L 14 R 111/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 R 2582/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 111/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18.12.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren hat.

Die Klägerin ist 1962 geboren. Bis 1989 arbeitete sie in Deutschland unter anderem als Pflegehilfskraft. Nach Umzug nach Österreich war sie zuletzt bis November 2004 als Behindertenbetreuerin beschäftigt. Mit Wirkung ab dem 01.12.2004 wurde ihr in Österreich eine Berufsunfähigkeitspension gewährt.

Nach einem erfolglosen Rentenantrag im Jahre 2002 (bestandskräftiger Ablehnungsbescheid vom 13.09.2002) beantragte die Klägerin am 17.11.2004 über den österreichischen Versicherungsträger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten.

Zur Beurteilung des Gesundheitszustandes der Klägerin lagen der Beklagten unter anderem Gutachten vor, die für die österreichische Pensionsversicherungsanstalt erstellt worden waren:
Der Orthopäde Dr. T. stellte ein flüssiges Gangbild der Klägerin fest; Zehenspitzen- und Fersengang seien beidseits durchführbar. Muskuläre Verspannungen beschrieb er ebenso wie Bewegungseinschränkungen oder Muskelatrophien nicht. Es liege ein abgelaufener Morbus Scheuermann vor. Der Klägerin seien alle mittelschweren Tätigkeiten vollschichtig zumutbar (Gutachten vom 21.01.2005).
Die Augenärztin Dr. R. stellte einen Visus der Klägerin mit eigener Brille von rechts 0,6 und links 0,5 fest. Der Klägerin seien alle mittelschweren Tätigkeiten, die kein sehr gutes Sehvermögen erfordern würden, vollschichtig zumutbar; ausgenommen sei das Lenken eines Kfz und jede Bildschirmtätigkeit (Gutachten vom 02.02.2005).
Der Neurologe und Psychiater Dr. H. sah bei der Klägerin eine neurologisch nicht eindeutig abgeklärte Ataxie. Aus den vorliegenden Befunden gehe eine verringerte Selbsteinschätzung und geringe Stressresistenz sowie eine somatoforme Störung hervor. Die hochgradige Visusminderung wirke sich einschränkend auf das Lenken eines Kraftfahrzeugs und eine Bildschirmtätigkeit aus. Ein Anmarschweg von mindestens 500 m sei ohne Pause möglich. Die Klägerin sei ständig körperlich leicht und mittel belastbar. Sie könne noch vollschichtig mit gewissen qualitativen Einschränkungen einer beruflichen Tätigkeit nachgehen (Gutachten vom 07.03.2005).

Mit Bescheid vom 08.06.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab.

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.06.2005 Widerspruch ein. Sie könne nicht verstehen, dass die österreichische Pensionsversicherung sie aufgrund ihrer Erkrankungen in Pension schicke, die Beklagte aber meine, sie sei noch sechs Stunden täglich arbeitsfähig, ohne sie einmal zur Untersuchung vorgeladen zu haben. Gleichzeitig trug sie vor, dass über die im Bescheid aufgeführten Erkrankungen (ataktische, unter Umständen durch Sehbehinderung bedingte Gangstörung, konversionsneurotische Entwicklung, geringe degenerative Veränderungen der Wirbelsäule nach abgelaufenem Morbus Scheuermann, Keratoconus beidseits, herabgesetzte Sehvermögen beidseits) hinaus noch weiteren Leiden vorlägen. Durch ihre Augenerkrankung und die Angststörung sei es ihr unmöglich, schon bei etwas hellerem Licht sich auf der Straße ohne Gefahr zu orientieren; sie benötige daher meist eine Begleitperson. Das österreichische Bundessozialamt habe schon letztes Jahr hauptsächlich aufgrund des schlechten Zustandes der Augen und des Kreuzes eine 50%ige Erwerbsminderung bestätigt. Es sei nicht damit zu vereinbaren, dass die Beklagte ihr eine volle Arbeitsfähigkeit zugestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2005 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen, Begutachtungen und Stellungnahmen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Mit Schreiben 24.08.2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Aufgrund der vorliegenden Gutachten, die in Österreich erstellt worden seien, sei sie von der österreichischen Pensionsversicherung in Berufsunfähigkeitspension geschickt worden. Sie frage sich, wie die eine Pensionsversicherungsanstalt sie in Pension schicken, die andere sie für sechs Stunden und mehr arbeitsfähig erklären könne, außerdem welche Arbeit sie noch verrichten könne und welcher Arbeitgeber ihr bei ihren Erkrankungen einen Arbeitsplatz gebe. Sie habe Schwierigkeiten beim Putzen der eigenen Wohnung und könne diverse Arbeiten daheim nicht mehr verrichten. Zur weiteren Begründung hat sie diverse, überwiegend bereits bekannte medizinische Berichte übersandt.

