L 5 KR 380/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4049/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 380/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, Beschwerdegegnerin und Beklagten zur Übernahme der Kosten für eine Wirbelsäulenoperation in der G.-Klinik, einer Privatklinik.

Der 1971 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Er musste sich im Jahr 2006 Bandscheibenoperationen im Bereich LWK 5/SWK 1 im Sch.-B.-Klinikum V.-S. unterziehen.

Am 2. Januar 2008 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für eine weitere Wirbelsäulenoperation, durchzuführen in der G.-Klinik, einer Privatklinik, in St ... Er legte hierzu einen Kostenvoranschlag der G.-Klinik, Dr. C., vor. Darin wurde u. a. mitgeteilt, dass mit dem Faktor 2,3 bis 7,0 je nach Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand abgerechnet werde.

In dem daraufhin eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 7. Januar 2008 führte Dr. H. aus, leider würden keine genaueren Angaben/Berichte zum Krankheitsbild vorliegen. Offenbar bestehe ein Zustand nach Wirbelsäulen-OP mit jetzt geplantem erneuertem Eingriff an der Wirbelsäule (laut Kostenvoranschlag Dekompressions-Spondylodese-OP LWK 5/S 1). Bei medizinischer Notwendigkeit könne dieser Eingriff auch im Rahmen der vertraglichen Versorgung durchgeführt werden (Neurochirurgie Si, Orthopädische bzw. Neurochirurgische Abteilungen der Universitätskliniken). Die Kostenübernahme für die Behandlung in einer Nichtvertragsklinik sei nicht erforderlich. Mit Bescheid vom 9. Januar 2008 lehnte daraufhin die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten ab.

Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber weitere orthopädische und neurochirurgische Spezialisten (z. B. Praxiskliniken Dr. Schn. in M.-T., Praxis für Neurochirurgie Dr. P. in Konstanz oder Prof. Dr. Harms vom SRH-Klinikum in K.-L.) als Alternativen zur G.-Klinik genannt. Bei all diesen Einrichtungen hätte der Antragsteller, wie in zahlreichen weiteren Kliniken auch, vertragsärztlich behandelt werden können. Im Weiteren war dann zunächst auch für den 29. Juli 2008 eine Operation bei Dr. So., Praxiskliniken Dr. Schn. in M.-T., vorgesehen gewesen. Diese hatte der Antragsteller kurzfristig am Vorabend abgesagt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2008 wies die Antragsgegnerin sodann den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die G.-Klinik zähle nicht zu den vertragsärztlichen Leistungserbringern. Die Behandlung erfolge ausschließlich privatärztlich. Grundsätzlich seien auch andere Wirbelsäulenspezialisten, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen würden, in der Lage, eine ventrale Wirbelsäulenoperation durchzuführen. Über die Operationsmethode entscheide der Operateur unter Abwägung von Nutzen und Risiken. Er werde diejenige Methode wählen, bei der er die größten Chancen und die geringsten Risiken sehe. Es stehe fest, dass die von Dr. C. bevorzugte Operationsmethode nicht die einzige Methode sei, die beim Antragsteller Abhilfe schaffen könne.

Bereits am 17. November 2008, noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides, hat der Antragsteller beim Sozialgericht Reutlingen (SG) beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Kostenübernahme der Behandlung in der G.-Klinik zu verpflichten.

In der Zwischenzeit, am 9. Januar 2009, hat der Antragsteller auch Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 erhoben (Az: S 11 KR 86/09).

