L 11 R 3947/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 751/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3947/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1958 geborene Kläger war nach seiner Umschulung zum Industriemechaniker im Jahr 2001 bis einschließlich 6. April 2003 als Monteur von C.-Maschinen versicherungspflichtig beschäftigt. Im März 2003 erkrankte er an einer dilatativen Kardiomyopathie nach vorangegangenem Alkoholismus. Nach Bezug von Krankengeld erhielt der Kläger bis Februar 2006 Arbeitslosengeld, seitdem Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). In der Zeit vom 25. April 2000 bis 24. April 2005 wurden mehr als 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als 5 Jahren vorhanden (vgl. Versicherungsverlauf vom 29. Juli 2005).

Vom 03. bis 24. Juni 2004 führte der Kläger ein stationäres Heilverfahren in der Reha-Klinik H. durch, aus dem er als arbeitsfähig entlassen wurde (Diagnosen: 1. Dilatative Kardiomyopathie bei mittel- bis hochgradig eingeschränkter LV-Funktion, 2. Freie Koronararterien, 3. Diabetes mellitus Typ IIb, 4. Hyperlipoproteinämie und 5. Adipositas). Der Kläger könne nur noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Arbeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr verrichten.

Seinen am 25. April 2005 gestellten Antrag auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 2005 nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. D. ab, nachdem er dreimal zu den vorgeschlagenen Terminen zur Untersuchung beim sozialmedizinischen Dienst der Beklagten nicht erschienen war.

Zur Begründung seines dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, er leide an einem schweren Herzfehler und einem Bandscheibenvorfall. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine internistische Begutachtung des Klägers. Dr. D. ergänzte die aus dem Bericht der Reha-Klinik H. bekannten Diagnosen um ein chronisch rezidivierendes degeneratives Wirbelsäulensyndrom, z. T. zerviko-brachial linksbetont, z. T. lumbo-ischialgiform linksbetont, mit im MRT-nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen sowie chronischen Alkoholmissbrauch. Eine Ausschöpfung therapeutischer Möglichkeiten (medikamentös, anhaltende Alkoholkarenz, Einstellung des Diabetes mellitus) empfehle sich. Das Leistungsvermögen sei auf dem qualitativen Sektor deutlich beeinträchtigt. Der Kläger könne aber noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken oder in Zwangshaltungen der Wirbelsäule sechs Stunden und mehr wie seinen Umschulungsberuf verrichten. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2006 als unbegründet zurück. Der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wie seinen zuletzt ausgeübten Beruf verrichten.

Zur Begründung seiner dagegen am 3. März 2006 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger auf seine Beschwerden am linken Arm mit einem pelzigen Gefühl am 4. und 5. Finger der linken Hand verwiesen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und den Kläger anschließend internistisch von Amts wegen und auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtgesetz (SGG) begutachten lassen.

Der Orthopäde Dr. S. hat berichtet, dass er den Kläger seit Februar 2004 nicht mehr behandelt habe und deswegen zum aktuellen Gesundheitszustand nichts beitragen könne. Diese Auskunft hat auch der Neurologe und Psychiater Dr. W. erteilt, der den Kläger zuletzt am 20. Dezember 2002 gesehen hatte. Der Allgemeinmediziner Dr. B. hat berichtet, dass der Kläger aufgrund der dilatativen Kardiomyopathie mit hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion nur minimal kardial belastbar sei. Die Bandscheibenvorfälle führten zu rezidivierenden Cervicocephalgien und -brachialgien sowie zu Lumboischialgien. Der Diabetes sei unter oralen Antidiabetika gut kompensiert. Insgesamt seien dem Kläger nur noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung höchstens 3 Stunden zumutbar.