Einem zwischenzeitlich im Auftrag der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt erstellten augenärztlichen Gutachten der Dr. I. 29.06.2005 ist zu entnehmen, dass bei einer Untersuchung ein Visus rechts von 0,7 und links von 0,5 festgestellt worden ist.

Zur weiteren Aufklärung hat das Sozialgericht eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung durch Dr. B. veranlasst (Gutachten vom 21.04.2006). Bei der Begutachtung - so die Sachverständige - habe die Klägerin angegeben, dass im Vordergrund ihre Beschwerden das eingeschränkte Sehen stehe. Sie werde sehr durch Sonnenlicht geblendet. Daneben habe sie auch Rückenschmerzen in HWS, BWS und LWS beklagt, wenn sie länger stehen, länger sitzen oder länger gehen würde; Schmerzmittel benötige sie aber nicht. Ihren Haushalt würde sie komplett selbst durchführen. Sie habe soziale Kontakte. Der Gang der Klägerin bei der Untersuchung sei ataktisch und breitbeinig gewesen. Der früher gestellten Diagnose einer Konversionsneurose hat sich die Gutachterin aufgrund der von ihr durchgeführten Untersuchung nicht anschließen können. Selbst wenn man von einer Konversionsneurose ausgehen würde, sei diese sicherlich nicht leistungseinschränkend. In der Beurteilung aus jetziger Sicht stehe insbesondere die unklare Ataxie, an die sich die Klägerin gewohnt habe und wisse, dass sie auf unebenen Böden sehr vorsichtig sein und langsam gehen müsse, wobei dies natürlich eingeschränkt durch die eingeschränkte Sehfähigkeit sei. Das Symptom der Ataxie sei nicht als leistungseinschränkend quantitativ zu beurteilen, sondern lediglich qualitativ dahingehend, dass die Klägerin nicht auf Leitern und Gerüsten arbeiten könne. Insgesamt ergebe sich keine leistungseinschränkende Diagnose auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten möglichst im Sitzen und in geschlossenen Räumen sechs Stunden und mehr pro Tag verrichten. Arbeiten auf Leitern, Gerüsten, am Bildschirm und an Maschinen sollten ebenso wie Treppensteigen und Heben und Tragen von Lasten vermieden werden. Die Klägerin sei in der Lage, 500 m und mehr vor Beginn und am Ende der Arbeitszeit zurückzulegen. Abschließend hat die Sachverständige die Einholung eines Gutachtens auf augenärztlichem Fachgebiet empfohlen.

Im Auftrag des Gerichts ist die Klägerin durch den Augenarzt S. untersucht worden. Dieser hat im Gutachten vom 06.06.2006 Folgendes ausgeführt: Die Klägerin habe angegeben, nur mühsam und kurz die Zeitung lesen zu können. Sie sei sehr lichtempfindlich. Die bei der Begutachtung gemessene Sehschärfe auf dem rechten Auge mit Korrektur betrage 0,5 in die Ferne und 0,8 in 30 cm Entfernung, die Sehschärfe auf dem linken Auge 0,5 bzw. 0,8. Das Lesen von Zeitungstext sei fließend möglich gewesen. Die beidäugige Gesamtsehschärfe betrage in der Ferne 0,6, in der Nähe 1,0. Der Gutachter hat darauf hingewiesen, dass bei den bislang vorliegenden Befundberichten ausschließlich Angaben zur Sehschärfe in der Ferne vorlägen. Dagegen sei es vorstellbar, dass eine Erwerbstätigkeit in der mittleren und nahen Entfernung ausgeübt werde. Das Leistungsvermögen der Klägerin in dieser Situation sei bislang nicht untersucht worden. Nicht nachvollziehbar sei, wie bei einer Sehschärfe, die bei den bisherigen Untersuchungen zwischen 0,7 und 0,4 geschwankt habe, von einer "stark reduzierten Sehschärfe" gesprochen werden könne. Nach den in Deutschland geltenden Maßstäben sei eine hochgradige Behinderung in der Sehfähigkeit erst dann gegeben, wenn die Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 0,05 betrage. Im Vordergrund der Sehstörungen stehe derzeit ein Blinzel-Tic wegen eines Reizes, den eine Bindehautentzündung verursache. Die Bindehautentzündung lasse sich mit geeigneten Tropfen kurieren. Damit sei auch der Blinzel-Tic beseitigt. Im peripheren Sehen habe die Klägern ein konzentrisch eingeengtes Gesichtsfeld angegeben. Ob diese Einengung tatsächlich vorliege, könne offen bleiben, da die Klägerin über Orientierungsschwierigkeiten im Raum nicht berichtet habe. Für einen Arbeitsplatz in der nahen und mittleren Entfernung sei das Gesichtsfeld vollkommen ausreichend. Der Durchmesser des Gesichtsfeldes betrage in einem Abstand von einem Meter 0,8 m. Damit reiche das angegebene Gesichtsfeld für eine Erwerbstätigkeit aus; ein Bildschirm z.B. sei allein mit dem Gesichtsfeld zu erfassen. Diese Bereiche würden sich durch Augen- und Kopfbewegungen erweitern lassen. Die künftige Erwerbstätigkeit der Klägerin könne eine Tätigkeit an einem Bildschirm sein, der die Zahlen und Texte vergrößert darstelle, auf Wunsch auch in weißer Schrift auf dunklem Grund. Damit sei die Klägerin für alle Verwaltungsaufgaben geeignet, die die Anwendung eines Bildschirms benötigen würden.

