L 9 U 4402/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 178/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4402/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 31. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 06. Dezember 2002.

Der 1965 geborene Kläger erlitt als angestellter Maurermeister im Baugeschäft seines Vaters am 06. Dezember 2002 gegen 11 Uhr einen Arbeitsunfall, als Schalelemente, die mittels Kran auf einen LKW aufgeladen worden waren, ins Rutschen gerieten, herunterstürzten und den Kläger, der dabei vom LKW auf die Straße gesprungen war, gegen die Beine fielen.

Gemäß dem Durchgangsarztbericht (DAB) des Kreiskrankenhauses (KKH) Sch. vom 06. Dezember 2002 fanden sich eine zwei cm lange zerfetzte Risswunde praetibial rechts bis auf den Knochen reichend mit ca. 5 mal 5 cm subcutan unterminierter Umgebung sowie ein Druckschmerz über dem Calcaneus links bei freiem oberen Sprunggelenk (OSG). Die Diagnose lautete zunächst Risswunde und Prellung rechter Unterschenkel, Calcaneusfraktur links. Die Weiterbehandlung wurde im Klinikum Sch. G. durchgeführt. Gemäß Berichten von Chefarzt Dr. W. und OA Dr. F. vom 17. Dezember 2002 und 10. Januar 2003 erfolgte eine stationäre Behandlung vom 16. bis 21. Dezember 2002 (Diagnosen: Fraktur mediale Talusschulter linkes OSG mit intraarticulär liegendem Flake, Osteochondrosis dissecans der medialen Taluskante links) mit Sprunggelenks(SG)-Arthroskopie und Innenknöchelosteotomie sowie Beck’schen Bohrungen. Ferner erfolgte eine Flake-Entfernung. Nach gescheiterten Wiedereingliederungsversuchen und Metallentfernung am 05. August 2003, bei der sich gemäß dem Bericht von Dr. F. vom 21. August 2003 eine Ersatzknorpelbildung mit diskreten Oberflächenunregelmäßigkeiten ohne relevante Knorpeldefekte zeigte, und weiter erfolgloser Wiedereingliederung wurde vom 01. bis 22. Dezember 2003 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. eine stationäre Heilbehandlung durchgeführt. Gemäß dem Bericht von Prof. Dr. W. vom 02. Januar 2004 wurde unter der Diagnose "chronisches Schmerzsyndrom des linken SG bei Zustand nach Distorsion mit Knorpelfraktur im Bereich der medialen Talusschulter" eine Schmerztherapie durchgeführt. Anlässlich eines weiteren stationären Aufenthaltes vom 07. bis 13. Januar 2004 und einer Arthroskopie fand sich gemäß dem Bericht von Prof. Dr. W. vom 16. Januar 2004 ein drittgradiger Knorpelschaden im Bereich der medialen Talusschulter im linken OSG bei Zustand nach konsolidierter Talusfraktur. Bei der Arthroskopie erfolgte eine Anfrischung des Defektes und eine Mikrofrakturierung. In der Folge war der Kläger bei persistierenden Beschwerden weiter arbeitsunfähig. Die Belastung konnte im Rahmen der Erprobung nicht deutlich gesteigert werden.

Am 15. September 2004 erstatteten Prof. Dr. W. und Dr. St. das Erste Rentengutachten. Die Beweglichkeit des OSG rechts war gegenüber links (20-0-30) auf 5-0-15 eingeschränkt, die Gesamtbeweglichkeit des USG war auf zwei Drittel eingeschränkt. Die Umfangmaße des Knöchels waren mit rechts 28 cm und links 26,5 cm angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Messdaten im Gutachten verwiesen. Als wesentliche Unfallfolgen wurden eine deutlich eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit des linken OSG für Heben und Senken des Vor-fußes in Vergleich zur Gegenseite, eine eingeschränkte Beweglichkeit des linken USG im Vergleich zur Gegenseite bei frei beweglichen Zehengelenken, Narben am linken OSG, eine "Umfangsminderung des linken Oberschenkels bei gleichzeitiger Umfangsvermehrung des linken Knöchels im Vergleich zur Gegenseite" und röntgenologische Veränderungen (deutliche Sklerosierung der tibialen Gelenkfläche sowie Randkantenausziehung nach ventral, an der medialen Talusschulter Aufhellung bei intakter Kontur, über dem Innenknöchel multiple kleine Ossifikationen, nicht regelgerecht erscheinende Gelenkkongruenz und verringerte Gelenkweite im Bereich der medialen Talusschulter im Vergleich zum lateralen Anteil) beschrieben. Notwendig seien orthopädische Schuhe mit Aussenranderhöhung. Die Gutachter schätzten die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bis auf Weiteres auf 20 v.H.

