Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 498/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 B 115/08 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Pflicht zur Zertifizierung von Praxisverwaltungssoftware berührt die Berufsfreiheit der Hersteller solcher Software, ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil erhebliche Gemeinwohlbelange es gebieten, dass Vertragsärzte nur manipulationsfreie Praxissoftware nutzen.
Im Lichte des Wirtschaftlichkeitsgebots aus § 12 Abs. 1 SGB V erscheint das Anliegen, den Vorgang der ärztlichen Verordnung von Arzneimitteln von werblicher Einflussnahme strikt zu trennen, geradezu zwingend.
Im Lichte des Wirtschaftlichkeitsgebots aus § 12 Abs. 1 SGB V erscheint das Anliegen, den Vorgang der ärztlichen Verordnung von Arzneimitteln von werblicher Einflussnahme strikt zu trennen, geradezu zwingend.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 304.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Die Antragstellerin erstellt und vertreibt Praxisverwaltungssoftware für niedergelassene Ärzte und begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zertifizierung des Programms C nach § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V.
Die Vertragsparteien der Bundesmantelverträge - die Antragsgegnerin und die Spitzenverbände der Krankenkassen (nunmehr: der GKV-Spitzenverband) - haben mit derzeitigem Stand vom 15. Dezember 2008 (Version 2.3) einen Katalog über Anforderungen an Datenbanken und Software für Vertragsarztpraxen ("Anforderungskatalog") erstellt und als Anlage zu den Bundesmantelverträgen veröffentlicht (Deutsches Ärzteblatt vom 12. Dezember 2008, S. A 2723 sowie bei www.kbv.de/rechtsquellen/bundesmantelverträge). Der Anforderungskatalog führt bestimmte Pflichtfunktionen auf, unter anderem in Bezug auf Werbung, die nur noch in Form gesonderter, direkt erkennbarer und mit einer einzigen Aktion entfernbarer Werbefenster zulässig ist.
Im Rahmen einer "Sichtprüfung" der werbehaltigen Version des Programms C stellte die Antragsgegnerin am 26. Juni 2008 neun Abweichungen vom Anforderungskatalog fest, die sie der Antragstellerin in einem Schreiben vom 27. Juni 2008 unterbreitete. So werde u. a. die Pflichtfunktion P3-210 ("Anzeige von Werbung") nicht beachtet, die in der seinerzeitigen Fassung lautete:
Werbung ist nur in Form von Werbefenstern zulässig. Diese müssen als Werbefenster/Anzeigenfenster deklariert sein und dürfen nicht irreführend als Informationsfenster dargestellt werden. Sie müssen für den Anwender direkt als Werbung erkennbar sein. Hinter einer Werbung darf keine Funktion hinterlegt sein, die zu einer Verordnung führt. Es muss sichergestellt sein, das der Anwender die Funktionalitäten des PVS auch bei Werbeeinblendungen uneingeschränkt nutzen kann.
In der Fassung vom 15. Dezember 2008 hat die Pflichtfunktion P3-210 folgenden Wortlaut (unterstrichen ist die Ergänzung):
Werbung ist nur in Form von Werbefenstern zulässig. Diese müssen als Werbefenster/Anzeigenfenster deklariert sein und dürfen nicht irreführend als Informationsfenster dargestellt werden. Sie müssen für den Anwender direkt als Werbung erkennbar sein. Hinter einer Werbung darf keine Funktion hinterlegt sein, die weder unmittelbar noch mittelbar beispielsweise zum Ausstellen einer Verordnung, einer Veränderung auf dem Rezept (z.B. Änderung des aut-idem-Status) oder einer Übernahme in die Hausapotheke führt. Hinter einer Werbung darf keine Funktion hinterlegt sein, die einen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf Grundeinstellungen bzw. die Konfiguration des Praxisverwaltungssystems oder der Datenbank (z.B. Filtereinstellungen bei Suchfunktionen) hat. Es muss sichergestellt sein, das der Anwender die Funktionalitäten des PVS auch bei Werbeeinblendungen uneingeschränkt nutzen kann.