Zu diesem Gutachten hat sich die Klägerin dahingehend geäußert, dass sie keine Bindehautentzündung gehabt habe und eine derartige Erkrankung nie von einem anderen Augenarzt diagnostiziert worden sei; ein angeblicher Blinzel-Tic sei ihr unbekannt. Zu den Ausführungen des Sachverständigen, dass es bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nicht auf die Diagnosen, sondern auf die durch Gesundheitsstörungen ausgelösten Funktionsstörungen ankomme, weise sie darauf hin, dass sie einen Keratoconus mit extremer Photophobie und einen derzeitigen Visus von 0,3 auf beiden Augen mit Begleiterscheinungen habe. Die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit (Betreuung behinderter Kinder, bei denen Medikamente und Spritzen verabreicht worden seien und Schleim aus den Atemwegen abgesaugt hätte werden müssen) könne sie nicht mehr verrichten. Der Gutachter habe sich überhaupt nicht auf ihre Arbeit bezogen, sondern sei von einer Computerarbeit ausgegangen. Seit dem 17.11.2004 hätten sich die Augen dauernd verschlechtert. Sie frage sich auch, warum der Gutachter nicht die bei ihr vorliegende Netzhautdystrophie festgestellt habe.

Die von der Klägerin eingereichten und vom Sozialgericht beim Universitätsklinikum W. angeforderten Befunde sind dem gerichtlichen Sachverständigen mit der Bitte um ergänzende Stellungnahme vorgelegt worden. Dieser hat in seinen Stellungnahmen vom
10. und 17.08.2006 erläutert, dass sich dadurch keine Änderung der Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergebe. Eine Netzhautdystrophie sei in den vorliegenden Befundberichten nicht beschrieben worden. Sollte tatsächlich eine Netzhautdystrophie vorliegen, so seien deren Auswirkungen bei der Feststellung der Werte für Sehschärfe und Gesichtsfeld miterfasst. Das Hinzufügen weiterer Diagnosen habe keinen Einfluss auf die bei der Klägerin festgestellten Sehfunktionen.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2006 ist die Klage abgewiesen worden. Eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) liege nicht vor. Ein Anspruch der Klägerin auf Berufsunfähigkeitspension nach österreichischem Recht führe nicht dazu, dass auch in der Bundesrepublik Deutschland eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren sei.

Mit Schreiben vom 06.02.2007 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Gutachten des gerichtlich beauftragten Augenarztes S. habe bei ihren behandelnden Ärzten in der Universitätsklinik W. großes Schmunzeln erzeugt. Sie habe noch nie in ihrem Leben eine Hornhautentzündung oder einen Blinzel-Tic gehabt. Es sei ihr unverständlich, dass sie in Deutschland noch sechs bis sieben Stunden arbeitsfähig sein solle und in Österreich bereits seit Dezember 2004 eine Berufsunfähigkeitspension und seit 2006 Pflegegeld der Stufe drei beziehe und noch dazu als hochgradig sehbehindert eingestuft sei. Als Beleg hat die Klägerin einen Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 15.12.2006 vorgelegt, wonach ab 01.08.2006 ein Pflegegeld in Höhe der Stufe drei anerkannt worden ist, wobei im Rahmen der Begründung ausgeführt worden ist, dass die Einschränkungen durch die "hochgradige Sehbehinderung" bei der Ermittlung der Pflegestufe berücksichtigt worden seien.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 09.03.2007 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass für sie eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht komme, da eine derartige Rente nur noch Personen gewährt werden könne, die vor dem 02.01.1961 geboren seien.

Mit Schreiben vom 16.07.2007 hat die Klägerin klar gestellt, dass sie mit der Berufung die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, nicht wegen Berufsunfähigkeit anstrebe.

