Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 SB 1447/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 57/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16.03.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1929 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gemäß den §§ 2 Abs.2 und 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX.
Der Grad der Behinderung (GdB) ist bei der Klägerin seit 30.03.1984 mit 30 festgestellt worden. Sie hat mit Neufeststellungsantrag vom 27. bzw. 30.01.2004 vorgetragen, dass sich vor allem die Wirbelsäulenbeschwerden verschlechtert hätten. Sie leide an Schmerzen beim Aufstehen und bei sonstigen Bewegungen. Daneben seien die Hände, die Augen und ihr Körper betroffen. Es bestehe eine chronische Hashimoto Thyreoiditis sowie ein Herzleiden (intermittierendes Vorhofflattern, Neigung zu Sinusbradykardie und arterieller Hypertonie). Das Hautekzem sei chronisch. Zum Nachweis hat die Klägerin die ihr vorliegenden ärztlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt.
Nach Auswertung durch den Versorgungsärztlichen Dienst hat der Beklagte den Neufeststellungsantrag vom 27.01.2004 mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 13.07.2004 abgelehnt. Der GdB betrage unverändert 30. Hierbei seien nunmehr folgende Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen:
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, muskuläre Verspannungen, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20);
Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen (Einzel-GdB 20);
Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Knorpelschäden am Kniegelenk links (Einzel-GdB 20);
chronisches Handekzem (Einzel-GdB 10);
Nebenhöhlenaffektion, Kiefergelenksarthropathie (Einzel-GdB 10);
rezidivierende Oberbauchbeschwerden, Gallensteinleiden (Einzel-GdB 10);
Meralgie paresthetica nocturna des linken Beines (Einzel-GdB 10);
Restbeschwerden nach Schwellungsneigung des linken Sprunggelenkes (Einzel-GdB 10);
Schlafapnoe-Syndrom (Einzel-GdB 10).
Die Klägerin hat mit Widerspruch vom 01.08.2004 hervorgehoben, dass sie an einer erheblichen Arthrose leide. Sie sei deswegen erheblich gehbehindert. Weiterhin sei die chronische Hashimoto Thyreoiditis mit Hypothyreose nicht berücksichtigt worden. Auf ein nicht verhornendes Plattenepithel der Bindehaut werde ebenso aufmerksam gemacht wie auf die chronische Entzündung der Augenhöhle.
Der Beklagte hat den Widerspruch vom 01.08.2004 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 30.07.2004 mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 13.10.2004 zurückgewiesen. Der GdB sei wie bisher mit 30 richtig festgestellt.
In dem sich anschließenden Klageverfahren ist die Klägerin wiederholt nicht zu gerichtlich anberaumten Erörterungsterminen erschienen. Das Sozialgericht München hat im Folgenden mit Beweisanordnung vom 03.05.2006 Dr.A. H. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Aufgrund seiner Untersuchung vom 04.08.2006 ist Dr.A. H. mit internistisch-sozialmedizinischem und psychotherapeutischen Gutachten vom 03.12.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wesentliche Änderung im Sinne der Verschlimmerung eingetreten sei. Der Gesamt-GdB betrage ab Januar 2004 40. Eine "erhebliche" Gehbehinderung liege noch nicht vor.
Der Beklagte hat sich mit Vergleichsangebot vom 12.01.2007 bereit erklärt, für die in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.01.2007 genannten Gesundheitsstörungen ab 27.01.2004 (= Antragstellung) einen GdB von 40 festzustellen. Denn Dr.N. hat mit chirurgisch-versorgungsärztlicher Stellungnahme nach Aktenlage vom 10.01.2007 bestätigt, dass sich vor allem die Funktionsstörungen im Bereich der unteren Extremitäten verschlechtert hätten und nunmehr mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen seien. Die Funktionsbehinderungen im Bereich der Wirbelsäule würden einen Einzel-GdB von 20 bedingen, die weiteren multiplen Funktionsbeeinträchtigungen auf verschiedenen Fachgebieten einen Einzel-GdB von jeweils 10.