Zur Begründung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Antragsteller geltend gemacht, seit den misslungenen ersten Operationen leide er unter ständigen schweren Rückenschmerzen und sei auf regelmäßige Morphingaben angewiesen. Er leide auch an Taubheitsgefühlen im rechten Fuß. Hinzu komme ein schwerer Diabetes, wobei sogar eine implantierte Insulinpumpe erforderlich sei. Er sehe sich ohne schmerzbefreiende Operation nicht länger in der Lage, seiner Arbeit weiter nachzugehen. Es bestehe auch das Risiko einer Lähmung aufgrund der Nerveneinklemmungen im Wirbelkanal. Er habe sich in diversen Fachkliniken, die ihm von der Antragsgegnerin genannt worden seien, vorgestellt. Keine dieser Vertragskliniken sei bereit gewesen, bei ihm eine Spondylodese-Operation durchzuführen, weder ventral noch dorsal. Er verweise hierzu auf die Unversitätskliniken Freiburg und Tübingen, das Klinikum K.-L. und die Praxisklinik Dr. Schn., M.-T ... Eine gewöhnliche Versteifungsoperation von dorsal, wie sie üblicherweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werde, sei aufgrund der diversen Vorerkrankungen nicht indiziert. Bei Diabetes sei die Wundheilung stark vermindert. Es liege zudem nach den beiden misslungenen Bandscheibenoperationen großflächig epidurales Nervengewebe vor. Eine Versteifungsoperation von dorsal würde bedeuten, dass der Operateur die damalige Schnittstelle wieder eröffnen müsse, um an die Wirbelkörper zu gelangen. Dies berge ein hohes Risiko einer Beeinträchtigung eines Nervens und einer Lähmung. Der von der G.-Klinik ventral durchgeführte Eingriff sei ein wesentlich schonenderer, minimal invasiver Eingriff. Es müsse die ursprüngliche Schnittstelle nicht wiedereröffnet werden, sodass auch kein Lähmungsrisiko bestehe. Ein Anordnungsgrund liege auch vor, da sich der Gesundheitszustand in den letzten Wochen stark verschlechtert habe. Der Antragsteller sei weder physisch noch psychisch länger in der Lage, ohne eine schmerzbefreiende Operation auszukommen. Er habe einen Sachleistungsanspruch auf die Gewährung der Wirbelsäulenoperation und müsse sich auf eine Kostenerstattung nicht verweisen lassen. Es liege eine annähernd vergleichbare Fallkonstellation mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung vor (mit Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 - BVerfGE 115, 25 ff.). Ein notstandsähnlicher Fall sei gegeben. Eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers sei vorzunehmen. Hierbei hat der Antragsteller eine Versicherung an Eides statt vom 11. November 2008 vorgelegt, wonach die Vertragskliniken, bei denen er sich vorgestellt habe, ihm nicht deutlich gemacht hätten, dass sie zur Durchführung einer Operation bereit seien. Ein solches Systemversagen dürfe nicht zu Lasten seiner Gesundheit gehen.

Der behandelnde Facharzt für Orthopädie B. hat in der vom SG eingeholten Auskunft vom 29. November 2008 noch ausgeführt, es sei nach neurochirurgischem Konzil eine minimalinvasive Neuromodulation zur Bekämpfung der chronischen Rückenschmerzen als Alternative zu einer Operation empfohlen worden. Die Beschwerden hätten sich verstärkt. Der Patient klage noch immer über starke bis unerträgliche Rückenschmerzen. Aus orthopädischer Sicht könne die ventrale Spondylodese auch in einer Vertragsklinik, die sich auf Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert habe, durchgeführt werden.