Im Auftrag des Senats hat der Augenarzt Prof. Dr. M. die Klägerin begutachtet. Im Gutachten vom 18.01.2008 hat er Folgendes ausgeführt: Bei der Begutachtung sei die Sehschärfe für die Ferne mit Korrektur mit 0,4 rechts, 0,5 links und beidäugig 0,5, für die Nähe sowohl rechts als auch links mit 0,5 gemessen worden. Das Gesichtsfeld sei bei der Projektionsperimetrie nach Goldmann in den Außengrenzen gering allseitig bis auf 40° Abstand vom Zentrum eingeschränkt gewesen; Gesichtsfeldsausfälle seien nicht zu finden. Bei der statischen Perimetrie habe sich für beide Augen eine allseitige Einengung bis auf 10° ergeben. Die Ausfälle bei der Gesichtsfelduntersuchung stünden in einem gewissen Gegensatz zum objektiven Untersuchungsbefund; die Mitarbeit sei nicht optimal gewesen. Bei der Klägerin lägen ein Keratoconus, ein Sicca-Syndrom und eine Sehschärfeminderung vor. Die Diagnosen seien seit Rentenantrag im Dezember 2004 aktenkundig. Der Gesundheitszustand sei seit dem Vorgutachten gleich geblieben. Die Klägerin sei in ihrer Erwerbsfähigkeit leicht beeinträchtigt. Nicht mehr zumutbar seien der Klägerin schwere Arbeiten und Arbeiten im Gehen, Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, am Fließband und an drehenden oder schneidenden Maschinen. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Klägerin könne ihre beruflichen Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Für eine Verbesserung der Sehfähigkeit stünden mehrere Möglichkeiten, unter anderem eine Hornhauttransplantation zur Verfügung, wobei alle operativen Möglichkeiten duldungspflichtig seien.

Mit Schreiben vom 17.02.2008 hat die Klägerin zum eingeholten Gutachten darauf hingewiesen, dass dieser Gutachter - wie der Vorgutachter - eine Netzhautdystrophie nicht erwähnt habe. Beide Gutachter hätten den Keratoconus nicht im Zusammenhang mit der Netzhautdystrophie betrachtet, untersucht und begutachtet und sich keine Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen eine Hornhauttransplantation auf die Netzhautdystrophie haben könnte. Weiter hat die Klägerin beanstandet, dass alle Gutachter ihren Zustand immer nur einzeln und nicht als Ganzes bewertet hätten. Ihr Vater sei aufgrund mehrerer Erkrankungen in Pension gekommen. Warum gehe das nicht auch bei ihr? Wie solle sie wirklich sechs Stunden arbeitsfähig sein, wenn sie ca. 15 verschiedene Erkrankungen belegen könne? Zudem benötige sie ständig bei grellem Licht, in der Sonne, im Schnee und am späten Abend eine menschliche Hilfe oder einen Blindenhund, der sie zur Arbeit und nach hause bringe. In Österreich sei sie aufgrund ihrer ganzen Erkrankungen in Pension gekommen. Ferner sei sie auf ständige Hilfe angewiesen, denn sie könne bei grellem Licht, Schnee, Sonne und am späten Abend nicht mehr allein aus dem Haus gehen und bekomme ein Pflegegeld. Sofern sie einer Arbeit nachgehen solle, bedürfe sie für die dafür erforderlichen Wege menschliche Hilfe oder einen Blindenführhund. Ergänzend wies die Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2008 darauf hin, dass sie eine Netzhautdystrophie und einen Keratoconus habe. Auch sei bekannt, dass ihre gesamte Wirbelsäule defekt sei und sie an einer Ataxie sowie Konversionsneurose leide. Trotzdem würden nur die Augen bewertet. Sie wisse, dass in Deutschland genauso wie in Österreich mehr Erkrankungen sein müssten, damit man überhaupt in Pension gehen könne.

Zur mündlichen Verhandlung am 15.01.2009 ist die ordnungsgemäß geladene Klägerin nicht erschienen.

Sie hat sinngemäß beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18.12.2006 und den Bescheid vom 08.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.08.2005 aufzuheben und ihr Rente wegen Erwerbsminderung zuzusprechen.

Die Vertreterin der Beklagten hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Gericht haben die Prozessakten beider Rechtszüge und die Akten der Beklagten vorgelegen. Zur Ergänzung des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Prozessbeteiligten, wird hierauf Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden (Beschluss vom 29.09.2008).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht München hat die Klage zutreffend abgewiesen. Eine Erwerbsminderung ist nicht nachgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI).

Voraussetzung für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ist u.a. eine rentenrechtlich relevante Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Bei der Prüfung, ob eine Erwerbsminderung vorliegt, kommt es nicht auf den bisherigen Beruf an, sondern darauf, ob mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich verrichtet werden können.