Zur Begründung wurde ausgeführt: Das Drücken der Taste F4 führe in eine für den Verordnungsvorgang geeignete Auswahlliste mit Präparaten des werbenden Herstellers.
Verstoßen werde auch gegen die Pflichtfunktion P3-410, die lautet:
Es dürfen keine Substitutionsvorschläge/Verordnungsvorschläge (z.B. im Zusammenhang mit der Diagnosestellung) automatisch erfolgen. Der verordnende Arzt muss die Verordnung/Substitution eigenständig aktiv bestimmen.
Der Verstoß bestehe darin, dass bei der Angabe des ICD-Codes l 10-90 (essentielle Hypertonie) in der Verordnungssituation eine Anzeige/Werbung des Produktes P mit dem Text "P bei essentieller Hypertonie. &8594; Info F4" eingeblendet worden sei. Nach Drücken der Tasten F4 gefolgt von RETURN sei das Präparat P gelistet worden und habe direkt auf dem Muster 16 verordnet werden können. Auf dem gleichen Wege habe es in die Hausapotheke übernommen werden können.
Eine Zertifizierung könne erst erfolgen, wenn die aufgeführten Verstöße nachweislich korrigiert seien.
In einem Schreiben vom 29. Juli 2008 erklärte die Antragstellerin hierauf, sieben der neun Beanstandungen zu erfüllen und die Nachweisanforderungen zu erbringen, die beiden auf die Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 bezogenen Anforderungen aber nicht zu befolgen und die Programmgestaltung insoweit unverändert zu lassen. Es werde beantragt, das Programm auch in dieser Form zu zertifizieren. Gegen die Pflichtfunktion P3-210 werde nicht verstoßen, weil kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe zwischen hinterlegter Funktion und ärztlicher Verordnung; erst die eigenverantwortliche ärztliche Entscheidung löse die Verordnung aus. Ein Manipulationsvorgang liege insoweit nicht vor. Auch die Beanstandung zur Pflichtfunktion P3-410 erfolge ungerechtfertigt. Das Programm biete keinen Substitutions- oder Verordnungsvorschlag. Eingeblendet werde lediglich nicht manipulative Werbung. Der Arzt müsse eigenständige Schritte auf dem Weg zur Verordnung vornehmen.
Mit Bescheid vom 19. August 2008 lehnte die Antragsgegnerin die Zertifizierung des Programms CompuMED-M1-Arcos ab, weil die Mängel zu den Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 nicht behoben seien. Dass das Drücken der Taste F4 in eine für den Verordnungsvorgang geeignete Auswahlliste mit Präparaten des werbenden Herstellers führe, bewirke eine reduzierte, auf das beworbene Produkt zugeschnittene Handlungssituation und stelle eine Manipulation der ärztlichen Handlungsfreiheit dar. Dem wolle die Pflichtfunktion P3-210 entgegen wirken. Gegen die Pflichtfunktion P3-410 werde verstoßen, weil das Programm einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Diagnose und Verordnungsvorschlag herstelle.
Über den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 17. September 2008 ist noch nicht entschieden. Am 23. September 2008 hat die Antragstellerin um die Gewährung von Eilrechtsschutz nachgesucht. In der Begründung von Widerspruch und Eilantrag vertieft die Antragstellerin ihre Auffassung, dass kein Verstoß gegen die beiden Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 vorliege. Eine Gefahr der Manipulation liege jeweils nicht vor, weil der Arzt eigenverantwortlich weitere Schritte bis zur Verordnung eines Arzneimittels vornehmen müsse. Die Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 gingen im Übrigen über die gesetzliche Ermächtigung hinaus und stellten eine unverhältnismäßige Überregulierung dar, die die Antragstellerin in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit verletze. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, weil die entstehenden wirtschaftlichen Nachteile durch Kundenverlust irreversibel seien. Das fragliche Programm werde derzeit von etwa 500 Kunden genutzt und erziele einen jährlichen Umsatz von etwa 708.000 Euro. Auch unterliege die Antragstellerin einem erheblichen Schadensersatzrisiko, wenn sie im Falle der ausbleibenden Zertifizierung nicht mehr in der Lage sein sollte, den Software-Pflege-Verträgen mit ihren Kunden nachzukommen.
