Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 805/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1286/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 2. bis 30. September 2005 sowie die Erstattung der Leistung in Höhe von 933,80 EUR streitig.
Die Klägerin war seit dem 1. Mai 2004 beim E. Verwaltungszweckverband M. (im Folgenden EVM) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 2. August kündigte der EVM das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2005, letzter Arbeitstag der Klägerin war der 31. August 2005. Hiergegen erhob die Klägerin beim Arbeitsgericht K. Kündigungsschutzklage.
Vom 1. bis 30. September 2005 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 15. September 2005 bewilligte ihr die Beklagte ab dem 2. September 2005 Krg, welches ihr am 10. Oktober 2005 für die Zeit vom 2. bis 30. September in Höhe von 933,80 EUR überwiesen wurde.
Am 6. Dezember 2005 schloss die Klägerin vor dem Arbeitsgericht K. mit dem EVM einen Vergleich. Darin wurde u.a. Folgendes vereinbart:
"1. Die Parteien stellen außer Streit, dass ihr Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung des Beklagten vom 02.08.2005 ohne Verschulden der Klägerin unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.03.2006 enden wird.
2. Der Beklagte bezahlt der Klägerin für den Verlust deren Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 5.000,00 EUR. Der Anspruch auf die Sozialabfindung ist bereits entstanden und damit vererblich. Die Sozialabfindung ist zur Zahlung fällig spätestens zum 31.03.2006 bzw. im Zeitpunkt eines etwaigen vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin gleich aus welchem Rechtsgrund.
3. Der Beklagte stellt die Klägerin bis einschließlich 31.12.2005 unter Fortzahlung ihrer vertragsgemäßen Vergütung sowie unter Anrechnung etwa noch offenstehenden Resturlaubes für das Kalenderjahr 2005 von deren Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei.
4 ..."
Nachdem die EVM die Beklagte am 28. Juni 2006 über die Wiederaufnahme der Gehaltszahlungen ab 21. August 2005 unterrichtet hatte, forderte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2006 von der Klägerin die Erstattung der Krg-Zahlung in Höhe von 933,80 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, der ehemalige Arbeitgeber habe mitgeteilt, dass die Klägerin rückwirkend Gehalt bekommen habe. Ein Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Krankengeld sei unzulässig.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der EVM habe ihr nur für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2005 Gehalt nachgezahlt. Hätte der EVM ihr versehentlich auch für die Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 1. bis 30. September 2005 Arbeitsentgelt überwiesen, hätte er die überzahlten Leistungen bereits zurückverlangt.
Am 14. August 2006 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid, mit dem sie die Bewilligung der Leistung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung aufhob, es stehe im Ermessen der Krankenkasse, die der Krg-Gewährung zugrunde liegenden Verwaltungsakte rückwirkend aufzuheben. Die Klägerin hätte erkennen müssen, dass ein unzulässiger Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Krg vorliege. Es sei allgemein bekannt, dass Krg nur die Funktion habe, den krankheitsbedingten Einkommensverlust auszugleichen und nicht dazu diene, im Fall einer Arbeitsunfähigkeit ein höheres Einkommen zu erzielen. Die Gewährung von Krg werde daher für die Zeit vom 2. bis 30. September 2005 zurückgenommen. Sie sei somit verpflichtet, das zu Unrecht gezahlte Krg in Höhe von 933,80 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Mit ihrem dagegen wiederum eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem EVM sei nach § 37 BAT ausgeschöpft gewesen. Ihr habe deswegen ab 2. September 2005 ein Anspruch auf Krg zugestanden. Korrekterweise habe ihr der EVM mit Schreiben vom 19.12.2005 mitgeteilt, dass er die Gehaltszahlungen rückwirkend ab dem 1. Oktober 2005 wieder aufgenommen und eine Abschlagszahlung in Höhe von 5.350,96 EUR veranlasst habe. Diese Zahlung habe sie am gleichen Tag erhalten. Sie sei davon ausgegangen, dass sich dieser Betrag aus den Nachzahlungen für Oktober bis Dezember 2005, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie einem Ausgleich für eventuell zuviel einbehaltene Steuern zusammensetze. Angesichts der diffusen und widersprüchlichen Aussagen des EVM habe sie einen etwaigen Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Krg nicht erkennen können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2007 wies die Beklagte die Widersprüche mit der Begründung zurück, nach der Bescheinigung des EVM vom 10. Juli 2006 sei der Klägerin für September und Oktober jeweils ein Betrag von 1.831,03 EUR (brutto) nachgezahlt, für November 3.329,58 EUR (brutto) und für Dezember 2.131,03 EUR (brutto), insgesamt also 9.122,67 EUR. Dies entspreche einem Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 5.510,96 EUR. Hiervon habe die Klägerin einen Teil in Höhe von 5.350,96 EUR im Dezember 2005 als Abschlag erhalten. Im Rahmen des auszuübenden Ermessens seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die der Rücknahme der Bewilligung des Krg entgegenstünden. Bereits bei der Abschlagszahlung hätte der Klägerin auffallen müssen, dass der Betrag deutlich höher sei als das Nettoarbeitsentgelt für drei Monate. Spätestens mit Zugang der Gehaltsabrechnungen hätte sie die Zahlungen zuordnen können. Der Verbrauch des Krg führe zu keinem anderen Ergebnis. Im Übrigen sei den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin bereits dadurch Rechnung getragen, dass man ihr Ratenzahlung angeboten habe.