Sofern das Leistungsvermögen bei sechs oder mehr Stunden liegt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Erwerbsminderung nicht vorliegt und dem Versicherten der Arbeitsmarkt nicht verschlossen ist (vgl. Niesel, in: Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI, Rn. 34). Das - gegebenenfalls durch gewisse qualitative gesundheitliche Einschränkungen erhöhte - Risiko, einen offenen Arbeitsplatz zu finden, trägt die Arbeitslosenversicherung und nicht die Rentenversicherung (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 27.05.1977, Az.: 5 RJ 28/76). Im Rahmen der Frage, ob Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ist es damit grundsätzlich unerheblich, wie die Chancen eines Versicherten auf dem Arbeitsmarkt sind.

Versicherte, deren Leistungsvermögen sich am allgemeinen Arbeitsmarkt orientiert, sind grundsätzlich auf jede erwerbswirtschaftliche Tätigkeitsart verweisbar, die keine formale Ausbildung erfordert. In diesen Fällen besteht daher nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch grundsätzlich kein Anlass zur Benennung einer spezifischen Verweisungstätigkeit, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 18.04.1978, Az.: 4 RJ 55/77; vom 28.08.1991, Az.: 13/5 RJ 47/90).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, also neben den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (insbes. Versicherungszeiten) der Umstand, dass das Leistungsvermögen des Versicherten allein wesentlich bedingt durch Krankheit oder Behinderung ab einem bestimmten Zeitpunkt dauerhaft derart herabgesunken ist, dass er mit seinem Restleistungsvermögen nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, müssen im Vollbeweis nachgewiesen sein.

Der Vollbeweis erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (vgl. BayLSG, Urteil vom 26.07.2006, Az.: L 16 R 100/02; BSG, Urteil vom 14.12.2006, Az.: B 4 R 29/06 R). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, Az.: 2 RU 43/84). Oder in anderen Worten gesagt - das Gericht muss von der zu beweisenden Tatsache mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.1978, Az.: 8 RU 66/77). Es darf kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen (vgl. BayLSG, Urteil vom 26.07.2006, Az.: L 16 R 100/02).

Kann das Gericht die genannten Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen, gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.1967, Az.: 2 RU 198/64). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht im Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des Klägers bzw. der Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 24.10.1957, Az.: 10 RV 945/55). Denn für das Vorliegen der rechtsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen der Erwerbsminderung trägt der Versicherte die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast (vgl. BSG, Urteil vom 23.10.1996, Az.: 4 RA 1/96).

Auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen bedeutet dies Folgendes:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Klägerin nur noch weniger als sechs Stunden täglich zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter gewissen qualitativen Einschränkungen verrichten könnte. Dies wäre aber im Vollbeweis nachzuweisen, um dem Begehren der Klägerin Rechnung tragen zu können. Eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI ist damit nicht bewiesen.

Bei dieser Leistungsbeurteilung stützt sich das Gericht auf die im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren eingeholten bzw. beigezogenen Gutachten.

Im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin steht - sowohl nach ihren eigenen Angaben als auch nach den vorliegenden ärztlichen Befunden - die eingeschränkte Sehfähigkeit. Nicht entscheidend ist dabei, welche medizinischen Diagnosen den Gesundheitsstörungen zugrunde liegen, sondern welche funktionellen Auswirkungen sich daraus ergeben. Für die Entscheidung des Gerichts, ob der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung zusteht, ist es daher insbesondere ohne Bedeutung, ob bei der Klägerin, gegebenenfalls auch nur für eine vorübergehende Zeit, eine Bindehautentzündung vorgelegen hat, ob eine Netzhautdystrophie gegeben ist und wie diese möglicherweise Einfluss auf die Behandlungsmöglichkeiten des bei der Klägerin unstreitig vorliegenden Keratoconus hat.

Was die sich aus der Augenerkrankung ergebenden funktionellen Beeinträchtigungen angeht, ist entscheidend, wie stark ist die Sehfähigkeit der Klägerin reduziert ist und ob diese Einschränkung das berufliche Leistungsvermögen nicht nur in qualitativer, sondern auch in quantitativer Hinsicht betrifft.

