L 7 Ka 268/73

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 268/73
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Bestimmungen der §§ 15 Abs. 2 BMV-Ä und § 25 Satzung der KV Hessen, wonach die Beruhigung zur Ausführung von Röntgenleistungen nachgewiesen werden muß, gegebenenfalls, durch ein Kolloquiums verstoßen nicht gegen Art. 12 GG.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 24. Januar 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger ist als prakt. Arzt im Bereich der Bezirksstelle F. der Beklagten als Kassenarzt zugelassen. Außerdem besitzt er die Facharztanerkennung als Chirurg. Im August 1970 beantragte er bei der Beklagten die Zulassung zur röntgenologischen Tätigkeit in der Kassenpraxis für Teildiagnostik an den Extremitäten, am Körperstamm (Wirbelsäule und Becken) sowie am Kopf und am Schultergürtel. Am 30. September 1970 erfolgte dementsprechend eine Überprüfung durch die von der Beklagten gebildete Röntgenkontrollkommission erster Instanz. Hierbei fand ein Kolloquium mit dem Kläger statt, nach dessen Ergebnis seine Kenntnisse in der Röntgenanatomie, der Nomenklatur und dem bildmäßigen Erfahrungsgut nicht ausreichend waren. Es wurde ihn eine Weiterbildung sowie die Beantragung eines neuen Kolloquiums in etwa 6 Monaten empfohlen. Hierauf lehnte der Geschäftsausschuß der Bezirksstelle F. der Beklagten den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 28. Oktober 1970 unter Mitteilung des genannten Prüfungsergebnisses ab.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er besitze infolge seiner Ausbildung, seines beruflichen Werdeganges und seiner Facharztanerkennung als Chirurg ausreichende Kenntnisse auf den vorgenannten drei Gebieten. Hierauf wurde eine weitere Prüfung durch die Röntgenkontrollkommission der zweiten Instanz mit einem Kolloquium am 12. Juni 1971 durchgeführt, wobei nunmehr (nur) die Zulassung zur Röntgenuntersuchung für die Traumatologie der Extremitäten empfohlen wurde.

Daraufhin half der Vorstand der Beklagten dem Widerspruch mit Bescheid vom 23. Juli 1971 insoweit ab, als dem Kläger die Zulassung der Röntgenuntersuchung für die Traumatologie der Extremitäten widerruflich und für eigene fälle genehmigt wurde. Die Ausführung weiterer kassenärztlicher Röntgenleistungen könne ihm deshalb nicht genehmigt werden, weil das Kolloquium mit der Röntgenkontrollkommission zweiter Instanz in einer Reihe von Aufnahmen keine hierfür ausreichenden Kenntnisse auf dem Gebiet der Untersuchung am Körperstamm, Kopf und Schultergürtel ergeben hätte.

Mit seiner hierauf erhobenen Klage begehrte der Kläger die Zulassung auch für Röntgenuntersuchungen auf den restlichen streitigen Gebieten. Die Beklagte habe eine verfassungsrechtlich unzulässige Berufsbeschränkung durch eine Prüfinstanz vorgenommen, die in anderen Bundesländern – soweit bekannt – nicht vorhanden sei. Mit seiner chirurgischen Facharztanerkennung stehe ihm das Recht zum Röntgen jedenfalls des gesamten Skeletts zu.

Dem hielt die Beklagte entgegen, der Kläger habe bisher eine Qualifikation für weitere Röntgenleistungen nicht nachgewiesen und möge gegebenenfalls einen dementsprechenden neuen Antrag stellen. Die vorliegend als Rechtsgrundlage in Frage kommende Vorschrift des § 25 der Satzung der Beklagten sei für den Kläger als deren Mitglied bindend. Diese Vorschrift beruhe auf § 15 des Bundesmantelvertrages für Ärzte (BHV-Ä), der dem Leistungsanspruch der Sozialversicherten nach § 368 e Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (EVO) diene. Deshalb sei die satzungsmäßige Einrichtung der Röntgenkontrollkommission sowie eines einschlägigen Kolloquiums nicht willkürlich.

