Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2174/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 6227/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob und für welchen Zeitraum dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht.
Der 1958 geborene Kläger erlernte von 1973 bis 1976 den Beruf des Einzelhandelskaufmanns und machte von 1979 bis 1982 eine Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher. In diesem Beruf arbeitete er mehrere Jahre. Das Arbeitsverhältnis mit dem Berufsbildungswerk endete durch eine vom Arbeitgeber zum 30. Juni 2004 ausgesprochene Kündigung.
Nach jahrelangem Alkohol- und Drogenkonsum bewilligte ihm die Beklagte auf einen Antrag vom 22. März 1996 als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation eine stationäre Entwöhnungsbehandlung, die der Kläger vom 6. August bis 6. Dezember 1996 in den Kliniken W. durchführte. Im ärztlichen Entlassungsbericht ging die Klinik aufgrund des geschilderten Behandlungsverlaufs und der langen Suchtgeschichte von einer eher ungünstigen Prognose hinsichtlich einer dauerhaften Suchtmittelabstinenz aus. Anschließend war der Kläger eigenen Angaben zufolge eine zeitlang abstinent, wurde später allerdings wieder rückfällig. Eine von der Beklagten erneut bewilligte Entwöhnungsbehandlung, die er am 28. Januar 2000 in der E.-W.-Klink antrat, brach er am 19. Februar 2000 gegen ärztlichen und therapeutischen Rat wieder ab. Anschließend bezog der Kläger bis Mai 2003 Arbeitslosenhilfe.
Am 23. Mai 2003 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. untersuchen und begutachten. In ihrem auf einer klinischen Untersuchung am 27. Oktober 2003 basierenden Gutachten kam die Ärztin zu dem Ergebnis, der Kläger sei wegen einer Polytoxikomanie (Mehrfachabhängigkeit) für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Jugend- und Heimerzieher nicht mehr geeignet. Er sei ferner nicht mehr geeignet für Arbeiten mit Anforderungen an Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Akkordarbeiten. Es könnten keine Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr und häufig wechselnden Arbeitszeiten ausgeführt werden. Für eine leichte körperliche Tätigkeit mit Berücksichtigung der genannten Einschränkungen sei der Kläger über 6 Stunden täglich arbeitsfähig. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aufgrund eines am 23. Mai 2003 eingetretenen Leistungsfalles für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 30. April 2006.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 5. Januar 2004 Widerspruch ein. Unter Berücksichtigung der von Dr. E. genannten Leistungseinschränkungen sei schwer nachvollziehbar, inwieweit er überhaupt noch für leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen solle. Selbst einfache Tätigkeiten als Verpacker dürften ihm nicht mehr zugemutet werden können, da er sich auch bei diesen Tätigkeiten auf Arbeitsinhalte konzentrieren müsse und solche Tätigkeiten überwiegend im Akkord abverlangt würden. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. aus, nach dem Entlassungsbericht der Kliniken W. könne ein Leistungsfall für die aufgehobene Leistungsfähigkeit im Beruf des Erziehers ab August 1996 gesehen werden. Seit der wohl ersten Krankschreibung 1995 sei es dem Kläger nachvollziehbar nicht gelungen, im Rahmen seiner Suchterkrankung in einem sozialen Beruf tätig zu werden. Gleichwohl könne aufgrund des Gutachtens von Dr. E. eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Hilfstätigkeiten unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen weiterhin abverlangt werden. Mit Bescheid vom 24. November 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer aufgrund eines am 6. August 1996 eingetretenen Leistungsfalles für die Zeit ab 20. Februar 2000. Sie führte u. a. aus, als Rentenantrag gelte der am 22. März 1996 gestellte Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Rente beginne am 20. Februar 2000, weil bis dahin ein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Am 17. Mai 2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben, das sich mit Beschluss vom 11. Juli 2005 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen hat. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten von Dr. R., Oberarzt am Klinikum a. W. in W., vom 28. April 2006 eingeholt. In diesem Gutachten, das auf einer körperlichen Untersuchung des Klägers am 16. Februar 2006 beruht, führte der Sachverständige aus, der Kläger könne trotz der bestehenden Mehrfachabhängigkeit leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang bis zu 6 Stunden täglich verrichten. Die Leistungsfähigkeit erschließe sich z. B. über die verschiedenen Tätigkeiten, die der Kläger derzeit ausübe, das seien zum einem das Dealen, das Vermieten vom Werkzeugen, Gelegenheitsarbeiten wie z. B. das Abbauen von Glaselementen sowie das Renovieren seiner drei Häuser. In diesem Umfang sei die Leistungsfähigkeit des Klägers seit etwa 2000 gemindert. Der Kläger äußerte sich mit Schreiben vom 13. Juli 2006 (Bl. 120 der SG-Akten) zu dem Gutachten. Er führte aus, er habe den Sachverständigen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht deale. Wie dieser dazu komme, genau das Gegenteil zu behaupten, sei ihm unverständlich. Er verwahre sich nachdrücklich gegen diese Unterstellung. Auch könne er schon lange nicht mehr arbeiten, er vermittle lediglich zwischen einem Abrissunternehmen und entsprechenden Interessenten.
