Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 43 KR 1414/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 249/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 14/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
München vom 15. Dezember 2006 wird zurückgewiesen
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in der Firma seiner Eltern, der Beigeladenen zu 3), seit 08.07.1996.
Dieser ist 1976 geboren und gelernter Speditionskaufmann. Er schloss mit Wirkung zum 08.07.1996 einen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte mit der Beigeladenen zu 3) der Firma H. A. GmbH & Co. KG, ein Speditionsunternehmen. Der Formularvertrag enthält die üblichen Klauseln über die gegenseitigen Rechte und Pflichten eines Arbeitsverhältnisses, wie auch die fortgeltende Wirkung bei einzelnen Rechtsverstößen und das Gebot der Schriftlichkeit bei Abweichungen. Die Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind die Mutter des Klägers mit einem Anteil von 55 v.H. und der Vater mit 45 v.H., der als alleiniger Geschäftsführer bei der Beklagten sozialversichert ist. Mit Arbeitsaufnahme wurde der Kläger bei der Beklagten als Arbeitnehmer angemeldet und für ihn in den Folgejahren Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, Lohnabrechnungen erstellt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezahlt und eine betriebliche Altersversorgung in der Form einer Direktversicherung durchgeführt. Bei der Einkommensteuererklärung werden die Zahlungen der Firma A. stets als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit deklariert und von dem Finanzamt auch so akzeptiert.
Anfang dieses Jahrhunderts wurden auch für mehrere Jahre vom Kläger Verluste aus einer daneben betriebenen selbständigen Tätigkeit bei der Einkommensteuer berücksichtigt.
Bei einer Betriebsprüfung am 03.05.2006 nach vorangegangener Lohnsteuerprüfung war bei der Beurteilung einer Kfz-Überlassung an den Kläger deren Arbeitsentgeltcharakter widerspruchslos festgestellt worden. Seit 01.01.1999 hat der Kläger ein Grundstück als Abstellplatz an die Firma zu einem Mietpreis zu von 1.000,00 DM monatlich vermietet. Mieteinkünfte werden auch steuerlich angegeben.
Am 26.07.2005 - also noch vor besagter Betriebsprüfung - hatte der Kläger bei der Beklagten beantragt, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status zu überprüfen und eventuell überzahlte Beiträge zu erstatten. Dazu gab er an, dass er eine Reihe von Tätigkeiten vom Fahrer bis zum Werkstattleiter und EDV-Systembetreiber verrichte. Er arbeite 60 Stunden die Woche und verfüge über exklusive Fachkenntnisse z.B. in Sprachen, da der Geschäftsverkehr weitgehend mit Portugal abgewickelt wird. Er sei zur Personalbewirtschaftung und anderen Maßnahmen berechtigt, treffe wichtige Entscheidungen, so dass auf ihm auch ein Unternehmerrisiko laste. Zum Jahresende solle schrittweise die Firma auf ihn übergehen, wozu es allerdings bis zur mündlichen Verhandlung nicht gekommen ist.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 09.08.2005 gegenüber der Firma ab, die klägerische Tätigkeit als nicht abhängig zu bewerten. Diese unterliege weiterhin der Sozialversicherungspflicht. Der dagegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Die Beklagte hielt an ihrer Auffassung fest, dass die Arbeitnehmermerkmale diejenigen einer Selbständigkeit überwiegen (Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005).
Die dagegen nur noch auf die Statusfeststellung gerichtete Klage vom 16.12.2005 hat erneut das weite Einsatzspektrum und die relative Unabhängigkeit in dem Familienunternehmen hervorgehoben. Der Kläger sei dort nicht wie ein abhängig Beschäftigter eingegliedert. Die arbeitsvertraglichen Regelungen etwa bei der Arbeitszeit oder dem Urlaubsanspruch seien unbeachtet geblieben.