Der internistische Sachverständige Dr. R. hat den Kläger noch für in der Lage erachtet, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden pro Tag überwiegend im Sitzen mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg unter Vermeidung von ständigem Bücken, Treppensteigen, ausdauernder Zwangshaltung, Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sowie längerer Überkopfarbeiten, Arbeiten an gefährdenden Maschinen, Nachtschichtarbeiten, Arbeiten in Nässe und Kälte und unter besonderer geistiger Beanspruchung durchzuführen. Wegen des Enddarmleidens mit teilweise dranghaften Stuhlbeschwerden sollte eine Toilette erreichbar sein. Der Kläger leide an einer dilatativen Kardiomyopathie ohne manifeste kardiopulmonale Insuffizienzzeichen, wobei er bei der Fahrradergometerbelastung eine Leistungsstufe von 100 Watt erreicht habe. Die hoch eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion habe sich somit zurückgebildet. Auch die diabetische Stoffwechsellage sei zur Zeit dekompensiert. Des Weiteren liege eine Adipositas Grad 1, eine Hyperlipidämie, eine Fettleber sowie ein Zustand nach Alkoholabusus vor. Weiterhin bestehe eine leichte restriktive Ventilationsstörung. Nach 3 Stunden sollte eine Pause von 20 Minuten bis zu einer halben Stunde möglich sein.

Der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. S. hat 1. eine Herzminderleistung bei bekannter Kardiomyopathie, 2. einen Diabetes mellitus II, insulinpflichtig, 3. ein Nebennierenadenom bei Ausschluss eines Morbus Cushing, 4. einen Verdacht auf ein Reizdarm-Syndrom, 5. eine Ferritin-Erniedrigung und 6. einen Verdacht auf wenig enzymaktive Fettleber bei Übergewichtigkeit ohne Hinweis auf überhöhten Alkoholkonsum diagnostiziert. Der Kläger könne somit noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten mit Absturzgefahr sowie erhöhter Verletzungsgefahr und Wechselschichten 8 Stunden und mehr verrichten, wobei betriebsunübliche Pausen trotz des insulinpflichtigen Diabetes mellitus nicht erforderlich seien.

Der Kläger hat daraufhin noch den Befundbericht des Kernspintomogramms vom 21. April 2007 (Prolaps L5/S1) sowie der Abteilung Innere Medizin III der Klinik der Universität H. vom 30. Mai 2007 (echokardiographisch mittelgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion bei Hypokinese aller Wandabschnitte, Mitralinsuffizienz I° und Aortenklappeninsuffizienz I°) vorgelegt.