Mit ihrer dagegen am 15. Februar 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 19. Dezember 2005 nicht erkennen können, dass die Nachzahlungen des EVM auch das Gehalt für September 2005 beinhaltet hätten. Gehaltsabrechnungen habe sie keine erhalten. Die Beklagte habe nicht ausreichend danach differenziert, ob der begünstigende Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft oder auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werde. Zu beanstanden sei schließlich, dass die Beklagte ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt habe. Mit ihren Einwendungen habe sie sich nämlich nicht auseinandergesetzt. Sie hat Kontoauszüge und ihren Arbeitsvertrag vorgelegt.
Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes eine Auskunft des EVM eingeholt. Dieser hat unter Beifügung von zwei Verdienstbescheinigungen ausgeführt, dass man nach dem Vergleich beim Arbeitsgericht vom 6. Dezember 2006 davon ausgegangen sei, dass die Vergütung zum 1. Oktober 2005 wieder aufgenommen werden müsse. Durch die Unterbrechung im August 2005 sei eine Rückforderung entstanden, da die Vergütung bereits am 15. August 2005 für den vollen Monat ausbezahlt worden sei. Man habe sich daher dazu entschlossen, die Unterbrechung rückwirkend zu stornieren und die Vergütung ab 21. August 2005 wieder aufzunehmen. Eine entsprechende neue Bescheinigung sei für die Krankenkasse und für das Arbeitsamt erstellt worden. Die Nachzahlung sei mit der Gehaltsabrechnung Januar 2006 erfolgt, sei jedoch bereits am 16. Dezember 2005 durch eine Abschlagszahlung in Höhe von 5.350,96 EUR an die Klägerin überwiesen worden.
Mit Urteil vom 11. Februar 2008, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 15. Februar 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe zu Recht den Bescheid vom 15. September 2005 über die Bewilligung von Krg für die Zeit ab dem 2. September 2005 aufgehoben. Rechtsgrundlage hierfür sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Denn durch das der Klägerin im Dezember 2005 und Januar 2006 zugeflossene Arbeitsentgelt sei erst nach Erlass des maßgeblichen Bescheides eine wesentliche Änderung eingetreten. Dem stehe nicht entgegen, dass in Fällen, in denen Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen sei, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (hier 1. September 2005) als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte. Daraus ließe sich aber nicht der Schluss ziehen, bereits bei Erlass des Bewilligungsbescheides habe das Arbeitsentgelt vorgelegen. Denn eine - zur Aufhebung nach § 48 SGB X berechtigende - Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sei auch dann nachträglich, wenn sie auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirke. Auch die Voraussetzungen der Rückforderung seien erfüllt. Denn durch das nachgezahlte Arbeitsentgelt ruhe der Anspruch auf Krg in der streitbefangenen Zeit. Die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) solle einen gleichzeitigen Bezug von Krg und Arbeitsentgelt ausschließen und auf diese Weise die Lohnersatzfunktion des Krg gewährleisten. Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass der Versicherte für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich Arbeitsentgelt erhalte; es komme nicht darauf an, ob die Zahlung des Arbeitgebers auch zu Recht erfolgt sei. Die Nachzahlung von Arbeitsentgelt sei beachtlich und führe rückwirkend zum Ruhen des Anspruchs auf Krg. Dies sei nach der Auskunft des EVM bei der Klägerin der Fall. Denn sie habe im September 2005 Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 1.831,03 EUR brutto bzw. 1.185,73 EUR netto erhalten. Dies habe der EVM auch bereits der Klägerin