L 4 KA 35/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 910/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 35/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 1.472,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Absetzung der Leistung nach Nr. 03005 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) 2005 - Pauschale für die versorgungsbereichsspezifische Bereitschaft, einmal im Behandlungsfall (kurativ-ambulant) - im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarforderung des Klägers für im Quartal II/05 im Notdienst erbrachte Behandlungen durch den Kläger in 117 Fällen.

Der im streitgegenständlichen Quartal nicht als Vertragsarzt zugelassene Kläger, der eine Privatpraxis führte, nahm in diesem Quartal am Notdienst der Beklagten teil.

Mit Honorarbescheid vom 22. Januar 2006 setzte die Beklagte das Nettohonorar des Klägers für das Quartal II/05 auf 6.657,98 EUR fest. Dabei setzte sie in 117 eingereichten Behandlungsfällen im ärztlichen Notfalldienst die geltend gemachte Abrechnung der Nr. 03005 EBM 2005 ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 25. Februar 2006 Widerspruch, mit dem er sich gegen die Absetzung der Nr. 03005 EBM 2005 wandte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Durch Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 99. Sitzung sei mit Wirkung zum 1. April 2005 unter Abschnitt II (Arztgruppenübergreifende allgemeine Leistungen) 1.2 (Leistungen im Notfall und im organisierten ärztlichen Notdienst) folgende Bestimmung als Nr. 1 in den EBM 2005 aufgenommen worden: "Neben den Leistungen dieses Abschnitts sind nur Leistungen abrechnungsfähig, die in unmittelbarem diagnostischen oder therapeutischen Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehen. Die allgemeine Bestimmung 1.5 gilt für die Berechnung von im Rahmen der Notfallversorgung erbrachten Leistungen nicht." Der Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses habe in seiner 270. Sitzung den Interpretationsbeschluss Nr. 64 mit Wirkung ab dem 1. April 2005 mit folgendem Inhalt gefasst: "Die Leistungen nach den Nrn. 03005, 03120, 04005 und 04120 sind im Rahmen der Erbringung im Notfall und organisierten Not(fall)dienst nicht berechnungsfähig. Ärzte, die zur Berechnung des hausärztlichen Versorgungsbereichs bzw. der Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin gemäß den Präambeln 3.1 und 4.1 im Bereich III des EBM zugelassen sind, können für die Beratung, Erörterung und/oder Abklärung im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen im Notfall und organisierten Not(fall)dienst die Leistungen nach der Nr. 13220 berechnen." Damit habe der Interpretationsbeschluss des Arbeitsausschusses die vom Bewertungsausschuss beschlossenen Vorgaben näher erläutert, wonach nur Leistungen abgerechnet werden dürften, die in unmittelbarem und diagnostischem Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehen. Der Interpretationsbeschluss sei durch Beschluss des Bewertungsausschusses in dessen 101. Sitzung mit Wirkung zum 1. Juli 2005 als Nr. 2 zu Abschnitt II 1.2 in den EBM 2005 aufgenommen worden.