Nachdem das Vergleichsangebot des Beklagten vom 12.01.2007 von der Klägerin nicht angenommen worden ist, hat das Sozialgericht München der Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2007 teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, auf sein Anerkenntnis vom 12.01.2007 bei der Klägerin ab 27.01.2004 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 12.04.2007 ging am selben Tag beim Sozialgericht München ein und wurde an das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) weitergeleitet. Zur Begründung hob die Klägerin hervor, dass die funktionellen Auswirkungen der orthopädischen Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten als erheblich einzustufen seien. Das tägliche "Walken" und Treppensteigen mache die Knöcheleinschränkung nicht besser. Ab Dezember 2007 habe das "Walken" eingestellt werden müssen. Nach OP der Knöchelfraktur passe der Fuß in keinen Schuh mehr; es sei kein Schritt mehr möglich. Beim Gehen auf der Straße müsse sie besonders vorsichtig sein, das linke Bein sei von den Zehen bis zur Hüfte verklemmt. Die Schilddrüsenfehlfunktion (Hashimoto Thyreoiditis) habe zu weiteren Beschwerden in Form von Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche, schlaffe Bänder, Galle, Entzündung der Leberzellen und der Darmschleimhaut sowie der Magenschleimhaut geführt.
Von Seiten des BayLSG wurden die Behinderten-Akten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Unterlagen beigezogen. Im Folgenden bestellte das BayLSG mit Beweisanordnung vom 18.05.2007 Prof.Dr.R.G. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Trotz wiederholtem Schriftwechsel zwischen der Orthopädischen Gutachtensstelle des Klinikums I., der Klägerin und dem BayLSG unterzog sich die Klägerin dort einer Untersuchung nicht. Nach über einem Jahr ersuchte das BayLSG Prof.Dr.R.G. mit Nachricht vom 08.08.2008, das am 18.05.2007 in Auftrag gegebene Gutachten, das auch aufgrund der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin noch nicht erstattet worden sei, nunmehr nach Aktenlage bis 01.10.2008 zu fertigen. Prof.Dr.R.G. bestätigte im Folgenden mit fachorthopädischen Gutachten nach Aktenlage vom 01.09.2008 den bereits festgestellten GdB von 40.
Die Klägerin rügte mit Telefax vom 18.10.2008, dass ihre multiplen Funktionsstörungen auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Infolge der Gehbehinderung sei es ihr nicht möglich gewesen, zur Untersuchung zu kommen; die beantragte Taxifahrt sei ignoriert worden. Das Gutachten von Prof.Dr.R.G., das wiederholt habe angemahnt werden müssen, sei unvollständig. Das Basaliom an der Nasenspitze sei nicht berücksichtigt worden.
Die Klägerin bat mit Schreiben vom 08.12.2008 unter Bezugnahme auf die bei ihr vorliegenden, dem Senat bereits bekannten Gesundheitsstörungen, um Vertagung des zum 17.12.2008 anberaumten Verhandlungstermines. Die Nachricht der Klägerin vom 08.12.2008 ging mit Telefax am 15.12.2008 beim BayLSG ein. Seitdem versuchte der Senat durchgehend, aber erfolglos, die Klägerin per Fax bzw. per Telefon zu erreichen, um ihr mitzuteilen, dass nicht beabsichtigt sei, den Rechtsstreit zu vertagen, da dem Senat ein aktueller Nachweis über die behauptete Unfähigkeit zum Erscheinen zum Termin vom 17.12.2008 nicht vorliege.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2008 erschien für die Klägerin niemand.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16.03.2007 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 des SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2007 zutreffend nur in dem beschriebenen Umfange stattgegeben und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab 27.01.2004 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage zu Recht abgewiesen worden.
Das gesamte Verfahren leidet daran, dass die Klägerin wiederholt zu den Erörterungsterminen des Sozialgerichts München nicht erschienen ist, erstinstanzlich nur das internistisch-sozialmedizinische und psychotherapeutische Gutachten von Dr.A. H. vom 03.12.2006 vorliegt und die Klägerin sich auch zweitinstanzlich einer orthopädisch erforderlich erscheinenden Untersuchung bei Prof.Dr.R.G. nicht unterzogen hat. Denn nach Aktenlage stehen die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet im Vordergrund und nicht die sonstigen multiplen Funktionsbeeinträchtigungen auf den diversen Fachgebieten.