Mit Bescheid vom 25. November 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung ab 14. September 2004 (nach dem Verletztengeld bis 13. September 2004 gewährt worden war) nach einer MdE um 20 v.H. Hierbei anerkannte sie als Unfallfolgen "Knöchern fest durchbaute Talusfraktur links mit Sklerosierung der tibialen Gelenkfläche. Verringerung der Gelenkweite im Bereich der medialen Talusschulter links. Bewegungseinschränkung im linken oberen und unteren Sprunggelenk. Umfangsminderung des linken Oberschenkels bei gleichzeitiger Umfangsvermehrung des linken Knöchels."

Gemäß einem Wiedererkrankungsbericht von Dr. W. vom 01. April 2005 bestanden im linken OSG immer noch ständig Schmerzen und kam es manchmal zu einer deutlichen Anschwellung. Die Beweglichkeit war gut, doch fand sich noch eine Muskelatrophie und bestanden belastungsabhängige Beschwerden.

Im Zweiten Rentengutachten kam Prof. Dr. W. und Dr. St. am 08. September 2005 aufgrund einer Untersuchung vom 16. August 2005 zum Ergebnis, die Beweglichkeit des OSG und des USG links sei unverändert, die Umfänge an Oberschenkel und Unterschenkel zeigten keine signifikanten Unterschiede. Es bestehe ein diskretes Schonhinken links. Zehengang, Zehenstand links und die Einnahme der Hockstellung seien wegen Schmerzen im linken SG nicht möglich gewesen. Am linken Knöchel zeige sich eine diskrete Umfangsvermehrung bei - unverändert - seitengleicher Fußsohlenbeschwielung. Die Umfangmaße am Knöchel waren mit rechts 26 cm und links 28 Zentimeter angegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die im Gutachten wiedergegebenen Messdaten verwiesen. Unfallfolge seien - näher beschriebene - Bewegungseinschränkungen des linken OSG (5/0/15) und USG (auf 2/3) im Vergleich zur Gegenseite, Narben am linken OSG innenseitig und außenseitig, röntgenologische Veränderungen (deutliche Sklerosierung der gelenkbildenden Anteile des Talus und der Tibia, deutliche Veränderung des Innenknöchels mit Randkantenausziehungen und Ossifikationen, erhebliche unregelmäßige Korticalis sowie Kalksalzstruktur im Bereich der medialen Talusschulter, Gelenk insgesamt inkongruent, in lateraler Projektion deutliche Randkantenausziehung der Tibia nach ventral sowie Gelenkinkongruenz) mit posttraumatischer Arthrose und ein leicht hinkendes Gangbild. Das Tragen orthopädischer Schuhe sei weiter erforderlich. Es sei eine Änderung um 10 v.H. eingetreten (Antwort auf Frage 5). Die Frage 6, ob die Erwerbsfähigkeit durch die Unfallfolgen noch um wenigstens 10 v.H. herabgesetzt sei, wurde verneint. Von einer weiteren Verschlimmerung der posttraumatischen Arthrose im Laufe der Zeit sei auszugehen

Nach Anhörung entzog die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 und Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2005 die vorläufige Rente mit Ablauf des Oktober 2005 und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ab. Unfallfolge seien noch "Sklerosierung der gelenkbildenden Anteile des Talus und der Tibia nach knöchern fest durchbauter Talusfraktur links. Posttraumatische Arthrose im Bereich des linken Sprunggelenks. Endgradige Bewegungseinschränkung im linken oberen und unteren Sprunggelenk. Diskrete Umfangsvermehrung im Bereich des linken Knöchels."

Deswegen hat der Kläger am 13. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben, mit welcher er die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auch über den 31. Oktober 2005 hinaus begehrt hat. Die Knöchelumfangdifferenz in beiden Rentengutachten sei mit den weiteren Angaben, eine Gewebswasseransammlung sei nicht feststellbar, nicht vereinbar. Die Beweglichkeit sei links sowohl im OSG wie auch im USG eingeschränkt. Er habe nach wie vor belastungsabhängige Beschwerden und Anlaufschmerzen.