Hiergegen hat der Kläger am 23. August 2006 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben und zur Begründung u. a. geltend gemacht, die versorgungsbereichsspezifische Bereitschaftspauschale nach Nr. 03005 EBM 2005 solle den Mehraufwand abdecken, der dem Arzt durch den ärztlichen Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst entstehe. Dies komme gerade dadurch zum Ausdruck, dass die mit 320 Punkten bewertete Bereitschaftspauschale ausschließlich dem hausärztlichen bzw. in der Form der Nr. 04005 EBM 2005 dem kinder- und jugendmedizinischen Bereich zugeordnet sei, also Bereichen, die typischerweise mit regelmäßigem ärztlichen Bereitschaftsdienst konfrontiert seien. Diese Leistung stehe auch in dem vom Bewertungsausschuss in seiner 99. Sitzung geforderten unmittelbarem diagnostischen und therapeutischen Zusammenhang mit der Notfallversorgung. Bei dem Beschluss des Arbeitsausschusses handele es sich nicht um einen Interpretationsbeschluss, sondern um eine Abänderung der Vorgaben des Bewertungsausschusses, wozu der Arbeitsausschuss nicht befugt sei. Selbst wenn man dem Interpretationsbeschluss Nr. 64 eine regelnde Außenwirkung auf die der Norm unterworfenen Ärzte zubillige, so sei dieser gleichwohl für das Quartal II/05 unwirksam. Die Bekanntmachung des Beschlusses sei erst am 17. Juni 2005 in einer Beilage zu Heft 24 des Deutschen Ärzteblattes auf Seite A 1771 erfolgt. Er entfalte insofern Rückwirkung, was verfassungs- und rechtswidrig sei. Zwingende Gründe des Allgemeinwohls, die es hätten geboten erscheinen lassen, die Vergütung der Leistungsposition im Notfalldienst nicht zuzulassen, seien nicht erkennbar.

Mit Urteil vom 23. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, in Notfällen von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachte Notfallleistungen seien aus der Gesamtvergütung zu honorieren, was das Bundessozialgericht aus dem Zusammenhang der Vorschriften über die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Sprechstundenzeiten (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und des erweiterten Wahlrechts des Versicherten (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) herleite. Gleichermaßen erfasst werde die Tätigkeit von Privatärzten im organisierten Notdienst. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf die strittige Vergütung nach Nr. 03005 EBM 2005. Mit der versorgungsbereichsspezifischen Bereitschaftspauschale nach Nr. 03005 EBM 2005 solle der Mehraufwand abgedeckt werden, der dem Arzt durch den ärztlichen Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst entstehe. Es handle sich um eine pauschale Abgeltung für jeden regulären Behandlungsfall, die unabhängig von einer Notfallbehandlung anfalle. Behandlungsfälle, die lediglich im Rahmen eines Notfalles behandelt werden, würden hierunter nicht fallen. Soweit der Begriff "Behandlungsfall" im EBM 2005 über die Verweisung nach Nr. 3.1 der Allgemeinen Bestimmungen durch § 21 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 25 Abs. 1 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) definiert werde, folge noch nicht zwingend eine Unterscheidung zwischen regulärem Behandlungsfall und Notdienstfall. Der EBM 2005 gebe abschließend vor, welche Leistungen im Notdienst abgerechnet werden können und gebe hierfür im Wesentlichen mit den Nrn. 01210 "Ordinationskomplex im organisierten Not(fall)dienst", 01215 "Konsultationskomplex im organisierten Notfalldienst" und 01218 "Notfallbehandlung von nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten, Instituten und Krankenhäusern" Komplexziffern vor. Die versorgungsbereichsspezifische Pauschale gehöre offensichtlich nicht zu den Leistungen, die in unmittelbarem diagnostischen und therapeutischen Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehen. Durch die eindeutige Systematik werde eine abrechnungstechnische Unterscheidung zwischen regulärem Behandlungsfall und Notdienstfall bestätigt. Entsprechend bestimme Satz 5 der Nr. 4.2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005, dass bei einer in demselben Behandlungsfall erfolgten Berechnung der Leistung nach Nr. 01210 (Ordinationskomplex im organisierten Notfalldienst) für die gleichzeitige Berechnung des Ordinationskomplexes mindestens ein weiterer persönlicher kurativer Arzt-Patienten-Kontakt außerhalb der Notfallbehandlung bzw. außerhalb des organisierten ärztlichen Notdienstes notwendig sei. Der Mehraufwand, der dem Arzt durch den ärztlichen Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst entstehe und der mit der so genannten versorgungsbereichsspezifischen Bereitschaftspauschale abgedeckt werden solle, werde damit offensichtlich an der Fallzahl der regulären Behandlungsfälle gemessen und entsprechend berechnet. Notfälle könnten nur bei einem weiteren und normalen Arzt-Patienten-Kontakt zu einem Behandlungsfall werden, für den die Nr. 03005 EBM 2005 anfalle. Der Interpretationsbeschluss Nr. 64 des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses bestätige lediglich das bereits vorhandene Regelwerk und weiche nicht von diesem ab. Soweit der Bewertungsausschuss in seiner 101. Sitzung mit Wirkung zum 1. Juli 2005 einen gleich lautenden Zusatz beschlossen habe, habe er offensichtlich auf die in der Ärztepresse artikulierte Auffassung, die Nr. 03005 EBM 2005 könne auch für Notdienstfälle abgerechnet werden, reagiert. Rückschlüsse auf eine andere Rechtslage zuvor könnten hieraus nicht gefolgert werden. Hinzu komme, dass die Nr. 03005 EBM 2005 zum Unterabschnitt 3.2.1 "Allgemeine hausärztliche Strukturleistungen" gehöre. Als Strukturleistung solle sie offenbar nur niedergelassenen, an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten zugute kommen. Sie stehe in keinem Zusammenhang mit der unmittelbaren ärztlichen Leistung im Rahmen der Notfallbehandlung und könne daher auch aus diesem Grund vom Kläger als Nichtvertragsarzt nicht abgerechnet werden.