Mit Urteil vom 11. Juli 2007, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 18. Juli 2007, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger könne als Industriemechaniker noch 6 Stunden täglich arbeiten und sei damit weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Die Herzerkrankung habe noch zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des kardio-pulmonalen Systems geführt, denn eine relevante Pumpfunktionsstörung der linken Herzkammer sei insbesondere nach dem Gutachten von Dr. S. auszuschließen. Der Kläger sei auch auf dem Laufband bis 181 Watt belastbar gewesen, ohne dass kardio-pulmonale Erschöpfungszeichen aufgetreten wären. Auch anlässlich der von Dr. R. durchgeführten fahrradergometrischen Belastung seien auf der 100-Watt-Stufe keine Herzbeschwerden aufgetreten. Ein ähnlich gutes Ergebnis habe das Belastungs-EKG der Abteilung Innere Medizin III der Klinik der Universität H. am 30. Mai 2007 erbracht, wo bei einer Belastung bis 125 Watt keine signifikanten Kammerendteilveränderungen aufgetreten seien, ohne dass die Ausbelastungsfrequenz habe erreicht werden können. Auch die angegebene "progrediente Dyspnoe" sei nicht als wesentliche Einschränkung der Lungenfunktion objektivierbar, welches sich aus dem Befundbericht des Arztes für Lungenheilkunde Dr. B. vom 12. April 2007 ergebe. Die Diabeteserkrankung sei bei einem HbA 1 c von 6,6% gut eingestellt. Auch die damit einhergehenden Erschwernisse hinderten den Kläger nicht an einer Berufstätigkeit. Er müsse sich nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zwar zweimal täglich Insulin spritzen und fünfmal täglich Messungen des Blutzuckers durchführen, derartige kurze Unterbrechungen der Arbeitszeit seien aber ohne weiteres möglich. Das degenerative Wirbelsäulensyndrom mit einer leichtgradigen Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule und einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit zeitweiliger pseudoradikulärer Symptomatik schränke den Kläger nur qualitativ ein. Arbeitsplätze, die nicht vorwiegend eine stehende oder gehende Körperhaltung erforderten, seien im Bereich des Industriemechanikers vorhanden, z.B. in der Fachrichtung Geräte- oder Feinwerktechnik. Insoweit könne die abweichende Einschätzung des behandelnden Allgemeinarztes Dr. B. nicht überzeugen. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass Dr. B. selbst keine fachorthopädische Behandlung veranlasst habe, wie sich dies auch aus dem Zeugnis des behandelnden Orthopäden Dr. S. ergeben habe. Der vorgelegte Kernspintomographiebefund ergebe ebenfalls keinen Nachweis für eine wesentliche Beeinträchtigung durch den Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule, denn der lumbale Spinalkanal werde nicht eingeengt und auch die Nervenaustrittsstellen im Bereich L5/S1 wiesen lediglich leichte Einengungen auf. Der Neurologe und Psychiater Dr. D. habe zwar hierzu angegeben, dass der Kläger über vorübergehende Gefühlsstörungen am linken Fuß und am linken Bein berichtet habe, die aber einer Tätigkeit im Sitzen nicht entgegenstünden. Die Sensibilitätsstörungen am 4. und 5. Finger links hätten sich seit der Operation 2006 deutlich gebessert, wie dies der Kläger auch Dr. R. gegenüber angegeben habe. Das chronische Hämorroidialleiden mit teilweise dranghaften Stuhlgangsbeschwerden begründe lediglich, dass am Arbeitsplatz des Klägers eine Toilette in erreichbarer Nähe sein müsse. Fabrikarbeitsplätze erfüllten im Allgemeinen diese Anforderungen.

Zur Begründung seiner dagegen am 10. August 2007 eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, seine Ehefrau könne bestätigen, dass er an Luftnot und akuten Schmerzzuständen leide. Er habe sich nur deswegen nicht in weitere orthopädische Behandlung begeben, weil sich sein Gesundheitszustand ohnehin nicht bessern lasse. Er habe auch schon zweimal eine Analfisteloperation durchführen müssen. Außerdem sei es zu einer Depression aufgrund der ständigen Schmerzzustände gekommen Sein Grad der Behinderung betrage mittlerweile 80 (Bescheid vom 18. September 2007).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Juli 2007 sowie den Bescheid vom 29. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat eine Auskunft bei dem Universitätsklinikum H. eingeholt und den Kläger anschließend nervenärztlich von Amts wegen und nach § 109 SGG begutachten lassen.

Dr. S. hat über eine deutliche Verschlechterung der chronisch rezidivierenden Lumbalrückenschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein berichtet, so dass grundsätzlich die Indikation für eine lumbo-sakrale Bandscheibenoperation gegeben sei. Gegenwärtig müsse der Kläger Tätigkeiten mit längeren Gehstrecken oder Hebetraumen sowie Zwangshaltungen vermeiden. Eine hochgradige Parese sei nicht nachweisbar. Die Beineigenreflexe seien bis auf einen abgeschwächten ASR rechtsseitig beidseitig erhältlich. Blasen- und Darmfunktionen seien intakt.

Der Kläger hat einen Befundbericht der Chirurgin des End- und Dickdarmzentrums M. Dr. S. vorgelegt, wonach der Kläger zur proktologischen Beurteilung auch im Rahmen eines Rentenantrags erschienen sei und die Proktoskopie im Wesentlichen ohne Befund gewesen wäre. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums H. (Prof. Dr. S.) hat das Hydro-MRT-Colon keinen Hinweis für das Vorliegen eines Morbus Crohn gegeben, vielmehr sei am ehesten vom Vorliegen eines Reizdarmsyndroms auszugehen. Die orthopädische Universitätsklinik H. hat eine chronische Lumboischialgie beidseits beschrieben. Der Kläger habe ein flüssiges Gangbild gezeigt. Die differenzierten Gang- und Standarten hätten beidseitig demonstriert werden können. Zehenspitzen- und Fersenstand seien ihm möglich gewesen, auch die Einnahme der tiefen Hocke. Schulter- und Beckengradstand habe vorgelegen. Die Wirbelsäule stehe im Lot. Die neurologische Untersuchung sei unauffällig gewesen.

Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme von Med. D ... L. vorgelegt, wonach es sich tatsächlich um ein Reizdarmsyndrom handele, welches üblicherweise durch die diätischen Maßnahmen oder symptomatische medikamentöse Behandlung zu behandeln sei und grundsätzlich die Leistungsfähigkeit nicht einenge. Der Kläger müsse eine Toilette auch außerhalb der üblichen Arbeitspausen aufsuchen können. Spezielle betriebsunübliche Pausen seien deswegen aber nicht erforderlich.

Der Psychiater B. hat über eine rezidivierende depressive Störung mit Somatisierung, einer Angststörung sowie einer Anpassungsstörung mittlerer Ausprägung berichtet. Der Kläger könne deswegen seiner Einschätzung nach weder als Industriemechaniker noch in irgend einer anderen Betätigungsform unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden oder mehr arbeiten.

Der Kläger hat hierauf eine weitere Bescheinigung der Orthopädin Dr. M. zu den Akten gereicht, wonach sie den Kläger nicht für in der Lage erachtet hat, schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Er stünde bei ihr aufgrund der chronischen Lumboischialgien links in orthopädischer Behandlung.

Der Sachverständige Dr. H. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten ausgeführt, dass die geklagten Rückenschmerzen im Bereich der Wirbelsäule im Rahmen von Abnutzungserscheinungen zu werten seien. Die Muskeleigenreflexe an den Armen und Beinen seien seitengleich auslösbar gewesen. Lähmungserscheinungen, Muskelatrophien oder trophische Störungen an den Extremitäten hätten sich nicht nachweisen lassen. Die angegebene Minderung der Oberflächensensibilität im Bereich des linken Armes und des linken Beines ließe sich keinem zentralen oder peripheren Verteilungsmuster zuordnen. Eine funktionelle Beeinträchtigung ergebe sich daraus nicht. Der Kläger leide daher im Wesentlichen an einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des cardiovaskulären Systems, die durch das Ausmaß der vorliegenden Herzerkrankung allein nicht erklärt werden könne. Die diagnostischen Leitlinien für das Vorliegen einer depressiven Erkrankung oder einer Angststörung im engeren Sinne hätten sich dagegen nicht ergeben. Der Kläger könne daher noch leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr unter Vermeidung von einseitiger Körperhaltung sowie dem Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in Zwangshaltungen oder verbunden mit Heben und Bücken, mit einer erhöhten Verantwortung oder besonderen geistigen Beanspruchung, Tätigkeiten unter Zeitdruck mit erhöhtem Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie Erfordernis der Überwachung von komplexeren Arbeitsvorgängen verrichten.

Der Kläger hat hierauf vorgetragen, dass ihn der Sachverständige nur 5 Minuten gesehen habe. Sämtliche Untersuchungen und weitere Gespräche seien von der Ärztin J. durchgeführt worden. Das Gutachten werde seiner gesundheitlichen Situation nicht gerecht und sei ungenau.