Das Sozialgericht hat ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. E. vom 07. August 2006 eingeholt. Wegen der von ihm erhobenen Bewegungsmaße und Ergebnisse der Umfangmessungen wird auf das Gutachten verwiesen. Der Sachverständige hat als unfallbedingt eine posttraumatische OSG-Arthrose mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung des linken OSG, durch die posttraumatische Arthrose bedingte Gelenkreizungen mit periartikulären Schwellungen sowie Ruhe- und Belastungsschmerzen des linken OSG festgestellt. Die daraus resultierende Funktionsstörung hat der Sachverständige mit einer MdE um 20 v.H. eingeschätzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen.

Die Beklagte ist dem unter Vorlage einer Stellungnahme des Orthopäden Dr. K. vom 21. Dezember 2006 entgegen getreten, der die Auffassung vertreten hat, es handle sich um eine in Rückbildung befindliche Osteochondrosis dissecans bei leichter posttraumatischer verbildender Verformung des OSG. Im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. E. sei die noch bestehende Arthrosis deformans als geringgradig zu klassifizieren. Durch die Operation sei die Osteochondrosis dissecans weitgehend in den Talus wieder eingegliedert worden, die mediale Talus-schulter sei erhalten und eine leichte Gelenkflächenunregelmäßigkeit nicht nachweisbar. Die Annahme einer MdE um 20 v.H. sei nicht gerechtfertigt, da eine schmerzhafte Funktionseinschränkung unter Belastungssituation auf eine leichte Arthrosis deformans zurückzuführen sei, welche mit einer MdE um 10 v.H. ausreichend bewertet sei. Hinsichtlich der Diagnosen sei Dr. Eger weitgehend zu folgen.

Mit Urteil vom 31. Juli 2007 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente als Dauerrente ab 01. November 2005 nach einer MdE um 20 v.H zu bewilligen. Hierbei hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen der Einschätzung von Dr. Eger angeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 23. August 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07. September 2007 Berufung eingelegt. Die radiologische Verlaufsbeobachtung beweise eine weitgehende Wiedereingliederung der Osteochondrosis dissecans in den Talus und einen Erhalt der medialen Talus-schulter. Die Arthrose des linken SG sei nur gering und rechtfertige keine MdE um 20 v.H. Eine fehlende Muskelminderung des linken Beines und eine seitengleiche Fußsohlenbeschwielung belege die gute Belastbarkeit des linken Fußes und damit geringe funktionelle Auswirkungen der Arthrose.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. E. als Sachverständiger vom 05. November 2007 eingeholt. Er hat die Auffassung vertreten, auf Grund der Reduzierung der Beweglichkeit des OSG sei eine Einschätzung der MdE mit 20 v.H. gerechtfertigt. Entgegen Dr. K. handle es sich nicht nur um eine endgradige Einschränkung. Der Spitzfuß sei auch nur bei Kniebeugung ausgleichbar, nicht hingegen beim Gehen, woraus eine erhebliche funktionelle Beeinträchtigung resultiere. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ergänzende Stellungnahme verwiesen.

Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme von Prof. Dr. W. und Dr. St. vom 08. Januar 2008 vorgelegt, wonach die von Dr. E. festgestellte Bewegungseinschränkung des OSG links eine Verschlechterung gegenüber der Untersuchung vom 16. August 2005 darstelle. Der damals erhobene Befund entspreche einer MdE um 10 v.H. Sollten die Befunde von Dr. E. zutreffen, sei eine Bewertung der MdE mit 20 v.H. möglich. Die im Gutachten vom 07. August 2006 beschriebenen Einschränkungen könnten eine MdE von maximal 20 v.H. bedingen, womit die Bewertung des Dr. E. letztlich eine persönliche, relativ hohe, jedoch vertretbare Einschätzung darstelle.

