Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3/4 U 240/69
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 451/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei Unternehmen nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten hat dem Beitragsbescheid keine Veranlagung zu einer Gefahrenklasse vorauszugehen.
2. Die Berufsgenossenschaft darf bei Unternehmern nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten in ihrer Satzung von der Einführung einen Zuschlags- oder Nachlaßverfahrens absehen.
2. Die Berufsgenossenschaft darf bei Unternehmern nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten in ihrer Satzung von der Einführung einen Zuschlags- oder Nachlaßverfahrens absehen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 19. Februar 1971 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger befaßte sich in den Jahren 1965, 1966 und 1967 mit Fassadenverkleidungen und der Errichtung eines Wohnhauses mit Einliegerwohnung in eigener Regie, ohne bei der Beklagten im Unternehmerverzeichnis aufgeführt und bei der zuständigen Handwerkskammer in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Zu diesen Arbeiten zog er eine Reihe von Arbeitnehmern heran, für die er nach der Auskunft der AOK P. vom 3. November 1967 im Jahre 1965 9.081,88 DM, 1966 44.285,12 DM und 1967 9.653,64 DM Beiträge zu entrichten hatte. Nach Aufforderung durch die Beklagte wies der Kläger am 29. August, 25. Oktober, 16. November, 14. Dezember 1966 und 7. März 1969 Löhne für 7, 16 bzw. 12 Arbeitnehmer und den Bauhelfer H. für die Zeit von Ende Juli bis Ende November 1966 in Höhe von 5.527,30 DM, 9.181,04 DM, 9.895,64 DM, 7.219,71 DM und 359,52 DM nach. Es handelt sich hierbei um Maurer-, Zimmerer- und sonstige bauhelferische sowie kraftfahrerische Tätigkeiten. Am 11. September 1967 teilte das Versicherungsamt der Stadt UP. der Beklagten außerdem mit, daß der Kläger sich mit Fassadenverkleidungen befasse. Mit Bescheid vom 27. Dezember 1967 zog die Beklagte den Kläger zur Leistung eines Beitrages in Höhe von insgesamt 31.168,23 DM heran, wobei sie für 1965 insgesamt 65.411 Maurerstunden und für das Jahr 1967 12.067 Stunden Fassadenverkleidung ansetzte. Das von der AOK P. nachgewiesene Gesamtbeitragsaufkommen für die Jahre 1965, 1966 und 1967 multiplizierte sie jeweils mit fünf. Bei den Maurerarbeiten legte sie die Gefahrklasse 13 und bei der Fassadenverkleidung die Gefahrklasse 6 der jeweils gültigen Gefahrtarife zugrunde.
Gegen den am 27. Dezember 1967 abgesandten Bescheid vom gleichen Tage legte der Kläger am 9. Januar 1968 Widerspruch ein, dem die Beklagte mit Bescheid vom 25. April 1969 nicht abhalf.
Gegen den am 28. April 1969 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22. Mai 1969 bei dem Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Sozialgericht Frankfurt a.M. – SG – brachte der Kläger vor: Es sei unzutreffend, daß er in dem Beitragszeitraum nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten betrieben habe. Es handele sich vielmehr um gewerbsmäßige Arbeiten. Der Beitrag sei daher unrichtig festgesetzt worden. Im übrigen habe er es nicht zu vertreten, daß er nicht rechtzeitig und vollständig die Lohnnachweise erbracht habe, da er sich von August 1967 bis Januar 1968 in Untersuchungshaft befunden habe und seine Unterlagen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden seien.
Das SG hat die Gewerbeakten der Handwerkskammer Niederbayern in UP. beigezogen und sodann mit Urteil vom 19. Februar 1971 den Beitragsbescheid vom 27. Dezember 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1969 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtens, da die Beklagte es unterlassen habe, dem Kläger vor der Aufforderung zur Beitragsleistung einen schriftlichen Bescheid über die Veranlagung zu Gefahrenklassen mit Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen. Hierzu sei sie aber satzungsmäßig verpflichtet gewesen. Fehlerhaft sei die erlassene Satzung der Beklagten insoweit, als die gleichmäßige Bemessung des Nachlasses mit 10 v.H. des Beitrages bei Unterschreiten des Durchschnittssatzes vorgesehen sei. Bei einer gleichmäßigen Bemessung eines solchen Nachlasses sei es ausgeschlossen, daß die nach § 725 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – vorgesehene Zahl und Schwere der vorgekommenen Unfälle berücksichtigt werde.
