L 6 SB 3320/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 1363/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3320/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) sowie der Nachteilsausgleich "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G).

Die 1942 geborene Klägerin beantragte erstmals am 17.04.2001 die Feststellung ihres GdB. Das Versorgungsamt (VA) holte daraufhin den Befundbericht des Arztes für Orthopädie Dr. N. vom 30.04.2001 ein und zog das vom Arzt für Chirurgie Dr. F. unter dem 27.03.2001 für die Landesversicherungsanstalt erstellte Gutachten bei. Dr. K. brachte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.06.2001 eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen als Behinderungen in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB mit 30. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 22.06.2001 einen GdB von 30 seit dem 17.04.2001 fest.

Den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 07.12.2001 lehnte das VA nach Beiziehung des für die Landesversicherungsanstalt durch Dr ... von der Reha-Klinik H. unter dem 04.12.2001 erstellten ärztlichen Entlassungsberichts und unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 04.01.2002 mit Bescheid vom 22.01.2002 ab.

Den weiteren Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 05.06.2002 lehnte das VA nach Einholung des ärztlichen Befundberichts des Facharztes für Allgemeinmedizin und Naturheilkunde Dr. K. vom 24.06.2002, welchem dessen Arztbrief vom 22.11.2001 und die Arztbriefe des Arztes für Orthopädie Dr. T. vom 14.03.2001 und 05.07.2001, des Arztes für radiologische Diagnostik Dr. L. vom 06.07.2001, des Frauenarztes Dr. F. vom 09.07.2001 sowie des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 19.07.2001 beigefügt waren, und unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 23.07.2002 mit Bescheid vom 09.08.2002 ab.

Am 05.07.2005 beantragte die Klägerin erneut die Neufeststellung ihres GdB sowie ferner die Feststellung des Nachteilsausgleich G. In dem Formularantrag gab sie an, verschlimmert beziehungsweise neu aufgetreten seien Rückenschmerzen, Wirbelsäulenbeschwerden, Ischiasbeschwerden, Schwindel und Bluthochdruck. Daraufhin holte das Landratsamt (LRA) den ärztlichen Befundbericht von Dr. K. vom 28.11.2005, welchem die Arztbriefe des Facharztes für Chirurgie Dr. M. vom 20.11.2003, von Dr. T. vom 10.05.2005, der Fachärztin für Neurologie Dr. M. vom 07.07.2005 und von Dr. Sch. vom Städtischen Klinikum K. vom 10.07.2005 beigefügt waren, ein. Dr. A. brachte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.12.2005 eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung des Hüftgelenks und eine Arthrose (Teil-GdB 10) sowie Schwindel und Gleichgewichtsstörungen (Teil-GdB 10) in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB mit 30. Nicht zu berücksichtigen seien die Gesundheitsstörungen Bluthochdruck, Gleichgewichtsstörungen, Migräne, Hämorrhoiden und Schwindel. Eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit bestehe. Hierauf gestützt lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag mit Bescheid vom 21.12.2005 ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 27.12.2005 Widerspruch ein. Dr. K. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.02.2006 aus, an der bisherigen Stellungnahme sei festzuhalten. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2006 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27.03.2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG).

Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte des Dr. F. vom 30.10.2006, der den Arztbrief des Prof. Dr. U. vom Städtischen Klinikum K. vom 19.07.2001 beifügte, des Urologen Dr. Sch. vom 01.11.2006, des Dr. T. vom 08.11.2006, der einen Auszug über die medizinischen Daten sowie den Arztbrief des Radiologen K. vom 14.07.2005 beifügte, des Arztes für Allgemeinmedizin und Phlebologie Dr. M.-B. vom 09.11.2006, welcher seinen Arztbrief vom 11.05.2006 beifügte, der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. Sch. vom 09.11.2006 sowie des Dr. K. vom 16.11.2006, welcher seinen Arztbrief vom 28.11.2005 und die Arztbriefe von Dr. Sch. vom 01.12.2000, der Fachärztin für Neurologie Dr. M. vom 07.07.2005, von Dr. M. vom Städtischen Klinikum K. vom 10.07.2005 sowie des Hautarztes und Allergologen Dr. B. vom 24.08.2006 beifügte, ein und zog die Akten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bei. Unter Würdigung dieser Unterlagen brachte Dr. W. in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.02.2007 zusätzlich eine Harninkontinenz (Teil-GdB 10) sowie eine Sehminderung beidseitig und eine eingepflanzte Kunstlinse links (Teil-GdB 10) als Behinderungen in Ansatz und bewertete des Gesamt-GdB weiterhin mit 30.

