L 10 R 1646/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 8069/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1646/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge als Gesamtschuldner.

Gründe:

I.

Die Kläger sind als Ehemann (Kläger zu 1) und Kinder (Kläger zu 2 bis 5) Erben der im Jahre 1948 geborenen und am 03.03.2006 verstorbenen M. C. S ... Sie erstreben die Rückzahlung der von der Erblasserin für die Zeit vom 01.01.1998 bis zum 31.03.1999 entrichteten Beiträge zur freiwilligen Rentenversicherung.

Am 09.02.1999 fand im Beisein des Klägers zu 1 eine Beratung seiner im Jahre 1948 geborenen Ehefrau durch eine Rentenberaterin der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) - der Rechtsvorgängerin der Beklagten - statt. In der Folge dieses Gesprächs versicherte sich die Verstorbene freiwillig bei der BfA (Bescheid vom 20.02.1999) und zahlte für die Zeit vom 01.01.1998 bis zum 31.03.1999 freiwillige Beiträge i. H. v. DM 1918,35 (= EUR 980,84). Danach wurden die Beitragszahlungen wieder eingestellt.

Am 28.03.2006 teilte der Kläger zu 1 schriftlich den Tod seiner Ehefrau mit und erkundigte sich nach einer zu erwartenden Witwerrente. Die ihm daraufhin übersandten Antragsunterlagen gab er am 11.07.2006 bei der Beklagten ab. Zugleich beantragte er die Erstattung der von seiner Ehefrau geleisteten freiwilligen Beiträge. Zur Begründung gab er an, im Rahmen des Beratungsgesprächs vom 09.02.1999 sei seiner Ehefrau und ihm mitgeteilt worden, dass es sich lohnen würde, freiwillige Beiträge einzuzahlen um die 35 Jahre Wartezeit zu erfüllen. Nach der Einzahlung habe ihnen der Steuerberater abgeraten, weitere freiwillige Beiträge einzuzahlen, da diese Zahlung uneffektiv sei.

Antragsgemäß bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1 mit Bescheid vom 26.07.2006 große Witwerrente sowie den Klägern zu 4 und 5 in der Folgezeit Waisenrente. Den Antrag auf Erstattung freiwilliger Beiträge lehnte sie im Bescheid vom 26.07.2006 ab (Anlage 10 des Rentenbescheides). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2006 zurück.

Am 03.11.2006 hat der Kläger zu 1 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, auf Grund des Beratungsgesprächs vom 09.02.1999 hätten sich seine Ehefrau und er entschieden, rückwirkend freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten, um die Wartezeit zu erfüllen. Hierzu sei ihnen von der Beraterin wegen fehlender Beitragszeiten infolge der Kindererziehung geraten worden. Die Beraterin habe ihnen versichert, dass sich die freiwillig gezahlten Beiträge erhöhend auf die Altersrente auswirken würden. Daraufhin sei ein freiwilliger Beitrag einbezahlt worden. Auf Anraten des Steuerberaters seien die freiwilligen Beitragsleistungen eingestellt worden. Mit Erhalt der Kontoübersicht vom 11.07.2006 sei dann ersichtlich gewesen, dass sich die Beiträge tatsächlich nicht ausgewirkt hätten. Dies habe ihm dann auch Frau F. , eine weitere Beraterin, bestätigt.