Das Sozialgericht Frankfurt/Main wies mit Urteil vom 24. Januar 1973 die Klage als unbegründet ab. Dar Kläger habe weitere fachliche Voraussetzungen, die über die von der Beklagten erteilte Genehmigung hinausgingen, nicht substantiiert dargetan und nicht nachgewiesen. Die Beklagte sei gesetzlich verpflichtet, die streitige Zulassung nach §§ 368 g Abs. 1 RVO, 15 BMV-Ä gemäß § 25 ihrer Satzung von bestimmten Voraussetzungen außer den medizinischen Prüfungen und der Facharztanerkennung abhängig zu machen. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen Art. 12 des Grundgesetzes (GG). Auf den weiteren Inhalt der Entscheidungsgründe wird im einzelnen Bezug genommen.

Gegen dieses am 9. Februar 1973 Bit Einschreiben an ihn abgesandte Urteil hat der Kläger am 12. März 1973 Berufung eingelegt. Es sei vorliegend entgegen der Auffassung des Sozialgerichts entscheidend, ob das Land Hessen im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern und entgegen Art. 12 GG eine Berufserschwerung durch einfaches Gesetz sanktionieren könne. Dabei handele es sich um eine Abwertung der ärztlichen Approbation und der medizinischen Examen, welche vorliegend allein maßgebend seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 24. Januar 1973 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1971 dahin abzuändern, daß dem Kläger auch Röntgenuntersuchungen am Körperstamm (Skelett), Kopf und Schultergürtel gestattet werden.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und nach § 143 SOG statthaft.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Entscheidung des Sozialgerichts ist beizupflichten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, in einem weiteren Umfang zur Ausführung von Röntgenleistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung zugelassen zu werden, als dies die Beklagte getan hat.

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit der einschlägigen Vorschriften. Dieser Auffassung vermochte der Senat jedoch nicht zu folgen.

Nach § 368 g Abs. 1 BVO ist die kassenärztliche Versorgung im Bahnen, der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der kassenärztlichen Vereinigung mit den Krankenkassen und ihren Verbänden so zu regeln, daß eine gleichmäßige, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken gewährleistet ist. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift schließen die kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen Gesamtverträge über die kassenärztliche Versorgung. Den allgemeinen Inhalt der Gesamtvertrage vereinbaren die kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den Bundesverbänden der Krankenkassen in Mantelverträgen (Bundesmantelvertrag).

Die hier streitige Frage ist dementsprechend in § 15 Abs. 2 BHV-Ä geregelt. Hiernach wird die Berechtigung zur Ausführung von Röntgenleistungen, abgesehen von den Fachärzten für Röntgenologie und Strahlenheilkunde, nur den Ärzten erteilt, die nachweisen, daß sie die fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Die Berechtigung kann auf die Ausführung bestimmter Röntgenleistungen beschränkt werden. Diese Vorschrift, die vertraglich geschaffene Normen enthält, ist nach der Gesetzesbestimmung des § 368 a Abs. 4 RVO auch für den Kläger als zugelassenen Kassenarzt rechtsverbindlich. In Ausfüllung des von § 15 BMV-Ä gegebenen Rahmens hat die Beklagte das bei der Prüfung und Genehmigung der Röntgentätigkeit anzuwendende Verfahren in § 25 ihrer Satzung näher geregelt. Gegen die Gültigkeit der beiden letztgenannten Vorschriften bestehen jedenfalls insoweit grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, als die hier in frage kommenden öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaften nach den allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts (vgl. z.B. Giese, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. S. 22) kraft ihres Selbstregelungsrechts (Autonomie) zu für die Betroffenen verbindlicher mittelbar staatlicher Rechtsetzung durch Vertrag bzw. Satzung befugt sind.

Der angefochtene Bescheid vom 28. Oktober 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1971 ist auch nach § 15 Abs. 2 BMV-Ä in Verbindung mit § 25 der Satzung der Beklagten insoweit rechtmäßig, als der Kläger bisher über die ihm von der Beklagten erteilte Genehmigung hinausgehende fachliche Voraussetzung für Röntgenuntersuchungen nicht nachgewiesen hat, wie sich TOP allem aus der doppelten Überprüfung durch die Röntgenkontrollkommissionen erster und zweiter Instanz ergeben hat. Er hat im Gerichts- und insbesondere im Berufungsverfahren keine ausreichend substantiierten gegenteiligen Behauptungen vorgetragen.