am 10. Juli 2006 so mitgeteilt. Die Klägerin habe auch bestätigt, am 19. Dezember 2005 eine entsprechende Abschlagszahlung erhalten zu haben. Diese Abschlagszahlung könne auch nicht für die Monate Oktober bis Dezember 2005 gegolten haben. Denn danach hätte die Klägerin nur einen Anspruch auf insgesamt 4.325,23 EUR gehabt. Der Abschlag gehe indessen deutlich darüber hinaus. Da es nur auf den faktischen Zufluss von Arbeitsentgelt ankomme, könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin - im Hinblick auf § 37 Abs. 2 BAT - für September 2005 überhaupt einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Nicht entscheidungserheblich sei weiter, ob sie hätte erkennen müssen, dass die Gehaltsnachzahlungen auch Arbeitsentgelt für September 2005 umfassten. Denn die Vorschrift berechtige stets zur Aufhebung, soweit Einkommen erzielt werde; auf Bösgläubigkeit oder Verschulden des Betroffenen komme es nicht an. Seien die Voraussetzungen erfüllt, solle der begünstigende Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden. Die Formulierung "soll" bedeute, dass dies in aller Regel zu geschehen habe. Die Verwaltung habe insoweit grundsätzlich kein Ermessen auszuüben, es sei denn, es handele sich um einen atypischen Ausnahmefall. Für solche Atypik bestünden aber keine Anhaltspunkte. Angesichts dessen könne dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten (vorsorglich) angestellten Ermessenserwägungen zu beanstanden wären. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte der Beginn des Anrechnungszeitraumes, hier also der 1. September 2005. Die Klägerin müsse daher das zuviel gezahlte Krg erstatten.
Mit ihrer dagegen am 13. März 2008 eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, eine nachträgliche Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse sei nicht eingetreten. Denn die Zahlung sei nicht aufgrund eines vertraglichen Entgeltanspruches erfolgt. Mangels einer entsprechenden Abrechnung an sie fehle es an einer Verrechnungsbestimmung des EVM im Sinne des § 366 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach könne sie mit ihrem Anspruch auf Urlaubsentgelt und tariflicher Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) verrechnen. Andernfalls wäre von einer Rückzahlungspflicht nach § 812 BGB auszugehen. Denn der Entgeltfortzahlungsanspruch sei bereits erloschen gewesen. Auch sei die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erforderlich, da von einem atypischen Fall auszugehen sei. Die Klägerin habe den angeblichen Doppelbezug aufgrund fehlender Abrechnung und auch nicht wegen der Höhe der Nachzahlung nicht erkennen können. Quasi hinter ihrem Rücken sei der Versuch einer nachträglichen Verrechnungsbestimmung unmittelbar zwischen der Beklagten und dem EVM erfolgt. Sie habe hiervon zu einem Zeitpunkt erfahren, als die nachträgliche Entgeltzahlung bestimmungsgemäß verbraucht gewesen sei. Sie habe deswegen mit einer Rückforderung/Aufhebung nicht rechnen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Februar 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Juni 2006 und 14. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht erhoben und ist statthaft gemäß § 151 Abs. 1, §§ 143, 144 SGG. Sie ist aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Aufhebung der Bewilligung von Krg für die Zeit vom 2. bis 30. September 2005 sowie die Erstattung der Leistung in Höhe von 933,80 EUR sind rechtmäßig.
Die Aufhebung der Bewilligung der Leistung richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Er soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X u.a. aufgehoben werden, soweit der Betroffene nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3).