Insbesondere ist Prof.Dr.R.G. mit Nachricht des BayLSG vom 19.09.2007 gebeten worden, der Klägerin einen weiteren Untersuchungstermin einzuräumen, der in Einklang mit den sonstigen Belangen des Klinikbetriebes stehe. Denn die Klägerin könne nicht erwarten, dass der laufende Klinikbetrieb persönlichen Terminvorstellungen untergeordnet werde. Mit weiterem Schreiben des BayLSG vom 27.09.2007 ist die Klägerin informiert worden, ob Taxikosten anlässlich der Begutachtung bei Prof.Dr.R.G. bzw. Dr.T. auf die Staatskasse zu übernehmen seien, könne erst nach Vorliegen des Gutachtens entschieden werden.
Der Senat folgt dem internistisch-sozialmedizinischen und psychotherapeutischen Gutachten von Dr.A. H. vom 03.12.2006 (gefertigt nach Untersuchung am 04.08.2006) und dem weiteren orthopädischen Gutachten von Prof.Dr.R.G. vom 01.09.2008 (Aktenlagegutachten) bezüglich der Feststellung eines Gesamt-GdB von 40. Denn die Gutachten entsprechen in allen Punkten den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004, 2005 und 2008". Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) hat bereits mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipiertes Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleiste innerhalb des § 3 SchwbG a.F. nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kämen. Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003
- B 9 SB 3/03 R in SGb 2004, S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass aufgrund der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin (eigene Vorstellungen hinsichtlich des Untersuchungstermines im Klinikum I., Wunsch nach einer Blankozusicherung hinsichtlich Taxikosten) eine hier erforderlich erscheinende Untersuchung auf orthopädischem Fachgebiet gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG nicht zustande gekommen ist. Nach Aktenlage kann dem Begehren der Klägerin auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von mindestens 50 sowie Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX jedoch nicht stattgegeben werden.
Dies gilt auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass Priv.-Doz. Dr.F.E. mit Arztbrief vom 12.12.2007 mitgeteilt hat, dass im Bereich der Nasenspitze ein Basaliom lokalisiert worden ist. Es hat sich hierbei um ein solides Basalzellkarzinom mit sklerodermieformen Zügen gehandelt, das nicht in toto hat exzidiert werden können. Jedoch hat die maximale Eindringtiefe nur 2 mm betragen. Nach Entfernung eines malignen Tumors der Haut ist entsprechend Rz.26.17 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch ausdrücklich für Basalzellkarzinome, weil hier regelmäßig das letale Risiko als gering einzustufen ist.
Soweit die Klägerin im Übrigen nochmals auf das Vorliegen der Hashimoto Thyreoiditis und deren Folgen hingewiesen hat, folgt das BayLSG mangels neuer Erkenntnisse, die unter Umständen auch im Rahmen einer orthopädischen Begutachtung gewonnen hätten werden können, dem in sich schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr.A. H. vom 03.12.2006, gefertigt nach Untersuchung am 04.08.2006.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16.03.2007 zurückzuweisen.
Die Anwesenheit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2008 ist hierbei gemäß § 110 Abs.1 SGG nicht erforderlich gewesen. Unabhängig davon, dass die Nachricht der Klägerin vom 08.12.2008 erst mit Telefax vom 15.12.2008 dem BayLSG übermittelt worden ist, fehlt es an dem Nachweis einer akuten Erkrankung bzw. aktuellen Verhandlungsunfähigkeit, sodass der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.12.2008 nicht hat abgesetzt werden müssen. Denn bereits Dr.J. N. hat mit Arztbrief vom 27.04.2006 den bei der Klägerin u.a. bestehenden "Z.n. intermittierendem Vorhofflattern" beschrieben, ohne dass deswegen die Untersuchung bei Dr.A. H. am 04.08.2006 hätte entfallen müssen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1929 geborene Klägerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gemäß den §§ 2 Abs.2 und 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX.
