S 123 AS 15645/07 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
123
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 123 AS 15645/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin die anteilige Mietkaution für die Wohnung in der S straße ... in ... B ... in Höhe von 294,50 Euro als Darlehen zu gewähren. 2. Der Antragstellerin wird mit Wirkung ab dem 12. Juli 2007 für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin A W, K straße ..., B, beigeordnet. 3. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der anteiligen Mietkaution für ihre Wohnung.

Die am 24.11.1985 geborene Antragstellerin bewohnt seit dem 01. September 2006 gemeinsam mit ihrem Bruder und ihren pflegebedürftigen Eltern eine Wohnung in der S str ... in B. Im Mietvertrag über die Wohnung wird der Bruder der Antragstellerin als alleiniger Mieter aufgeführt und nur dieser hat den Mietvertrag unterzeichnet. Bei Vertragsabschluss wurde die Stellung einer Mietkaution in Höhe von 1.178,00 Euro vereinbart.

Anlässlich des bevorstehenden Umzugs beantragte die Antragstellerin im August 2006 bei dem Antragsgegner die Zusicherung für die Übernahme der künftigen Unterkunftskosten sowie die Übernahme der anteiligen Mietkaution. Mit Bescheid vom 15. August 2006 erkannte der Antragsgegner die Erforderlichkeit des Umzugs an und sicherte die Übernahme der Mietkosten für die neue Wohnung sowie der übrigen mit dem Umzug verbundenen Kosten zu. Die Übernahme der Mietkaution lehnte er aber ohne weitere Begründung ab.

Im Januar 2007 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Überprüfung der Entscheidung über die Ablehnung der Kautionsübernahme und die Übernahme in anteiliger Höhe. Auch diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 10. Januar 2007 ab und begründete das damit, dass allein der Bruder Hauptmieter gegenüber dem Vermieter sei und daher lediglich die anteiligen laufenden Unterkunftskosten für die Antragstellerin zu übernehmen seien.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2007 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung der Zurückweisung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Übernahme der anteiligen Mietkaution ausscheide, da die Antragstellerin nicht Mietvertragspartei geworden und somit dem Vermieter gegenüber auch keine Mietkaution schulde. Eine Übernahme der Mietkaution käme nur in Betracht, wenn der Hilfebedürftige persönlich mietvertraglich verpflichtet sei.

Der Vermieter hat inzwischen den Mietvertrag wegen erheblicher Zahlungsrückstände und der nur zum Teil gestellten Mietkaution im April 2007 fristlos gekündigt und nach erhobener Räumungsklage im Juli 2007 ein Versäumnisurteil erwirkt. Der Vermieter ist jedoch trotzdem bereit das Mietverhältnis mit dem Bruder der Antragstellerin fortzusetzen, wenn u. a. die entstandenen Mietrückstände in Raten erfüllt und die restliche Kautionszahlung spätestens bis zum 31. August 2007 gezahlt wird.

Am 12. Juli 2007 hat die Antragstellerin Klage erhoben und zugleich Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gestellt. Sie begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der anteiligen Mietkaution. Sie meint, ihr stünde die anteilige Mietkaution zu. Die Ablehnung des Antragsgegners widerspreche der üblichen Verwaltungspraxis. Das für den Bruder zuständige JobCenter habe die Mietkaution nur zu ¼ übernommen. Das Eilbedürfnis sei gegeben, weil sie sonst von Obdachlosigkeit bedroht sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr die anteilige Mietkaution für die Wohnung in der S straße ...in B darlehensweise in Höhe von 294,50 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er beruft sich auf seine Begründung im Verwaltungsverfahren und ergänzt, dass ein Anordnungsgrund nicht vorliege. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass bei Erlass der einstweiligen Anordnung der Verlust der Wohnung für die Antragstellerin vermieden werde.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners - die Antragstellerin betreffend - verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist auch begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Voraussetzung ist mithin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes, wobei der Anordnungsanspruch den materiellen Anspruch auf die begehrte Regelung beinhaltet und der Anordnungsgrund ein besonderes Eilbedürfnis, also die Dringlichkeit der begehrten Regelung für den Antragsteller voraussetzt. Die tatsächlichen Voraussetzungen für den Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind durch den Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Im Rahmen der einstweiligen Anordnung dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschluss vom 12. Mai 2005, BvR 1 569/05, zitiert nach juris).

Nach diesen Maßgaben kommt die Kammer bei summarischer Prüfung zu der Erkenntnis, dass sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch hier zu bejahen sind.

Der erforderliche Anordnungsgrund ist darin zu sehen, dass der Antragstellerin die Durchsetzung des bereits erwirkten Räumungstitels durch den Vermieter droht. Die Übernahme der restlichen Mietkaution bis zum 31.08.2007 und damit auch des für die Antragstellerin geltend gemachten Kautionsanteils hat der Vermieter nach dem vorliegenden Vergleichsvorschlag seiner Bevollmächtigten zur Voraussetzung für die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemacht. Unter diesen Umständen kann der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden, auch bei Erlass der einstweiligen Anordnung drohe der Verlust der Wohnung. Ohnehin sind vorliegend an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, da ein Anordnungsanspruch - wie sogleich dargelegt - offensichtlich besteht (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl., § 86 b Rn. 29).

Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. SGB II kann eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Die Mietkaution soll als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 3 Satz 3 SGB II).

Vorliegend hat der Antragsgegner bereits mit Bescheid vom 15. August 2006 die Notwendigkeit des Umzugs und seine Verpflichtung zur Übernahme der mit dem Wohnungswechsel verbundenen Kosten - bis auf die Mietkaution - anerkannt. Damit hat er seine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten nach § 22 Abs. 3 SGB II grundsätzlich anerkannt, so dass er nicht mehr in ermessensfehlerfreier Weise die Übernahme dieser Kosten prinzipiell ablehnen kann. Es sind auch keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die bei Ausübung fehlerfreien Ermessens eine Ablehnung rechtfertigen könnten.

Die durch den Antragsgegner dem Grunde nach anerkannte Kostenübernahmepflicht umfasst auch die Übernahme der anteiligen Mietkaution. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners hat die Antragstellerin einen ungedeckten Bedarf hinsichtlich der anteiligen Mietkaution. Denn die bei Vertragsschluss geforderte Mietkaution stellt grundsicherungsrechtlich einen Bedarf auch jener Mitglieder der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft dar, die nicht selber Mietvertragspartei geworden sind. Die Kammer schließt sich insoweit der zum Bundessozialhilfegesetz (BSGH) ergangenen Rechtsprechung an (vgl. Oberverwaltungsgericht -OVG- Hamburg, Beschluss v. 26.04.2002, 4 Bf 443/00, zitiert nach juris). Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Mietkaution nichts anderes gelten könne als hinsichtlich der Mietaufwendungen. Bezüglich des Unterkunftsbedarfs ist es nämlich weitgehend anerkannt, dass nicht die zivilrechtliche Vertragsgestaltung für die Zuordnung des Bedarfs entscheidend ist, sondern dieser grundsätzlich durch pauschale Aufteilung der Miete nach der Anzahl der Bewohner zu ermitteln ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil v. 21.01.1988, 5 C 68/85, zitiert nach juris; Berlit, in: Münder, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn. 24 m. w. N.). Es gibt keinen sachlichen Grund, der es rechtfertigen würde, den Mietkautionsbedarf anders zu behandeln als den Bedarf an laufenden Unterkunftskosten. Vielmehr ist aufgrund der mietvertraglichen und wirtschaftlichen Nähe zwischen Mietzahlung und Mietkaution eine Gleichbehandlung geboten (vgl. OVG Hamburg, a. a. O.). Denn Zweck der Mietkaution ist es in erster Linie, dem Vermieter eine Sicherheit für den Fall von Mietrückständen zu bieten.

Andernfalls setzt sich der Leistungsträger in Fällen wie diesem zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch. Wenn er schon die Notwendigkeit des Umzugs und seine Verpflichtung zur Übernahme der laufenden Mietzahlungen anerkennt, darf er grundsätzlich nicht die Übernahme der Mietkaution verweigern. Sonst setzt er - wie hier letztlich geschehen - den Hilfebedürftigen der Gefahr aus, dass der Vermieter den Mietvertrag wegen der nicht vollständig gestellten Mietsicherheit kündigt und der Leistungsempfänger, sei er nun Vertragspartei oder nicht, somit seine Wohnung wieder verliert.

Im Übrigen würde die von dem Antragsgegner vertretene Ansicht zu unerwünschten Ergebnissen führen. Wenn etwa in einer aus einem Hilfebedürftigen und mehreren nicht hilfebedürftigen Personen bestehenden Haushaltsgemeinschaft nur die hilfebedürftige Person oder die hilfebedürftige zusammen mit einer nicht hilfebedürftigen Person den Mietvertrag unterzeichnet, müsste der Leistungsträger nach dieser Auffassung die Mietkaution in vollem Umfang bzw. zur Hälfte übernehmen. Das wäre dagegen ausgeschlossen, wenn man der hier dargelegten Ansicht folgt.

Mithin steht der Antragstellerin ein Anspruch auf Übernahme der anteiligen Kaution von 294,50 Euro (1/4 von 1.178,00 Euro) zu.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat ebenfalls Erfolg. Die Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig, auch ist die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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