Sodann holte das SG das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Sch. vom 19.04.2007 ein. Dieser führte aus, an der Wirbelsäule lägen im Lendenabschnitt ausgeprägte ostheochondrotisch-degenerative Veränderungen vor, die sich teilweise auf der Grundlage einer Skoliose verstärkt entwickelt hätten. An der Brustwirbelsäule lägen nur leichte spondylotische Veränderungen vor. Dagegen seien an der Halswirbelsäule ausgeprägte ostheochondrotische Veränderungen zu registrieren. Die degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule überstiegen deutlich ein dem Alter nach zu erwartendes Ausmaß. Sie verursachten eine entsprechend ausgeprägte Einschränkung der Beweglichkeit. Neurologische Ausfallserscheinungen lägen jedoch nicht vor. Außerdem sei eine komplette Ruptur der Supraspinatussehne als wesentlicher Teil der Rotatorenmanschette nachgewiesen, was zu einer Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk geführt habe. Diese sei zwar weniger stark ausgeprägt. Da diese Bewegungsstörung an einer oberen Extremität vorliege und kein Zusammenhang mit den Wirbelsäulenveränderungen bestehe, sei sie als eigenständige Behinderung anzuerkennen. An den Hüftgelenken bestehe eine leichte Arthrose mit einer leichten Bewegungseinschränkung. Das Crampus-Syndrom der Hände erreiche nicht das Ausmaß einer Behinderung. Insgesamt brachte Dr. Sch. eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und degenerative Veränderungen (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks bei einer Ruptur der Supraspinatussehne (Teil-GdB 10), eine Funktionsbehinderung der Hüftgelenke und eine Arthrose (Teil-GdB 10), Schwindel und Gleichgewichtsstörungen (Teil-GdB 10), eine Harninkontinenz (Teil-GdB 10) sowie eine Sehminderung beidseits und eine eingepflanzte Kunstlinse links (Teil-GdB 10) als Behinderungen in Ansatz und bewertete den Gesamt-GdB mit 40.

Dieser Einschätzung schloss sich Dr. W. in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.08.2007 an, so dass der Beklagte unter dem 09.08.2007 ein entsprechendes Vergleichsangebot unterbreitete, welches die Klägerin jedoch nicht annahm.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.05.2008 hob das SG den Bescheid vom 21.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.03.2006 auf, stellte den GdB mit 40 ab 05.07.2005 fest und wies die Klage im Übrigen ab. Das SG stützte sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. Sch. vom 19.04.2007.

Gegen den ihr am 24.06.2008 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 01.07.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, für die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, die Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke und die Harninkontinenz sei jeweils ein Teil-GdB von 20 angemessen und zusätzlich sei für das Crampus-Syndrom ein Teil-GdB von 10 zu berücksichtigen, so dass der Gesamt-GdB 50 betrage und der Nachteilsausgleich G anzuerkennen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2008 und den Bescheid vom 21.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den GdB seit 05.07.2005 mit zumindest 50 und das Merkzeichen G festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Gesamt-GdB der Klägerin sei mit 40 angemessen bewertet. Die Klägerin habe keine neuen Tatsachen beziehungsweise ärztlich begründeten Argumente vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 23.05.2008 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 40.

Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Behinderung liegt nur vor, wenn eine dauerhafte Änderung des Gesundheitszustands zu einer Änderung des GdB um wenigstens 10 führt.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.

Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, Nr. 19 Abs. 1, S. 24; VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, Nr. 19 Abs. 3, S. 25; VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, Nr. 19 Abs. 4, S. 26; VG Teil A Nr. 3 d ee).

Vorliegend ist nur insoweit eine wesentliche Änderung der für die Höhe des GdB maßgeblichen Verhältnisse seit dem Bescheid vom 22.06.2001 eingetreten, als der GdB von 30 auf 40 heraufzusetzen war. Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB hat die Klägerin nicht.

Im Vordergrund stehen die Funktionsbehinderungen auf orthopädischem Fachgebiet. Diese wurden ausreichend durch das Gutachten von Dr. Sch. vom 19.04.2007 abgeklärt.

Danach liegen bei der Klägerin hinsichtlich der Wirbelsäule im Bereich der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule deutliche, das dem Alter nach zu erwartende Ausmaß übersteigende ausgeprägte osteochondrotische Veränderungen sowie in der Brustwirbelsäule leichte spondylotische Veränderungen vor. Bei diesen degenerativen Veränderungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich handelt es sich im Sinne der AHP, Nr. 26.18, S. 116; VG Teil B Nr. 18.9, S. 90 um mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, für die ein Teil-GdB-Rahmen von 30 bis 40 eröffnet ist. Der Senat hat angesichts der gutachterlichen Bewertung keine Anhaltspunkte, diesen GdB-Rahmen nach oben auszuschöpfen und hält daher einen Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden für angemessen.

Außerdem leidet die Klägerin an einer leichten Arthrose mit einer leichten Bewegungseinschränkung in den Hüftgelenken. Nach den AHP Nr. 26.18, S. 124; VG Teil B Nr. 18.14, S. 98 ist bei einer Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig ein Teil-GdB von 10 bis 20 und beidseitig ein Teil-GdB von 20-30 vorgesehen. Die Klägerin hat aber bei der gutachterlichen Untersuchung eine Beugung beidseits bis 120 Grad erreicht. Eine relevante Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ist im Gutachten nicht dargelegt. Mithin bedingt die bei der Klägerin vorliegende leichte Bewegungseinschränkung keinen höheren Teil-GdB als 10.

Schließlich leidet die Klägerin an einer Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk. Allerdings hat Dr. Sch. eine Vorhebung bis 120 Grad befundet. Die AHP Nr. 26.18, S. 119; VG Teil B Nr. 18.14, S. 98 sehen erst ab einer nur bis 90 Grad möglichen Armhebung und bei entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen Teil-GdB von 20 vor. Mithin ist die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk mit einem Teil-GdB von 10 angemessen bewertet. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung auf erhebliche Schmerzen im Bereich der Schulter hingewiesen hat, kann dies nach dem Gutachten von Dr. Sch. so nicht nachvollzogen werden. Auf Seite 2 des Gutachtens ist vielmehr ausgeführt, im Anschluss an den die Schulterproblematik auslösenden Sturz hätten starke Schmerzen bestanden. Seitdem könne die Klägerin den rechten Arm nicht mehr normal bewegen. Vom Fortbestehen starker Schmerzen ist nicht die Rede. Übliche Schmerzen, die mit einer eingeschränkten Schulterbeweglichkeit einhergehen, sind in dem Teil-GdB von 10 bereits berücksichtigt.

Nach Ansicht des Senats kommt ein eigenständiger Teil-GdB von 10 für die Funktionsbeeinträchtigung der Hände nicht in Betracht. Nach dem Gutachten von Dr. Sch. erreicht das Crampus-Syndrom der Hände nicht das Ausmaß einer Behinderung mit einem GdB von 10. Diese Bewertung ist vor dem Hintergrund der Angabe der Klägerin, besonders an der rechten Hand seien mehrmals krampfartige Beschwerden aufgetreten, nachvollziehbar. Eine Behinderung kann nur angenommen werden, wenn ein dauerhafter Zustand vorliegt. Zwar geht aus dem Arztbrief von Dr. M. vom 07.07.2005 hervor, die Klägerin habe damals angegeben, vier- bis fünfmal die Woche Krämpfe in den Händen zu haben. Allerdings fällt insoweit auf, dass die Klägerin sich der von Dr. M. weiter vorgeschlagenen Diagnostik nicht unterzogen hat. Daher sprechen die überwiegenden Gesichtspunkte dafür, dass keine durchgängige starke Symptomatik vorliegt.

Ansonsten leidet die Klägerin an einer Harninkontinenz, die mit einem Teil-GdB von 10 angemessen bewertet ist. Denn nach den AHP Nr. 26.12, S. 91; VG Teil B Nr. 12.2.4, S. 67 ist für eine Harninkontinenz ein höherer Teil-GdB erst möglich, wenn ein Harnabgang tags und nachts vorliegt, wofür es aber aus den Unterlagen keinen Anhaltspunkt gibt.

Hinzu kommen sowohl für den Schwindel und die Gleichgewichtstörungen als auch die Sehminderung beidseits mit eingepflanzter Kunstlinse links ein Teil-GdB von 10.

Nach den oben dargelegten Grundsätzen ergibt sich aus den Teil-GdB-Werten von 30 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, von 10 für die Funktionsbehinderung der Schulter, von 10 für die Funktionsbehinderung der Hüftgelenke, von 10 für die Harninkontinenz, von 10 für den Schwindel und die Gleichgewichtsstörung und von 10 für Sehminderung beidseits mit eingepflanzter Kunstlinse ein Gesamt-GdB von 40.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung, bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung (AHP, Nr. 19 Abs. 2; VG Teil A Nr. 3 b, S. 10). Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen der Klägerin nicht.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung des Merkzeichens G. Dieses kommt nämlich nur für schwerbehinderte Menschen in Betracht (vgl. § 145 Abs. 1 SGB IX). Menschen sind im Sinne des Teils 2 des SGB IX nur dann schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Dies ist bei der Klägerin wie dargelegt nicht der Fall.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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