Der Grad der Behinderung (GdB) ist bei der Klägerin seit 30.03.1984 mit 30 festgestellt worden. Sie hat mit Neufeststellungsantrag vom 27. bzw. 30.01.2004 vorgetragen, dass sich vor allem die Wirbelsäulenbeschwerden verschlechtert hätten. Sie leide an Schmerzen beim Aufstehen und bei sonstigen Bewegungen. Daneben seien die Hände, die Augen und ihr Körper betroffen. Es bestehe eine chronische Hashimoto Thyreoiditis sowie ein Herzleiden (intermittierendes Vorhofflattern, Neigung zu Sinusbradykardie und arterieller Hypertonie). Das Hautekzem sei chronisch. Zum Nachweis hat die Klägerin die ihr vorliegenden ärztlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt.
Nach Auswertung durch den Versorgungsärztlichen Dienst hat der Beklagte den Neufeststellungsantrag vom 27.01.2004 mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 13.07.2004 abgelehnt. Der GdB betrage unverändert 30. Hierbei seien nunmehr folgende Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen:
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, muskuläre Verspannungen, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20);
Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen (Einzel-GdB 20);
Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Knorpelschäden am Kniegelenk links (Einzel-GdB 20);
chronisches Handekzem (Einzel-GdB 10);
Nebenhöhlenaffektion, Kiefergelenksarthropathie (Einzel-GdB 10);
rezidivierende Oberbauchbeschwerden, Gallensteinleiden (Einzel-GdB 10);
Meralgie paresthetica nocturna des linken Beines (Einzel-GdB 10);
Restbeschwerden nach Schwellungsneigung des linken Sprunggelenkes (Einzel-GdB 10);
Schlafapnoe-Syndrom (Einzel-GdB 10).
Die Klägerin hat mit Widerspruch vom 01.08.2004 hervorgehoben, dass sie an einer erheblichen Arthrose leide. Sie sei deswegen erheblich gehbehindert. Weiterhin sei die chronische Hashimoto Thyreoiditis mit Hypothyreose nicht berücksichtigt worden. Auf ein nicht verhornendes Plattenepithel der Bindehaut werde ebenso aufmerksam gemacht wie auf die chronische Entzündung der Augenhöhle.
Der Beklagte hat den Widerspruch vom 01.08.2004 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 30.07.2004 mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 13.10.2004 zurückgewiesen. Der GdB sei wie bisher mit 30 richtig festgestellt.
In dem sich anschließenden Klageverfahren ist die Klägerin wiederholt nicht zu gerichtlich anberaumten Erörterungsterminen erschienen. Das Sozialgericht München hat im Folgenden mit Beweisanordnung vom 03.05.2006 Dr.A. H. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Aufgrund seiner Untersuchung vom 04.08.2006 ist Dr.A. H. mit internistisch-sozialmedizinischem und psychotherapeutischen Gutachten vom 03.12.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wesentliche Änderung im Sinne der Verschlimmerung eingetreten sei. Der Gesamt-GdB betrage ab Januar 2004 40. Eine "erhebliche" Gehbehinderung liege noch nicht vor.
Der Beklagte hat sich mit Vergleichsangebot vom 12.01.2007 bereit erklärt, für die in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.01.2007 genannten Gesundheitsstörungen ab 27.01.2004 (= Antragstellung) einen GdB von 40 festzustellen. Denn Dr.N. hat mit chirurgisch-versorgungsärztlicher Stellungnahme nach Aktenlage vom 10.01.2007 bestätigt, dass sich vor allem die Funktionsstörungen im Bereich der unteren Extremitäten verschlechtert hätten und nunmehr mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen seien. Die Funktionsbehinderungen im Bereich der Wirbelsäule würden einen Einzel-GdB von 20 bedingen, die weiteren multiplen Funktionsbeeinträchtigungen auf verschiedenen Fachgebieten einen Einzel-GdB von jeweils 10.