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor, wie das SG zutreffend festgestellt hat. Mit der Nachzahlung von Arbeitsentgelt haben sich die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber dem Krg-Bescheid vom 15. September 2005 nachträglich wesentlich geändert. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass das zugeflossene Arbeitsentgelt einem zurückliegenden Zeitraum zuzurechnen ist, der noch vor dem Erlaß des Bewilligungsbescheides liegt. Maßgebend ist allein der Zufluß des Einkommens nach dem Verwaltungsakt (dazu siehe im Einzelnen unten).
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X sind bei der Klägerin erfüllt. Sie hat für den Zeitraum vom 2. bis 30. September 2005 Arbeitsentgelt erhalten, das nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zum Ruhen des Anspruchs auf Krg führt. Danach ruht der Anspruch auf Krg, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten. "Erhalten" bedeutet tatsächlicher Zufluss des Arbeitsentgeltes (Noftz in: Hauck/Haines, SGB V, § 49 Rdnr. 44). Ob das Arbeitsentgelt aufgrund gesetzlicher oder arbeitsvertraglicher Verpflichtungen oder ohne eine solche gewährt wird, ist ohne Belang (Noftz, a.a.O., Rdnr. 44; Vay, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 49 SGB V Rdnr. 11). Denn die Vorschrift will allein den Doppelbezug von Leistungen ausschließen (so auch LSG Niedersachsen vom 02.08.2000, L 4 KR 84/99, SGb 2001, 245).
Dass die Beklagte auf die Abrechnung der EVM und somit darauf abgestellt hat, dass der Klägerin für September und Oktober jeweils ein Betrag von 1.831,03 EUR (brutto) nachgezahlt wurde, für November 3.329,58 EUR (brutto) und für Dezember 2.131,03 EUR (brutto), insgesamt also 9.122,67 EUR, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn dies entspricht einem Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 5.510,96 EUR. Hiervon hat die Klägerin einen Teil in Höhe von 5.350,96 EUR im Dezember 2005 als Abschlag erhalten, was sie selbst in ihrem Widerspruch eingeräumt hat. Dieser Abschlag geht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, weit über den Arbeitsentgeltanspruch der Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2005 hinaus, hat damit ersichtlich auch tatsächlich den Monat September abgedeckt. In diesem Zusammenhang ist ohne Belang, ob die Klägerin das auch erkennen konnte, woran der Senat aber nicht den geringsten Zweifel hat.
Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe nicht damit rechnen müssen, erstattungspflichtig zu werden und im Vertrauen darauf das überzahlte Geld ausgegeben. Denn die hier einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stellt allein auf den Bezug eines zum Wegfall des Anspruchs führenden Einkommens ab und läßt die subjektive Seite völlig unbeachtet. Eine Beschränkung der Herausgabepflicht auf die Bereicherung, wie dies § 818 Abs. 3 BGB im Zivilrecht normiert, ist der Regelungssystematik der §§ 45 und 48 SGB X fremd. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes bzw. die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse ist darüber hinaus für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren mit den vorgenannten Normen im SGB X abschließend geregelt mit der Folge, dass für eine Anwendung der §§ 812 ff. BGB kein Raum ist.
Einer Ermessensausübung bedurfte es schließlich nicht. Das Wort "soll" in Abs. 1 S. 2 des § 48 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (vgl. BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 8). Ob ein atypischer Fall vorliegt, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 44). Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach Abs. 1 S. 2, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt oder nicht, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in den Nr. 1 bis 4 vorausgesetzten Tatbestände erfüllt ist (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 53 S 149). Zu berücksichtigen ist auch die Frage, ob die Rückerstattung nach Lage des Falls eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 33 m.w.N.). Das Bundessozialgericht hat in Fällen der Doppelzahlung von Leistungen das Vorliegen eines atypischen Falles im Grundsatz abgelehnt (zuletzt mit Urteil vom 26.06.2008, B 13 R 119/07 R, SGb 2008, 719). So liegt es im Falle der Klägerin. Dessen ungeachtet hat die Beklagte ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Ermessensfehler liegen nicht vor.
Schließlich sind Regelungen, die eine Doppelversorgung von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung verhindern sollen, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG SozR 4100 § 168 Nr. 12).
Die Berufung der Klägerin war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 2. bis 30. September 2005 sowie die Erstattung der Leistung in Höhe von 933,80 EUR streitig.