Gegen das ihr am 31. März 1971 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. April 1971 Berufung eingelegt und vorgebracht: Nach § 728 Abs. 3 RVO in Verbindung mit § 63 Abs. 1 ihrer Satzung betrage der Beitrag für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten das Vierfache des nach dem Gefahrtarif berechneten Beitrags des letzten Geschäftsjahres. Nach § 734 Abs. 1 RVO wurden die Mitgliedsunternehmen nach Inkrafttreten eines neuen Gefahrtarifs mit diesem Tarif für die Tarifzeit durch gesonderten Bescheid zu den Gefahrklassen neu veranlagt. Diese Verfahren könne aber nicht auf Unternehmen, die sich mit nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten befassen, angewendet werden, weil sonst eine gesonderte Veranlagung zu einem nicht mehr geltenden Gefahrtarif erfolgen müßte, wenn die Bauarbeiten zu Beginn einer neuen Gefahrtarifperiode ausgeführt worden seien. Die Veranlagung werde in § 734 RVO geregelt und sei hiernach nur für die Tarifzeit, also für einen zukünftigen Zeitraum, nicht aber für die zurückliegende Zeit vorgesehen. § 24 ihrer Satzung gelte nur für Unternehmer, die gewerbsmäßige Bauarbeiten ausführen und eingetragene Mitglieder seien. Bei dem Kläger handele es sich aber um die Ausführung von nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten, die im zehnten Abschnitt der Satzung geregelt sei. Nach § 725 Abs. 1 RVO richte sich die Höhe der Beiträge vorbehaltlich der Bestimmung des § 728 Abs. 3 RVO nach dem Entgelt der Versicherten und dem Grade der Unfallgefahr in den Unternehmen. § 725 RVO gestatte, bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten und nicht im Mitgliederverzeichnis eingetragenen Unternehmen Beitragsnachlässe auszuschließen. Da der Kläger seiner nach § 64 der Satzung in Verbindung mit § 741 Abs. 2 RVO bestehenden Verpflichtung, einen Lohnnachweis für jeden Monat spätestens drei Tage nach dessen Ablauf einzureichen, nicht nachgekommen sei, sei sie befugt gewesen den Lohnnachweis selbst aufzustellen (§ 64 Abs. 3 der Satzung i.V. mit § 743 RVO). Normalerweise belaufe sich das Beitragsaufkommen, wie es von der AOK P. nachgewiesen sei, auf 25 v.H. des Bruttolohns. Da jedoch kurzzeitig beschäftigte Aushilfekräfte bei der AOK nicht melde- und nachweispflichtig seien, habe sie das Beitragsaufkommen anstelle mit 4 mit 5 multipliziert. Dadurch ergaben sich Gesamtlohnsummen von denen für das Jahr 1966 der vom Kläger gezahlte Betrag in Höhe von 5.527,– DM abgezogen worden sei. Der Lohnfestsetzung sei im übrigen noch der Lohn für den Arbeitnehmer H. in Höhe von 359,52 DM zugerechnet worden. Eine Untergliederung der Lohnsummen in Arbeiten zum Neubau des Wohnhauses mit Einliegerwohnung (Bungalow) und Fassadenverkleidungsarbeiten sei nicht notwendig, da es sich bei beiden Tätigkeiten um nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten gehandelt habe. Die Feststellung der tatsächlichen Entgelte sei bisher nicht möglich gewesen, da nicht bekannt sei, wo sich die Unterlagen dafür z.Zt. befänden.
Die Beklagte, die wegen bereits erfolgter Anrechnung des Lohnes für den Arbeitnehmer H. in Höhe von 359,52 DM für 1966 die Beitragsforderung mit Bescheid vom 27. Dezember 1967 auf 31.130,12 DM ermäßigt hat, beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 19. Februar 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das seiner Ansicht nach zutreffende sozialgerichtliche Urteil und führt ergänzend aus, daß er seine von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Passau beschlagnahmten Unterlagen nicht beibringen könne.
Es sind im Berufungsverfahren die Auskünfte des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen und des Bundesversicherungsamtes vom 29. April, 20. und 28. Mai 1975 eingeholt worden. Auf sie wird verwiesen. Die von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Passau beschlagnahmten Lohnunterlagen konnten trotz jahrelanger Versuche nicht beigezogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beitrags-, Streit- und Gewerbeakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben, da die angefochtenen Bescheide nach Ermäßigung des Beitrags auf 31.130,12 DM nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte war befugt, nach § 743 RVO die Lohnnachweise in dieser Höhe für die Jahre 1965, 1966 und 1967 selbst aufzustellen.
Zunächst ist festzustellen, daß sich der Kläger, wie die Auskunft der AOK P. vom 3. November 1967, die beigezogenen Akten der Handwerkskammer für Niederbayern und die Ermittlungen der Beklagten ergeben, von August 1965 bis zum 22. Juli 1967 mit Fassadenverkleidungen und der Errichtung eines eigenen Wohnhauses mit Einliegerwohnung in eigener Regie befaßte. Dies wird von ihm auch nicht in Abrede gestellt. Bei diesen Arbeiten setzte er nach seinen Angaben vom 29. August, 25. Oktober, 16. November und 14. Dezember 1966 sowie vom 7. März 1967 in verschiedenen Zeiträumen wenigstens 7, 16 bzw. 12 Arbeitnehmer ein. Er war weder im Unternehmerverzeichnis der Beklagten noch in der Handwerksrolle bei der für ihn zuständigen Handwerkskammer Niederbayern eingetragen. Nach Auskunft dieser Handwerkskammer vom 8. September 1969 sind ihm außerdem seit dem 27. Januar 1967 Fassadenverkleidungsarbeiten mittels Gewerbeuntersagungsbescheides untersagt worden. Damit steht aber zugleich fest, daß es sich bei diesen in dem hier streitigen Zeitraum ausgeführten Arbeiten um solche nicht gewerbsmäßiger Art handelte. Das gilt auch für die Bauarbeiten, da diese nur vorübergehend, nämlich bis zur Fertigstellung des eigenen Einfamilienhauses verrichtet wurden (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1969 –2 RU 314/67–).
Das bedeutet, daß auch in Bezug auf den Lohnnachweis die Bestimmungen anzuwenden sind, die sowohl die RVO als auch die Satzung der Beklagten für nicht gewerbsmäßige Unternehmer vorschreiben. Insoweit kommt der Abschnitt X der gültigen Satzung der Beklagten, insbesondere § 64 zur Anwendung der in Abs. 1 S. 1 dem § 741 Abs. 2 RVO und in Abs. 3 dem § 743 RVO nachgebildet ist. Hiernach hat der Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten einen Lohnnachweis für jeden Monat spätestens 3 Tage nach dessen Ablauf einzureichen. Erfolgt dieser nicht rechtzeitig oder unvollständig, so stellt die Berufsgenossenschaft ihn selbst auf.