Mit Beschluss vom 12. November 2008 hat das Sozialgericht Berlin den Eilantrag zurückgewiesen, den Streitwert auf 250.000 Euro festgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Anforderungskatalog gehe nicht über den vom Gesetz vorgegebenen Rahmen hinaus. Das Programm C vermische in unzulässiger Weise Werbung und Funktion. Die Taste F4 sei mit regulären Programmfunktionen belegt, löse aber auch die Öffnung von Werbung aus. Der werbebehaftete Weg führe den Nutzer besonders leicht zur Verordnung des beworbenen Medikaments. Hierin liege eine Manipulation auch des kundigen Nutzers. Dieser werde verleitet, über die Doppelfunktion der Tasten, aber vor allem über den einfachen und kurzen Weg der Verordnung, das beworbene Medikament auszuwählen. Hierbei sei vor allem die Zeitersparnis auf dem Weg zu der Verordnung zur Manipulation geeignet. Dieses werde besonders deutlich, wenn bei Eingabe des Codes für die Erkrankung ein Verordnungsvorschlag des beworbenen Medikaments erscheine, alle anderen Medikamentenvorschläge jedoch nur über einen aufwändigeren Weg für den Nutzer erreichbar seien. Hierin liege eine Verletzung der Pflichtfunktionen P3-410 und P3-210, so dass zu Recht ein manipulativer Eingriff zu beanstanden ist. Auch die vom Arzt jeweils noch einzugebenden Bestätigungen änderten daran nichts, denn entscheidend sei, dass der Arzt als Nutzer über die Werbung auf den Weg der Verordnung des beworbenen Medikaments gebracht werde und dabei keine aktive Gestaltung mehr vornehmen müsse. Vor dieser Art der Einflussnahme wolle der Gesetzgeber den Arzt jedoch gerade schützen.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 14. November 2008 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Die fragliche Software sei, anders als vom Sozialgericht unterstellt, nicht manipulativ, denn sie führe den Arzt nicht in die Irre; dieser bliebe vielmehr jederzeit Herr des Verordnungsgeschehens. Das Sozialgericht habe den Begriff der Manipulation falsch verstanden. Es bestehe ein Anspruch auf Zertifizierung.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Software programm C in der mit Schreiben der Antragstellerin vom 29. Juli 2008 beschriebenen und beantragten Funktionalität für die Verordnung von Arzneimitteln durch Vertragsärzte bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig nach § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V zu zertifizieren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Das Vorbringen der Antragstellerin belege, dass das Arzneimittelverordnungsverhalten der Ärzte durch die Arzneimittelsoftware bewusst gesteuert werden solle. Dies zu verhindern sei der Wille des Gesetzgebers. Ein Preisvergleich, der mit Werbung vermischt sei, sei nicht objektiv. "Manipulativ" sei Praxissoftware schon dann, wenn der Arzt durch sachfremde, werbende Angaben beeinflusst werde. Das Verständnis der Antragstellerin zum Begriff der Manipulation sei zu sehr durch das Wettbewerbsrecht geprägt.
Die drei Berufsrichter des Senats haben den Rechtsstreit am 11. Februar 2009 mit den Beteiligten mündlich erörtert.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der dreibändigen Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG), hat aber keinen Erfolg. Zutreffend hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Der Antrag ist unbegründet, denn jedenfalls ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Erlass der begehrten Regelungsanordnung kann nicht beansprucht werden, weil die Voraussetzungen für eine Zertifizierung des Programms C nicht vorliegen.