In der nichtöffentlichen Sitzung vom 19.12.2007 hat das Sozialgericht den Kläger zu 1 zum Inhalt des Beratungsgesprächs vom 09.02.1999 persönlich angehört; dabei hat er im Rahmen des Beratungsgesprächs von seiner Ehefrau gefertigte handschriftliche Aufzeichnungen vorgelegt und angegeben, sie hätten sich seinerzeit allgemein informieren und beraten lassen wollen. Insbesondere hätten sie nachfragen wollen, was sie tun könnten, damit die Ehefrau eine höhere Rente bekomme. Ihnen sei mitgeteilt worden, dass es sinnvoll sei, freiwillige Beiträge zu zahlen, da sich hierdurch die Rente erhöhen würde. Ebenfalls zum Inhalt des Beratungsgesprächs vom 09.02.1999 hat das Sozialgericht die seinerzeitige Beraterin, B. A. , als Zeugin vernommen. Diese hat angegeben, sie könne sich nicht mehr an das Beratungsgespräch im Jahre 1999 erinnern, habe allerdings Kurznotizen darüber vorliegen. Sie habe "Kontenklärung, freiwillige Beiträge und Hinterbliebenenrente" notiert. Sie habe den Kontenklärungsantrag und den Antrag auf freiwillige Beiträge entgegengenommen. Sie vermute, dass sie die Zahlung freiwilliger Beiträge mit Blick auf die für die Erfüllung der Wartezeit fehlenden Monate angeregt und die dadurch eröffnete Möglichkeit zum vorzeitigen Renteneintritt angeregt habe. Dies sei der einzige Sinn der Zahlung von freiwilligen Mindestbeiträgen. Eine erhebliche Rentenerhöhung ergebe sich hieraus nicht. Darüber hinaus hat das Sozialgericht Frau E. F. zur Frage des Ablaufs eines Rententermins mit dem Kläger zu 1 im April 2006 sowie zu ihrer Einschätzung der rentenerhöhenden Wirkung freiwilliger Beiträge als Zeugin vernommen. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Klägers zu 1 und der Zeuginnen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Urteil vom 25.02.2008 hat das Sozialgericht die auf Klägerseite um die Kläger zu 2 bis 5 erweiterte Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) seien nicht erfüllt. Gleiches gelte für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Denn es fehle bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Aus dem Rentenbescheid ergäben sich insgesamt 0,1781 Entgeltpunkte für die gezahlten freiwilligen Beiträge, was zu einer monatlichen Rentenerhöhung von derzeit EUR 4,65 führe. Darüber hinaus sei die Kammer der Überzeugung, dass die Beratung des Klägers zu 1 und seiner Ehefrau in der 1999 dahingehend erfolgt sei, dass die Zahlung von freiwilligen Mindestbeiträge sinnvoll sein könne, die Wartezeit von 35 Jahren zu erfüllen und gegebenenfalls eine vorzeitige Rente in Anspruch nehmen zu können. Dies ergebe sich aus dem schriftlichen Vorbringen im Klageverfahren sowie den vorgelegten Notizen der Ehefrau. Diese Entscheidung ist den Klägern am 05.03.2008 zugestellt worden.

Am 07.04.2008, einem Montag, haben die Kläger Berufung eingelegt. Sie tragen im Wesentlichen vor, eine konkrete Berechnung der Wirtschaftlichkeit der Zahlung freiwilliger Beiträge sei nicht erfolgt. Hieraus ergebe sich ein Beratungsfehler, zumal ein Antrag auf Kontenklärung gestellt worden sei. Dieser Beratungsfehler sei für die Beitragszahlung auch ursächlich, da man sich hierfür bei korrekter Beratung nicht entschieden hätte.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.02.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen die für die Zeit vom 01.01.1998 bis zum 31.03.1999 gezahlten freiwilligen Beiträge in Höhe von EUR 980,86 zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor, eine Probeberechnung sei für eine umfassende Beratung nicht unbedingt erforderlich. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen Kausalität zwischen einer unterbliebenen Probeberechnung und der freiwilligen Beitragszahlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen Rentenakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kläger zu 2 bis 5 vorliegend i. S. des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG klagebefugt sind, obschon die angegriffene Ablehnungsentscheidung der Beklagten allein gegenüber dem Kläger zu 1 ergangenen ist. Denn der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 26.07.2006 sowie der Widerspruchsbescheid vom 13.10.2006 sind rechtmäßig, da den Klägern in der Sache kein Anspruch auf Rückerstattung der von der Erblasserin entrichteten freiwilligen Beiträge zusteht.

Das Sozialgericht hat unter Hinweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheides der Beklagten insbesondere zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 SGB IV nicht erfüllt sind, da die streitigen Beiträge der Erblasserin nicht zu Unrecht entrichtet wurden; der Senat verweist insoweit ebenso wie das Sozialgericht auf die Gründe des angegriffenen Widerspruchsbescheides (§ 136 Abs. 3 SGG). Aber auch das von den Klägern weiterhin geltend gemachte richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs greift vorliegend nicht ein:

Dies gilt bereits mit Blick darauf, dass die Erstattung von - wie hier - rechtmäßig entrichteten Beiträgen auf Grund des Herstellungsanspruchs nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausscheidet, da ein früheres Fehlverhalten des Versicherungsträgers an der Rechtmäßigkeit der erfolgten Beitragsentrichtung nichts ändert und auch eine vollständige Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge der Art nach im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 08.04.1987 - 1 RA 55/85 - in SozR 1200 § 14 Nr. 25 m. w. N.).