Im vorliegenden Fall war die Beklagte hierzu verpflichtet. Für das Jahr 1965 liegen keinerlei Lohnnachweise vor. Im Jahre 1966 hatte der Kläger Nachweise für die Zeit vom 17. Juli bis einschließlich Ende November, jedoch nur für den Neubau seines Wohnhauses erbracht, aber jeweils nicht fristgemäß, denn sie sind nicht innerhalb von 3 Tagen nach Ablauf des jeweiligen Monats eingereicht worden. Er hat bei seinen Lohnnachweisen in diesen Zeiträumen außerdem auch nicht nach Maurereiarbeiten und anderen Arbeiten des Bauhauptgewerbes unterschieden und Arbeiten für die Fassadenverkleidungen überhaupt nicht ausgewiesen, obwohl er in diesem Zweig bereits seit 1965 tätig war. Dies ergibt sich aus den Akten der Handwerkskammer für Niederbayern. Bereits am 26. Januar 1965 hatte diese dem Kläger mitgeteilt, daß er die Fassadenverkleidung nicht betreiben dürfe. Lohnnachweise für die Zeit von Dezember 1966 bis zum 22. Juli 1967 fehlen überhaupt, so daß die Voraussetzungen für das Recht auf Selbstaufstellung durch die Beklagte erfüllt sind.
Die Beklagte konnte im Rahmen der ihr bekannten Fakten den Lohnnachweis nur durch Schätzung aufstellen. Insoweit hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1965 – 2 RU 36/60 – (in E 22, 271 = BG 1967, 155 mit Besprechung von Seidenfaden in BG 1966, 154) zutreffend ausgeführt, daß bei einer solchen Aufstellung des Lohnnachweises die Berufsgenossenschaft kein Ermessen habe, sondern im Wege der Beweiswürdigkeit tatsächliche Feststellungen treffe, indem sie unbekannte Tatsachen dadurch ermittele, daß sie unter Anwendung von Erfahrungssätzen Schlüsse aus bekannten Tatsachen ziehe. Ihr stehe insoweit kein sogenanntes Handlungsermessen zu. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seien verpflichtet, insoweit von Amts wegen die Richtigkeit des Beitragsbescheides nachzuprüfen (vgl. auch Urteil des Hess. LSG vom 19. Dezember 1959 – L-3/U-151/59 – in Breithaupt 1960, 595; Wolber in BG 1966, 312).
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, daß die Beklagte bei der Selbstaufstellung der Lohnnachweise nicht rechtsfehlerhaft gehandelt hat. Nach den Lohnnachweisen des Klägers sind Bruttolöhne in Höhe von 32.183,21 DM im Jahre 1966 entstanden. Dem steht gegenüber, daß die AOK P. für 1965 ein Beitragsaufkommen von 9.081,88 DM, für 1966 von 44.285,12 DM und für 1967 von 9.653,64 DM festgestellt hat. Hierbei handelt es sich um ein Viertel des üblichen Bruttolohnes. Wenn die Beklagte diese Beträge zur Ermittlung des Lohnes anstelle mit 4 mit 5 multipliziert, so ist dies im Rahmen des § 743 RVO nicht rechtfehlerhaft. Sie geht bei dieser Berechnungsart zutreffend davon aus, daß im Beitragsaufkommen der AOK nicht alle Löhne und Gehälter erfaßt sind und insoweit durch einen angemessenen höheren Multiplikator, nämlich um einen Punkt, ein Ausgleich stattfinden muß, da z.B. die Löhne für kurzfristig und aushilfsweise beschäftigte Arbeitnehmer sowie die Gehälter der im Angestelltenverhältnis tätigen Personen wegen ihrer Mitgliedschaft bei Ersatzkassen oder des Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze im Beitragsaufkommen der AOK nicht enthalten sind. Auch der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und das Bundesversicherungsamt haben dieses Verfahren in ihren vom Senat eingeholten Auskünften als im allgemeinen gerechtfertigt bezeichnet.
Das SG hat zu Unrecht den Beitragsbescheid nicht nachgeprüft, weil es die Ansicht vertreten hat, auch bei Unternehmern nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten habe dem Beitragsbescheid eine Veranlagung zu den Gefahrklassen und ein gesonderter Bescheid hierüber voranzugehen. Dies ist jedoch nach § 34 RVO nicht möglich und auch nicht erforderlich. § 725 Abs. 1 BVG bestimmt, daß die Höhe der Beiträge sich vorbehaltlich des § 723 Abs. 2 und des § 728 RVO nach dem Entgelt der Versicherten und nach dem Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen richtet. In § 728 Abs. 3 RVO, der hier Anwendung findet, da es sich um nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten handelt, heißt es, daß der Beitrag ein mehrfaches, höchstens jedoch das vierfache des nach dem Gefahrtarif berechneten Beitrags des letzten Geschäftsjahres(=Kalenderjahres) beträgt (vgl. § 63 der Satzung der Beklagten). Hieraus folgt, daß der im letzten Geschäftsjahr der BG festgesetzte Beitragssatz zugrunde zu legen ist, der nach dem einschlägigen Gefahrtarif errechnet werden muß. Dagegen ist eine vorherige Festsetzung des Gefahrtarifs in den Fällen der vorliegenden Art nicht vorgeschrieben, weil die Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten der BG im allgemeinen nur kurze Zeit angehören. Die Bestimmung des § 734 Abs. 1 RVO, wonach "die Unternehmen” zu den Gefahrklassen zu veranlagen sind, bezieht sich ihrem Sinn nach nur auf die gewerbsmäßigen Unternehmen, also auf solche, die der BG für längere Zeit angehören bzw. angehören wollen. Die Beklagte hat daher zu Recht im X. Abschnitt ihrer Satzung im Gegensatz zu den vorausgehenden Abschnitten bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten keine Bestimmung zur vorausgehenden Gefahrklassenfestlegung aufgenommen. In Bezug auf die nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten gilt daher für die Jahre 1965 und 1966 der für gewerbsmäßige Bauarbeiten am 1. Januar 1960 in Kraft getretene Gefahrtarif gemäß Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 27. Oktober 1959 und für 1967 der ab 1. Januar 1966 in Kraft getretene Gefahrtarif gemäß Beschluss der Vertreterversammlung vom 3. und 24. November 1965.
Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid den ihr vom Kläger geschuldeten Beitrag unter Berücksichtigung der einschlägigen Gefahrklassen und Beitragsfüße richtig berechnet und den Gesamtbeitrag zutreffend um den für den Arbeitnehmer H. aus der gesondert nachgewiesenen Lohnsumme von DM 359,– geforderten Beitrag auf DM 31.130,12 ermäßigt. Nach dem Gefahrtarif 1960 galten für Maurerei und Verputzerei, wozu auch die Fassadenverkleidung gehört, jeweils die gleichen Gefahrtarife, nämlich nach Klasse 13 (vgl. Teil II Nr. 73, 20). Diese Gefahrklasse hat die Beklagte ausweislich des angefochtenen Bescheides herangezogen. Nach dem Gefahrtarif 1966 galten als Gefahrklassen im Jahre 1967 für Fassadenverkleidung aller Art die Klasse 6,0 (Teil II Nr. 44) und für Maurereien und Verputzereien die Klasse 8,5 (Teil II Nr. 92 und 147). Wenn die Beklagte ihrer Beitragsberechnung lediglich die Gefahrklasse 6 zugrunde legte, so ist hierdurch der Kläger nicht beschwert.
Die Beklagte hat auch einen jeweils zutreffenden Beitragsfuß herangezogen. Nach § 728 Abs. 3 RVO i.V.m. § 63 Abs. 1 ihrer Satzung war der Beitragssatz des vorausgegangenen Jahres bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten mit dem Faktor 4 zu multiplizieren, ohne daß dieses Verfahren gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz verstößt (vgl. BSG, Urt. v. 13.2.1975 – 8 RU 119/73). Für die Jahre 1964, 1965 und 1966 gelten nach den Beschlüssen des Vorstandes der Beklagten vom 29. März 1965, 29. März 1966 und vom 20. März 1967 als Beitragshöhe in Gefahrklasse 1 jeweils 1,80 DM, 2,00 DM und 3,45 DM je 1.000,– DM, so daß sich für die hier streitige Zeit der Jahre 1965, 1966 und 1967 entsprechend der zutreffenden Einstufung in die entsprechenden Gefahrklassen die Beitragssätze 7,20, 8,00 und 13,80 ergaben.
Schließlich ist auch nicht die Höhe der Bergbaualtlasten für die Jahre 1965 und 1966 zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Freibetrages von 30.000,– DM hat die Beklagte diese Beitragsschuld entsprechend ihrem Anteil nach den Mitteilungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 1. April 1966 und vom 4. April 1967 mit Beiträgen für 1965 in Höhe von 33,90 DM und für 1966 in Höhe von 396,73 DM zutreffend festgestellt, ohne daß hierüber unter den Beteiligten Streit besteht.
Das Recht zur Selbstaufstellung der unvollständigen Lohnnachweise durch die Beklagte ist auch nicht davon abhängig, daß der nicht gewerbsmäßige Bauunternehmer schuldhaft seine Pflicht zur Einreichung der Lohnnachweise nicht erfüllt. Sinn und Zweck der Vorschriften des § 64 Abs. 3 der Satzung und des § 743 RVO ist es, daß die Beklagte den auf den Unternehmer entfallenden Beitrag rechtzeitig berechnen kann. Der Lohnnachweis bildet zugleich zusammen mit den Lohnnachweisen der übrigen Mitglieder der Berufsgenossenschaft die Grundlage für die Ermittlung des Maßstabes, nach dem die Beitragslasten auf die Gesamtheit der Mitglieder zu verteilen sind. Nur so kann ein Beitragsfuß für alle der Beitragspflicht unterliegenden Unternehmer ermittelt werden (vgl. Seidenfaden a.a.O.). Im übrigen kann der Kläger jederzeit bei vollständiger Vorlage der Lohnnachweise – etwa dann, wenn seine von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Passau beschlagnahmten Akten ihm wieder zugänglich sind – ggfs. einen Bescheid zu seinen Gunsten verlangen (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 3 zu § 749 RVO).
Zu Unrecht beanstandet das SG schließlich, daß § 27 Abs. 2 der Satzung der Beklagten eine gleichmäßige Bemessung des Nachlasses um 10 v.H. des Beitrages bei Unterschreiten des Satzes der durchschnittlichen Unfallbelastung aller Unternehmen vorsieht. Es kann offenbleiben, ob diese Regelung für die gewerbsmäßigen Unternehmen in Einklang mit § 725 Abs. 2 Satz 1 RVO steht, wonach die BG den einzelnen Unternehmen unter Berücksichtigung der Zahl und Schwere der vorgekommenen Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlasse zu bewilligen hat. Sie gilt nämlich nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten. Nach § 27 Abs. 2 der Satzung der Beklagten erhalten nur die im Unternehmerverzeichnis eingetragenen Unternehmer in den dort bestimmten Fällen einen Beitragsnachlaß. Dazu gehört der Kläger aber nicht. Diese Satzungsbestimmung ist mit der gesetzlichen Regelung vereinbar. Nach den §§ 725 Abs. 1, 728 Abs. 3 RVO ist nämlich für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten ein besonderer erhöhter Beitrag zugelassen worden. Damit ist die Einführung eines davon abweichenden Zuschlags oder Nachlasses unter Berücksichtigung der Zahl und Schwere der vorgekommenen Unfälle gem. § 725 Abs. 2 RVO nicht zu vereinbaren. Die Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten sind nämlich in der Regel nur für kurze Zeit Mitglied der Berufsgenossenschaften und können nur schwer zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften angehalten werden. Auch wegen des Fehlens qualifizierter Baustellenleiter stellen sie meist ein erhöhtes Unfallrisiko dar. Auch können sie wegen ihrer in der Regel nur kurzfristigen Tätigkeit im allgemeinen im nächsten Jahr nicht mehr zur Deckung von Verlusten der Berufsgenossenschaft bei einem erhöhten Unfallaufkommen herangezogen werden (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 19.12.1968 – 2 RU 221/66 – in SozR Nr. 1 zu § 728 RVO, vom 13.2.1975, 8 RU 119/73). Nach alledem kann die Bestimmung des § 725 Abs. 2 auf sie nicht angewandt werden.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil der angefochtene Beitragsbescheid nicht zu beanstanden ist, gegen dessen rechnerische Richtigkeit der Kläger auch nichts vorgebracht hat.