Nachgewiesen durch das umfassende und gründliche Gutachten des Augenarztes S. ist eine beidäugige (korrigierte) Gesamtsehschärfe in der Ferne von 0,6 und von 1,0 in der Nähe. Zudem ist von einer Gesichtsfeldseinschränkung auszugehen, wobei der Durchmesser des Gesichtsfeldes in einem Abstand von einem Meter zum Auge nicht unter 0,8 m liegt (relativierend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Untersuchung zur Ermittlung des Gesichtsfeldes eine auf der Mitwirkung des Betroffenen beruhende Untersuchung ist und daher nicht in jedem Fall auch einen objektivierbaren Befund wiedergibt). Gegen eine funktionell erheblich beeinträchtigende Gesichtsfeldeinschränkung spricht die Tatsache, dass bei keiner der dokumentierten Untersuchungen Probleme der Klägerin, sich im Raum zu orientieren, beschrieben worden sind. Im Übrigen sind bei einem vom Gutachter zugrunde gelegten Gesichtsfeld von 0,8 m in einem Abstand von einem Meter Arbeiten im Nahbereich ohne relevante Beeinträchtigung möglich. So kommt beispielsweise die Arbeit an einem Computerbildschirm ohne weiteres in Betracht. Sofern der vom österreichischen Rentenversicherungsträger beauftragte Nervenarzt Dr. H. und die augenärztliche Gutachterin Dr. R. eine Bildschirmtätigkeit nicht mehr für möglich erachtet haben, ist deren Einschätzung insbesondere in Anbetracht der Tatsache nicht nachvollziehbar, dass damals der beidseitige Visus in die Nähe nicht ermittelt worden ist, so dass zuverlässige Aussagen zu Tätigkeiten mit dem Erfordernis der Sehfähigkeit in die Nähe aufgrund der damals erhobenen Befunde nicht möglich gewesen sind. Sofern der Gutachter Dr. H. sich bei seiner Aussage zur Bildschirmtätigkeit auf das Verhalten der Klägerin bei der Begutachtung, bei der sie sich wie eine hochgradig Sehbehinderte benommen hat, verlassen haben sollte, müsste der Einschätzung entgegengehalten werden, dass objektive Befunde für die von der Klägerin damals demonstrierten Einschränkungen nicht vorgelegen haben. Auch hat die Klägerin bei der späteren Untersuchung durch den Gutachter S. Zeitungstext fließend lesen können, was erhebliche Zweifel an der früher demonstrierten erheblichen Sehbehinderung, aber in gewissem Umfang auch an der Zuverlässigkeit der durchgeführten Gesichtfelduntersuchungen weckt. Aus ähnlichen Gründen ist die Aussage der nervenärztlichen Gutachterin Dr. B. zu einer Bildschirmtätigkeit nicht nachvollziehbar. Sofern diese eine derartige Tätigkeit nicht mehr für möglich hält, stützt sie sich bei dieser Einschätzung hinsichtlich funktioneller Einschränkungen nicht auf Überlegungen aus ihrem eigenen, sondern aus dem augenärztlichen Fachgebiet. Insofern ist ihre Einschätzung zur Bildschirmtätigkeit infolge der abweichenden und nachvollziehbar begründeten Einschätzung der augenärztlichen gerichtlichen Gutachter nicht haltbar. Auch andere Tätigkeiten im Nahbereich, beispielsweise händische Tätigkeiten ohne Feinarbeiten, können ausgeführt werden. Was eine Einschränkung des Gesichtsfeldes angeht, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass durch Augenbewegungen oder Kopfumwendbewegungen der Arbeitsbereich deutlich über das bloße Gesichtsfeld bei starrer Kopf- und Augenhaltung hinaus erweitert werden kann, wobei aber bereits das Gesichtsfeld alleine, d.h. ohne Augen- oder Kopfbewegungen, beispielsweise für eine Bildschirmtätigkeit ausreichen würde. Eine zeitliche Leistungsreduzierung ergibt sich aus diesen Beeinträchtigungen jedenfalls nicht. Von einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung, wie sie in der Vergangenheit teilweise, je nach den Umständen des Einzelfalls, bei einer funktionellen Einäugigkeit angenommen worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2006, Az.: B 13 RJ 38/05 R), kann bei den bei der Klägerin ermittelten Sehschärfewerten auch in Zusammenschau mit der Gesichtsfeldeinschränkung nicht ausgegangen werden. Der bei ihr vorliegende Zustand ist ohne jeden Zweifel deutlich besser als der bei funktionaler Einäugigkeit, die von einer Aufhebung des räumlichen Sehens geprägt ist. Irgendwelche Gesichtspunkte, die dafür sprechen würden, dass aufgrund der Augenerkrankungen das Sehvermögen der Klägerin über die Maßen schnell ermüden würde, sind von keinem der Gutachter beschrieben und auch nicht von der Klägerin angegeben worden.