Ergänzend hat der Bevollmächtigte des Antragstellers im weiteren Verfahren noch ausgeführt, dass der Antragsteller derzeit stationär in der Neurologischen Klinik der V.-von-P.-Hospital GmbH in R. behandelt werde. Es werde eine medikamentöse Schmerztherapie durchgeführt. Der Facharzt für Orthopädie B. sei ergänzend zu befragen, da diesem bekannt sein müsse, dass der Antragsteller in Vertragskliniken erfolglos um eine Versteifungsoperation nachgesucht habe. Auch hätten sich erneut die Gesundheitsstörungen deutlich verstärkt. Hierzu sei noch der behandelnde Neurologe zu befragen.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 hat das SG den Antrag des Antragstellers auf Übernahme der Kosten für eine ventrale Spondylodese-Operation sowie für Vor- und Nachbehandlungen in der G.-Klinik abgewiesen. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Verpflichtung der Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Übernahme der Kosten nicht vorliegen würden. Es fehle bereits am Anordnungsanspruch, die Bescheide der Antragsgegnerin seien nach vorläufiger Prüfung nicht zu beanstanden. So sei die G.-Klinik nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und könne daher nicht im Rahmen der freien Arztwahl gemäß §§ 76 Abs. 1 Satz 1, 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V für eine Behandlung auf Kosten der Antragsgegnerin gewählt werden. Es würden auch die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V nicht vorliegen. Voraussetzung hierfür sei zum einen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht habe rechtzeitig erbringen können oder sie zu Unrecht eine Leistung abgelehnt habe und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistungen Kosten entstanden seien. Im Übrigen dürften andere Ärzte, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen seien, ausnahmsweise nur in Anspruch genommen werden, im Falle des Vorliegens von Notfällen. Hier aber seien die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet, Kosten für die vom Antragsteller gewählte Operation in der Privatklinik zu übernehmen. Die Antragsgegnerin habe eine Behandlung und Operation der Wirbelsäulenbeschwerden nicht abgelehnt, dem Antragsteller vielmehr eine vertragsärztliche Operation und Behandlung zugesagt. Dem Antragsteller seien orthopädische und neurochirurgische Kliniken benannt worden, so zuletzt die Praxisklinik Dr. Schn. in M. sowie weiter die Praxis für Neurochirurgie Dr. P. in Konstanz. Auch der Facharzt für Orthopädie B. habe in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge ausgeführt, dass aus orthopädischer Sicht eine ventrale Spondylodesen-Operation in einer Vertragsklinik, die sich auf Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert habe, durchgeführt werden könne. Ein Anspruch auf Ausführung einer Behandlung und Operation nach einer bestimmten, vom Antragsteller gewünschten Operationsmethode bestehe nicht. Die Wahl der Operationsmethode sei vielmehr Angelegenheit des Operateurs. Auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller erhobenen Einwände (Hinweis auf schwere Diabetes sowie die misslungenen Voroperationen) führten nach Überzeugung des SG nicht dazu, dass die Antragsgegnerin hier die Kosten für die gewünschte Operation in der G.-Klinik zu übernehmen habe. Ärztliche Beurteilungen, wonach die Operationsmethode von dorsal nicht gewählt werden dürfte und mit zu großen Risiken behaftet sei, würden nicht vorliegen. Die Wiedereröffnung einer früheren Operationsstelle sei kein ungewöhnliches Verfahren. Nach den glaubhaften Ausführungen der Antragsgegnerin hätten die angefragten Kliniken nicht durchgängig die erneute Operation abgelehnt. Von der Praxisklinik Dr. Schn. sei vielmehr ein Operationstermin im Juli 2008 vereinbart worden, wobei sich der Operateur in Kenntnis der Situation des Antragstellers für die dorsale Operation entschieden habe. Minimal-invasive Operationen würden auch in Vertragskrankenhäusern angeboten werden. Ein Systemversagen der vertragsärztlichen Versorgung in der Weise, dass die vom Antragsteller benötigte Leistung im Vertragssystem nicht erbracht werden könne, liege nach Beurteilung des SG im Übrigen nicht vor. Es sei auch nicht der Fall gegeben, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen könne. Es lägen nicht hinreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass aus medizinischen Gründen eine sofortige Behandlung durch Dr. C. als allein erreichbarer Nichtvertragsarzt vorzunehmen wäre. Der Antragsteller könne sich vielmehr bei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungsträgern einer Operation unterziehen. Beispielhaft sei die Praxisklinik Dr. Schn. in M. zu nennen, bei der ein OP-Termin vereinbart und wieder vom Antragsteller abgesagt worden sei.