Die Beklagte bezweifelt das Bestehen eines unternehmerischen Risikos auf Seiten des Klägers, wozu auch nicht die Grundstücksvermietung ausschlaggebend sein könne. Nach mündlicher Verhandlung am 15.12.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, die vom Kläger herangezogenen Gesichtspunkte für seine Selbständigkeit, wie besonderer Arbeitseinsatz und Fachkenntnisse reichten nicht aus, das jahrelang sozialversicherungsrechtlich als abhängig gestaltete Beschäftigungsverhältnis anders zu deuten. Der diesbezügliche Wille der Beteiligten sei eindeutig gewesen; der familiäre Umgang und die daraus resultierenden Freiheiten des Klägers würden ihn als Nichtgesellschafter, der nicht einmal Geschäftsführerstatus erlangt habe, nicht als Selbständigen einschätzen lassen.
Mit der dagegen am 25.05.2007 eingelegten Berufung beantragt der Kläger weiterhin,
festzustellen, dass seine seit 08.07.1996 bei der Beigeladenen zu 3) ausgeübte Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Dazu bezieht er sich auf seinen bisherigen Sach- und Rechtsvortrag aus der ersten Instanz.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) und 4) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet, denn die Tätigkeit des Klägers in der elterlichen Firma ist von dieser von Beginn an richtigerweise als Beschäftigungsverhältnis gemeldet und von der Beklagten auch so behandelt worden. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt. Es durfte auch die Klage als zulässig erachten, denn nach Auffassung des Senats (vgl. Urteil vom 18.10.2007 L 4 KR 79/06 und spätere Urteile) ist dem Kläger ein Rechtsschutzinteresse auf gesonderte Statusfeststellung zuzubilligen, es handelt sich nicht um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage hinsichtlich des Begehrens auf Beitragserstattung. Dabei kommt dem Ergebnis der Betriebsprüfung vom 03.05.2006 wohl eine Bedeutung bei der materiellen Würdigung des klägerischen Anliegens zu, hindert aber nicht das Rechtsschutzinteresse an der endgültigen Klärung des ursprünglichen Antrages vom 26.07.2005 (vgl. dazu BSG vom 24.06.2008 - B 12 KR 24/07 R, Rdnr.18). Auch der Umstand, dass der belastende Verwaltungsakt ursprünglich nur gegenüber der Beigeladenen zu 3) ergangen war, der Kläger seinerseits dagegen zulässigen Widerspruch einlegen konnte, der von der Beklagten auch ihm gegenüber verbeschieden wurde, ändert nichts an der Zulässigkeit seiner Klage.
Der Kläger, der entgegen seinen Angaben von 2005 immer noch nicht Mitgesellschafter in der elterlichen Firma ist und auch noch keine Geschäftsführerstellung erlangt hat, vielmehr entsprechend seinem Arbeitsvertrag eingesetzt und bezahlt wird, ist in der bisherigen Gestaltung seines Arbeitslebens als Arbeitnehmer im Sinne von § 7 SGB IV einzuschätzen. D.h. er unterliegt einer Weisungsgebundenheit seines Arbeitgebers, also des Geschäftsführers der GmbH, seinem Vater, was wiederum für eine familiäre Rücksichtnahme spricht und für eine weitgehende Weisungsunabhängigkeit im täglichen Betriebsablauf, der von den Fachkenntnissen des Klägers bestimmt wird. Jedoch fehlt es dem Kläger am Unternehmerrisiko, einem weiteren Indiz für die Abhängigkeit seiner Beschäftigung, die bei einer Gesamtbetrachtung als abhängige Beschäftigung zu werten ist. Er übt seine herausragende Stellung innerhalb des Familienbetriebes aus. Seine Eltern haben ihn zwar unstreitig mit das Firmengeschick entscheidenden Arbeiten betraut und ihm glaubhaft eine weitgehende Freiheit in der Gestaltung des Arbeitslebens eingeräumt, jedoch nicht auf den maßgeblichen Einfluss verzichtet, sich insbesondere noch nicht von den Gesellschaftsanteilen getrennt.