1. Die Pflicht zur Zertifizierung ärztlicher Praxissoftware folgt in Form eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt unmittelbar aus dem Gesetz, indem § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-WSG] vom 26. März 2007 [gültig ab 1. April 2007, BGBl. I 2007, S. 378]) ausdrücklich bestimmt, dass Vertragsärzte für die Verordnung von Arzneimitteln nur solche elektronischen Programme nutzen dürfen, die die Informationen nach den Sätzen 2 und 3 sowie über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130 a Abs. 8 enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Der Gesetzesbefehl lautet mithin ausdrücklich dahin, dass ein Zulassungsverfahren im Hinblick auf bestimmte, im Gesetz benannte Aspekte durchzuführen ist. Dem liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, dass nur solche Praxissoftware zum Einsatz kommt, die einen manipulationsfreien Preisvergleich von Arzneimitteln ermöglicht und gleichzeitig alle Informationen enthält, die für die Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung von Bedeutung sind (BT-Drs. 16/194, S. 9; vgl. hierzu und zur Verfassungsmäßigkeit von § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V schon die Beschlüsse des Senats vom 27. Oktober 2008, L 7 B 57/08 KA ER sowie L 7 B 82 bis 85/08 KA ER).
Die einzelnen Zertifizierungsvoraussetzungen regeln die Bundesmantelverträge (§ 29 Abs. 3 bis 5 BMV-Ä bzw. § 15 Abs. 3 bis 5 BMV-Ä/EKV) in Verbindung mit dem Anforderungskatalog. Der Senat hat keine Bedenken an der Vereinbarkeit dieses Regelungswerks mit höherrangigem Recht. Der durch die gesetzliche Regelung gegebene Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ist gerechtfertigt, weil der Gebrauch manipulationsfreier Praxissoftware durch Vertragsärzte einen erheblichen Gemeinwohlbelang darstellt (vgl. hierzu schon die Beschlüsse des Senats vom 27. Oktober 2008). Der Gesetzgeber hat die Partner der Bundesmantelverträge ausdrücklich zu Detailregelungen ermächtigt (§ 73 Abs. 8 Satz 8 SGB V), die diese in Gestalt des Anforderungskataloges vorgenommen haben. Nach derzeitigem Beurteilungsstand sieht der Senat den Anforderungskatalog damit von einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung gedeckt; es ist nicht erkennbar, dass einzelne Regelungen - insbesondere die hier fraglichen Pflichtfunktionen P3- 210 und P3-410 - über die gesetzliche Ermächtigung hinausgingen und willkürlich Anforderungen setzten, die nicht von Umfang und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt wären.
2. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Zertifizierung der Praxissoftware C, denn diese verstößt gegen die im Anforderungskatalog aufgeführten Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410. Zertifizierbarkeit ist damit nicht gegeben. Die Verstöße gegen die Regelungen des Anforderungskataloges sind eindeutig, wovon der Senat sich im Rahmen des Erörterungstermins vom 11. Februar 2009 überzeugen konnte.
a) Die Software bietet einen direkten Weg von Produktwerbung zum Verordnungsformular, worin ein Verstoß gegen die Pflichtfunktion P3-210 liegt, und zwar sowohl in deren alter Fassung bei Bescheiderlass als auch in deren neuer Fassung vom 15. Dezember 2008. Ein Verstoß liegt schon darin, dass das Programm die Werbung nicht in Form eines gesonderten - und gesondert "wegklickbaren" - Werbefensters anbietet, sondern in Form einer Textzeile, die als Arzneimittelalternative erscheint, sowie der Benutzer ein bestimmtes Arzneimittel angewählt hat. Die Werbung ist mit einer Funktion hinterlegt, die unmittelbar über wenige Tastenkombinationen zu der Verordnung des beworbenen Arzneimittels führt. Die Pflichtfunktion P3-210 will genau dies verhindern, was an sich auch von der Antragstellerin nicht bestritten wird.
b) Auch ein Verstoß gegen die Pflichtfunktion P3-410 liegt unzweifelhaft vor. Nach Eingabe einer bestimmten Diagnose in Gestalt des entsprechenden ICD-Codes erfolgt unmittelbar ein Hinweis auf ein beworbenes Arzneimittel, das sodann über wenige Tastenkombinationen ins Verordnungsformular übertragen werden kann. Hierin liegt ein Verstoß gegen das Verbot, Verordnungsvorschläge automatisch auf Diagnosestellungen folgen zu lassen.
c) Die Anforderungen P3-210 und P3-410 sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden, denn sie tragen dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, die von Vertragsärzten genutzte Praxissoftware manipulationsfrei zu halten. Unter Manipulation versteht der Senat dabei nicht nur "bösartig" irreführende Werbung, die den Benutzer eines Programms gleichsam unbemerkt zur Verordnung eines beworbenen Arzneimittels verleitet. Manipulativ ist vielmehr schon jegliche Vermischung von reiner Programmfunktionalität und Elementen der Werbung, selbst wenn es dem Benutzer nicht unbenommen ist, die Werbung zu ignorieren und bewusst unbeworbene Arzneimittel zu verordnen. Die Vermischung von Programmfunktionalität und Werbung ist bei dem zur Zertifizierung gestellten streitgegenständlichen Programm ohne Zweifel gegeben, indem ein direkter Weg von dem beworbenen Produkt zum Verordnungsformular besteht und eine ärztlich eingegebene Diagnose unmittelbare Produktwerbung nach sich zieht.
Der Senat hält eine strikte Trennung von Werbung und Programmfunktionen für sachgerecht im Sinne der gesetzgeberischen Intention, Praxissoftware nur manipulationsfrei anzubieten. Die Idee der Trennung von Werbung und Programmfunktionen ist auch in einem größeren Maßstab betrachtet frei von Willkür, denn beispielsweise im Rundfunkrecht gilt ebenfalls das uneingeschränkte strikte Verbot der Trennung von Werbung und Programm (vgl. § 7 Abs. 2 und 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien [Rundfunkstaatsvertrag] vom 31. August 1991, zuletzt geändert durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 19. Dezember 2007). Im vertragsarztrechtlichen Zusammenhang erhält das Trennungsgebot seine besondere Rechtfertigung durch das in § 12 Abs. 1 SGB V geregelte Wirtschaftlichkeitsgebot: Ärztlich verordnete Leistungen dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten, um eine wirtschaftliche Funktionsweise der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. In diesem Licht erscheint das Anliegen, den Vorgang der ärztlichen Verordnung von Arzneimitteln von werblicher Einflussnahme strikt zu trennen, geradezu zwingend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I. Die Antragstellerin erstellt und vertreibt Praxisverwaltungssoftware für niedergelassene Ärzte und begehrt im einstweiligen Rechtsschutz die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Zertifizierung des Programms C nach § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V.
Die Vertragsparteien der Bundesmantelverträge - die Antragsgegnerin und die Spitzenverbände der Krankenkassen (nunmehr: der GKV-Spitzenverband) - haben mit derzeitigem Stand vom 15. Dezember 2008 (Version 2.3) einen Katalog über Anforderungen an Datenbanken und Software für Vertragsarztpraxen ("Anforderungskatalog") erstellt und als Anlage zu den Bundesmantelverträgen veröffentlicht (Deutsches Ärzteblatt vom 12. Dezember 2008, S. A 2723 sowie bei www.kbv.de/rechtsquellen/bundesmantelverträge). Der Anforderungskatalog führt bestimmte Pflichtfunktionen auf, unter anderem in Bezug auf Werbung, die nur noch in Form gesonderter, direkt erkennbarer und mit einer einzigen Aktion entfernbarer Werbefenster zulässig ist.
Im Rahmen einer "Sichtprüfung" der werbehaltigen Version des Programms C stellte die Antragsgegnerin am 26. Juni 2008 neun Abweichungen vom Anforderungskatalog fest, die sie der Antragstellerin in einem Schreiben vom 27. Juni 2008 unterbreitete. So werde u. a. die Pflichtfunktion P3-210 ("Anzeige von Werbung") nicht beachtet, die in der seinerzeitigen Fassung lautete:
Werbung ist nur in Form von Werbefenstern zulässig. Diese müssen als Werbefenster/Anzeigenfenster deklariert sein und dürfen nicht irreführend als Informationsfenster dargestellt werden. Sie müssen für den Anwender direkt als Werbung erkennbar sein. Hinter einer Werbung darf keine Funktion hinterlegt sein, die zu einer Verordnung führt. Es muss sichergestellt sein, das der Anwender die Funktionalitäten des PVS auch bei Werbeeinblendungen uneingeschränkt nutzen kann.