Der Antragsteller hat gegen den seinem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 22. Dezember 2008 zugestellten Beschluss am 21. Januar 2009 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wird zum einen gerügt, dass das SG den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt habe. Mit Verfügung vom 12. Dezember 2008, einem Freitag, habe das SG dem Bevollmächtigten den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Dezember 2008 zur Kenntnisnahme und zur freigestellten Stellungnahme überlassen. Sodann habe das SG mit Datum 16. Dezember 2008, also gerade zwei Werktage später den angefochtenen Beschluss übersandt. Auch wenn der Beschluss das Datum 18. Dezember 2008 trage, sei aufgrund der Angaben in der Verfügung vom 16. Dezember 2008 davon auszugehen, dass die Willensbildung des SG bereits am 16. Dezember 2008 abgeschlossen gewesen sei. Eine derartig kurze Fristgewährung zur Stellungnahme verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör. Hätte das SG dem Antragsteller eine hinreichende Äußerungsfrist gewährt, hätte es eines Beschwerdeverfahrens nicht bedurft. In der Sache führt der Bevollmächtigte nunmehr weiter aus, es werde nicht in Zweifel gezogen, dass es sich bei der G.-Klinik nicht um eine Vertragsklinik handele. Die Antragsgegnerin setze sich aber gerade nicht mit den besonderen Fragestellungen des vorliegenden Verfahrens auseinander. Der Antragsteller habe sich nicht aus einer Spontanreaktion heraus für seinen Antrag auf Kostenübernahme vom 2. Januar 2008 entschieden, sondern er habe sich sowohl vor als auch nach der Antragstellung vom 2. Januar 2008 in den Vertragskliniken wegen einer ventralen Spondylodese vorgestellt. Zwar sei der Antragsteller im Frühjahr und Sommer 2008 in der Praxisklinik Dr. Schn. vorstellig geworden und auch tatsächlich zunächst für den 29. Juli 2008 eine Operation geplant gewesen, die in ihrem Umfang und der verwandten Methode nach der vom Antragsteller eigentlich begehrten Operation in der G.-Klinik nahegekommen wäre. Allerdings sei die Praxisklinik Dr. Schn. bzw. der dort fachlich zuständige Neurochirurg Dr. Sommer nicht mehr zur Durchführung der Operation bereit gewesen. Entgegen auch den Ausführungen im ersten Beschluss des SG sei es vielmehr so gewesen, dass der Neurochirurg Dr. Sommer nicht nur kurzfristig von einer ventralen zu einer dorsalen Operation umgeschwenkt sei, sondern vielmehr nur noch einen Bruchteil der eigentlich vorgesehenen operativen Maßnahmen habe durchführen wollen. Erst kurz vor dem angesetzten Operationstermin habe Dr. Sommer dem Antragsteller eröffnet, er halte nun auf einmal nur noch die Behebung des restlichen Bandscheibenvorfalles und die Entfernung epiduralen Narbengewebes für notwendig. Einer Versteifungsoperation bedürfe es angeblich im Falle des Antragstellers doch nicht, obwohl ein Wirbelgleiten feststellbar sei. Weshalb die Praxisklinik Dr. Schn. zunächst auch eine Versteifungsoperation für erforderlich gehalten habe, kurz vor dem angesetzten OP-Termin hingegen nicht mehr, sei für den Antragsteller nicht nachvollziehbar. Auch der im V.-von-P.-Hospital tätige Oberarzt Dr. D., von dem der Antragsteller bis kurz vor Weihnachten 2006 stationär behandelt worden sei, habe dem Antragsteller mitgeteilt, dass durch eine Versteifungsoperation eine Schmerzreduktion erreicht werden könne, dies jedoch nicht sicher sei. Somit bestehe aber in jedem Fall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine spürbare Aussicht auf Heilungserfolg. Von einer bloßen Operation zur Entfernung epiduralen Narbengewebes habe der Oberarzt Dr. D. allerdings dem Antragsteller abgeraten, da es statistische Erhebungen gebe, wonach aufgrund einer bloßen Narbengewebsoperation das Risiko einer Schmerzverstärkung größer sei, als die Aussicht auf eine Schmerzreduktion. Vor diesem Hintergrund sei für den Antragsteller nicht nachvollziehbar, weshalb im Juli 2008 in der Praxisklinik Dr. Schn. plötzlich nur zu einer Narbengewebsoperation unter Behebung des restlichen Bandscheibenvorfalles geraten worden sei. Die G.-Klinik in Stuttgart sei hingegen zur Durchführung einer ventralen Spondylodese bereit. Neben der eigentlichen Versteifungsoperation, der Behebung des restlichen Bandscheibenvorfalles und der Entfernung epiduralen Narbengewebes würde in der G.-Klinik zusätzlich noch ein Spreizer eingesetzt, um die bei einer gewöhnlichen Versteifungsoperation verlorengehende natürliche Krümmung der Wirbelsäule zu erhalten.