Der Senat hat außerdem ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. H. vom 04. August 2008 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 09. Dezember 2008 eingeholt. Dr. H. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, Unfallfolgen seien noch eine Kontusionsverletzung des OSG links mit osteochondraler Fraktur der inneren Kante des Sprungbeins, eine zweifache Chondroplastik und eine beginnende posttraumatische Arthrose des OSG mit deutlicher schmerzhafter Bewegungseinschränkung. Es bestehe ab 01. November 2005 noch eine schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung des OSG links mit eingeschränkter Funktionalität und Abrollbewegung. Die zur weiteren Untersuchung durchgeführte Kernspintomographie habe nur eine leichte Zunahme, jedenfalls aber keine Verbesserung, der degenerativen Veränderungen nun gezeigt. Die Peroneal- wie auch Tibialismuskulatur beider Beine habe seitengleich relaxiert werden können, doch habe sich unter Bewegung und maximaler Kontraktion eine Disharmonie zwischen linker und rechter Seite gezeigt, weswegen nicht von einer kompletten Kompensation gesprochen werden könne. Es bestehe ein deutliches Bewegungsdefizit im OSG links, wobei jedoch bei gestrecktem Knie keine Spitzfußstellung bestehe. Insgesamt sei die Beweglichkeit etwas mehr als hälftig eingeschränkt. Unterstelle man einen leichten Spitzfuß von etwa 5 Grad, wäre dies funktionell ungünstiger, als eine Bewegungsmöglichkeit über die Neutralstellung hinaus. Vorliegend bestehe messtechnisch eine Bewegungsmöglichkeit von 5 Grad über die Spitzfußstellung hinaus. Im Röntgenbild zeigten sich leichte bis mäßige degenerative Veränderungen an der Innenseite des Sprungbeins mit einer Skleroseverminderung des subchondralen Knochens. Die podologische Stand- und Ganganalyse habe eine deutliche Minderbelastung des linken Beines gezeigt sowie eine Fehlbelastung links mit deutlich eingeschränkter und seitlich verkürzter Abrollfähigkeit. Auch die oberflächenmyographische Untersuchung zeige eine eingeschränkte Aktivität und Koordinationsfähigkeit an der Abrollbewegung beteiligter Muskelgruppen. Damit lasse sich zu der Bewegungseinschränkung auch eine eingeschränkte Funktionalität des linken Fußes dokumentieren. Die Bewegungseinschränkung allein rechtfertige sicher keine MdE um mehr als 10 v.H. Die dokumentierte Funktionsbeeinträchtigung in Kombination mit den sekundärarthrotischen Veränderungen rechtfertigten ab 1. November 2005 zusammen mit der Bewegungseinschränkung eine MdE um 20 v.H. Dr. K. habe sich in hohem Maße auf die röntgenologische Situation bezogen. Die klinischen Parameter wie Anlaufhinken und persistierendes Schonhinken habe er als semiobjektiv bewertet und in den Hintergrund gerückt. Insofern weiche er unter Berücksichtigung der von ihm angewandten zusätzlichen Messverfahren zur weiteren Präzisierung der Funktionsbeeinträchtigungen und Objektivierung ab. Auch im Gutachten vom 08. September 2005 von Prof. Dr. W. seien funktionelle Einschränkungen dokumentiert.

Die Beklagte hat daraufhin zunächst angeboten, dem Kläger ab dem 30. April 2008, der Untersuchung bei Dr. H., bis auf Weiteres wieder Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Dieses Angebot hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2009 nicht aufrechterhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 31. Juli 2007 aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. Huber wie auch das des Dr. E.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 154, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat auch über den 31. Oktober 2005 hinaus einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H.

Da allein die Beklagte Berufung eingelegt hat und sich gegen die Verurteilung zur Gewährung von Verletztenrente über den 31. Oktober 2005 hinaus wendet, hat der Senat auch lediglich darüber zu befinden, ob ein Anspruch auf Verletztenrente ab 01. November 2005 besteht. Dieses ist der Fall.

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles, der hier am 1. Dezember 2002 eingetreten und anerkannt ist, und auch ihrer Berücksichtigung bei der Gewährung von Leistungen, insbesondere auch der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen hat der Kläger auch über den 31. Oktober 2005 hinaus einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil ausführlich dargelegt, weswegen die beim Kläger vorliegenden unfallbedingten Funktionseinschränkungen über den 31. Oktober 2005 hinaus eine MdE um 20 v.H. bedingen. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten im Berufungsverfahren und des Ergebnisses seiner weiteren Ermittlungen an und sieht mit Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Urteils insofern entsprechend § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Berufungsverfahren und das Ergebnis der weiteren Ermittlungen des Senats ist indes ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:

Eine unfallbedingte MdE von 20 v.H. über den 31. Oktober 2005 hinaus ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus den in ihrer Bewertung übereinstimmenden Sachverständigengutachten des Dr. E. und des Dr. H., jeweils mit deren ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen. Insbesondere Dr. H. hat über den 31. Oktober 2005 hinaus unverändert vorliegende unfallbedingte funktionelle Einschränkungen beschrieben, die eine MdE um 20 v.H. bedingen. So lag und liegt beim Kläger unverändert eine Einschränkung der Beweglichkeit des OSG links hinsichtlich Heben und Senken des Fußes auf 5-0-15 Grad gegenüber rechts (20-0-30 Grad) und eine Einschränkung der Gesamtbeweglichkeit des USG auf zwei Drittel (so Dr. Eger) vor. Dies entspricht auch den von Prof. Dr. W. und Dr. St. am 16. August 2005 (Untersuchung für das Gutachten vom 8. September 2005) erhobenen Bewegungsmaßen. Ferner führt die posttraumatische OSG-Arthrose zu Gelenkreizungen mit Umfangsvermehrung im Knöchelbereich sowie Ruhe- und Belastungsschmerzen des SG (Gutachten Dr. E.). Hinzu kommt, dass Dr. H. mittels podologischer Stand- und Ganganalyse eine deutliche Minderbelastung des linken Beines sowie eine Fehlbelastung links mit deutlich eingeschränkter und zeitlich verkürzter Abrollfähigkeit nachgewiesen hat, wenn auch die Fußsohlenbeschwielung seitengleich erscheinen mag. Auch die oberflächenmyographische Untersuchung hat eine eingeschränkte Aktivität und Koordinierungsfähigkeit an der Abrollbewegung beteiligter Muskelgruppen gezeigt. Nachgewiesen ist daher neben der Bewegungseinschränkung auch eine eingeschränkte Funktionalität der linken unteren Extremität insgesamt. Auch wenn die Bewegungseinschränkungen allein keine MdE von mehr als 10 v.H. rechtfertigen könnten, begründet die dargestellte eingeschränkte Funktionalität in Kombination mit den sekundärarthrotischen Veränderungen und den Bewegungseinschränkungen insgesamt eine MdE um 20 v.H.

Dem hat sich im Ergebnis - ausweislich des allerdings zuletzt nicht aufrecht erhaltenen Angebots - auch die Beklagte anschließen können, allerdings nur für die Zeit ab 30. April 2008. Dem gegenüber schließt sich der Senat jedoch Dr. H. auch insofern an, als dieser die MdE bereits für die Zeit ab 01. November 2005 mit 20 vH einschätzt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W.e und Dr. St. am 16. August 2005 erhobenen Befunden. Immerhin war auch bei dieser Untersuchung der Zehenstand linksseitig nicht möglich und konnte der Zehengang nicht durchgeführt werden. Ferner war die Einnahme einer Hockstellung auf Grund von Schmerzen im Bereich des linken SG nicht möglich. Die Bewegungseinschränkung im OSG hatte bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. und Dr. St. das gleiche Ausmaß, wie bei der Untersuchung des Dr. H. Zur eingeschränkten Funktionalität der gesamten linken Extremität finden sich bei Prof. Dr. W. und Dr. St. aber keine Ausführungen. Auch lässt das Gutachten eine Begründung dafür, inwiefern eine Besserung (um 10 v.H.) bei der Untersuchung für das Zweite Rentengutachten gegenüber dem Ersten Rentengutachten eingetreten ist, vermissen. Auch wenn es bei der erstmaligen Entscheidung über eine Dauerrente eines Besserungsnachweises nicht bedarf, vermag der Senat einen wesentlich geänderten Befund gegenüber dem, der dem Ersten Rentengutachten zu Grunde lag und mit 20 vH bewertet wurde, nicht zu erkennen. Dass zum Zeitpunkt der Entziehung der vorläufigen und der Ablehnung einer Dauerrente, dem 1. November 2005, eine MdE von weniger als 20 v.H. vorlag, vermag der Senat unter Berücksichtigung aller Befunde nicht festzustellen. Nachdem auch eine wesentliche Verschlechterung der Befundlage seit der Untersuchung von Prof. Dr. W. und Dr. St. im Jahr 2005 bis zur Untersuchung durch Dr. H. nicht erkennbar ist, ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die MdE seit 01. November 2005 unverändert mit 20 v.H. zu bewerten ist.

Da die Beklagte zu Unrecht die vorläufige Rente entzogen und die Gewährung einer Dauerrente ab 01. November 2005 abgelehnt hat, weist der Senat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgericht zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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