Eine wesentliche Verschlechterung der Sehfähigkeit ist nach der Begutachtung durch den Augenarzt S. nicht eingetreten. So hat der Gutachter Prof. Dr. M. ausdrücklich angegeben, dass der Gesundheitszustand der Klägerin seit dem Vorgutachten gleich geblieben ist. Eine Verschlechterung der beidäugigen Sehschärfe in der Nähe hat der Gutachter nicht beschrieben; die Werte der einäugigen Sehschärfe haben sich gegenüber der Vorbegutachtung zwar etwas, aber nicht entscheidend reduziert. Die zuletzt bei der Begutachtung durch Prof. Dr. M. ermittelte einäugige Sehschärfe von rechts und links 0,5 ist, auch bei Einbeziehung der Einschränkung des Gesichtsfeldes, nach der für deutsches Recht maßgeblichen Einstufung nicht schlechter als "mäßige beidseitige Sehschädigung" zu beschreiben. Erst bei einer Sehfähigkeit von 0,3 oder weniger, also einem geringeren Sehvermögen, als es die Klägerin hat, ist von eine Sehbehinderung auszugehen, die beispielsweise eine mangelhafte Ausnutzbarkeit von Schwarzdruck und Probleme bei optischen Tätigkeitskontrollen nach sich zieht; von einer hochgradigen Sehbehinderung kann nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft erst bei einer Sehschärfe von weniger als 0,05 auf dem einen und 0,05 bis 0,03 auf dem anderen Auge ausgegangen werden (vgl. VDR, Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung. 6. Aufl., 2003, S. 463 ff). Die Einschätzung zur beruflichen Leistungsfähigkeit, wie sie sowohl der vom Sozialgericht als auch der vom Senat beauftragte Gutachter geäußert haben, ist daher stimmig und nachvollziehbar. Angesichts der Möglichkeiten, bei einer Bildschirmarbeit Zahlen und Buchstaben vergrößert darzustellen und mit weißer Schrift auf dunklem Hintergrund zu arbeiten, spricht auch nichts gegen die vom Gutachter S. lediglich beispielhaft genannte Tätigkeit am Bildschirm. Der eingeschränkten Sehfähigkeit in die Nähe ist daher mit den in den gerichtlichen augenärztlichen Gutachten genannten qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens zutreffend Rechnung getragen; eine quantitative Leistungsminderung, wie sie für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung erforderlich wäre, lässt sich nicht begründen.

Die bei der Klägerin eingeschränkte Sehschärfe in die Ferne (die Gutachter haben dafür einen beidäugigen Wert von 0,6 bzw. 0,5 angegeben) steht ebenfalls der Einschätzung nicht entgegen, dass eine zeitliche Leistungsminderung nicht gegeben ist. Eine Beeinträchtigung aus der eingeschränkten Sehfähigkeit in der Ferne ergibt sich allenfalls für Tätigkeiten, die nicht unerhebliche Anforderungen an das Sehvermögen in die Ferne stellen. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine qualitative Leistungseinschränkung; es gibt zahlreiche berufliche Tätigkeiten, bei denen eine unbeschränkte Sehfähigkeit in der Ferne nicht erforderlich ist. Auch ist das Sehvermögen in der Ferne nicht so weit reduziert, als dass daraus eine Einschränkung der Wegefähigkeit resultieren könnte. Dies wäre erst dann der Fall, wenn die Sehfähigkeit so stark reduziert wäre, dass es der Klägerin nicht mehr möglich wäre, einen Arbeitsplatz - auch unter Inanspruchnahme öffentlicher Beförderungsmittel - zu erreichen.

Die von der Klägerin vorgelegten Berichte über Untersuchungen in Österreich im Mai und (vermutlich) November 2006, wonach nur ein Visus von 0,3 bzw. 0,25 und genauer beschriebene Gesichtsfeldeinschränkungen festgestellt worden sind, können die oben dargestellte Einschätzung der sehbedingten Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht in Frage stellen. Zum einen hat sich ein Visus von 0,3 bzw. 0,25 bei der nachfolgend durchgeführten Begutachtung nicht bestätigen lassen. Zum anderen sind Messungen zur Bestimmung des Gesichtsfelds genauso wie zur Sehstärke auch mitwirkungsabhängig, sodass die Ergebnisse wegen der nicht immer gewährleisteten Reproduzierbarkeit, auf die auch der behandelnde Augenarzt hingewiesen hat (Untersuchungsbericht vom 23.11.2006), nicht zwingend valide sind. Von einer schlechteren Sehfähigkeit, als sie bei den gerichtlich angeordneten Begutachtungen festgestellt worden ist, kann daher mangels ausreichenden Nachweises nicht ausgegangen werden

Sofern die Klägerin angibt, wegen der Einschränkung der Sehfähigkeit und einer massiv erhöhten Blendempfindlichkeit für die Wege zur Arbeit einen Blindenhund oder menschlichen Führer zu benötigen, findet sich dafür weder in den vorliegenden Gutachten noch in den augenärztlichen Berichten eine Stütze. Eine derart weitgehende Blendempfindlichkeit ist nirgends beschrieben. Wenn die behandelnden Augenärzte eine Blendempfindlichkeit angeben, halten Sie in diesem Zusammenhang die Verordnung einer Lichtschutzbrille für angezeigt (Arztbrief vom 05.07.2006 der Universitätsaugenklinik W.); vom Erfordernis eines Blindenhunds, wie dies die Klägerin anführt, ist in keinem Arztbericht die Rede. Auch war die Klägerin offenbar in der Lage, zu den gerichtlichen Begutachtungen in Deutschland den nicht unerheblichen Weg vom Osten Österreichs alleine anzutreten; Kosten für die von ihr zunächst angefragte Begleitperson hat sie nicht geltend gemacht, was darauf schließen lässt, dass die Klägerin alleine angereist ist. Zudem ist den Angaben der Klägerin bei der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. H. am 05.12.2005 zu entnehmen, dass die Klägerin damals offenbar trotz der Blendempfindlichkeit noch "länger als 2 Stunden" Auto gefahren ist. Da weder nach den Angaben der Klägerin noch nach den gutachtlichen Feststellungen sich der Augenbefund seitdem maßgeblich geändert hat, erscheinen die aktuellen Angaben der Klägerin zur Blendempfindlichkeit nicht nachvollziehbar.