Mit Urteil vom 29. August 2006, dem Kläger zugestellt am 1. Dezember 2006, verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtene Bescheide, dem Kläger unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles am 28. April 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 30. Oktober 2009 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Wegen Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Vom 9. bis 11. Oktober 2006 befand sich der Kläger wegen (wiederholter) Darmbeschwerden in stationärer Behandlung, die er auf eigenen Wunsch nach abführenden Maßnahmen beschwerdefrei beendete (Bericht Dr. M., Chefarzt am Krankenhaus S., vom 12. Oktober 2006).
Am 4. Dezember 2006 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt, diese aber zunächst nicht weiter begründet.
Schließlich hat der Senat mit Schreiben vom 31. Juli 2007 eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. erbeten. Dieser hat mitgeteilt, im Verlauf seiner hausärztlichen Betreuung des Klägers seit 1994 könne dem Kläger wegen seiner Suchterkrankung ein zunehmender körperlicher und geistiger Verfall attestiert werden. Dies habe aus seiner Sicht zu einer seit 1995 bestehenden Arbeitsunfähigkeit für alle Arbeiten geführt. Dr. K. hat weitere ihm vorliegende Arztbriefe vorgelegt, die in Kopie zu den Gerichtsakten genommen worden sind. In einem dieser Befundberichte (Bl. 55 der LSG-Akte) berichtet der Facharzt für Innere Medizin Dr. K. über das Ergebnis einer am 11. Oktober 2005 beim Kläger durchgeführten Video-Koloskopie. Diese habe bis auf eine Kolondivertikulose (Ausstülpungen umschriebener Wandteile des Dickdarms) und Pseudopolypen (entzündliche Veränderung der Darmschleimhaut) an der Einmündungsstelle des Appendix (wurmförmige Ausstülpung am Anfang des Dickdarms) keinen weiteren krankhaften Befund ergeben. Aufgrund der Befundkonstellation werde dem Kläger eine optimale natürliche Stuhlregulierung empfohlen. Die anlässlich einer am 1. April 2005 ebenfalls von Dr. K. durchgeführten Koloskopie vorgenommene histologische Untersuchung hatte eine polypöse Schleimhautläsion an der Einmündungsstelle des Appendix ergeben, aber ohne Anhalt für Malignität (Befundbericht Prof. Dr. S. vom 5. April 2005, Bl. 62 der LSG-Akte).
Mit Rentenbescheid vom 27. November 2007 hat die Beklagte dem Kläger in Ausführung des Urteils des SG anstelle der bisherigen Rente eine bis 31. Oktober 2009 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. November 2006 gewährt.
In einem Erörterungstermin mit der früheren Berichterstatterin des Berufungsverfahrens ist der Rechtsstreit mit den Beteiligten besprochen worden; wegen der Einzelheiten wird auf die hierüber angefertigte Niederschrift (Bl. 116 bis 118 der LSG-Akte) verwiesen. Im Anschluss an diesen Erörterungstermin hat der Senat die Zeugenauskunft des Dr. D. vom 5. Juni 2008 (Bl. 136 bis 138 der LSG-Akte), Praxisnachfolger von Dr. J., eingeholt und von Dr. K. die Arztbriefe der O.-Klinik in R. vom 22. November 2007 und 30. November 2007 (Bl. 125 bis 129 der LSG-Akte). beigezogen. Daraus ist ersichtlich, dass der Kläger im Oktober 2007 wegen eines Dünndarmverschlusses bei Morbus Crohn hat operiert werden müssen.
Nach einem Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 19. September 2008, in dem darauf hingewiesen worden ist, dass das Urteil des SG - soweit die Klage abgewiesen worden ist - nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage als zutreffend erachtet werde, hat der Kläger die Berufung mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 begründet. Er ist der Ansicht, dass sich schon aus dem Gutachten des Dr. R. ergebe, dass ihm eine volle Erwerbsminderungsrente seit 2000 zustehe. Zumindest bestehe weiterer Aufklärungsbedarf, weshalb er die Einholung eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachtens beantrage.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 20. Februar 2000, hilfsweise Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 23. Mai 2003, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit bei Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ab 23. Mai 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG, soweit es die Klage im Übrigen abgewiesen hat, für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2009 hat sich der Kläger insbesondere auf das Gutachten des Dr. A., Arzt für Arbeitsmedizin, berufen, das dieser im Juni 2000 für das Arbeitsamt erstattet hatte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist, da nur der Kläger, nicht aber auch die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 20. Februar 2000 bis zum 31. Oktober 2006 anstelle der ihm für diesen Zeitraum bereits zugebilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
Maßgeblich für den erhobenen Anspruch auf Gewährung einer auf einem Leistungsfall im Jahre 1996 beruhenden Erwerbsunfähigkeitsrente sind gemäß § 302b Abs. 1 Satz 1 und 2 Sechstes Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch die Bestimmungen des SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.). Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und erwerbsunfähig sind. Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Nicht erwerbsunfähig ist nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI, wer eine Tätigkeit noch vollschichtig ausüben kann.
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger jedenfalls im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch in der Lage war, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig, d.h. 8 Stunden täglich an mindestens fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Dies folgt in erster Linie aus den Gutachten von Dr. E. und Dr. R ... Danach steht zwar fest, dass der Kläger an einer jahrzehntelangen Suchterkrankung in Form einer Mehrfachabhängigkeit leidet. Allein die Diagnose einer Suchterkrankung lässt jedoch nicht den Schluss auf das Vorliegen einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht zu. Schließlich war der Kläger trotz dieser Erkrankung jahrelang berufstätig. Maßgeblich ist auch bei einer Suchterkrankung, ob und in welchem Umfang es zu Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Funktionen gekommen ist. Aus diesem Grund folgt der Senat der im Gutachten des Dr. A. vom 15. Juni 2000 vertretenen Auffassung, wonach der Kläger weniger als 3 Stunden täglich leistungsfähig sein soll, nicht. Dr. A. hat seine Beurteilung nur auf den Drogenkonsum gestützt und im Übrigen zusammenfassend festgestellt, dass bei der Ganzkörperuntersuchung kein arbeitsrelevanter krankhafter Befund habe festgestellt werden können.
Für den Senat entscheidend ist daher zunächst der psychische Befund, den der gerichtliche Sachverständige Dr. R. erhoben hat. Danach bestanden beim Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen im Februar 2006 keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung und des Gedächtnisses und nur sehr leichte Störungen der Konzentration. Befürchtungen, Zwänge, Wahn, Sinnestäuschungen sowie Ich-Störungen waren vom Sachverständigen nicht zu eruieren. Der formale Gedankengang war beim Kläger leichtgradig eingeengt auf finanzielle Probleme und Berentung. Die Vitalgefühle waren nur leicht gestört. Der Kläger berichtete zwar über eine Deprimiertheit, ein solche konnte der Sachverständige aber in der - wie er es formulierte - "Fremdbeobachtung" nicht bestätigen. Antriebsarmut und innere Unruhe waren nur leicht vorhanden. Was auffiel, war eine fehlende Krankheitseinsicht. Bei der körperlichen Untersuchung waren die Reflexe normal auslösbar, Sensibilität und Motorik waren ebenso unauffällig wie Steh- und Gangversuche. Aus dem von Dr. R. erhobenen psychischen und physischen Befund ergibt sich, dass der Suchtmittelgebrauch beim Kläger jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt noch zu keinen nennenswerten körperlichen und geistigen Einschränkungen geführt hatte. Ein bloß unangepasstes, aber noch nicht pathologisches Sozialverhalten - der Kläger wirkte bei der Untersuchung ungepflegt - vermag eine Erwerbsunfähigkeit nicht zu begründen.
Die beim Kläger im Jahre 2007 aufgetretene Darmerkrankung, die operativ behandelt werden musste, lässt keine Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand im hier streitgegenständlichen Zeitraum zu. Die 2005 vorgenommenen Koloskopien führten nur zu der Empfehlung einer möglichst optimalen natürlichen Stuhlregulierung.
Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht lässt sich damit nicht begründen. Folgerichtig hat deshalb Dr. E. dem Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten bescheinigt. Die von ihr gemachten qualitativen Einschränkungen - keine Arbeiten mit Anforderungen an Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Akkordarbeiten, mit erhöhter Unfallgefahr und häufig wechselnden Arbeitszeiten - machen eine konkrete Benennung von Tätigkeiten, die dem Kläger noch möglich sind, nicht erforderlich. Denn zum großen Teil handelt es sich dabei um Einschränkungen, denen bereits dadurch Rechnung getragen wird, dass dem Kläger nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden. Dies gilt z.B. für Arbeiten mit Verantwortung für Personen und Maschinen sowie die Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge. Auch bei den Anforderungen an Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen kann es sich nur um besondere Anforderungen an die genannten Fähigkeiten handeln, die dem Kläger nicht mehr abverlangt werden können, da die Konzentrationsfähigkeit nur leicht eingeschränkt war. Ein weitergehende Einschränkung dahingehend, dass auch die Konzentration für einfache Arbeiten nicht mehr vorhanden ist, ließe sich jedenfalls mit den erhobenen Befunden nicht in Einklang bringen.
Soweit Dr. R. nur von einem täglichen Leistungsniveau des Klägers bis zu 6 Stunden täglich ausgeht (Gutachten S. 19), schließt sich dem der Senat nicht an. Auch Dr. R. ist aufgrund der von ihm erhobenen Befunde davon ausgegangen, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund einer leichtgradigen Antriebsstörung, leichtgradiger motorischer Unruhe sowie "leichtgradiger Hoffnungslosigkeit" nur "etwas" gemindert ist (Gutachten a.a.O.). Ein nur unter vollschichtiges (bezogen auf 8 Stunden täglich) Leistungsvermögen ergibt sich daraus nicht.
Die Auffassung des behandelnden Hausarztes Dr. K., der von einer seit 1995 bestehenden Arbeitsunfähigkeit für alle Arbeiten ausgeht, ist dadurch widerlegt. Es mag zwar sein, dass es beim Kläger in der Zwischenzeit zu einem körperlichen und geistigen Verfall gekommen ist, der einer weiteren Erwerbstätigkeit nunmehr entgegensteht. Dies war aber im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht der Fall. Auch im Bericht über die vom Kläger abgebrochene Entwöhnungsbehandlung in der E.-W. Klinik vom Februar 2000 ergaben sich bei der Aufnahmeuntersuchung noch keine Hinweis auf einen hirnorganischen Abbau oder psychotische Phänomene und der neurologische Untersuchungsbefund war ebenfalls unauffällig.
Der Sachverhalt ist durch das vom SG eingeholt Gutachten des Dr. R. hinreichend aufgeklärt. Weitere Ermittlungen hält der Senat nicht für erforderlich. Der vom Kläger gestellte Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet wird deshalb abgelehnt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass durch ein weiteres Gutachten hauptsächlich der derzeitige Gesundheitszustand des Klägers näher aufgeklärt werden könnte. Aus einem heute erhobenen Befund können nur in begrenztem Maße Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen des Klägers in der Vergangenheit gezogen werden. Die von Dr. R. und Dr. E. erhobenen Befunde (z. B. das Fehlen neurologischer Störungen und das Ausmaß eventuell vorhandener Konzentrationsstörungen) könnten aufgrund einer heute stattfindenden klinischen Untersuchung des Klägers nur schwerlich in Zweifel gezogen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob und für welchen Zeitraum dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht.
Der 1958 geborene Kläger erlernte von 1973 bis 1976 den Beruf des Einzelhandelskaufmanns und machte von 1979 bis 1982 eine Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher. In diesem Beruf arbeitete er mehrere Jahre. Das Arbeitsverhältnis mit dem Berufsbildungswerk endete durch eine vom Arbeitgeber zum 30. Juni 2004 ausgesprochene Kündigung.
Nach jahrelangem Alkohol- und Drogenkonsum bewilligte ihm die Beklagte auf einen Antrag vom 22. März 1996 als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation eine stationäre Entwöhnungsbehandlung, die der Kläger vom 6. August bis 6. Dezember 1996 in den Kliniken W. durchführte. Im ärztlichen Entlassungsbericht ging die Klinik aufgrund des geschilderten Behandlungsverlaufs und der langen Suchtgeschichte von einer eher ungünstigen Prognose hinsichtlich einer dauerhaften Suchtmittelabstinenz aus. Anschließend war der Kläger eigenen Angaben zufolge eine zeitlang abstinent, wurde später allerdings wieder rückfällig. Eine von der Beklagten erneut bewilligte Entwöhnungsbehandlung, die er am 28. Januar 2000 in der E.-W.-Klink antrat, brach er am 19. Februar 2000 gegen ärztlichen und therapeutischen Rat wieder ab. Anschließend bezog der Kläger bis Mai 2003 Arbeitslosenhilfe.
Am 23. Mai 2003 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. untersuchen und begutachten. In ihrem auf einer klinischen Untersuchung am 27. Oktober 2003 basierenden Gutachten kam die Ärztin zu dem Ergebnis, der Kläger sei wegen einer Polytoxikomanie (Mehrfachabhängigkeit) für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Jugend- und Heimerzieher nicht mehr geeignet. Er sei ferner nicht mehr geeignet für Arbeiten mit Anforderungen an Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Akkordarbeiten. Es könnten keine Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr und häufig wechselnden Arbeitszeiten ausgeführt werden. Für eine leichte körperliche Tätigkeit mit Berücksichtigung der genannten Einschränkungen sei der Kläger über 6 Stunden täglich arbeitsfähig. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit aufgrund eines am 23. Mai 2003 eingetretenen Leistungsfalles für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 30. April 2006.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 5. Januar 2004 Widerspruch ein. Unter Berücksichtigung der von Dr. E. genannten Leistungseinschränkungen sei schwer nachvollziehbar, inwieweit er überhaupt noch für leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen solle. Selbst einfache Tätigkeiten als Verpacker dürften ihm nicht mehr zugemutet werden können, da er sich auch bei diesen Tätigkeiten auf Arbeitsinhalte konzentrieren müsse und solche Tätigkeiten überwiegend im Akkord abverlangt würden. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. aus, nach dem Entlassungsbericht der Kliniken W. könne ein Leistungsfall für die aufgehobene Leistungsfähigkeit im Beruf des Erziehers ab August 1996 gesehen werden. Seit der wohl ersten Krankschreibung 1995 sei es dem Kläger nachvollziehbar nicht gelungen, im Rahmen seiner Suchterkrankung in einem sozialen Beruf tätig zu werden. Gleichwohl könne aufgrund des Gutachtens von Dr. E. eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Hilfstätigkeiten unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen weiterhin abverlangt werden. Mit Bescheid vom 24. November 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer aufgrund eines am 6. August 1996 eingetretenen Leistungsfalles für die Zeit ab 20. Februar 2000. Sie führte u. a. aus, als Rentenantrag gelte der am 22. März 1996 gestellte Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Rente beginne am 20. Februar 2000, weil bis dahin ein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Am 17. Mai 2005 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben, das sich mit Beschluss vom 11. Juli 2005 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen hat. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten von Dr. R., Oberarzt am Klinikum a. W. in W., vom 28. April 2006 eingeholt. In diesem Gutachten, das auf einer körperlichen Untersuchung des Klägers am 16. Februar 2006 beruht, führte der Sachverständige aus, der Kläger könne trotz der bestehenden Mehrfachabhängigkeit leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang bis zu 6 Stunden täglich verrichten. Die Leistungsfähigkeit erschließe sich z. B. über die verschiedenen Tätigkeiten, die der Kläger derzeit ausübe, das seien zum einem das Dealen, das Vermieten vom Werkzeugen, Gelegenheitsarbeiten wie z. B. das Abbauen von Glaselementen sowie das Renovieren seiner drei Häuser. In diesem Umfang sei die Leistungsfähigkeit des Klägers seit etwa 2000 gemindert. Der Kläger äußerte sich mit Schreiben vom 13. Juli 2006 (Bl. 120 der SG-Akten) zu dem Gutachten. Er führte aus, er habe den Sachverständigen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht deale. Wie dieser dazu komme, genau das Gegenteil zu behaupten, sei ihm unverständlich. Er verwahre sich nachdrücklich gegen diese Unterstellung. Auch könne er schon lange nicht mehr arbeiten, er vermittle lediglich zwischen einem Abrissunternehmen und entsprechenden Interessenten.
Mit Urteil vom 29. August 2006, dem Kläger zugestellt am 1. Dezember 2006, verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtene Bescheide, dem Kläger unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles am 28. April 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 30. Oktober 2009 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Wegen Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Vom 9. bis 11. Oktober 2006 befand sich der Kläger wegen (wiederholter) Darmbeschwerden in stationärer Behandlung, die er auf eigenen Wunsch nach abführenden Maßnahmen beschwerdefrei beendete (Bericht Dr. M., Chefarzt am Krankenhaus S., vom 12. Oktober 2006).
Am 4. Dezember 2006 hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt, diese aber zunächst nicht weiter begründet.
Schließlich hat der Senat mit Schreiben vom 31. Juli 2007 eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. erbeten. Dieser hat mitgeteilt, im Verlauf seiner hausärztlichen Betreuung des Klägers seit 1994 könne dem Kläger wegen seiner Suchterkrankung ein zunehmender körperlicher und geistiger Verfall attestiert werden. Dies habe aus seiner Sicht zu einer seit 1995 bestehenden Arbeitsunfähigkeit für alle Arbeiten geführt. Dr. K. hat weitere ihm vorliegende Arztbriefe vorgelegt, die in Kopie zu den Gerichtsakten genommen worden sind. In einem dieser Befundberichte (Bl. 55 der LSG-Akte) berichtet der Facharzt für Innere Medizin Dr. K. über das Ergebnis einer am 11. Oktober 2005 beim Kläger durchgeführten Video-Koloskopie. Diese habe bis auf eine Kolondivertikulose (Ausstülpungen umschriebener Wandteile des Dickdarms) und Pseudopolypen (entzündliche Veränderung der Darmschleimhaut) an der Einmündungsstelle des Appendix (wurmförmige Ausstülpung am Anfang des Dickdarms) keinen weiteren krankhaften Befund ergeben. Aufgrund der Befundkonstellation werde dem Kläger eine optimale natürliche Stuhlregulierung empfohlen. Die anlässlich einer am 1. April 2005 ebenfalls von Dr. K. durchgeführten Koloskopie vorgenommene histologische Untersuchung hatte eine polypöse Schleimhautläsion an der Einmündungsstelle des Appendix ergeben, aber ohne Anhalt für Malignität (Befundbericht Prof. Dr. S. vom 5. April 2005, Bl. 62 der LSG-Akte).
Mit Rentenbescheid vom 27. November 2007 hat die Beklagte dem Kläger in Ausführung des Urteils des SG anstelle der bisherigen Rente eine bis 31. Oktober 2009 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. November 2006 gewährt.
In einem Erörterungstermin mit der früheren Berichterstatterin des Berufungsverfahrens ist der Rechtsstreit mit den Beteiligten besprochen worden; wegen der Einzelheiten wird auf die hierüber angefertigte Niederschrift (Bl. 116 bis 118 der LSG-Akte) verwiesen. Im Anschluss an diesen Erörterungstermin hat der Senat die Zeugenauskunft des Dr. D. vom 5. Juni 2008 (Bl. 136 bis 138 der LSG-Akte), Praxisnachfolger von Dr. J., eingeholt und von Dr. K. die Arztbriefe der O.-Klinik in R. vom 22. November 2007 und 30. November 2007 (Bl. 125 bis 129 der LSG-Akte). beigezogen. Daraus ist ersichtlich, dass der Kläger im Oktober 2007 wegen eines Dünndarmverschlusses bei Morbus Crohn hat operiert werden müssen.
Nach einem Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 19. September 2008, in dem darauf hingewiesen worden ist, dass das Urteil des SG - soweit die Klage abgewiesen worden ist - nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage als zutreffend erachtet werde, hat der Kläger die Berufung mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 begründet. Er ist der Ansicht, dass sich schon aus dem Gutachten des Dr. R. ergebe, dass ihm eine volle Erwerbsminderungsrente seit 2000 zustehe. Zumindest bestehe weiterer Aufklärungsbedarf, weshalb er die Einholung eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachtens beantrage.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 20. Februar 2000, hilfsweise Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 23. Mai 2003, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit bei Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ab 23. Mai 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG, soweit es die Klage im Übrigen abgewiesen hat, für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2009 hat sich der Kläger insbesondere auf das Gutachten des Dr. A., Arzt für Arbeitsmedizin, berufen, das dieser im Juni 2000 für das Arbeitsamt erstattet hatte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist, da nur der Kläger, nicht aber auch die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt hat, ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 20. Februar 2000 bis zum 31. Oktober 2006 anstelle der ihm für diesen Zeitraum bereits zugebilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit. Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
Maßgeblich für den erhobenen Anspruch auf Gewährung einer auf einem Leistungsfall im Jahre 1996 beruhenden Erwerbsunfähigkeitsrente sind gemäß § 302b Abs. 1 Satz 1 und 2 Sechstes Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch die Bestimmungen des SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.). Gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und erwerbsunfähig sind. Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben. Nicht erwerbsunfähig ist nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI, wer eine Tätigkeit noch vollschichtig ausüben kann.
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger jedenfalls im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch in der Lage war, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig, d.h. 8 Stunden täglich an mindestens fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Dies folgt in erster Linie aus den Gutachten von Dr. E. und Dr. R ... Danach steht zwar fest, dass der Kläger an einer jahrzehntelangen Suchterkrankung in Form einer Mehrfachabhängigkeit leidet. Allein die Diagnose einer Suchterkrankung lässt jedoch nicht den Schluss auf das Vorliegen einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht zu. Schließlich war der Kläger trotz dieser Erkrankung jahrelang berufstätig. Maßgeblich ist auch bei einer Suchterkrankung, ob und in welchem Umfang es zu Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Funktionen gekommen ist. Aus diesem Grund folgt der Senat der im Gutachten des Dr. A. vom 15. Juni 2000 vertretenen Auffassung, wonach der Kläger weniger als 3 Stunden täglich leistungsfähig sein soll, nicht. Dr. A. hat seine Beurteilung nur auf den Drogenkonsum gestützt und im Übrigen zusammenfassend festgestellt, dass bei der Ganzkörperuntersuchung kein arbeitsrelevanter krankhafter Befund habe festgestellt werden können.
Für den Senat entscheidend ist daher zunächst der psychische Befund, den der gerichtliche Sachverständige Dr. R. erhoben hat. Danach bestanden beim Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen im Februar 2006 keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung und des Gedächtnisses und nur sehr leichte Störungen der Konzentration. Befürchtungen, Zwänge, Wahn, Sinnestäuschungen sowie Ich-Störungen waren vom Sachverständigen nicht zu eruieren. Der formale Gedankengang war beim Kläger leichtgradig eingeengt auf finanzielle Probleme und Berentung. Die Vitalgefühle waren nur leicht gestört. Der Kläger berichtete zwar über eine Deprimiertheit, ein solche konnte der Sachverständige aber in der - wie er es formulierte - "Fremdbeobachtung" nicht bestätigen. Antriebsarmut und innere Unruhe waren nur leicht vorhanden. Was auffiel, war eine fehlende Krankheitseinsicht. Bei der körperlichen Untersuchung waren die Reflexe normal auslösbar, Sensibilität und Motorik waren ebenso unauffällig wie Steh- und Gangversuche. Aus dem von Dr. R. erhobenen psychischen und physischen Befund ergibt sich, dass der Suchtmittelgebrauch beim Kläger jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt noch zu keinen nennenswerten körperlichen und geistigen Einschränkungen geführt hatte. Ein bloß unangepasstes, aber noch nicht pathologisches Sozialverhalten - der Kläger wirkte bei der Untersuchung ungepflegt - vermag eine Erwerbsunfähigkeit nicht zu begründen.
Die beim Kläger im Jahre 2007 aufgetretene Darmerkrankung, die operativ behandelt werden musste, lässt keine Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand im hier streitgegenständlichen Zeitraum zu. Die 2005 vorgenommenen Koloskopien führten nur zu der Empfehlung einer möglichst optimalen natürlichen Stuhlregulierung.
Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht lässt sich damit nicht begründen. Folgerichtig hat deshalb Dr. E. dem Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten bescheinigt. Die von ihr gemachten qualitativen Einschränkungen - keine Arbeiten mit Anforderungen an Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Akkordarbeiten, mit erhöhter Unfallgefahr und häufig wechselnden Arbeitszeiten - machen eine konkrete Benennung von Tätigkeiten, die dem Kläger noch möglich sind, nicht erforderlich. Denn zum großen Teil handelt es sich dabei um Einschränkungen, denen bereits dadurch Rechnung getragen wird, dass dem Kläger nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden. Dies gilt z.B. für Arbeiten mit Verantwortung für Personen und Maschinen sowie die Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge. Auch bei den Anforderungen an Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen kann es sich nur um besondere Anforderungen an die genannten Fähigkeiten handeln, die dem Kläger nicht mehr abverlangt werden können, da die Konzentrationsfähigkeit nur leicht eingeschränkt war. Ein weitergehende Einschränkung dahingehend, dass auch die Konzentration für einfache Arbeiten nicht mehr vorhanden ist, ließe sich jedenfalls mit den erhobenen Befunden nicht in Einklang bringen.
Soweit Dr. R. nur von einem täglichen Leistungsniveau des Klägers bis zu 6 Stunden täglich ausgeht (Gutachten S. 19), schließt sich dem der Senat nicht an. Auch Dr. R. ist aufgrund der von ihm erhobenen Befunde davon ausgegangen, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund einer leichtgradigen Antriebsstörung, leichtgradiger motorischer Unruhe sowie "leichtgradiger Hoffnungslosigkeit" nur "etwas" gemindert ist (Gutachten a.a.O.). Ein nur unter vollschichtiges (bezogen auf 8 Stunden täglich) Leistungsvermögen ergibt sich daraus nicht.
Die Auffassung des behandelnden Hausarztes Dr. K., der von einer seit 1995 bestehenden Arbeitsunfähigkeit für alle Arbeiten ausgeht, ist dadurch widerlegt. Es mag zwar sein, dass es beim Kläger in der Zwischenzeit zu einem körperlichen und geistigen Verfall gekommen ist, der einer weiteren Erwerbstätigkeit nunmehr entgegensteht. Dies war aber im hier streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht der Fall. Auch im Bericht über die vom Kläger abgebrochene Entwöhnungsbehandlung in der E.-W. Klinik vom Februar 2000 ergaben sich bei der Aufnahmeuntersuchung noch keine Hinweis auf einen hirnorganischen Abbau oder psychotische Phänomene und der neurologische Untersuchungsbefund war ebenfalls unauffällig.
Der Sachverhalt ist durch das vom SG eingeholt Gutachten des Dr. R. hinreichend aufgeklärt. Weitere Ermittlungen hält der Senat nicht für erforderlich. Der vom Kläger gestellte Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet wird deshalb abgelehnt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass durch ein weiteres Gutachten hauptsächlich der derzeitige Gesundheitszustand des Klägers näher aufgeklärt werden könnte. Aus einem heute erhobenen Befund können nur in begrenztem Maße Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen des Klägers in der Vergangenheit gezogen werden. Die von Dr. R. und Dr. E. erhobenen Befunde (z. B. das Fehlen neurologischer Störungen und das Ausmaß eventuell vorhandener Konzentrationsstörungen) könnten aufgrund einer heute stattfindenden klinischen Untersuchung des Klägers nur schwerlich in Zweifel gezogen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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