Gegen das ihm am 8. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Juni 2007 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingelegt. Diese hat er u.a. damit begründet, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 21 Abs. 1 BMV-Ä bzw. § 25 Abs. 1 EKV-Ä keine Unterscheidung zwischen einem Behandlungsfall und einem Notdienstfall bestehe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Nr. 4.2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005. Die Bestimmung solle es dem Vertragsarzt lediglich ermöglichen, bei einer erneuten Behandlung des Patienten zu den regulären Sprechstundenzeiten in seiner Praxis den fachgruppenspezifischen Ordinationskomplex zum Ansatz bringen zu können. Der Berechnungsfähigkeit der Nr. 03005 EBM 2005 stehe auch nicht entgegen, dass es sich um eine Gebührenposition aus dem hausärztlichen Bereich im Abschnitt III des EBM 2005 handele. Bei der Nr. 03005 EBM 2005 handele es sich um eine auch im ärztlichen Notdienst berechnungsfähige Leistung, da diese in unmittelbarem diagnostischen und therapeutischen Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehe und den Mehraufwand in diesem Bereich mit vergüte. Der Berechnungsfähigkeit stehe auch nicht entgegen, dass die Nr. 03005 EBM 2005 zum Unterabschnitt 3.2.1 EBM 2005 "Allgemeine hausärztliche Strukturleistungen" gehöre. Sofern man in Nr. 03005 EBM 2005 eine Gebührenposition sehe, die Teil der Praxisvorhaltekosten sei, so sei darin kein Ausschluss der Berechnungsfähigkeit auch für Behandlungsfälle im ärztlichen Notdienst zu erkennen. Bei der Tätigkeit im ärztlichen Notdienst handele sich um eine ambulante Tätigkeit zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auch außerhalb der Sprechstundenzeiten gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Gemäß §§ 23 Nr. 2, 26 des Heilberufsgesetzes in Hessen habe jeder Berufsangehörige, der in eigener Praxis tätig ist, die Pflicht, am Notfalldienst teilzunehmen. Der Kläger sei im Quartal II/05 seit vielen Jahren privatärztlich im hausärztlichen Bereich niedergelassen und damit auch verpflichtet gewesen, am Notfalldienst teilzunehmen. Demnach seien ihm genauso wie dem Vertragsarzt Vorhaltekosten für den ärztlichen Notdienst entstanden, die mit der Nr. 03005 EBM 2005 mit ausgeglichen werden sollten. Ein Ausschluss der Vergütungsfähigkeit der Nr. 03005 EBM 2005 ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger gemäß § 3 Abs. 1 der Notdienstordnung der Beklagten nur dann am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen könne, wenn die Beklagte im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages eine Mitwirkungsmöglichkeit von Nichtvertragsärzten sehe. Bei dieser Regelung handele sich um eine landesspezifische Satzungsvorschrift der Beklagten, die an der grundsätzlichen Teilnahmeverpflichtung des Klägers am ärztlichen Notdienst nichts ändere. Soweit Nichtvertragsärzte in Hessen im Unterschied zu anderen Bundesländern nicht zwangsweise zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notdienst verpflichtet werden könnten, könne diese hessische Sonderregelung keinen Einfluss auf die Anwendung der bundesweit einheitlich gültigen Abrechnungsbestimmungen des EBM haben.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 zu verurteilen, für das Quartal II/05 die Nr. 03005 EBM 2005 in den 117 abgerechneten Behandlungsfällen jeweils einmal zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Soweit der Kläger darauf abstelle, eine Trennung von regulärem Behandlungsfall und Notdienstfall existiere nicht, so sei dem entgegenzuhalten, dass der EBM 2005 ausdrücklich vorgebe, welche ärztlichen Leistungen im ärztlichen Bereitschaftsdienst erbracht und abgerechnet werden könnten. So seien nach Abschnitt II Nr. 1.2 EBM 2005 neben den Leistungen dieses Abschnitts Leistungen aus dem Bereich III des EBM stets nur berechnungsfähig, soweit sie in unmittelbarem diagnostischen und therapeutischen Zusammenhang mit der Versorgung im ärztlichen Bereitschaftsdienst stünden. Durch den Interpretationsbeschluss Nr. 64 des Arbeitsausschusses sei ausschließlich die bestehende Rechtslage bestätigt worden. Wenn auch der Kläger nach § 23 Nr. 2 des Heilberufsgesetzes verpflichtet sei, am Notfalldienst teilzunehmen, so bestehe eine entsprechende Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung jedenfalls nicht. Nach § 3 Abs. 1 der Notdienstordnung der Beklagten mit Geltung ab dem 1. Januar 2005 würden privat niedergelassene Ärzte und andere Ärzte nur dann am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen, wenn die Bezirksstelle der Beklagten aufgrund der organisatorischen Erfordernisse eine Mitwirkungsnotwendigkeit sehe. Eine Teilnahme sei nur dann möglich, wenn dies dem Wunsch des Nichtvertragsarztes entspreche. Mit der so genannten versorgungsbereichsspezifischen Bereitschaftspauschale solle der Mehraufwand abgedeckt werden, der dem Arzt durch den ärztlichen Not- bzw. Bereitschaftsdienst entstehe. Sie sei damit eine pauschale Abgeltung für jeden regulären Behandlungsfall, der unabhängig von einer Notbehandlung anfalle. Insofern erschließe sich von selbst, dass eine solche Pauschalabgeltung, wofür die Kosten aus der Gesamtvergütung entnommen werden, nicht einen Mehraufwand für jeden regulären Behandlungsfall in der privatärztlichen Praxis eines Arztes abgelten könne. Da die Nr. 03005 EBM 2005 für Behandlungsfälle, die lediglich im Rahmen eines Notfalls behandelt würden, weder von dem Vertragsarzt, noch von dem Nichtvertragsarzt angesetzt werden könne, sei die Berechnungsfähigkeit durch den Kläger unter keinem Gesichtspunkt denkbar.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Urteil des SG vom 23. Mai 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung in 117 abgerechneten Behandlungsfällen im Notdienst nach Nr. 03005 EBM 2005 im Quartal II/05.

Für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnung ist in erster Linie der Wortlaut der Bestimmungen maßgeblich. Das vertragliche Regelwerk dient nämlich dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen, und es ist vorrangige Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst, darin auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Soweit der Wortlaut einer Vergütungsregelung zweifelhaft ist und es einer Klarstellung dient, kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 31. August 2005, Az.: B 6 KA 35/04 R; Urteil vom 8. September 2004, B 6 KA 37/03 R; Urteile vom 26. Januar 2000, Az.: B 6 KA 13/99 R und B 6 KA 5/98 R).

Sowohl im Quartal I/05 als auch ab den Quartalen III/05 war eine Anwendbarkeit der versorgungsbereichsspezifischen Bereitschaftspauschale der Nr. 03005 EBM 2005 für Behandlungen im Notfall und im organisierten ärztlichen Notfalldienst nach dem eindeutigen und nicht weiter interpretierbaren Wortlaut der jeweils maßgeblichen Regelungen des EBM 2005 ausgeschlossen. Danach lautete der für das Quartal I/05 maßgebliche Wortlaut der Regelung in Abschnitt II (Arztgruppenübergreifende allgemeine Leistungen) 1.2 (Leistungen im Notfall und im organisierten ärztlichen Notdienst) Nr. 1: "Neben Leistungen dieses Abschnitts sind Leistungen aus dem Bereich III des EBM (Arztgruppenspezifische Leistungen) nicht berechnungsfähig." Danach konnte die in Abschnitt III a (Arztgruppenspezifische Leistungen/ Hausärztlicher Versorgungsbereich) 3.2.1 (Allgemeine hausärztliche Strukturleistungen) geregelte Leistung Nr. 03005 im Notfall und im organisierten ärztlichen Notfalldienst nicht abgerechnet werden. In der später ab 1. Juli 2005 geltenden Regelung waren zwar nicht mehr generell Leistungen des Abschnitts III von der Abrechnung im Notfall und im organisierten ärztlichen Notfalldienst ausgeschlossen, jedoch ausdrücklich die Leistung nach Nr. 03005 EBM 2005 im Rahmen der Erbringung im Notfall und organisierten Notfalldienst nicht berechnungsfähig (Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 101. Sitzung mit Wirkung zum 1. Juli 2005).

Entgegen der Auffassung des Klägers muss aber auch davon ausgegangen werden, dass nach Auslegung des nicht in gleicher Weise eindeutigen Wortlauts der Regelung nach Abschnitt II 1.2 Nr. 1 EBM 2005, die für das Quartal II/05 galt, und systematischer Interpretation auch für das Quartal II/05 die Berechnungsfähigkeit der versorgungsbereichsspezifischen Bereitschaftspauschale der Nr. 03005 EBM 2005 bei ausschließlich im Notfall und im organisierten ärztlichen Notfalldienst erbrachten Behandlungen ausgeschlossen war. Der maßgebliche Wortlaut von Abschnitt II 1.2 Nr. 1 EBM 2005 in der Fassung des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 99. Sitzung mit Wirkung zum 1. April 2005 lautete: "Neben den Leistungen dieses Abschnittes sind nur Leistungen abrechnungsfähig, die in unmittelbarem diagnostischen oder therapeutischen Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehen. Die allgemeine Bestimmung 1.5 gilt für die Berechnung von im Rahmen der Notfallversorgung erbrachten Leistungen nicht."

Das SG ist in seinen Entscheidungsgründen zutreffend davon ausgegangen, dass Abschnitt II 1.2 Nr. 1 EBM 2005 mit den dort geregelten Leistungen wie den Komplexziffern 01210, 01215 und 01218 sowie Leistungen aus dem Bereich III, die in unmittelbarem diagnostischen und therapeutischen Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehen, eine abschließende Regelung der im Notfall und im organisierten ärztlichen Notfalldienst berechnungsfähigen Leistungen darstellt, die gerade nicht die versorgungsbereichsspezifische Bereitschaftspauschale beinhaltet. Offensichtlich sollte mit der Neuregelung ab 1. April 2005 der generelle Ausschluss von den Leistungen des Bereichs III für Behandlungen im Notfall und im ärztlichen Notdienst aufgehoben werden, und den im Notfall bzw. Not(fall)dienst tätigen Ärzten durch Ausschluss von Abschnitt I 1.5 EBM 2005 ermöglicht werden, die im Rahmen der Notfallversorgung im Einzelfall notwendigen arztgruppenspezifischen Leistungen zu erbringen, auch wenn die im Notfall bzw. organisierten ärztlichen Notfalldienst tätigen Ärzte die in der Präambel der entsprechenden Kapitel bzw. Abschnitts genannten Kriterien nicht erfüllen. Die Einschränkung, dass die Leistungen in unmittelbarem diagnostischen und therapeutischen Zusammenhang mit der Notfallversorgung stehen müssen, zeigt auf, dass gerade nicht allgemeine Praxisvorhaltekosten wie mit der versorgungsbereichsspezifischen Bereitschaftspauschale zusätzlich vergütet werden sollten.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch aus der Definition des Behandlungsfalls in § 21 Abs. 1 BMV-Ä bzw. § 25 Abs. 1 EKV-Ä, die keine Abgrenzung zum Notfall beinhaltet, nicht entnommen werden, dass im Hinblick auf die vertragsärztliche Gebührenordnung keine Trennung zwischen regulärem Behandlungsfall und Notfall besteht. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG zur gebührenrechtlichen Unterscheidung zwischen Notfall und Behandlungsfall auch bei der Abrechnung des Ordinationskomplexes (Abschnitt I Nr. 4.2 Satz 5 EBM 2005) wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG ergänzend Bezug genommen.

Schließlich ist die versorgungsbereichsspezifische Bereitschaftspauschale auch nur im Abschnitt III a (hausärztlicher Versorgungsbereich) in Nr. 3.2.1 EBM 2005 als allgemeine hausärztliche Strukturleistung geregelt. Wenn mit dieser Leistung Behandlungen nur im Notfall bzw. organisierten ärztlichen Notfalldienst auch durch nicht an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, seien es an der fachärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsärzte oder Privatärzte, hätten vergütet werden sollen, wäre eine spezielle Regelung für alle im Notfall bzw. organisierten ärztlichen Notfalldienst tätigen Ärzte in den arztgruppenübergreifenden allgemeinen Leistungen in Abschnitt II 1.2 EBM 2005 zu erwarten gewesen. Daher sind das SG und die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund des Wortlauts und der Systematik Nr. 03005 EBM 2005 eine pauschale Abgeltung des Mehraufwandes, der dem Arzt durch den ärztlichen Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst entsteht, für jeden regulären Behandlungsfall darstellt, die unabhängig von einer Notfallbehandlung anfällt. Behandlungsfälle, die lediglich im Rahmen eines Notfalles behandelt werden, fallen hierunter nicht. Wie vom Kläger zuletzt zutreffend ausgeführt, kann insoweit die landesrechtlich unterschiedliche Ausgestaltung des organisierten ärztlichen Notfalldienstes und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Verpflichtungen in den jeweiligen Bundesländern für die daran teilnehmenden (Privat-)Ärzte für die Auslegung der bundesrechtlichen Regelungen des EBM 2005 keine Rolle spielen. Auch eine berufsrechtliche Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst ändert nichts an der nach Wortlaut und Systematik vorzunehmenden Auslegung der Nr. 03005 EBM 2005.

Nachdem bereits nach der bestehenden Rechtslage im Quartal II/05 Behandlungen von Patienten ausschließlich im Notfall bzw. organisierten ärztlichen Notfalldienst nicht mit der Leistung der Nr. 03005 EBM 2005 vergütet werden konnten, sind Ausführungen zur Rechtsnatur des Interpretationsbeschlusses Nr. 64 des Arbeitsausschusses des Bewertungsausschusses entbehrlich, da dadurch jedenfalls keine Änderung der bestehenden Vorschriften vorgenommen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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