Der Kläger seinerseits hat den Arbeitsvertrag mit der elterlichen Firma zu keiner Zeit gekündigt und lässt sich auch weiterhin danach entlohnen. Gerade in der Bezahlung lässt er sich als Arbeitnehmer behandeln, indem er nicht nur ein festes monatliches Fixum bezieht, sondern auch Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung, alles Vergütungen, die einem abhängigen Beschäftigten zu zahlen sind (BSG vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R -, Die Beiträge, Beil. 7, 212, 216 unten, zur Bedeutung der Regelungen eines Arbeitsvertrages). Auch gegenüber dem Finanzamt gibt er durchgehend seine Einkünfte, die er von der Firma bezieht, als Arbeitsentgelt aus unselbständiger Tätigkeit an und hat in der Zeit, in der er eine verlustbringende selbständige Tätigkeit daneben ausgeübt hat, diese auch gesondert gekennzeichnet. Ferner wird seine Einstellung, der Firma als Arbeitnehmer zu dienen, deutlich in der Abwicklung der Betriebsprüfung 2006. Bei der Schlussbesprechung, zu einem Zeitpunkt, als er bereits das Klageverfahren wegen seines Versicherungsstatuts angestrengt hatte, kam er mit der Prüfungsbehörde einvernehmlich zu dem Schluss, dass er das vom Betrieb zur Verfügung gestellte Kfz bei der Beitragsbemessung als Arbeitsentgelt zu werten habe. Hier wird deutlich, dass der Kläger sich auch weiterhin als Arbeitnehmer ausgegeben hat und keinerlei Anstalten gemacht hat, seinen angeblichen Unternehmerstatus zu dokumentieren bzw. entsprechend behandelt zu werden.
Wenn klägerseits in der mündlichen Verhandlung betont wird, dass das Auftreten als Arbeitnehmer gegenüber der Einzugsstelle, der prüfenden Rentenversicherung und dem Finanzamt nur eine Art falsche Verpackung eines tatsächlich anderen Inhalts sei, weil es die Familie überfordert habe, die Unterschiede zwischen Selbständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft zu erkennen, ist dem nicht zu folgen. Dies geht an der Wirklichkeit eines normalen, am Wirtschaftsleben teilnehmenden Mittelstandsbetriebs vorbei. Schon der Gesetzgeber mutet dem Unternehmer zu, die bei ihm Beschäftigten zur Sozialversicherung anzumelden (§ 28a SGB IV i.V.m. der DEÜV), also eine entsprechende Statusentscheidung zu treffen. Unterstützt werden die Unternehmer in Zweifelsfragen von den Einzugsstellen (§ 28b SGB IV). Nichts anderes gilt, wenn die Lohnabrechnung auf ein Steuerbüro delegiert wird. Im vorliegen Fall kommt hinzu, dass der Kläger sich seiner Arbeitnehmerstellung im elterlichen Betrieb durchaus bewusst war, denn für das zeitweilig selbständig betriebene Gewerbe im Isolierschutz hatte er sich steuer- und sozialversicherungsrechtlich korrekt verhalten.
Der Senat vermag auch nicht der Auffassung einer vollständigen Unabhängigkeit der steuerrechtlichen von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der klägerischen Tätigkeit zu folgen. Richtig ist zwar, dass zwischen beiden Rechtsgebieten keine Bindungswirkung besteht, also der Einzugsstelle jeglicher Beurteilungsspielraum und Entscheidungskompetenz bei Vorlage eines Steuerbescheides genommen wäre, doch besteht eine starke Indizwirkung im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses. Das hat der Gesetzgeber in § 28p SGB IV berücksichtigt, wonach bei den Betriebsprüfungen auf die Lohnsteuerprüfungen zurückgegriffen werden kann (§ 10 Abs.2 Beitragsverfahrensverordnung). Auch findet sich der Bezug in § 1 Abs.1 Nr.1 Sozialversicherungsentgeltverordnung, als Nachfolgevorschrift der früheren Arbeitsentgeltverordnung. Der Senat kann also nicht darüber hingehen, dass der Kläger bei den Betriebsprüfungen sowohl gegenüber der Prüfbehörde, wie auch bei Abgabe seiner Steuererklärung stets seine Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen hat, als auch hinsichtlich der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Direktversicherung, ein Instrument der betrieblichen Arbeitnehmeraltersversorgung.
Darüber hinaus bezieht sich der Senat auf seine bisherige Rechtsprechung, so sein Urteil vom 18.10.2007, L 4 KR 79/06, Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde, B 12 KR 3/08 B. Dort, wie auch im vorliegenden Fall sprechen keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrlang mit Billigung aller Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen. Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder Erschleichung eines Versicherungsschutzes sind beim Kläger auszuschließen. Gerade, weil eine solche in die Vergangenheit zielende Unwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel verschiedenster Beteiligter zutreffenden Rechtszustandes zu solchen Unklarheiten und Unsicherheiten wie im vorliegenden Fall führt, hat das BSG den einleuchtenden Rechtssatz formuliert, dass die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich rückwirkend nicht geändert werden sollen (BSG vom 08.12.1999 - BSGE 85, 208, 213). Der Gedanke von der Kontinuität eines Versicherungslebens, wonach Änderungen dann erst für die Zukunft gelten sollen, ist ein beachtlicher Grundsatz und Grundlage einer soliden Zukunftssicherung, wie sie von der Beigeladenen zu 1) ohne Rücksicht auf konjunkturbestimmte oder andere Gestaltungsmöglichkeiten konstant zu leisten ist. Dass Änderungen in der Vergangenheit schon aus Abgrenzungsschwierigkeiten problematisch sind, zeigt der vorliegende Fall deutlich. Kein ernst zu nehmender Vortrag wird dahin gehen, bereits vom Eintrittstag an bei dem damals 20-jährigen Kläger Unternehmereigenschaft und Selbständigkeit anzunehmen. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Vater all das unterschreibe, was man ihn vorlege, unterstreicht gerade, dass auch heute noch der Vater die Zügel nicht vollständig aus der Hand gegeben hat. Dass nach der oben zitierten Rechtsprechung eine derart weitreichende Umwandlung der sozialversicherungsrechtlichen Biographie nicht im gesetzgeberischen Sinne ist, lässt sich auch aus § 28b Abs.1 i.V.m. § 28f Abs.1 SGB IV folgern. In diesen Vorschriften ist - ähnlich wie bei der Verjährung - eine 4-Jahresfrist als Regel gesetzt, nämlich der Rhythmus der Betriebsprüfungen und der damit zusammenhängenden Aufbewahrungsfrist für die Lohnunterlagen. Es sollen also grundsätzlich die mehr als vier Jahre zurückliegenden Vorgänge nicht mehr aufgegriffen werden, mithin die oben skizzierte Rechtssicherheit für die Vergangenheit Platz greifen.
Neben seiner Freiheit bei der Arbeitsgestaltung bzw. Gestaltung der Firmenpolitik beruft sich der Kläger auf die Vermietung eines Grundstücks an die Firma. Daraus lässt sich aber auch in Zusammenhang mit seiner gestalterischen Freiheit nichts herleiten, was auf Selbständigkeit hindeutet, denn er erhält wie jeder andere Vermieter auch, eine Vergütung. Andere Gesichtspunkte hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Damit neigt sich in der Gesamtschau die Waage zu den bisher bestehenden Verhältnissen, weil der geschlossene Arbeitsvertrag tatsächlich so gelebt wurde und der Kläger sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit seiner Eltern bislang nicht hat lösen können.
Angesichts des Verfahrensausgang und weil auch die Beklagte keinen Anlass für das Rechtsmittel gesetzt hat, sind dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten. Dies gilt auch hinsichtlich der Beigeladenen zu 3), die sich im Verfahren nicht geäußert hat (§ 193 SGG).
Im Hinblick auf die bestehende Rechtsprechung, wie sie in den Schriftsätzen der Beteiligten und im vorangegangenen SG-Urteil zitiert worden und im vorliegenden Urteil aufgegriffen worden ist, besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Dass die den Kläger beratende Firma Pro Votum im Verwaltungsverfahren an einer ganzen Reihe solcher Rechtsstreitigkeiten vor dem Senat namens Angehöriger einer Familienfirma beteiligt war, macht den anhängigen Rechtsstreit nicht zu einem, der grundsätzliche Fragen aufwirft, so dass die Revision gemäß § 160 SGG nicht zuzulassen ist.