Nachdem das Vergleichsangebot des Beklagten vom 12.01.2007 von der Klägerin nicht angenommen worden ist, hat das Sozialgericht München der Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2007 teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, auf sein Anerkenntnis vom 12.01.2007 bei der Klägerin ab 27.01.2004 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 12.04.2007 ging am selben Tag beim Sozialgericht München ein und wurde an das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) weitergeleitet. Zur Begründung hob die Klägerin hervor, dass die funktionellen Auswirkungen der orthopädischen Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten als erheblich einzustufen seien. Das tägliche "Walken" und Treppensteigen mache die Knöcheleinschränkung nicht besser. Ab Dezember 2007 habe das "Walken" eingestellt werden müssen. Nach OP der Knöchelfraktur passe der Fuß in keinen Schuh mehr; es sei kein Schritt mehr möglich. Beim Gehen auf der Straße müsse sie besonders vorsichtig sein, das linke Bein sei von den Zehen bis zur Hüfte verklemmt. Die Schilddrüsenfehlfunktion (Hashimoto Thyreoiditis) habe zu weiteren Beschwerden in Form von Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche, schlaffe Bänder, Galle, Entzündung der Leberzellen und der Darmschleimhaut sowie der Magenschleimhaut geführt.
Von Seiten des BayLSG wurden die Behinderten-Akten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Unterlagen beigezogen. Im Folgenden bestellte das BayLSG mit Beweisanordnung vom 18.05.2007 Prof.Dr.R.G. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Trotz wiederholtem Schriftwechsel zwischen der Orthopädischen Gutachtensstelle des Klinikums I., der Klägerin und dem BayLSG unterzog sich die Klägerin dort einer Untersuchung nicht. Nach über einem Jahr ersuchte das BayLSG Prof.Dr.R.G. mit Nachricht vom 08.08.2008, das am 18.05.2007 in Auftrag gegebene Gutachten, das auch aufgrund der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin noch nicht erstattet worden sei, nunmehr nach Aktenlage bis 01.10.2008 zu fertigen. Prof.Dr.R.G. bestätigte im Folgenden mit fachorthopädischen Gutachten nach Aktenlage vom 01.09.2008 den bereits festgestellten GdB von 40.
Die Klägerin rügte mit Telefax vom 18.10.2008, dass ihre multiplen Funktionsstörungen auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Infolge der Gehbehinderung sei es ihr nicht möglich gewesen, zur Untersuchung zu kommen; die beantragte Taxifahrt sei ignoriert worden. Das Gutachten von Prof.Dr.R.G., das wiederholt habe angemahnt werden müssen, sei unvollständig. Das Basaliom an der Nasenspitze sei nicht berücksichtigt worden.
Die Klägerin bat mit Schreiben vom 08.12.2008 unter Bezugnahme auf die bei ihr vorliegenden, dem Senat bereits bekannten Gesundheitsstörungen, um Vertagung des zum 17.12.2008 anberaumten Verhandlungstermines. Die Nachricht der Klägerin vom 08.12.2008 ging mit Telefax am 15.12.2008 beim BayLSG ein. Seitdem versuchte der Senat durchgehend, aber erfolglos, die Klägerin per Fax bzw. per Telefon zu erreichen, um ihr mitzuteilen, dass nicht beabsichtigt sei, den Rechtsstreit zu vertagen, da dem Senat ein aktueller Nachweis über die behauptete Unfähigkeit zum Erscheinen zum Termin vom 17.12.2008 nicht vorliege.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2008 erschien für die Klägerin niemand.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16.03.2007 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 des SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat der Klage der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2007 zutreffend nur in dem beschriebenen Umfange stattgegeben und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab 27.01.2004 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage zu Recht abgewiesen worden.
Das gesamte Verfahren leidet daran, dass die Klägerin wiederholt zu den Erörterungsterminen des Sozialgerichts München nicht erschienen ist, erstinstanzlich nur das internistisch-sozialmedizinische und psychotherapeutische Gutachten von Dr.A. H. vom 03.12.2006 vorliegt und die Klägerin sich auch zweitinstanzlich einer orthopädisch erforderlich erscheinenden Untersuchung bei Prof.Dr.R.G. nicht unterzogen hat. Denn nach Aktenlage stehen die bei der Klägerin bestehenden Funktionsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet im Vordergrund und nicht die sonstigen multiplen Funktionsbeeinträchtigungen auf den diversen Fachgebieten.