Unabhängig hiervon wären aber auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs nicht erfüllt.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Versicherungsträger eine ihm entweder auf Grund Gesetzes oder auf Grund eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden "verständnisvollen Förderung", verletzt und dadurch dem Versicherten einen rechtlichen Nachteil zugefügt hat (BSG, Urteil vom 24.03.1983 - 1 RJ 92/81 - in SozR 2100 § 27 Nr. 2). Die letztlich auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden Pflichten sind verletzt, wenn sie - obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat - nicht oder nur unzureichend erfüllt worden sind (BSG, Urteil vom 27.09.1983 - 12 RK 44/82 - in SozR 1200 § 14 Nr. 15). Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (BSG, Beschluss vom 16.12.2008 - B 4 AS 77/08 B - zit. nach juris).

In Anwendung dieser Grundsätze fehlt es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der nach Angaben des Klägers zu 1 unterbliebenen Beratung über die lediglich gering rentenerhöhende Wirkung freiwilliger Beiträge und der Beitragszahlung.

Dafür, dass für die Versicherte die konkrete Auswirkung freiwilliger Beiträge auf die Rentenhöhe maßgebend war, spricht nichts. Andernfalls hätte sie auf einer konkreten Probeberechnung bestehen müssen, da sonst das genaue Ausmaß der rentenerhöhenden Wirkung nicht zu klären war. Die von der Ehefrau des Klägers zu 1 im Rahmen der Beratung am 09.02.1999 beantragte Kontenklärung betraf nicht die Erteilung einer Rentenauskunft bzw. Fertigung einer Probeberechnung der Auswirkungen freiwilliger Beitragsleistungen, sondern die Klärung des abstrakten Versicherungskontos i. S. des § 149 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI ), also der gespeicherten Daten, die für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind.

Dass für die Erblasserin die rentenerhöhende Wirkung der freiwilligen Beiträge nicht maßgeblich war, zeigt auch der Umstand, dass sie selbst nie eine Falschberatung behauptet oder einen Rückerstattungsanspruch geltend gemacht hat, obwohl nach dem Vorbringen des Klägers zu 1 vom 11.07.2006 der Steuerberater bereits nach der Einzahlung der Beiträge, also im Jahre 1999, darauf hingewiesen hatte, die Zahlung sei uneffektiv.

Maßgeblich für die Beitragsleistung war vielmehr die erstrebte Erfüllung der Wartezeit für einen möglichen vorzeitigen Rentenbeginn der Erblasserin. Hierzu hat der Kläger zu 1 - bei Stellung seines Antrages auf Rückerstattung der Beiträge - am 11.07.2006 gegenüber der Beklagten angegeben, seiner Ehefrau und ihm sei im Rahmen des Beratungsgesprächs vom 09.02.1999 mitgeteilt worden, dass sich die Einzahlung freiwilliger Beiträge lohne "um die 35 Jahre Wartezeit zu erfüllen". Dem entsprechend erfolgte die vom Kläger zu 1 und seiner Ehefrau getroffene Entscheidung zur Entrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Vorbringen des Klägers zu 1 in der Klageschrift seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.12.2006 auf Grund des Beratungsgesprächs vom 09.02.1999 "um die 35 Jahre Wartezeit zu erfüllen". Mit diesem Leistungszweck stimmen auch die vom Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung vorgelegten schriftlichen Aufzeichnungen seiner Ehefrau über den Gang des Beratungsgesprächs vom 09.02.1999 überein. Die darin von der Erblasserin als für sie relevant festgehaltenen Beratungsgegenstände beschäftigen sich nämlich allein mit den Voraussetzungen für eine vorzeitige Rentengewährung einschließlich der Erfüllung der Wartezeit und der hierfür erforderlichen freiwilligen Beitragsleistung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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