Abschließend werde betont, dass es entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2008 hier nicht um die Frage der richtigen Operationsmethode gehe, sondern dass dem Antragsteller überhaupt eine medizinisch notwendige Operation ermöglicht werden müsse.

Ergänzend werde noch beantragt, neben Dr. D. auch den Stationsarzt Dr. M. der V.-von-P.-Hospital-Klinik für Neurologie in R. als sachverständigen Zeugen zu vernehmen, hilfsweise werde gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine schriftliche Vernehmung des Oberarztes Dr. D. beantragt, da nach dessen Angaben zum einen eine Versteifungsoperation eine spürbare Aussicht auf Besserung der Rückenschmerzen des Antragstellers bringen könne und zum anderen eine bloße Operation zur Entfernung epiduralen Narbengewebes von ihm nicht befürwortet werde - entgegen der Praxisklinik Dr. Schn. und wohl auch der Ansicht der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Dezember 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig und längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die am 9. Januar 2009 zum Sozialgericht Reutlingen erhobene und dort unter dem Aktenzeichen S 11 KR 86/09 geführte Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2008 die Kosten einer ventralen Spondylodese-Operation beim Antragsteller in der Höhe LWK 5/SWK 1 in der G.-Klinik GmbH, Hohenheimer Str. 91, 70184 Stuttgart, einschließlich erforderlicher Vor- und Nachbehandlungen zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat zu Recht die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung (Regelungsanordnung) zur Übernahme der Kosten für eine Wirbelsäulenoperation einschließlich der Kosten für Vor- und Nachbehandlung in der G.-Klinik St. verneint.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (sog. Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller, schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr in der Lage wäre (sog. Anordnungsgrund).

1. Es fehlt bereits am Anordnungsanspruch.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß Satz 2 1. ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, 2. zahnärztliche Behandlung, 2a. Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, 3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, 4. häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, 5. Krankenhausbehandlung, 6. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.

Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115 a) sowie ambulant (§ 115 b) erbracht. Versicherte haben gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst gemäß Satz 3 im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation.

Von all dem abgesehen hat die gesetzliche Krankenversicherung nicht den jeweils unter allen denkbaren Gesichtspunkten bestmöglichen Versorgungsstandard zu gewährleisten, sondern sie muss ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen zur Verfügung stellen (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V). Dem wird das Behandlungsangebot in den zugelassenen Vertragskrankenhäusern gerecht.

Die Beklagte hat die Leistung daher schon zu Recht abgelehnt, da für die geplante Behandlung ein Leistungsanspruch nicht besteht, nachdem es sich bei Dr. C. bzw. der G.-Klinik nicht um zugelassene Leistungserbringer (Vertragsarzt -bzw. Vertragskrankenhaus) handelt, sodass die Beklagte schon deshalb zur Ablehnung der begehrten Operation auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigt (und verpflichtet) war (§§ 76 bzw. 39, 108, 115 b SGB V).