Insbesondere ist Prof.Dr.R.G. mit Nachricht des BayLSG vom 19.09.2007 gebeten worden, der Klägerin einen weiteren Untersuchungstermin einzuräumen, der in Einklang mit den sonstigen Belangen des Klinikbetriebes stehe. Denn die Klägerin könne nicht erwarten, dass der laufende Klinikbetrieb persönlichen Terminvorstellungen untergeordnet werde. Mit weiterem Schreiben des BayLSG vom 27.09.2007 ist die Klägerin informiert worden, ob Taxikosten anlässlich der Begutachtung bei Prof.Dr.R.G. bzw. Dr.T. auf die Staatskasse zu übernehmen seien, könne erst nach Vorliegen des Gutachtens entschieden werden.
Der Senat folgt dem internistisch-sozialmedizinischen und psychotherapeutischen Gutachten von Dr.A. H. vom 03.12.2006 (gefertigt nach Untersuchung am 04.08.2006) und dem weiteren orthopädischen Gutachten von Prof.Dr.R.G. vom 01.09.2008 (Aktenlagegutachten) bezüglich der Feststellung eines Gesamt-GdB von 40. Denn die Gutachten entsprechen in allen Punkten den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004, 2005 und 2008". Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) hat bereits mit Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95 (NJW 1995, S.3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipiertes Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleiste innerhalb des § 3 SchwbG a.F. nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kämen. Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (BSG mit Urteil vom 18.09.2003
- B 9 SB 3/03 R in SGb 2004, S.378) bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass aufgrund der mangelnden Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin (eigene Vorstellungen hinsichtlich des Untersuchungstermines im Klinikum I., Wunsch nach einer Blankozusicherung hinsichtlich Taxikosten) eine hier erforderlich erscheinende Untersuchung auf orthopädischem Fachgebiet gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG nicht zustande gekommen ist. Nach Aktenlage kann dem Begehren der Klägerin auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von mindestens 50 sowie Zuerkennung des Merkzeichens "G" im Sinne von § 146 Abs.1 SGB IX jedoch nicht stattgegeben werden.
Dies gilt auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass Priv.-Doz. Dr.F.E. mit Arztbrief vom 12.12.2007 mitgeteilt hat, dass im Bereich der Nasenspitze ein Basaliom lokalisiert worden ist. Es hat sich hierbei um ein solides Basalzellkarzinom mit sklerodermieformen Zügen gehandelt, das nicht in toto hat exzidiert werden können. Jedoch hat die maximale Eindringtiefe nur 2 mm betragen. Nach Entfernung eines malignen Tumors der Haut ist entsprechend Rz.26.17 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch ausdrücklich für Basalzellkarzinome, weil hier regelmäßig das letale Risiko als gering einzustufen ist.
Soweit die Klägerin im Übrigen nochmals auf das Vorliegen der Hashimoto Thyreoiditis und deren Folgen hingewiesen hat, folgt das BayLSG mangels neuer Erkenntnisse, die unter Umständen auch im Rahmen einer orthopädischen Begutachtung gewonnen hätten werden können, dem in sich schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr.A. H. vom 03.12.2006, gefertigt nach Untersuchung am 04.08.2006.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16.03.2007 zurückzuweisen.
Die Anwesenheit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2008 ist hierbei gemäß § 110 Abs.1 SGG nicht erforderlich gewesen. Unabhängig davon, dass die Nachricht der Klägerin vom 08.12.2008 erst mit Telefax vom 15.12.2008 dem BayLSG übermittelt worden ist, fehlt es an dem Nachweis einer akuten Erkrankung bzw. aktuellen Verhandlungsunfähigkeit, sodass der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.12.2008 nicht hat abgesetzt werden müssen. Denn bereits Dr.J. N. hat mit Arztbrief vom 27.04.2006 den bei der Klägerin u.a. bestehenden "Z.n. intermittierendem Vorhofflattern" beschrieben, ohne dass deswegen die Untersuchung bei Dr.A. H. am 04.08.2006 hätte entfallen müssen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
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