Die Klägerin war seit dem 1. Mai 2004 beim E. Verwaltungszweckverband M. (im Folgenden EVM) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 2. August kündigte der EVM das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2005, letzter Arbeitstag der Klägerin war der 31. August 2005. Hiergegen erhob die Klägerin beim Arbeitsgericht K. Kündigungsschutzklage.
Vom 1. bis 30. September 2005 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 15. September 2005 bewilligte ihr die Beklagte ab dem 2. September 2005 Krg, welches ihr am 10. Oktober 2005 für die Zeit vom 2. bis 30. September in Höhe von 933,80 EUR überwiesen wurde.
Am 6. Dezember 2005 schloss die Klägerin vor dem Arbeitsgericht K. mit dem EVM einen Vergleich. Darin wurde u.a. Folgendes vereinbart:
"1. Die Parteien stellen außer Streit, dass ihr Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung des Beklagten vom 02.08.2005 ohne Verschulden der Klägerin unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.03.2006 enden wird.
2. Der Beklagte bezahlt der Klägerin für den Verlust deren Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 5.000,00 EUR. Der Anspruch auf die Sozialabfindung ist bereits entstanden und damit vererblich. Die Sozialabfindung ist zur Zahlung fällig spätestens zum 31.03.2006 bzw. im Zeitpunkt eines etwaigen vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin gleich aus welchem Rechtsgrund.
3. Der Beklagte stellt die Klägerin bis einschließlich 31.12.2005 unter Fortzahlung ihrer vertragsgemäßen Vergütung sowie unter Anrechnung etwa noch offenstehenden Resturlaubes für das Kalenderjahr 2005 von deren Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei.
4 ..."
Nachdem die EVM die Beklagte am 28. Juni 2006 über die Wiederaufnahme der Gehaltszahlungen ab 21. August 2005 unterrichtet hatte, forderte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2006 von der Klägerin die Erstattung der Krg-Zahlung in Höhe von 933,80 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, der ehemalige Arbeitgeber habe mitgeteilt, dass die Klägerin rückwirkend Gehalt bekommen habe. Ein Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Krankengeld sei unzulässig.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der EVM habe ihr nur für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2005 Gehalt nachgezahlt. Hätte der EVM ihr versehentlich auch für die Dauer ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 1. bis 30. September 2005 Arbeitsentgelt überwiesen, hätte er die überzahlten Leistungen bereits zurückverlangt.
Am 14. August 2006 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid, mit dem sie die Bewilligung der Leistung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung aufhob, es stehe im Ermessen der Krankenkasse, die der Krg-Gewährung zugrunde liegenden Verwaltungsakte rückwirkend aufzuheben. Die Klägerin hätte erkennen müssen, dass ein unzulässiger Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Krg vorliege. Es sei allgemein bekannt, dass Krg nur die Funktion habe, den krankheitsbedingten Einkommensverlust auszugleichen und nicht dazu diene, im Fall einer Arbeitsunfähigkeit ein höheres Einkommen zu erzielen. Die Gewährung von Krg werde daher für die Zeit vom 2. bis 30. September 2005 zurückgenommen. Sie sei somit verpflichtet, das zu Unrecht gezahlte Krg in Höhe von 933,80 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Mit ihrem dagegen wiederum eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem EVM sei nach § 37 BAT ausgeschöpft gewesen. Ihr habe deswegen ab 2. September 2005 ein Anspruch auf Krg zugestanden. Korrekterweise habe ihr der EVM mit Schreiben vom 19.12.2005 mitgeteilt, dass er die Gehaltszahlungen rückwirkend ab dem 1. Oktober 2005 wieder aufgenommen und eine Abschlagszahlung in Höhe von 5.350,96 EUR veranlasst habe. Diese Zahlung habe sie am gleichen Tag erhalten. Sie sei davon ausgegangen, dass sich dieser Betrag aus den Nachzahlungen für Oktober bis Dezember 2005, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie einem Ausgleich für eventuell zuviel einbehaltene Steuern zusammensetze. Angesichts der diffusen und widersprüchlichen Aussagen des EVM habe sie einen etwaigen Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Krg nicht erkennen können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2007 wies die Beklagte die Widersprüche mit der Begründung zurück, nach der Bescheinigung des EVM vom 10. Juli 2006 sei der Klägerin für September und Oktober jeweils ein Betrag von 1.831,03 EUR (brutto) nachgezahlt, für November 3.329,58 EUR (brutto) und für Dezember 2.131,03 EUR (brutto), insgesamt also 9.122,67 EUR. Dies entspreche einem Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 5.510,96 EUR. Hiervon habe die Klägerin einen Teil in Höhe von 5.350,96 EUR im Dezember 2005 als Abschlag erhalten. Im Rahmen des auszuübenden Ermessens seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die der Rücknahme der Bewilligung des Krg entgegenstünden. Bereits bei der Abschlagszahlung hätte der Klägerin auffallen müssen, dass der Betrag deutlich höher sei als das Nettoarbeitsentgelt für drei Monate. Spätestens mit Zugang der Gehaltsabrechnungen hätte sie die Zahlungen zuordnen können. Der Verbrauch des Krg führe zu keinem anderen Ergebnis. Im Übrigen sei den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin bereits dadurch Rechnung getragen, dass man ihr Ratenzahlung angeboten habe.
Mit ihrer dagegen am 15. Februar 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 19. Dezember 2005 nicht erkennen können, dass die Nachzahlungen des EVM auch das Gehalt für September 2005 beinhaltet hätten. Gehaltsabrechnungen habe sie keine erhalten. Die Beklagte habe nicht ausreichend danach differenziert, ob der begünstigende Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft oder auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werde. Zu beanstanden sei schließlich, dass die Beklagte ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt habe. Mit ihren Einwendungen habe sie sich nämlich nicht auseinandergesetzt. Sie hat Kontoauszüge und ihren Arbeitsvertrag vorgelegt.
Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes eine Auskunft des EVM eingeholt. Dieser hat unter Beifügung von zwei Verdienstbescheinigungen ausgeführt, dass man nach dem Vergleich beim Arbeitsgericht vom 6. Dezember 2006 davon ausgegangen sei, dass die Vergütung zum 1. Oktober 2005 wieder aufgenommen werden müsse. Durch die Unterbrechung im August 2005 sei eine Rückforderung entstanden, da die Vergütung bereits am 15. August 2005 für den vollen Monat ausbezahlt worden sei. Man habe sich daher dazu entschlossen, die Unterbrechung rückwirkend zu stornieren und die Vergütung ab 21. August 2005 wieder aufzunehmen. Eine entsprechende neue Bescheinigung sei für die Krankenkasse und für das Arbeitsamt erstellt worden. Die Nachzahlung sei mit der Gehaltsabrechnung Januar 2006 erfolgt, sei jedoch bereits am 16. Dezember 2005 durch eine Abschlagszahlung in Höhe von 5.350,96 EUR an die Klägerin überwiesen worden.
Mit Urteil vom 11. Februar 2008, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 15. Februar 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe zu Recht den Bescheid vom 15. September 2005 über die Bewilligung von Krg für die Zeit ab dem 2. September 2005 aufgehoben. Rechtsgrundlage hierfür sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Denn durch das der Klägerin im Dezember 2005 und Januar 2006 zugeflossene Arbeitsentgelt sei erst nach Erlass des maßgeblichen Bescheides eine wesentliche Änderung eingetreten. Dem stehe nicht entgegen, dass in Fällen, in denen Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen sei, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (hier 1. September 2005) als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte. Daraus ließe sich aber nicht der Schluss ziehen, bereits bei Erlass des Bewilligungsbescheides habe das Arbeitsentgelt vorgelegen. Denn eine - zur Aufhebung nach § 48 SGB X berechtigende - Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sei auch dann nachträglich, wenn sie auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirke. Auch die Voraussetzungen der Rückforderung seien erfüllt. Denn durch das nachgezahlte Arbeitsentgelt ruhe der Anspruch auf Krg in der streitbefangenen Zeit. Die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) solle einen gleichzeitigen Bezug von Krg und Arbeitsentgelt ausschließen und auf diese Weise die Lohnersatzfunktion des Krg gewährleisten. Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass der Versicherte für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich Arbeitsentgelt erhalte; es komme nicht darauf an, ob die Zahlung des Arbeitgebers auch zu Recht erfolgt sei. Die Nachzahlung von Arbeitsentgelt sei beachtlich und führe rückwirkend zum Ruhen des Anspruchs auf Krg. Dies sei nach der Auskunft des EVM bei der Klägerin der Fall. Denn sie habe im September 2005 Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 1.831,03 EUR brutto bzw. 1.185,73 EUR netto erhalten. Dies habe der EVM auch bereits der Klägerin am 10. Juli 2006 so mitgeteilt. Die Klägerin habe auch bestätigt, am 19. Dezember 2005 eine entsprechende Abschlagszahlung erhalten zu haben. Diese Abschlagszahlung könne auch nicht für die Monate Oktober bis Dezember 2005 gegolten haben. Denn danach hätte die Klägerin nur einen Anspruch auf insgesamt 4.325,23 EUR gehabt. Der