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger befaßte sich in den Jahren 1965, 1966 und 1967 mit Fassadenverkleidungen und der Errichtung eines Wohnhauses mit Einliegerwohnung in eigener Regie, ohne bei der Beklagten im Unternehmerverzeichnis aufgeführt und bei der zuständigen Handwerkskammer in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Zu diesen Arbeiten zog er eine Reihe von Arbeitnehmern heran, für die er nach der Auskunft der AOK P. vom 3. November 1967 im Jahre 1965 9.081,88 DM, 1966 44.285,12 DM und 1967 9.653,64 DM Beiträge zu entrichten hatte. Nach Aufforderung durch die Beklagte wies der Kläger am 29. August, 25. Oktober, 16. November, 14. Dezember 1966 und 7. März 1969 Löhne für 7, 16 bzw. 12 Arbeitnehmer und den Bauhelfer H. für die Zeit von Ende Juli bis Ende November 1966 in Höhe von 5.527,30 DM, 9.181,04 DM, 9.895,64 DM, 7.219,71 DM und 359,52 DM nach. Es handelt sich hierbei um Maurer-, Zimmerer- und sonstige bauhelferische sowie kraftfahrerische Tätigkeiten. Am 11. September 1967 teilte das Versicherungsamt der Stadt UP. der Beklagten außerdem mit, daß der Kläger sich mit Fassadenverkleidungen befasse. Mit Bescheid vom 27. Dezember 1967 zog die Beklagte den Kläger zur Leistung eines Beitrages in Höhe von insgesamt 31.168,23 DM heran, wobei sie für 1965 insgesamt 65.411 Maurerstunden und für das Jahr 1967 12.067 Stunden Fassadenverkleidung ansetzte. Das von der AOK P. nachgewiesene Gesamtbeitragsaufkommen für die Jahre 1965, 1966 und 1967 multiplizierte sie jeweils mit fünf. Bei den Maurerarbeiten legte sie die Gefahrklasse 13 und bei der Fassadenverkleidung die Gefahrklasse 6 der jeweils gültigen Gefahrtarife zugrunde.
Gegen den am 27. Dezember 1967 abgesandten Bescheid vom gleichen Tage legte der Kläger am 9. Januar 1968 Widerspruch ein, dem die Beklagte mit Bescheid vom 25. April 1969 nicht abhalf.
Gegen den am 28. April 1969 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22. Mai 1969 bei dem Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Sozialgericht Frankfurt a.M. – SG – brachte der Kläger vor: Es sei unzutreffend, daß er in dem Beitragszeitraum nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten betrieben habe. Es handele sich vielmehr um gewerbsmäßige Arbeiten. Der Beitrag sei daher unrichtig festgesetzt worden. Im übrigen habe er es nicht zu vertreten, daß er nicht rechtzeitig und vollständig die Lohnnachweise erbracht habe, da er sich von August 1967 bis Januar 1968 in Untersuchungshaft befunden habe und seine Unterlagen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden seien.
Das SG hat die Gewerbeakten der Handwerkskammer Niederbayern in UP. beigezogen und sodann mit Urteil vom 19. Februar 1971 den Beitragsbescheid vom 27. Dezember 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1969 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtens, da die Beklagte es unterlassen habe, dem Kläger vor der Aufforderung zur Beitragsleistung einen schriftlichen Bescheid über die Veranlagung zu Gefahrenklassen mit Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen. Hierzu sei sie aber satzungsmäßig verpflichtet gewesen. Fehlerhaft sei die erlassene Satzung der Beklagten insoweit, als die gleichmäßige Bemessung des Nachlasses mit 10 v.H. des Beitrages bei Unterschreiten des Durchschnittssatzes vorgesehen sei. Bei einer gleichmäßigen Bemessung eines solchen Nachlasses sei es ausgeschlossen, daß die nach § 725 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO – vorgesehene Zahl und Schwere der vorgekommenen Unfälle berücksichtigt werde.
Gegen das ihr am 31. März 1971 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. April 1971 Berufung eingelegt und vorgebracht: Nach § 728 Abs. 3 RVO in Verbindung mit § 63 Abs. 1 ihrer Satzung betrage der Beitrag für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten das Vierfache des nach dem Gefahrtarif berechneten Beitrags des letzten Geschäftsjahres. Nach § 734 Abs. 1 RVO wurden die Mitgliedsunternehmen nach Inkrafttreten eines neuen Gefahrtarifs mit diesem Tarif für die Tarifzeit durch gesonderten Bescheid zu den Gefahrklassen neu veranlagt. Diese Verfahren könne aber nicht auf Unternehmen, die sich mit nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten befassen, angewendet werden, weil sonst eine gesonderte Veranlagung zu einem nicht mehr geltenden Gefahrtarif erfolgen müßte, wenn die Bauarbeiten zu Beginn einer neuen Gefahrtarifperiode ausgeführt worden seien. Die Veranlagung werde in § 734 RVO geregelt und sei hiernach nur für die Tarifzeit, also für einen zukünftigen Zeitraum, nicht aber für die zurückliegende Zeit vorgesehen. § 24 ihrer Satzung gelte nur für Unternehmer, die gewerbsmäßige Bauarbeiten ausführen und eingetragene Mitglieder seien. Bei dem Kläger handele es sich aber um die Ausführung von nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten, die im zehnten Abschnitt der Satzung geregelt sei. Nach § 725 Abs. 1 RVO richte sich die Höhe der Beiträge vorbehaltlich der Bestimmung des § 728 Abs. 3 RVO nach dem Entgelt der Versicherten und dem Grade der Unfallgefahr in den Unternehmen. § 725 RVO gestatte, bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten und nicht im Mitgliederverzeichnis eingetragenen Unternehmen Beitragsnachlässe auszuschließen. Da der Kläger seiner nach § 64 der Satzung in Verbindung mit § 741 Abs. 2 RVO bestehenden Verpflichtung, einen Lohnnachweis für jeden Monat spätestens drei Tage nach dessen Ablauf einzureichen, nicht nachgekommen sei, sei sie befugt gewesen den Lohnnachweis selbst aufzustellen (§ 64 Abs. 3 der Satzung i.V. mit § 743 RVO). Normalerweise belaufe sich das Beitragsaufkommen, wie es von der AOK P. nachgewiesen sei, auf 25 v.H. des Bruttolohns. Da jedoch kurzzeitig beschäftigte Aushilfekräfte bei der AOK nicht melde- und nachweispflichtig seien, habe sie das Beitragsaufkommen anstelle mit 4 mit 5 multipliziert. Dadurch ergaben sich Gesamtlohnsummen von denen für das Jahr 1966 der vom Kläger gezahlte Betrag in Höhe von 5.527,– DM abgezogen worden sei. Der Lohnfestsetzung sei im übrigen noch der Lohn für den Arbeitnehmer H. in Höhe von 359,52 DM zugerechnet worden. Eine Untergliederung der Lohnsummen in Arbeiten zum Neubau des Wohnhauses mit Einliegerwohnung (Bungalow) und Fassadenverkleidungsarbeiten sei nicht notwendig, da es sich bei beiden Tätigkeiten um nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten gehandelt habe. Die Feststellung der tatsächlichen Entgelte sei bisher nicht möglich gewesen, da nicht bekannt sei, wo sich die Unterlagen dafür z.Zt. befänden.