Der nach § 109 SGG daraufhin gehörte Sachverständige Dr. R. hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Dythymia beschrieben. Der Kläger könne damit noch leichten körperlichen Tätigkeiten mindestens sechs Stunden nachgehen, was auch durch die Analyse der Alltagsaktivitäten belegt werde. Sowohl das unbeobachtete Gangbild als auch die Spontanmotorik wie das An- und Auskleiden wiesen darauf hin, dass der Kläger noch über einen flüssigen Bewegungsablauf verfüge und nur wenig entlastende Körperbewegungen vornehmen müsse. Es bestünden zwar Einschränkungen in Bezug auf den Schlaf, die Tätigkeiten im Haushalt, die Hobbys, die sozialen Aktivitäten, den Sport, den Urlaub und das Autofahren, diese hätten aber keinen schwereren Ausprägungsgrad erreicht, so dass nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung der quantitativen Leistungsfähigkeit auszugehen sei. Der Kläger müsse Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Akkord- und Nachtarbeit ebenso wie Schichtarbeiten oder Fließbandtätigkeiten, überwiegende und dauernde Zwangshaltungen, Arbeiten in Kälte, unter Wärmeeinfluss und unter Einwirkung von Staub, Gas, Dämpfen und Nässen sowie ungünstige Witterungsbedingungen vermeiden. Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten sollten nicht durchgeführt werden. Ein beruflich notwendiger Kontakt mit Alkohol sollte auch vermieden werden. Sonstige geistige Beanspruchung mit erhöhter oder hoher Verantwortung seien nicht mehr zumutbar.

Der Kläger hat noch einen weiteren Befundbericht des Neurologen und Psychiaters S. vorgelegt, wonach sich die Depressionen trotz kontinuierlicher medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung nicht entscheidend habe beeinflussen lassen. Darüber hinaus bestünden ausgeprägte degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates sowie ein Diabetes mellitus mit einer diabetischen Polyneuropathie. Die medikamentöse Behandlung mit Cipralex 20 mg werde unverändert fortgesetzt.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass aufgrund des Berichts des Universitätsklinikums H. lediglich eine körperlich anstrengende Tätigkeit ausgeschlossen sei. Den zahlreichen qualitativen Einschränkungen sei durch die Begrenzung auf leichte Arbeiten ausreichend Rechnung getragen, so dass eine Benennungspflicht nicht bestehe. Witterungseinflüssen könne durch Tragen geeigneter Kleidung begegnet werden. Der Nervenarzt S. stütze sich offenkundig nur auf die subjektiven Angaben des Klägers.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind nicht erfüllt. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Senat weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie es sich aus dem vorgelegten Versicherungsverlauf vom 11. Februar 2008 ergibt. Dass bereits die vom SG durchgeführte Beweisaufnahme den klägerischen Anspruch nicht trägt, hat das SG ausführlich begründet dargelegt. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren führen zu keinem anderen Ergebnis. Beide Sachverständigengutachten von Dr. H. und Dr. R. haben bestätigt, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr unter Berücksichtigung der eingangs dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten kann.

Soweit der Kläger hinsichtlich des Gutachtens von Dr. H. bemängelt hat, dass ihn dieser nur fünf Minuten gesehen habe, so entwertet dies nicht die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen, zumal Untersuchungen und Gespräche von der Ärztin J. vorausgegangen sind und auch der Sachverständige Dr. R. im Wesentlichen zu einem gleichen Ergebnis gelangt ist. Zu der Frage, in welchem Umfang ein vom Gericht bestellter Sachverständiger bei der Erstellung des Gutachtens auf die Mitarbeit anderer sachkundiger Personen zurückgreifen darf und wie sich Verstöße gegen die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben auf die Verwertbarkeit des Gutachtens auswirken, hat sich der 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in zwei Beschlüssen vom 18. September 2003 (SozR 4-1750 § 407a Nr. 1) und vom 15. Juli 2004 (SozR 4-1750 § 407a Nr. 2) zusammenfassend geäußert. Danach ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit - mit der Folge der Unverwertbarkeit des Gutachtens - überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit eines weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen. Dies hat der Kläger nicht vorgetragen. Der 9. Senat des BSG hat in dem Beschluss vom 18. September 2003 - B 9 VU 2/03 B - zwar im Fall einer psychiatrischen Begutachtung wegen der Besonderheiten dieses Fachgebiets die persönliche Begegnung des Sachverständigen mit dem Probanden unter Einschluss eines explorierenden Gesprächs als unverzichtbar für die eigene verantwortliche Urteilsbildung angesehen. Dies hat aber der Sachverständige H. wahrgenommen. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (zu alledem: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl. 2005, III. Kapitel RdNr. 65/66; Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 118 RdNr. 11g m.w.N.).