Abschlag gehe indessen deutlich darüber hinaus. Da es nur auf den faktischen Zufluss von Arbeitsentgelt ankomme, könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin - im Hinblick auf § 37 Abs. 2 BAT - für September 2005 überhaupt einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Nicht entscheidungserheblich sei weiter, ob sie hätte erkennen müssen, dass die Gehaltsnachzahlungen auch Arbeitsentgelt für September 2005 umfassten. Denn die Vorschrift berechtige stets zur Aufhebung, soweit Einkommen erzielt werde; auf Bösgläubigkeit oder Verschulden des Betroffenen komme es nicht an. Seien die Voraussetzungen erfüllt, solle der begünstigende Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden. Die Formulierung "soll" bedeute, dass dies in aller Regel zu geschehen habe. Die Verwaltung habe insoweit grundsätzlich kein Ermessen auszuüben, es sei denn, es handele sich um einen atypischen Ausnahmefall. Für solche Atypik bestünden aber keine Anhaltspunkte. Angesichts dessen könne dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten (vorsorglich) angestellten Ermessenserwägungen zu beanstanden wären. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gelte der Beginn des Anrechnungszeitraumes, hier also der 1. September 2005. Die Klägerin müsse daher das zuviel gezahlte Krg erstatten.
Mit ihrer dagegen am 13. März 2008 eingelegten Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, eine nachträgliche Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse sei nicht eingetreten. Denn die Zahlung sei nicht aufgrund eines vertraglichen Entgeltanspruches erfolgt. Mangels einer entsprechenden Abrechnung an sie fehle es an einer Verrechnungsbestimmung des EVM im Sinne des § 366 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach könne sie mit ihrem Anspruch auf Urlaubsentgelt und tariflicher Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) verrechnen. Andernfalls wäre von einer Rückzahlungspflicht nach § 812 BGB auszugehen. Denn der Entgeltfortzahlungsanspruch sei bereits erloschen gewesen. Auch sei die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erforderlich, da von einem atypischen Fall auszugehen sei. Die Klägerin habe den angeblichen Doppelbezug aufgrund fehlender Abrechnung und auch nicht wegen der Höhe der Nachzahlung nicht erkennen können. Quasi hinter ihrem Rücken sei der Versuch einer nachträglichen Verrechnungsbestimmung unmittelbar zwischen der Beklagten und dem EVM erfolgt. Sie habe hiervon zu einem Zeitpunkt erfahren, als die nachträgliche Entgeltzahlung bestimmungsgemäß verbraucht gewesen sei. Sie habe deswegen mit einer Rückforderung/Aufhebung nicht rechnen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Februar 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Juni 2006 und 14. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht erhoben und ist statthaft gemäß § 151 Abs. 1, §§ 143, 144 SGG. Sie ist aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Aufhebung der Bewilligung von Krg für die Zeit vom 2. bis 30. September 2005 sowie die Erstattung der Leistung in Höhe von 933,80 EUR sind rechtmäßig.
Die Aufhebung der Bewilligung der Leistung richtet sich nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Er soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X u.a. aufgehoben werden, soweit der Betroffene nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt hat, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3).
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor, wie das SG zutreffend festgestellt hat. Mit der Nachzahlung von Arbeitsentgelt haben sich die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber dem Krg-Bescheid vom 15. September 2005 nachträglich wesentlich geändert. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass das zugeflossene Arbeitsentgelt einem zurückliegenden Zeitraum zuzurechnen ist, der noch vor dem Erlaß des Bewilligungsbescheides liegt. Maßgebend ist allein der Zufluß des Einkommens nach dem Verwaltungsakt (dazu siehe im Einzelnen unten).