München vom 15. Dezember 2006 wird zurückgewiesen
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in der Firma seiner Eltern, der Beigeladenen zu 3), seit 08.07.1996.
Dieser ist 1976 geboren und gelernter Speditionskaufmann. Er schloss mit Wirkung zum 08.07.1996 einen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte mit der Beigeladenen zu 3) der Firma H. A. GmbH & Co. KG, ein Speditionsunternehmen. Der Formularvertrag enthält die üblichen Klauseln über die gegenseitigen Rechte und Pflichten eines Arbeitsverhältnisses, wie auch die fortgeltende Wirkung bei einzelnen Rechtsverstößen und das Gebot der Schriftlichkeit bei Abweichungen. Die Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind die Mutter des Klägers mit einem Anteil von 55 v.H. und der Vater mit 45 v.H., der als alleiniger Geschäftsführer bei der Beklagten sozialversichert ist. Mit Arbeitsaufnahme wurde der Kläger bei der Beklagten als Arbeitnehmer angemeldet und für ihn in den Folgejahren Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, Lohnabrechnungen erstellt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezahlt und eine betriebliche Altersversorgung in der Form einer Direktversicherung durchgeführt. Bei der Einkommensteuererklärung werden die Zahlungen der Firma A. stets als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit deklariert und von dem Finanzamt auch so akzeptiert.
Anfang dieses Jahrhunderts wurden auch für mehrere Jahre vom Kläger Verluste aus einer daneben betriebenen selbständigen Tätigkeit bei der Einkommensteuer berücksichtigt.
Bei einer Betriebsprüfung am 03.05.2006 nach vorangegangener Lohnsteuerprüfung war bei der Beurteilung einer Kfz-Überlassung an den Kläger deren Arbeitsentgeltcharakter widerspruchslos festgestellt worden. Seit 01.01.1999 hat der Kläger ein Grundstück als Abstellplatz an die Firma zu einem Mietpreis zu von 1.000,00 DM monatlich vermietet. Mieteinkünfte werden auch steuerlich angegeben.
Am 26.07.2005 - also noch vor besagter Betriebsprüfung - hatte der Kläger bei der Beklagten beantragt, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status zu überprüfen und eventuell überzahlte Beiträge zu erstatten. Dazu gab er an, dass er eine Reihe von Tätigkeiten vom Fahrer bis zum Werkstattleiter und EDV-Systembetreiber verrichte. Er arbeite 60 Stunden die Woche und verfüge über exklusive Fachkenntnisse z.B. in Sprachen, da der Geschäftsverkehr weitgehend mit Portugal abgewickelt wird. Er sei zur Personalbewirtschaftung und anderen Maßnahmen berechtigt, treffe wichtige Entscheidungen, so dass auf ihm auch ein Unternehmerrisiko laste. Zum Jahresende solle schrittweise die Firma auf ihn übergehen, wozu es allerdings bis zur mündlichen Verhandlung nicht gekommen ist.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 09.08.2005 gegenüber der Firma ab, die klägerische Tätigkeit als nicht abhängig zu bewerten. Diese unterliege weiterhin der Sozialversicherungspflicht. Der dagegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Die Beklagte hielt an ihrer Auffassung fest, dass die Arbeitnehmermerkmale diejenigen einer Selbständigkeit überwiegen (Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005).
Die dagegen nur noch auf die Statusfeststellung gerichtete Klage vom 16.12.2005 hat erneut das weite Einsatzspektrum und die relative Unabhängigkeit in dem Familienunternehmen hervorgehoben. Der Kläger sei dort nicht wie ein abhängig Beschäftigter eingegliedert. Die arbeitsvertraglichen Regelungen etwa bei der Arbeitszeit oder dem Urlaubsanspruch seien unbeachtet geblieben.