Die Beklagte, die wegen bereits erfolgter Anrechnung des Lohnes für den Arbeitnehmer H. in Höhe von 359,52 DM für 1966 die Beitragsforderung mit Bescheid vom 27. Dezember 1967 auf 31.130,12 DM ermäßigt hat, beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 19. Februar 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf das seiner Ansicht nach zutreffende sozialgerichtliche Urteil und führt ergänzend aus, daß er seine von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Passau beschlagnahmten Unterlagen nicht beibringen könne.
Es sind im Berufungsverfahren die Auskünfte des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, des Bundesverbandes der Ortskrankenkassen und des Bundesversicherungsamtes vom 29. April, 20. und 28. Mai 1975 eingeholt worden. Auf sie wird verwiesen. Die von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Passau beschlagnahmten Lohnunterlagen konnten trotz jahrelanger Versuche nicht beigezogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beitrags-, Streit- und Gewerbeakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben, da die angefochtenen Bescheide nach Ermäßigung des Beitrags auf 31.130,12 DM nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte war befugt, nach § 743 RVO die Lohnnachweise in dieser Höhe für die Jahre 1965, 1966 und 1967 selbst aufzustellen.
Zunächst ist festzustellen, daß sich der Kläger, wie die Auskunft der AOK P. vom 3. November 1967, die beigezogenen Akten der Handwerkskammer für Niederbayern und die Ermittlungen der Beklagten ergeben, von August 1965 bis zum 22. Juli 1967 mit Fassadenverkleidungen und der Errichtung eines eigenen Wohnhauses mit Einliegerwohnung in eigener Regie befaßte. Dies wird von ihm auch nicht in Abrede gestellt. Bei diesen Arbeiten setzte er nach seinen Angaben vom 29. August, 25. Oktober, 16. November und 14. Dezember 1966 sowie vom 7. März 1967 in verschiedenen Zeiträumen wenigstens 7, 16 bzw. 12 Arbeitnehmer ein. Er war weder im Unternehmerverzeichnis der Beklagten noch in der Handwerksrolle bei der für ihn zuständigen Handwerkskammer Niederbayern eingetragen. Nach Auskunft dieser Handwerkskammer vom 8. September 1969 sind ihm außerdem seit dem 27. Januar 1967 Fassadenverkleidungsarbeiten mittels Gewerbeuntersagungsbescheides untersagt worden. Damit steht aber zugleich fest, daß es sich bei diesen in dem hier streitigen Zeitraum ausgeführten Arbeiten um solche nicht gewerbsmäßiger Art handelte. Das gilt auch für die Bauarbeiten, da diese nur vorübergehend, nämlich bis zur Fertigstellung des eigenen Einfamilienhauses verrichtet wurden (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1969 –2 RU 314/67–).
Das bedeutet, daß auch in Bezug auf den Lohnnachweis die Bestimmungen anzuwenden sind, die sowohl die RVO als auch die Satzung der Beklagten für nicht gewerbsmäßige Unternehmer vorschreiben. Insoweit kommt der Abschnitt X der gültigen Satzung der Beklagten, insbesondere § 64 zur Anwendung der in Abs. 1 S. 1 dem § 741 Abs. 2 RVO und in Abs. 3 dem § 743 RVO nachgebildet ist. Hiernach hat der Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten einen Lohnnachweis für jeden Monat spätestens 3 Tage nach dessen Ablauf einzureichen. Erfolgt dieser nicht rechtzeitig oder unvollständig, so stellt die Berufsgenossenschaft ihn selbst auf.
Im vorliegenden Fall war die Beklagte hierzu verpflichtet. Für das Jahr 1965 liegen keinerlei Lohnnachweise vor. Im Jahre 1966 hatte der Kläger Nachweise für die Zeit vom 17. Juli bis einschließlich Ende November, jedoch nur für den Neubau seines Wohnhauses erbracht, aber jeweils nicht fristgemäß, denn sie sind nicht innerhalb von 3 Tagen nach Ablauf des jeweiligen Monats eingereicht worden. Er hat bei seinen Lohnnachweisen in diesen Zeiträumen außerdem auch nicht nach Maurereiarbeiten und anderen Arbeiten des Bauhauptgewerbes unterschieden und Arbeiten für die Fassadenverkleidungen überhaupt nicht ausgewiesen, obwohl er in diesem Zweig bereits seit 1965 tätig war. Dies ergibt sich aus den Akten der Handwerkskammer für Niederbayern. Bereits am 26. Januar 1965 hatte diese dem Kläger mitgeteilt, daß er die Fassadenverkleidung nicht betreiben dürfe. Lohnnachweise für die Zeit von Dezember 1966 bis zum 22. Juli 1967 fehlen überhaupt, so daß die Voraussetzungen für das Recht auf Selbstaufstellung durch die Beklagte erfüllt sind.