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X sind bei der Klägerin erfüllt. Sie hat für den Zeitraum vom 2. bis 30. September 2005 Arbeitsentgelt erhalten, das nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zum Ruhen des Anspruchs auf Krg führt. Danach ruht der Anspruch auf Krg, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten. "Erhalten" bedeutet tatsächlicher Zufluss des Arbeitsentgeltes (Noftz in: Hauck/Haines, SGB V, § 49 Rdnr. 44). Ob das Arbeitsentgelt aufgrund gesetzlicher oder arbeitsvertraglicher Verpflichtungen oder ohne eine solche gewährt wird, ist ohne Belang (Noftz, a.a.O., Rdnr. 44; Vay, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 49 SGB V Rdnr. 11). Denn die Vorschrift will allein den Doppelbezug von Leistungen ausschließen (so auch LSG Niedersachsen vom 02.08.2000, L 4 KR 84/99, SGb 2001, 245).
Dass die Beklagte auf die Abrechnung der EVM und somit darauf abgestellt hat, dass der Klägerin für September und Oktober jeweils ein Betrag von 1.831,03 EUR (brutto) nachgezahlt wurde, für November 3.329,58 EUR (brutto) und für Dezember 2.131,03 EUR (brutto), insgesamt also 9.122,67 EUR, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn dies entspricht einem Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt 5.510,96 EUR. Hiervon hat die Klägerin einen Teil in Höhe von 5.350,96 EUR im Dezember 2005 als Abschlag erhalten, was sie selbst in ihrem Widerspruch eingeräumt hat. Dieser Abschlag geht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, weit über den Arbeitsentgeltanspruch der Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2005 hinaus, hat damit ersichtlich auch tatsächlich den Monat September abgedeckt. In diesem Zusammenhang ist ohne Belang, ob die Klägerin das auch erkennen konnte, woran der Senat aber nicht den geringsten Zweifel hat.
Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe nicht damit rechnen müssen, erstattungspflichtig zu werden und im Vertrauen darauf das überzahlte Geld ausgegeben. Denn die hier einschlägige Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stellt allein auf den Bezug eines zum Wegfall des Anspruchs führenden Einkommens ab und läßt die subjektive Seite völlig unbeachtet. Eine Beschränkung der Herausgabepflicht auf die Bereicherung, wie dies § 818 Abs. 3 BGB im Zivilrecht normiert, ist der Regelungssystematik der §§ 45 und 48 SGB X fremd. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes bzw. die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse ist darüber hinaus für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren mit den vorgenannten Normen im SGB X abschließend geregelt mit der Folge, dass für eine Anwendung der §§ 812 ff. BGB kein Raum ist.
Einer Ermessensausübung bedurfte es schließlich nicht. Das Wort "soll" in Abs. 1 S. 2 des § 48 SGB X bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (vgl. BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 8). Ob ein atypischer Fall vorliegt, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 44). Es kommt darauf an, ob der Einzelfall auf Grund seiner besonderen Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach Abs. 1 S. 2, die die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit gerade rechtfertigen, signifikant abweicht und die vorgesehene Rechtsfolge für den Betroffenen eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt oder nicht, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in den Nr. 1 bis 4 vorausgesetzten Tatbestände erfüllt ist (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 53 S 149). Zu berücksichtigen ist auch die Frage, ob die Rückerstattung nach Lage des Falls eine Härte bedeutet, die den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 33 m.w.N.). Das Bundessozialgericht hat in Fällen der Doppelzahlung von Leistungen das Vorliegen eines atypischen Falles im Grundsatz abgelehnt (zuletzt mit Urteil vom 26.06.2008, B 13 R 119/07 R, SGb 2008, 719). So liegt es im Falle der Klägerin. Dessen ungeachtet hat die Beklagte ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Ermessensfehler liegen nicht vor.
Schließlich sind Regelungen, die eine Doppelversorgung von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung verhindern sollen, unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG SozR 4100 § 168 Nr. 12).
Die Berufung der Klägerin war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.
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