Er bestreitet vielmehr lediglich die Verfassungsmäßigkeit der oben dargestellten rechtlichen Regelung in bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG, jedoch zu Unrecht. Hierbei kommt vorliegend ein Verstoß gegen das Grundrecht der freien Berufswahl im Sinne von Satz 1 dieser Vorschrift, sehr noch als z.B. bei der Nichtbeteiligung an der Ersatzkassenpraxis (vgl. hierzu Urteil des BSG v. 19.10.1971 – 6 BKa 5/71 –) offensichtlich nicht in Frage. Die Berufsausübung jedoch kann nach Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden.

Insoweit sind die gesetzliche Vorschrift des § 368 g RVO und die obengenannten damit in Verbindung stehenden Rechtsnormen als verfassungskonform anzusehen; sie sind keineswegs willkürlich oder auch nur zufällig. Auch das BSG hat mit Urteil vom 28. Mai 1968 6 R/Ka-12/66 § 15 Abs. 2 BMV-Ä als rechtmäßig und insbesondere als verfassungsmäßig erachtet. Die Regelungsbefugnis nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG wird auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfGE Bd. 7 S. 399 ff.) sehr weit ausgelegt, Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann die Freiheit der Berufsausübung beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen.

Wie schon das Sozialgericht eingehend und zutreffend näher ausgeführt hat, ist die vorliegend streitige besondere Zulassungsregelung in dem Gemeinwohl dienenden Zweckmäßigkeitserwägungen ausreichend begründet, ohne daß sie für den Kläger unzumutbar wäre. Dem hat der Kläger mit der Berufung nichts Entscheidendes entgegengesetzt. Eier sei nur nochmals auf den Gesichtspunkt der Möglichkeiten besonderer Gefährdung durch Röntgenstrahlen (vgl. auch BSG a.a.O.) sowie auf das der gesetzlichen Sozialversicherung eigentümliche Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise nach § 368 e RVO verwiesen. Hieran geht das Berufungsvorbringen vorbei.

Nach § 15 Abs. 2 BMV-Ä ist demnach – abgesehen von Fachärzten für Röntgenologie und Strahlenheilkunde – für die kassenärztliche Röntgentätigkeit der Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse notwendig. Diese Bestimmung bietet keine Handhabe, die Röntgentätigkeit aus anderen – z.B. etwa aus vom Kläger erwähnten politischen – Gründen einzuschränken. Bei mangelnden Kenntnissen kann demnach auch innerhalb des Fachgebietes eine Einschränkung erfolgen, wie dies bereite auch das BSG a.a.O. ausgeführt hat. Der Kläger kann sich deshalb vorliegend auch nicht auf seine Facharztanerkennung als Chirurg berufen, wobei im Übrigen dahinstehen mag, inwieweit (z.B. auf dem Praxisschild) er überhaupt von ihr öffentlich Gebrauch macht. Da er ferner lediglich die Kassenzulassung als praktischer Arzt besitzt und er dementsprechend auch nur bezüglich dieser durch die angefochtenen Bescheide in seiner Röntgentätigkeit beschränkt ist, kann diese Beschränkung auch nicht als für ihn unzumutbar angesehen werden. Schließlich ist die Behauptung des Klägers, daß nur im Lande Hessen der hier streitige Prüfling der Fachkenntnisse in der Gestalt eines Kolloquiums vorgesehen sei, irrig. Denn beispielsweise auch in den entsprechenden Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg (vgl. Heinemann-Liebold, 4. Aufl. S. IV 189 a) ist u.a. auch ausdrücklich der Nachweis von Fachkenntnissen in Form eines Kolloquiums vorgesehen. Letzteres kann angesichts der obengenannten, für eine sorgfältige Überprüfung der Fachkenntnisse sprechenden vernünftigen Gründe des Gemeinwohls gleichfalls nicht als unzumutbar angesehen werden.

Somit wer die unbegründete Berufung, wie geschehen, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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