Die Beklagte bezweifelt das Bestehen eines unternehmerischen Risikos auf Seiten des Klägers, wozu auch nicht die Grundstücksvermietung ausschlaggebend sein könne. Nach mündlicher Verhandlung am 15.12.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, die vom Kläger herangezogenen Gesichtspunkte für seine Selbständigkeit, wie besonderer Arbeitseinsatz und Fachkenntnisse reichten nicht aus, das jahrelang sozialversicherungsrechtlich als abhängig gestaltete Beschäftigungsverhältnis anders zu deuten. Der diesbezügliche Wille der Beteiligten sei eindeutig gewesen; der familiäre Umgang und die daraus resultierenden Freiheiten des Klägers würden ihn als Nichtgesellschafter, der nicht einmal Geschäftsführerstatus erlangt habe, nicht als Selbständigen einschätzen lassen.
Mit der dagegen am 25.05.2007 eingelegten Berufung beantragt der Kläger weiterhin,
festzustellen, dass seine seit 08.07.1996 bei der Beigeladenen zu 3) ausgeübte Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Dazu bezieht er sich auf seinen bisherigen Sach- und Rechtsvortrag aus der ersten Instanz.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) und 4) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und den der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet, denn die Tätigkeit des Klägers in der elterlichen Firma ist von dieser von Beginn an richtigerweise als Beschäftigungsverhältnis gemeldet und von der Beklagten auch so behandelt worden. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt. Es durfte auch die Klage als zulässig erachten, denn nach Auffassung des Senats (vgl. Urteil vom 18.10.2007 L 4 KR 79/06 und spätere Urteile) ist dem Kläger ein Rechtsschutzinteresse auf gesonderte Statusfeststellung zuzubilligen, es handelt sich nicht um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage hinsichtlich des Begehrens auf Beitragserstattung. Dabei kommt dem Ergebnis der Betriebsprüfung vom 03.05.2006 wohl eine Bedeutung bei der materiellen Würdigung des klägerischen Anliegens zu, hindert aber nicht das Rechtsschutzinteresse an der endgültigen Klärung des ursprünglichen Antrages vom 26.07.2005 (vgl. dazu BSG vom 24.06.2008 - B 12 KR 24/07 R, Rdnr.18). Auch der Umstand, dass der belastende Verwaltungsakt ursprünglich nur gegenüber der Beigeladenen zu 3) ergangen war, der Kläger seinerseits dagegen zulässigen Widerspruch einlegen konnte, der von der Beklagten auch ihm gegenüber verbeschieden wurde, ändert nichts an der Zulässigkeit seiner Klage.
Der Kläger, der entgegen seinen Angaben von 2005 immer noch nicht Mitgesellschafter in der elterlichen Firma ist und auch noch keine Geschäftsführerstellung erlangt hat, vielmehr entsprechend seinem Arbeitsvertrag eingesetzt und bezahlt wird, ist in der bisherigen Gestaltung seines Arbeitslebens als Arbeitnehmer im Sinne von § 7 SGB IV einzuschätzen. D.h. er unterliegt einer Weisungsgebundenheit seines Arbeitgebers, also des Geschäftsführers der GmbH, seinem Vater, was wiederum für eine familiäre Rücksichtnahme spricht und für eine weitgehende Weisungsunabhängigkeit im täglichen Betriebsablauf, der von den Fachkenntnissen des Klägers bestimmt wird. Jedoch fehlt es dem Kläger am Unternehmerrisiko, einem weiteren Indiz für die Abhängigkeit seiner Beschäftigung, die bei einer Gesamtbetrachtung als abhängige Beschäftigung zu werten ist. Er übt seine herausragende Stellung innerhalb des Familienbetriebes aus. Seine Eltern haben ihn zwar unstreitig mit das Firmengeschick entscheidenden Arbeiten betraut und ihm glaubhaft eine weitgehende Freiheit in der Gestaltung des Arbeitslebens eingeräumt, jedoch nicht auf den maßgeblichen Einfluss verzichtet, sich insbesondere noch nicht von den Gesellschaftsanteilen getrennt.
Der Kläger seinerseits hat den Arbeitsvertrag mit der elterlichen Firma zu keiner Zeit gekündigt und lässt sich auch weiterhin danach entlohnen. Gerade in der Bezahlung lässt er sich als Arbeitnehmer behandeln, indem er nicht nur ein festes monatliches Fixum bezieht, sondern auch Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung, alles Vergütungen, die einem abhängigen Beschäftigten zu zahlen sind (BSG vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R -, Die Beiträge, Beil. 7, 212, 216 unten, zur Bedeutung der Regelungen eines Arbeitsvertrages). Auch gegenüber dem Finanzamt gibt er durchgehend seine Einkünfte, die er von der Firma bezieht, als Arbeitsentgelt aus unselbständiger Tätigkeit an und hat in der Zeit, in der er eine verlustbringende selbständige Tätigkeit daneben ausgeübt hat, diese auch gesondert gekennzeichnet. Ferner wird seine Einstellung, der Firma als Arbeitnehmer zu dienen, deutlich in der Abwicklung der Betriebsprüfung 2006. Bei der Schlussbesprechung, zu einem Zeitpunkt, als er bereits das Klageverfahren wegen seines Versicherungsstatuts angestrengt hatte, kam er mit der Prüfungsbehörde einvernehmlich zu dem Schluss, dass er das vom Betrieb zur Verfügung gestellte Kfz bei der Beitragsbemessung als Arbeitsentgelt zu werten habe. Hier wird deutlich, dass der Kläger sich auch weiterhin als Arbeitnehmer ausgegeben hat und keinerlei Anstalten gemacht hat, seinen angeblichen Unternehmerstatus zu dokumentieren bzw. entsprechend behandelt zu werden.
Wenn klägerseits in der mündlichen Verhandlung betont wird, dass das Auftreten als Arbeitnehmer gegenüber der Einzugsstelle, der prüfenden Rentenversicherung und dem Finanzamt nur eine Art falsche Verpackung eines tatsächlich anderen Inhalts sei, weil es die Familie überfordert habe, die Unterschiede zwischen Selbständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft zu erkennen, ist dem nicht zu folgen. Dies geht an der Wirklichkeit eines normalen, am Wirtschaftsleben teilnehmenden Mittelstandsbetriebs vorbei. Schon der Gesetzgeber mutet dem Unternehmer zu, die bei ihm Beschäftigten zur Sozialversicherung anzumelden (§ 28a SGB IV i.V.m. der DEÜV), also eine entsprechende Statusentscheidung zu treffen. Unterstützt werden die Unternehmer in Zweifelsfragen von den Einzugsstellen (§ 28b SGB IV). Nichts anderes gilt, wenn die Lohnabrechnung auf ein Steuerbüro delegiert wird. Im vorliegen Fall kommt hinzu, dass der Kläger sich seiner Arbeitnehmerstellung im elterlichen Betrieb durchaus bewusst war, denn für das zeitweilig selbständig betriebene Gewerbe im Isolierschutz hatte er sich steuer- und sozialversicherungsrechtlich korrekt verhalten.
Der Senat vermag auch nicht der Auffassung einer vollständigen Unabhängigkeit der steuerrechtlichen von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der klägerischen Tätigkeit zu folgen. Richtig ist zwar, dass zwischen beiden Rechtsgebieten keine Bindungswirkung besteht, also der Einzugsstelle jeglicher Beurteilungsspielraum und Entscheidungskompetenz bei Vorlage eines Steuerbescheides genommen wäre, doch besteht eine starke Indizwirkung im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses. Das hat der Gesetzgeber in § 28p SGB IV berücksichtigt, wonach bei den Betriebsprüfungen auf die Lohnsteuerprüfungen zurückgegriffen werden kann (§ 10 Abs.2 Beitragsverfahrensverordnung). Auch findet sich der Bezug in § 1 Abs.1 Nr.1 Sozialversicherungsentgeltverordnung, als Nachfolgevorschrift der früheren Arbeitsentgeltverordnung. Der Senat kann also nicht darüber hingehen, dass der Kläger bei den Betriebsprüfungen sowohl gegenüber der Prüfbehörde, wie auch bei Abgabe seiner Steuererklärung stets seine Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen hat, als auch hinsichtlich der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Direktversicherung, ein Instrument der betrieblichen Arbeitnehmeraltersversorgung.
Darüber hinaus bezieht sich der Senat auf seine bisherige Rechtsprechung, so sein Urteil vom 18.10.2007, L 4 KR 79/06, Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde, B 12 KR 3/08 B. Dort, wie auch im vorliegenden Fall sprechen keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrlang mit Billigung aller Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen. Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder Erschleichung eines Versicherungsschutzes sind beim Kläger auszuschließen. Gerade, weil eine solche in die Vergangenheit zielende Unwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel verschiedenster Beteiligter zutreffenden Rechtszustandes zu solchen Unklarheiten und Unsicherheiten wie im vorliegenden Fall führt, hat das BSG den einleuchtenden Rechtssatz formuliert, dass die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich rückwirkend nicht geändert werden sollen (BSG vom 08.12.1999 - BSGE 85, 208, 213). Der Gedanke von der Kontinuität eines Versicherungslebens, wonach Änderungen dann erst für die Zukunft gelten sollen, ist ein beachtlicher Grundsatz und Grundlage einer soliden Zukunftssicherung, wie sie von der Beigeladenen zu 1) ohne Rücksicht auf konjunkturbestimmte oder andere Gestaltungsmöglichkeiten konstant zu leisten ist. Dass Änderungen in der Vergangenheit schon aus Abgrenzungsschwierigkeiten problematisch sind, zeigt der vorliegende Fall deutlich. Kein ernst zu nehmender Vortrag wird dahin gehen, bereits vom Eintrittstag an bei dem damals 20-jährigen Kläger Unternehmereigenschaft und Selbständigkeit anzunehmen. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Vater all das unterschreibe, was man ihn vorlege, unterstreicht gerade, dass auch heute noch der Vater die Zügel nicht vollständig aus der Hand gegeben hat. Dass nach der oben zitierten Rechtsprechung eine derart weitreichende Umwandlung der sozialversicherungsrechtlichen Biographie nicht im gesetzgeberischen Sinne ist, lässt sich auch aus § 28b Abs.1 i.V.m. § 28f Abs.1 SGB IV folgern. In diesen Vorschriften ist - ähnlich wie bei der Verjährung - eine 4-Jahresfrist als Regel gesetzt, nämlich der Rhythmus der Betriebsprüfungen und der damit zusammenhängenden Aufbewahrungsfrist für die Lohnunterlagen. Es sollen also grundsätzlich die mehr als vier Jahre zurückliegenden Vorgänge nicht mehr aufgegriffen werden, mithin die oben skizzierte Rechtssicherheit für die Vergangenheit Platz greifen.
Neben seiner Freiheit bei der Arbeitsgestaltung bzw. Gestaltung der Firmenpolitik beruft sich der Kläger auf die Vermietung eines Grundstücks an die Firma. Daraus lässt sich aber auch in Zusammenhang mit seiner gestalterischen Freiheit nichts herleiten, was auf Selbständigkeit hindeutet, denn er erhält wie jeder andere Vermieter auch, eine Vergütung. Andere Gesichtspunkte hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Damit neigt sich in der Gesamtschau die Waage zu den bisher bestehenden Verhältnissen, weil der geschlossene Arbeitsvertrag tatsächlich so gelebt wurde und der Kläger sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit seiner Eltern bislang nicht hat lösen können.
Angesichts des Verfahrensausgang und weil auch die Beklagte keinen Anlass für das Rechtsmittel gesetzt hat, sind dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten. Dies gilt auch hinsichtlich der Beigeladenen zu 3), die sich im Verfahren nicht geäußert hat (§ 193 SGG).
Im Hinblick auf die bestehende Rechtsprechung, wie sie in den Schriftsätzen der Beteiligten und im vorangegangenen SG-Urteil zitiert worden und im vorliegenden Urteil aufgegriffen worden ist, besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Dass die den Kläger beratende Firma Pro Votum im Verwaltungsverfahren an einer ganzen Reihe solcher Rechtsstreitigkeiten vor dem Senat namens Angehöriger einer Familienfirma beteiligt war, macht den anhängigen Rechtsstreit nicht zu einem, der grundsätzliche Fragen aufwirft, so dass die Revision gemäß § 160 SGG nicht zuzulassen ist.
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