Auch aus den von der Klägerin angegebenen weiteren Erkrankungen ergibt sich keine zeitliche Leistungsminderung, wobei dies nicht nur auf einer isolierten Beurteilung der einzelnen Erkrankungen, sondern auch auf einer Gesamtschau des Gesundheitszustandes der Klägerin beruht.

Die vom Sozialgericht veranlasste nervenärztliche Begutachtung hat keine zeitlich
leistungsmindernd wirkenden Erkrankungen ergeben. Aus der nicht genauer abklärbaren Ataxi resultiert weder eine zeitliche Leistungsminderung noch eine Einschränkung der Wegefähigkeit. Auch wenn auf psychiatrischem Fachgebiet von einer Konversionsneurose ausgegangen würde, die vorliegend nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist, würde dies sicherlich nicht zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung führen, wie die Gutachterin Dr. B. nachvollziehbar dargelegt hat.

Auf orthopädischem Fachgebiet sind keine Erkrankungen ersichtlich, die zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung führen könnten. So konnte der Orthopäde Dr. T. bei einer vom österreichischen Rentenversicherungsträger veranlassten Begutachtung muskuläre Verspannungen oder Muskelatrophien nicht, auch nicht im Bereich der Wirbelsäule, für den die Klägerin Beschwerden angibt, feststellen. Der Morbus Scheuermann ist vom Gutachter als bereits abgelaufene Erkrankung beschrieben worden, so dass er die Klägerin für in der Lage geschätzt hat, mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Schließlich beeinflussen sich die vorliegenden Erkrankungen nicht so weit gegenseitig, als dass daraus und in der Gesamtschau eine zeitliche Leistungsminderung resultieren könnte.

Zu den weiteren Einwendungen der Klägerin ist Folgendes festzuhalten:
Ohne Bedeutung für die Entscheidung, ob der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung nach den Vorschriften des SGB VI zu gewähren ist, ist, ob die Klägerin vom österreichischen Versicherungsträger nach österreichischem Recht eine Rente wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit im weiteren Sinne bezieht. Eine aus der Entscheidungen des ausländischen Versicherungsträgers resultierende Bindungswirkung für den deutschen Rentenversicherungsträger gibt es nicht, zumal die jeweiligen Renten wegen eingeschränkter Leistungsfähigkeit im weiteren Sinne an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sind. Aus diesem Grund ist es auch ohne Bedeutung, ob der Klägerin wegen der eingeschränkten Sehfähigkeit ein Pflegegeld vom österreichischen Versicherungsträger gewährt wird.
Ob die vom Gutachter Prof. Dr. M. in den Raum gestellte Möglichkeit der operativen Behandlung der eingeschränkten Sehfähigkeit der Klägerin durch eine Hornhauttransplantation eine erfolgversprechende Therapiemethode darstellt, ist für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne Relevanz. Denn die Frage, ob Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, beurteilt sich am aktuellen Gesundheitszustand und nicht danach, wie sich der Gesundheitszustand möglicherweise in der Zukunft nach einer entsprechenden - nicht duldungspflichtigen - Operation darstellen könnte.
Nicht von entscheidendem Einfluss auf die Frage, ob Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ist auch die Zahl der bei der Klägerin vorliegenden Diagnosen. Genauso wie eine Diagnose an sich nicht zu einer zeitlichen Leistungsminderung führen kann, ist dies auch nicht die Zahl der Diagnosen. Entscheidend sind immer nur die funktionellen Auswirkung einer Erkrankung.
Ob die Klägerin noch in ihrer zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit beschäftigt werden kann, ist bei der Frage, ob Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, genauso ohne Bedeutung wie die Frage, ob es der Klägerin angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation möglich ist, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Das Risiko, einen Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte.

Eine zeitliche Leistungsminderung der Klägerin ist nicht nachgewiesen; eine Rente wegen Erwerbsminderung kann ihr daher nicht gewährt werden.

Die Berufung ist als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SG) beruht darauf, dass die Berufung der Klägerin erfolglos geblieben ist.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved