auch nicht vordergründig erkennbare Eventualitäten abdecke.
Mit Schreiben vom 08.03.2004 teilte der Prüfungsausschuss dem Kläger und den übrigen Beigeladenen mit, da bei der Ausfertigung des Beschlusses ein Tippfehler unterlaufen sei (DM statt Euro), übersende er zwecks Austausches die erste Seite des Prüfungsbescheides.
Hiergegen legte der Kläger am 11.03.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trägt er vor, bei Kindern habe auch die Einholung von Auskünften bei den begleitenden Elternteilen keine genauere Lokalisation der Beschwerden ergeben. Eine Überweisung an andere Ärzte oder an die Städtische Klinik in A-Stadt hätte wegen der Wartezeiten aufgrund der akuten Beschwerden nicht erfolgen können. Er habe auch bei den anderen Patienten keine präventive Untersuchung vorgenommen, sondern lediglich nur dann, wenn über Krankheitsbilder unklarer Herkunft berichtet worden sei. Er könne eine Vielzahl von Einzelbeispielen benennen, sehe sich hieran jedoch aufgrund seiner ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung und dem Datenschutz seiner Patienten daran gehindert. Trotz Behandlungen über eine Dauer von 15 min. habe er vom Ansatz der Nr. 10 EBM abgesehen. Soweit die Patienten über spezifische Beschwerden geklagt hätten, habe er nicht die Nr. 60 abgerechnet. In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle hätten die Patienten jedoch über unbestimmte Beschwerden, etwa Ermüdbarkeit, Herzrasen, Schwitzen, Unwohlsein geklagt, was häufig in den Satz gemündet habe: "Herr Doktor, mir ist nicht gut." Er unterhalte seit 1973 eine Praxis für Allgemeinmedizin. Seine Patienten suchten ihn wegen konkreter Anlässe auf, diese würden jedoch in der Regel unspezifiziert vorgetragen werden. Durch die Erhebung des Ganzkörperstatus könne er organische Ursachen ausschließen. Häufig werde demzufolge eine psychosomatische Grunderkrankung festgestellt, die mittels relativ preisgünstiger Psychopharmaka behandelt werden könne. Es würden teure psychiatrische bzw. psychologische Behandlungsmaßnahmen vermieden werden. Hierzu nenne er drei Fallbeispiele.
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 24.04.2008 aufgrund des Beschlusses in der Sitzung am 05.12.2007 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte er aus, die Überschreitungswerte im Leistungsbereich der Nr. 60 EBM lägen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Vom Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses sei dann auszugehen, wenn die Abrechnungswerte den Wert der Vergleichsgruppe um ca. 40 bis 50% oder mehr überschritten. Der Beschwerdeausschuss habe im Zuge der Amtshilfe den Prüfungsausschuss GD. mit der erneuten Prüfung der zur Diskussion stehenden Leistungsziffern beauftragt. Dieser habe von einer nochmaligen Prüfung durch einen weiteren Sachverständigen abgesehen. Im Ergebnis sei die Honorarkürzung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu bestätigen. Der Ansatz der Nr. 60 durch die Diagnosen werde häufig nicht dokumentiert und sei somit unnötig, unwirtschaftlich und/oder fehlinterpretiert. Es sei nicht ersichtlich, warum ein Patient ausländischer Herkunft höhere Kosten verursachen müsse. Auch könne das Argument, der Kläger habe vermehrt bei Kindern die Nr. 60 eingesetzt, nicht nachvollzogen werden, da der Anteil der Familienversicherten nicht über dem der Fachgruppe liege. Wie aus den statistischen Unterlagen ersichtlich sei, habe der Kläger, nachdem ihm die festgestellten Auffälligkeiten über sein Abrechnungsverhalten mitgeteilt worden seien, sein Abrechnungsverhalten in den Folgequartalen grundlegend geändert. Er schließe sich den Ausführungen des Prüfungsausschusses GD. in vollem Umfang an und verweise daher wegen der näheren Begründung der Kürzungen nochmals auf den Bescheid des Prüfungsausschusses GD.
Der Kläger hat gegen den ihm am 28.04.2008 zugestellten Bescheid am 28.05.2008 die Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, die Kürzungssumme beider Quartale betrage insgesamt 6.842,00 EUR brutto, wobei eine entsprechende Belastung von Punktwert/Quote und Verwaltungskosten in Höhe von 1.577,16 EUR erfolgt sei. Der ursprüngliche Bescheid vom 01.03.2004 sei nichtig, da er eine falsche Währungsangabe enthalte. Das Schreiben vom 08.03.2004 und der Übersendung einer "Austauschseite" für Seite 1 des Prüfungsbescheides selbst stelle keinen Bescheid dar. Aber auch materiell-rechtlich lägen die Voraussetzungen für eine Honorarkürzung nicht vor. Ihm stünden objektive Gründe zur Seite, die die durchgeführten Untersuchungsmaßnahmen jeweils rechtfertigten, wie er bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 24.04.2008 den Beklagten zu verurteilen, ihn über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend unter Datum vom 07.01.2009 vor, der Bescheid des Prüfungsausschusses sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Unter dieser Maßgabe komme es auf etwaige Nichtigkeitserwägungen seitens des Klägers hinsichtlich des Bescheides des Prüfungsausschusses nicht weiter an. Aus dem Umstand der ausländischen Herkunft oder Staatsangehörigkeit vieler Patienten des Klägers könne nicht ohne weiteres und ohne Berücksichtigung der zu behandelnden Gesundheitsstörungen bzw. Behandlungsmethoden auf einen höheren Leistungsbedarf geschlossen werden.
Die Beigeladenen haben sich schriftsätzlich nicht zum Verfahren geäußert und keinen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 29.05.2008 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 24.04.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses. Die Klage war daher abzuweisen.
Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.
Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 3773).
Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).
Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106. Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris Rdnr. 23).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Prüfgremien ferner berechtigt, u. a. eine eingeschränkte Einzelfallprüfung durchzuführen. Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung untersuchen die Prüfinstanzen - ebenfalls regelmäßig unter Heranziehung von sachverständigen Ärzten - Behandlungsfälle eines Arztes aufgrund von dessen Behandlungsangaben und Behandlungsunterlagen. Die strenge Einzelfallprüfung unterscheidet sich von der eingeschränkten demnach dadurch, dass bei der letzteren der Prüfung der Behandlungsweise die Indikationsbeurteilung des geprüften Arztes zugrunde gelegt wird. Es handelt sich damit nicht um eine "wirkliche" Einzelfallprüfung, sondern im Kern um eine bloße Schlüssigkeitsprüfung. Sie kommt - nur - dann als geeignete Beweismethode in Betracht, wenn aussagekräftigere Beweismittel und -methoden nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Das Ergebnis einer eingeschränkten Einzelfallprüfung ist in seiner Aussagefähigkeit ebenfalls begrenzt. Da bei ihr die Angaben des zu prüfenden Arztes der Prüfung zugrunde gelegt werden, kann mit ihr zwar nicht der Nachweis der Wirtschaftlichkeit geführt werden. Die Ergebnisse können aber geeignete Grundlage einer wertenden Entscheidung der Prüfgremien sein, dass die Behandlung eines Arztes unwirtschaftlich ist (vgl. BSG, Urt. v. 08.04.1992 - 6 RKa 27/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr. 10 = BSGE 70, 246 = NZS 1992, 113 = SGb 1993, 124 = NJW 1993, 1549 = USK 92154, juris Rdnr. 38).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.
Der Beschluss ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Durch die Übersendung des Prüfberichts mit der Möglichkeit zur Stellungnahme lagen hat eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X). Hierbei ist es unerheblich, ob und in welchem Umfang der Kläger sich dazu geäußert hat, da dies insoweit ihre freie Entscheidung war.
Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Eine Rechtswidrigkeit wegen Nichtigkeit des Bescheids des Prüfungsausschusses und eines damit fehlenden Ausgangsbescheids scheidet schon deshalb aus, weil der Bescheid des Prüfungsausschusses nicht nichtig ist.
Die fehlerhafte Tenorierung als DM- anstatt Euro-Beträge im Beschluss des Prüfungsausschusses vom 08.10.2003 ist unerheblich.
Das BSG sieht das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss – ebenso wie das vor dem Berufungsausschuss – in dem Sinne als "eigenständig" an, als der vom Beschwerde- bzw. Berufungsausschuss erlassene Verwaltungsakt selbstständig ist: Nur dieser Verwaltungsakt ist der alleinige Gegenstand eines anschließenden Gerichtsverfahrens (vgl. Clemens, in jurisPK § 106 SGB V, Rdnr. 281 m. w. N.).
Der Prüfbescheid vom 08.10.2003 ist nicht nichtig. Er konnte nach § 38 SGB X berichtigt werden, da es sich bei der Tenorierung als DM- anstatt Euro-Beträge nach Einführung des Euros bereits zum Zeitpunkt der Prüfquartale und einer Führung der Statistiken in Euro-Beträgen um einen offensichtlichen Schreibfehler handelte. Bereits von daher scheidet eine Nichtigkeit des Prüfbescheides vom 08.10.2003 aus und besteht kein Verfahrensmangel, der zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses des Beklagten führen würde. Gleichfalls kann dahinstehen, ob es sich bei der Berichtigung vom 08.03.2008 um einen Verwaltungsakt oder um schlichtes Verwaltungshandeln gehandelt hat (vgl. Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 38, Rdnr. 9).
Praxisbesonderheiten hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. In der Klagebegründung hat er sich nicht mehr mit dem angefochtenen Beschluss, der im Einzelnen auf sein Widerspruchsvorbringen eingeht, auseinandergesetzt. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren letztlich lediglich vorgetragen, ausländische Mitbürger, deutsche Patienten, wenn diese aus Urlauben, häufig exotischen Ländern, zurückkehrten, ältere Menschen, neue Patienten, Patienten, die sich pro Quartal durchschnittlich 10-mal in seine Behandlung begäben, Patienten im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter, Patienten mit genetischen Veranlagungen und Kinder bedürften vermehrt einer Ganzkörperuntersuchung. Dies trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu, insbesondere kann nicht allein aus der Herkunft eines Patienten auf einen höheren Versorgungsbedarf geschlossen werden (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.2000 - B 6 KA 25/99 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 49 = MedR 2001, 157 = NZS 2001, 219 = NJW 2002, 1822 = USK 2000-153). Im Übrigen wird damit das typische hausärztliche Patientenspektrum nach Herkunft und Alter beschrieben und ist gerade nicht geeignet, einen erhöhten Bedarf an Ganzkörperuntersuchungen zu begründen.
Die dem Kläger belassenen Restüberschreitungen von 342 % bzw. 353 % liegen noch eindeutig im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so dass eine weitergehende Schätzung der Wirtschaftlichkeit entbehrlich war.
Nach allem war der angefochtene Beschluss nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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