Die Beklagte konnte im Rahmen der ihr bekannten Fakten den Lohnnachweis nur durch Schätzung aufstellen. Insoweit hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1965 – 2 RU 36/60 – (in E 22, 271 = BG 1967, 155 mit Besprechung von Seidenfaden in BG 1966, 154) zutreffend ausgeführt, daß bei einer solchen Aufstellung des Lohnnachweises die Berufsgenossenschaft kein Ermessen habe, sondern im Wege der Beweiswürdigkeit tatsächliche Feststellungen treffe, indem sie unbekannte Tatsachen dadurch ermittele, daß sie unter Anwendung von Erfahrungssätzen Schlüsse aus bekannten Tatsachen ziehe. Ihr stehe insoweit kein sogenanntes Handlungsermessen zu. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seien verpflichtet, insoweit von Amts wegen die Richtigkeit des Beitragsbescheides nachzuprüfen (vgl. auch Urteil des Hess. LSG vom 19. Dezember 1959 – L-3/U-151/59 – in Breithaupt 1960, 595; Wolber in BG 1966, 312).
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, daß die Beklagte bei der Selbstaufstellung der Lohnnachweise nicht rechtsfehlerhaft gehandelt hat. Nach den Lohnnachweisen des Klägers sind Bruttolöhne in Höhe von 32.183,21 DM im Jahre 1966 entstanden. Dem steht gegenüber, daß die AOK P. für 1965 ein Beitragsaufkommen von 9.081,88 DM, für 1966 von 44.285,12 DM und für 1967 von 9.653,64 DM festgestellt hat. Hierbei handelt es sich um ein Viertel des üblichen Bruttolohnes. Wenn die Beklagte diese Beträge zur Ermittlung des Lohnes anstelle mit 4 mit 5 multipliziert, so ist dies im Rahmen des § 743 RVO nicht rechtfehlerhaft. Sie geht bei dieser Berechnungsart zutreffend davon aus, daß im Beitragsaufkommen der AOK nicht alle Löhne und Gehälter erfaßt sind und insoweit durch einen angemessenen höheren Multiplikator, nämlich um einen Punkt, ein Ausgleich stattfinden muß, da z.B. die Löhne für kurzfristig und aushilfsweise beschäftigte Arbeitnehmer sowie die Gehälter der im Angestelltenverhältnis tätigen Personen wegen ihrer Mitgliedschaft bei Ersatzkassen oder des Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze im Beitragsaufkommen der AOK nicht enthalten sind. Auch der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und das Bundesversicherungsamt haben dieses Verfahren in ihren vom Senat eingeholten Auskünften als im allgemeinen gerechtfertigt bezeichnet.
Das SG hat zu Unrecht den Beitragsbescheid nicht nachgeprüft, weil es die Ansicht vertreten hat, auch bei Unternehmern nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten habe dem Beitragsbescheid eine Veranlagung zu den Gefahrklassen und ein gesonderter Bescheid hierüber voranzugehen. Dies ist jedoch nach § 34 RVO nicht möglich und auch nicht erforderlich. § 725 Abs. 1 BVG bestimmt, daß die Höhe der Beiträge sich vorbehaltlich des § 723 Abs. 2 und des § 728 RVO nach dem Entgelt der Versicherten und nach dem Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen richtet. In § 728 Abs. 3 RVO, der hier Anwendung findet, da es sich um nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten handelt, heißt es, daß der Beitrag ein mehrfaches, höchstens jedoch das vierfache des nach dem Gefahrtarif berechneten Beitrags des letzten Geschäftsjahres(=Kalenderjahres) beträgt (vgl. § 63 der Satzung der Beklagten). Hieraus folgt, daß der im letzten Geschäftsjahr der BG festgesetzte Beitragssatz zugrunde zu legen ist, der nach dem einschlägigen Gefahrtarif errechnet werden muß. Dagegen ist eine vorherige Festsetzung des Gefahrtarifs in den Fällen der vorliegenden Art nicht vorgeschrieben, weil die Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten der BG im allgemeinen nur kurze Zeit angehören. Die Bestimmung des § 734 Abs. 1 RVO, wonach "die Unternehmen” zu den Gefahrklassen zu veranlagen sind, bezieht sich ihrem Sinn nach nur auf die gewerbsmäßigen Unternehmen, also auf solche, die der BG für längere Zeit angehören bzw. angehören wollen. Die Beklagte hat daher zu Recht im X. Abschnitt ihrer Satzung im Gegensatz zu den vorausgehenden Abschnitten bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten keine Bestimmung zur vorausgehenden Gefahrklassenfestlegung aufgenommen. In Bezug auf die nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten gilt daher für die Jahre 1965 und 1966 der für gewerbsmäßige Bauarbeiten am 1. Januar 1960 in Kraft getretene Gefahrtarif gemäß Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 27. Oktober 1959 und für 1967 der ab 1. Januar 1966 in Kraft getretene Gefahrtarif gemäß Beschluss der Vertreterversammlung vom 3. und 24. November 1965.
Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid den ihr vom Kläger geschuldeten Beitrag unter Berücksichtigung der einschlägigen Gefahrklassen und Beitragsfüße richtig berechnet und den Gesamtbeitrag zutreffend um den für den Arbeitnehmer H. aus der gesondert nachgewiesenen Lohnsumme von DM 359,– geforderten Beitrag auf DM 31.130,12 ermäßigt. Nach dem Gefahrtarif 1960 galten für Maurerei und Verputzerei, wozu auch die Fassadenverkleidung gehört, jeweils die gleichen Gefahrtarife, nämlich nach Klasse 13 (vgl. Teil II Nr. 73, 20). Diese Gefahrklasse hat die Beklagte ausweislich des angefochtenen Bescheides herangezogen. Nach dem Gefahrtarif 1966 galten als Gefahrklassen im Jahre 1967 für Fassadenverkleidung aller Art die Klasse 6,0 (Teil II Nr. 44) und für Maurereien und Verputzereien die Klasse 8,5 (Teil II Nr. 92 und 147). Wenn die Beklagte ihrer Beitragsberechnung lediglich die Gefahrklasse 6 zugrunde legte, so ist hierdurch der Kläger nicht beschwert.
Die Beklagte hat auch einen jeweils zutreffenden Beitragsfuß herangezogen. Nach § 728 Abs. 3 RVO i.V.m. § 63 Abs. 1 ihrer Satzung war der Beitragssatz des vorausgegangenen Jahres bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten mit dem Faktor 4 zu multiplizieren, ohne daß dieses Verfahren gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz verstößt (vgl. BSG, Urt. v. 13.2.1975 – 8 RU 119/73). Für die Jahre 1964, 1965 und 1966 gelten nach den Beschlüssen des Vorstandes der Beklagten vom 29. März 1965, 29. März 1966 und vom 20. März 1967 als Beitragshöhe in Gefahrklasse 1 jeweils 1,80 DM, 2,00 DM und 3,45 DM je 1.000,– DM, so daß sich für die hier streitige Zeit der Jahre 1965, 1966 und 1967 entsprechend der zutreffenden Einstufung in die entsprechenden Gefahrklassen die Beitragssätze 7,20, 8,00 und 13,80 ergaben.
Schließlich ist auch nicht die Höhe der Bergbaualtlasten für die Jahre 1965 und 1966 zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Freibetrages von 30.000,– DM hat die Beklagte diese Beitragsschuld entsprechend ihrem Anteil nach den Mitteilungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 1. April 1966 und vom 4. April 1967 mit Beiträgen für 1965 in Höhe von 33,90 DM und für 1966 in Höhe von 396,73 DM zutreffend festgestellt, ohne daß hierüber unter den Beteiligten Streit besteht.
Das Recht zur Selbstaufstellung der unvollständigen Lohnnachweise durch die Beklagte ist auch nicht davon abhängig, daß der nicht gewerbsmäßige Bauunternehmer schuldhaft seine Pflicht zur Einreichung der Lohnnachweise nicht erfüllt. Sinn und Zweck der Vorschriften des § 64 Abs. 3 der Satzung und des § 743 RVO ist es, daß die Beklagte den auf den Unternehmer entfallenden Beitrag rechtzeitig berechnen kann. Der Lohnnachweis bildet zugleich zusammen mit den Lohnnachweisen der übrigen Mitglieder der Berufsgenossenschaft die Grundlage für die Ermittlung des Maßstabes, nach dem die Beitragslasten auf die Gesamtheit der Mitglieder zu verteilen sind. Nur so kann ein Beitragsfuß für alle der Beitragspflicht unterliegenden Unternehmer ermittelt werden (vgl. Seidenfaden a.a.O.). Im übrigen kann der Kläger jederzeit bei vollständiger Vorlage der Lohnnachweise – etwa dann, wenn seine von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Passau beschlagnahmten Akten ihm wieder zugänglich sind – ggfs. einen Bescheid zu seinen Gunsten verlangen (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 3 zu § 749 RVO).
Zu Unrecht beanstandet das SG schließlich, daß § 27 Abs. 2 der Satzung der Beklagten eine gleichmäßige Bemessung des Nachlasses um 10 v.H. des Beitrages bei Unterschreiten des Satzes der durchschnittlichen Unfallbelastung aller Unternehmen vorsieht. Es kann offenbleiben, ob diese Regelung für die gewerbsmäßigen Unternehmen in Einklang mit § 725 Abs. 2 Satz 1 RVO steht, wonach die BG den einzelnen Unternehmen unter Berücksichtigung der Zahl und Schwere der vorgekommenen Arbeitsunfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlasse zu bewilligen hat. Sie gilt nämlich nicht für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten. Nach § 27 Abs. 2 der Satzung der Beklagten erhalten nur die im Unternehmerverzeichnis eingetragenen Unternehmer in den dort bestimmten Fällen einen Beitragsnachlaß. Dazu gehört der Kläger aber nicht. Diese Satzungsbestimmung ist mit der gesetzlichen Regelung vereinbar. Nach den §§ 725 Abs. 1, 728 Abs. 3 RVO ist nämlich für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten ein besonderer erhöhter Beitrag zugelassen worden. Damit ist die Einführung eines davon abweichenden Zuschlags oder Nachlasses unter Berücksichtigung der Zahl und Schwere der vorgekommenen Unfälle gem. § 725 Abs. 2 RVO nicht zu vereinbaren. Die Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten sind nämlich in der Regel nur für kurze Zeit Mitglied der Berufsgenossenschaften und können nur schwer zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften angehalten werden. Auch wegen des Fehlens qualifizierter Baustellenleiter stellen sie meist ein erhöhtes Unfallrisiko dar. Auch können sie wegen ihrer in der Regel nur kurzfristigen Tätigkeit im allgemeinen im nächsten Jahr nicht mehr zur Deckung von Verlusten der Berufsgenossenschaft bei einem erhöhten Unfallaufkommen herangezogen werden (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 19.12.1968 – 2 RU 221/66 – in SozR Nr. 1 zu § 728 RVO, vom 13.2.1975, 8 RU 119/73). Nach alledem kann die Bestimmung des § 725 Abs. 2 auf sie nicht angewandt werden.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil der angefochtene Beitragsbescheid nicht zu beanstanden ist, gegen dessen rechnerische Richtigkeit der Kläger auch nichts vorgebracht hat.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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