L 5 B 464/08 AS

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 2531/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 B 464/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe-unvollständiger Antrag
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin begehrt, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für ein in erster Instanz erledigtes sozialgerichtliches Eilverfahren zu gewähren.

Die am 19 geborene Beschwerdeführerin hat eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Umschlagprozesse und Lagerwirtschaft absolviert. Sie bezieht vom Beschwerdegegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Seit 1. August 2007 übt sie eine zunächst bis 31. Dezember 2007 befristete, dann verlängerte Nebenbeschäftigung bei Rechtsanwalt Wiedemann in Zerbst als "Aufwartung, Bürohilfskraft" zu einem monatlichen Nettoverdienst von zuletzt 100,00 EUR aus.

Am 16. März 2008 stellte sie beim Beschwerdegegner einen Antrag auf Gewährung einer Umschulung zur Bürokauffrau, den dieser mit Bescheid vom 29. April 2008 im Wesentlichen mit der Begründung zurückwies: Die Leistungen nach § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit §§ 77 ff. SGB III seien Ermessensleistungen. Die Beschwerdeführerin habe weder die Notwendigkeit der begehrten Maßnahme ausreichend dargelegt, noch sei diese aus arbeitsmarktpoltischen Gründen sinnvoll. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Ermessenserwägungen wird auf Bl. 10 der Gerichtsakte verwiesen.

Den hiergegen von der Beschwerdeführerin eingelegten Widerspruch wies der Beschwerdegegner mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2008 zurück. Dagegen hat die Beschwerdeführerin am 28. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben (7 AS 2264/08).

Am 15. August 2008 hat die Beschwerdeführerin beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Beschwerdegegner zu verpflichten, ihr den nächsten Vorbereitungslehrgang (bei FAW Dessau) zur beruflichen Umschulung zu gestatten und zu finanzieren. Gleichzeitig hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt und unter dem 11. August 2008 eine nur teilweise ausgefüllte "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" vorgelegt.

Mit Beschluss vom 23. September 2008 hat das SG den einstweiligen Verfügungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen: Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Die Entscheidung des Beschwerdegegners über die Bewilligung einer Weiterbildungsmaßnahme sei eine Ermessensentscheidung. Es bestehe nur ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, denn eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Der Beschwerdegegner sei auch nicht im Wege der einstweiligen Anordnung zur Neuverbescheidung zu verpflichten. Dies folge daraus, dass der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides keine ermessensfehlerhafte Entscheidung des Beschwerdegegners darstelle. Das SG hat im selben Beschluss aus den oben ausgeführten Gründen, d.h. mangels Erfolgsaussicht des Begehrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Ablehnung der Prozesskostenhilfe hat sie ausgeführt: Wenn ein Gericht eine seitenlange Begründung benötige, um den erhobenen Anspruch zu versagen, werde der gesetzliche Tatbestand des § 114 ZPO schon anders zu interpretieren sein. Die Anforderungen an die Gewährung von Prozesskostenhilfe dürften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht überspannt werden.

Die Beschwerdeführerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. September 2008 hinsichtlich der Ablehnung der Prozesskostenhilfe aufzuheben und ihr für das Verfahren S 7 AS 2531/08 ER Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu bewilligen sowie Rechtsanwalt Wiedemann aus Zerbst zur Vertretung in dem Verfahren beizuordnen.

Der Beschwerdegegner hat keine Ausführungen in diesem Verfahren gemacht.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) statthaft und im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde ist jedoch im Ergebnis unbegründet, da der Beschwerdeführerin für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (S 7 AS 2531/08 ER) kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zusteht.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist. Zu diesem Zweck sind nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beizufügen. Dabei hat der Antragsteller den nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO vorgesehen Vordruck vollständig und sorgfältig auszufüllen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO für jeden Rechtszug besonders. Grundsätzlich beginnt die Wirksamkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Zustellung des Beschlusses. Rückwirkend kann das Gericht frühestens zu dem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe bewilligen, in dem ihm der Antrag samt den erforderlichen Erklärungen und Unterlagen vollständig vorlag (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 30. September 1981, IVb ZR 694/80, NJW 1982, S. 446; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. März 2006, L 8 B 4/06 AY ER, nicht veröffentlicht).

Vorliegend hat dem Sozialgericht Dessau-Roßlau bis zum Abschluss des Verfahrens am 24. September 2008 mit der Zustellung des Beschlusses vom 23. September 2008 beim Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin kein vollständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgelegen. Da zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens vor dem Sozialgericht noch kein vollständiger Antrag vorlag, war dieser allein wegen seiner Unvollständigkeit und unabhängig von den Erfolgsaussichten des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 18. November 2008, L 5 B 246/07 AS).

Für das Sozialgericht bestand auch kein Anlass, die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin auf die Unvollständigkeit ihrer Angaben in der Erklärung hinzuweisen. Die Beschwerdeführerin hätte das Formular der "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" in allen Punkten vollständig ausfüllen müssen. Der Hinweis unter Punkt A des Formulars, dass die Angaben zu den Punkten E bis J entbehrlich sind, wenn der Antragsteller laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz bezieht, sofern das Gericht nicht etwas anderes anordnet, gilt erkennbar nicht für die Beschwerdeführerin. Zum einen ist das verwendete Formular veraltet. Das Bundessozialhilfegesetz ist zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten. Weiterhin gilt auch nach der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) vom 17. Oktober 1994 in der ab 1. Januar 2005 gültigen Fassung diese Erleichterung nach § 2 Abs. 2 PKHVV nur für Antragsteller, die laufend Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beziehen. Die Beschwerdeführerin bezieht jedoch Leistungen nach dem SGB II. Auch war sie anwaltlich vertreten. Ihrem Prozessbevollmächtigten hätte es oblegen, die Beschwerdeführerin auf die Pflicht zum vollständigen Ausfüllen des Vordrucks hinzuweisen.

Der Senat kann offen lassen, ob die Beschwerdeführerin auf Grund des Hinweises im Vordruck darauf vertraut haben sollte, dass ihr Gesuch nicht wegen fehlender Angaben abgelehnt werde. Ein solches Vertrauen würde nicht dazu führen, dass selbst nach Vervollständigung der Angaben - was selbst im Beschwerdeverfahren nicht erfolgt ist - eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf einen Zeitpunkt vor Eingang der vollständigen Angaben bei Gericht möglich wäre. Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt es vielmehr darauf an, ob dem Gericht dieser tatsächliche Umstand im maßgeblichen Zeitpunkt bekannt war. Nach Abschluss des Antragsverfahrens vor dem Sozialgericht kann eine entsprechende Kenntniserlangung nicht rückwirkend fingiert werden. Sinn der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 122 Satz 1 Nr. 3 ZPO die Befreiung des Antragstellers von Vergütungsansprüchen des beigeordneten Rechtsanwalts. Davon erfasst werden jedoch nur die Vergütungsansprüche für die Prozesshandlungen, die ab dem Zeitpunkt der - unter Umständen rückwirkenden - Bewilligung vorgenommen werden (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. März 2006, a.a.O.). Mit der Einreichung der Beschwerde am 24. Oktober 2008 waren aber alle denkbaren Prozesshandlungen des Prozessbevollmächtigen der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Sozialgericht bereits abgeschlossen.

Im Übrigen hatte das Begehren der Beschwerdeführerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zur näheren Begründung wird auf den den Beteiligten bekannten Beschluss des erkennenden Senats vom 21. November 2008 (L 5 B 463/08 AS ER) verwiesen.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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