Anhaltspunkte für ein sogenanntes "Systemversagen" liegen ebenfalls nicht vor. Der Kläger könnte vielmehr auch in einem Vertragskrankenhaus behandelt werden. Insbesondere hat die Antragsgegnerin hier auch nicht etwa in irgend einer Form dem Antragsteller eine Operation verweigert. Sie hat vielmehr dem Antragsteller noch eine ganze Reihe von Vertragskliniken genannt, die ebenso entsprechende Wirbelsäulenoperationen, wie sie auch in der G.-Klinik durchgeführt werden, durchführen. Auch der sachverständige Zeuge, der Facharzt für Orthopädie B., ist in seiner Auskunft der Auffassung gewesen, dass aus orthopädischer Sicht eine ventrale Spondylodesen-Operation in einer Vertragsklinik, die sich auf Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert hat, durchgeführt werden könne. Der Antragsteller hat allerdings nicht, worauf bereits oben hingewiesen wurde, Anspruch auf eine ganz bestimmte Operationsmethode, auch wenn er diese persönlich aus subjektiven Gründen bevorzugt. Es ist letztlich im Ermessen der Operateure, welche Operation sie durchführen, nach welcher Methode im konkreten Einzelfall und in welchem Umfang. Auch der Umstand, dass Dr. C. hier offensichtlich - wohl anders als die Ärzte in Teilen der Vertragskrankenhäuser - im Falle des Antragstellers bereit ist, diese Operation durchzuführen, begründet keineswegs einen Anspruch des Antragstellers nunmehr gegen die Antragsgegnerin die Kosten für die Operation in der G.-Klinik auch zu übernehmen. Ganz offenkundig halten die Operateure in den Vertragskliniken eine entsprechende Operation nicht zwingend für medizinisch notwendig, wie sie von Dr. C. befürwortet wird. In dem Zusammenhang führt auch zu keinem anderen Ergebnis der Hinweis des Antragstellers auf die Einschätzung von Dr. D., denn auch wenn er hier eine entsprechende Versteifungsoperation für sinnvoll erachtet, bleibt festzuhalten, dass auf anderer Seite offenkundig die Operateure verschiedener Vertragskliniken nach den Einlassungen auch des Antragstellers selbst, eine entsprechende Operation offenkundig nicht für notwendig erachteten. Da also ganz offensichtlich die Einschätzung hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit und der Frage, inwieweit ein entsprechender Eingriff auch sinnvoll ist, bei den Operateuren unterschiedlich ausfällt, kann sich der Senat hier auch nicht davon überzeugen, dass deshalb nun eine grundsätzlich auch in Vertragskliniken mögliche Wirbelsäulenoperation zu Lasten der Krankenkasse in einer Privatklinik, nur weil der dortige Arzt hier eine andere Einschätzung hat, durchzuführen ist.

Zugunsten des Antragstellers folgt auch nichts anderes aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 in SozR 4-2005 § 27 Nr. 5). Danach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, denn der Antragsteller leidet wohl an einer nachhaltigen, seine Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigenden Erkrankung, diese ist aber - anders als vom BVerfG gefordert - nicht als "lebensbedrohlich" und oder gar "regelmäßig tödlich verlaufend" einzuschätzen. Denn er leidet zwar nach seinen Angaben unter erheblichen Schmerzen, aber es sind auch nicht entsprechende Lähmungserscheinungen oder Ähnliches dokumentiert, geschweige denn eine Lebensgefahr für den Antragsteller. Im Übrigen steht hier auch eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung in den Vertragskrankenhäusern zur Verfügung.

3. Da es schon am Anordnungsanspruch fehlt, war die Frage des Anordnungsgrundes nicht mehr zu prüfen.

Da es sich hier im Übrigen um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, war hier auch nicht, wie vom Bevollmächtigten beantragt, noch nach § 109 SGG der Arzt Dr. D. zu befragen. Das bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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