Beide im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige haben auf psychiatrischen Gebiet eine somatoforme Schmerzstörung mit einer Dythymia beschrieben, die aber noch nicht einen solchen Grad erreicht hat, dass hierdurch das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht limitiert wird. Hiergegen spricht auch zur Überzeugung des Senats die Analyse seiner Alltagsaktivitäten. Die vom Kläger beklagten gesundheitlichen Einschränkungen haben in Bezug auf Schlaf, Tätigkeiten im Haushalt, Hobbys, soziale Aktivitäten, Sport, Urlaub und Autofahren keinen schweren Ausprägungsgrad erreicht. Sein Freizeitverhalten lässt sich mit dem Vorliegen eines vollschichtigen Leistungsvermögens bei Berücksichtigung bestehender qualitativer Leistungseinschränkungen in Einklang bringen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 11. November 2008, L 11 R 3387/08) wird nämlich der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Ausgehend hiervon kann nicht von einer schwerwiegenden Schmerzerkrankung bei dem Kläger gesprochen werden.

Die Richtigkeit dieser Beurteilung wird durch die Einschätzung des Psychiaters B. und des behandelnden Neurologen und Psychiaters S. nicht widerlegt. Der Psychiater B. hat sich auf die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung gestützt. Diese Diagnose konnte im Verlauf der Begutachtung nicht verifiziert werden. Vielmehr ist vom Vorliegen einer Dythymia auszugehen. Ob die Dythymia gegenwärtig als Behandlung zugänglich ist, ist ebenfalls nicht streitentscheidend. Maßgeblich sind allein die Funktionseinschränkungen, die aus einer Erkrankung resultieren, nicht hingegen ihre Behandlungsbedürftigkeit.

Nachdem es weiter im Bereich der Wirbelsäule nicht zu neurologischen Ausfallerscheinungen gekommen ist, vielmehr die Muskeleigenreflexe an Armen und Beinen seitengleich auslösbar waren, Lähmungserscheinungen, Muskelatrophien oder trophische Störungen an den Extremitäten sich nicht nachweisen ließen, auch die Minderung der Oberflächensensibilität im Bereich des linken Armes und des linken Beines sich keinen zentralen oder peripheren Verteilungsmuster zuordnen ließ, folgt daraus keine funktionelle Beeinträchtigung. Es mag daher zwar sein, dass eine Indikation für eine lumbosakrale Bandscheibenoperation besteht, wie dies Dr. S. beschrieben hat, diese limitiert aber das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht nicht.

Durch die Untersuchung des Universitätsklinikums H. konnte auch das Vorliegen eines Morbus Chron ausgeschlossen werden. Prof. Dr. S. hat zu Rechts darauf hingewiesen, dass allenfalls von einem Reizdarmsyndrom auszugehen ist.

Der Kläger ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit, denn er kann nach Einschätzung des Sachverständigen noch seinen bisherigen Beruf als Industriemechaniker verrichten. Insofern teilt der Senat die Einschätzung des SG, dass er noch in der Geräte- und Feinwerktechnik einsetzbar ist, weil dies eine leichte körperliche Tätigkeit ist, die er mit seinem Restleistungsvermögen noch sechs Stunden und mehr ausüben kann (vgl. auch Urteil des LSG Saarland vom 19. Mai 2005 - L 4 VW 30/03). Hierbei handelt es sich um eine Spezialisierung des Industriemechanikers auf die Herstellung feinwerktechnischer Produkte, mithin ebenso um einen Facharbeiterberuf. Die Tätigkeit ist daher sozial zumutbar. Sie entspricht auch dem eingangs dargestellten körperlichen Leistungsvermögen, wird nämlich überwiegend im Sitzen bei ansonsten frei wählbarer Körperhaltung ausgeführt. Schwere Maschinenteile werden mit Hubzügen transportiert und Roboter legen die Werkteile in die Maschinen ein, so dass auch dem eingeschränkten Vermögen des Klägers, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg zu verrichten, Rechnung getragen wird.

Die Berufung des Klägers konnte demnach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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