In der Fassung vom 15. Dezember 2008 hat die Pflichtfunktion P3-210 folgenden Wortlaut (unterstrichen ist die Ergänzung):
Werbung ist nur in Form von Werbefenstern zulässig. Diese müssen als Werbefenster/Anzeigenfenster deklariert sein und dürfen nicht irreführend als Informationsfenster dargestellt werden. Sie müssen für den Anwender direkt als Werbung erkennbar sein. Hinter einer Werbung darf keine Funktion hinterlegt sein, die weder unmittelbar noch mittelbar beispielsweise zum Ausstellen einer Verordnung, einer Veränderung auf dem Rezept (z.B. Änderung des aut-idem-Status) oder einer Übernahme in die Hausapotheke führt. Hinter einer Werbung darf keine Funktion hinterlegt sein, die einen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf Grundeinstellungen bzw. die Konfiguration des Praxisverwaltungssystems oder der Datenbank (z.B. Filtereinstellungen bei Suchfunktionen) hat. Es muss sichergestellt sein, das der Anwender die Funktionalitäten des PVS auch bei Werbeeinblendungen uneingeschränkt nutzen kann.
Zur Begründung wurde ausgeführt: Das Drücken der Taste F4 führe in eine für den Verordnungsvorgang geeignete Auswahlliste mit Präparaten des werbenden Herstellers.
Verstoßen werde auch gegen die Pflichtfunktion P3-410, die lautet:
Es dürfen keine Substitutionsvorschläge/Verordnungsvorschläge (z.B. im Zusammenhang mit der Diagnosestellung) automatisch erfolgen. Der verordnende Arzt muss die Verordnung/Substitution eigenständig aktiv bestimmen.
Der Verstoß bestehe darin, dass bei der Angabe des ICD-Codes l 10-90 (essentielle Hypertonie) in der Verordnungssituation eine Anzeige/Werbung des Produktes P mit dem Text "P bei essentieller Hypertonie. &8594; Info F4" eingeblendet worden sei. Nach Drücken der Tasten F4 gefolgt von RETURN sei das Präparat P gelistet worden und habe direkt auf dem Muster 16 verordnet werden können. Auf dem gleichen Wege habe es in die Hausapotheke übernommen werden können.
Eine Zertifizierung könne erst erfolgen, wenn die aufgeführten Verstöße nachweislich korrigiert seien.
In einem Schreiben vom 29. Juli 2008 erklärte die Antragstellerin hierauf, sieben der neun Beanstandungen zu erfüllen und die Nachweisanforderungen zu erbringen, die beiden auf die Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 bezogenen Anforderungen aber nicht zu befolgen und die Programmgestaltung insoweit unverändert zu lassen. Es werde beantragt, das Programm auch in dieser Form zu zertifizieren. Gegen die Pflichtfunktion P3-210 werde nicht verstoßen, weil kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe zwischen hinterlegter Funktion und ärztlicher Verordnung; erst die eigenverantwortliche ärztliche Entscheidung löse die Verordnung aus. Ein Manipulationsvorgang liege insoweit nicht vor. Auch die Beanstandung zur Pflichtfunktion P3-410 erfolge ungerechtfertigt. Das Programm biete keinen Substitutions- oder Verordnungsvorschlag. Eingeblendet werde lediglich nicht manipulative Werbung. Der Arzt müsse eigenständige Schritte auf dem Weg zur Verordnung vornehmen.
Mit Bescheid vom 19. August 2008 lehnte die Antragsgegnerin die Zertifizierung des Programms CompuMED-M1-Arcos ab, weil die Mängel zu den Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 nicht behoben seien. Dass das Drücken der Taste F4 in eine für den Verordnungsvorgang geeignete Auswahlliste mit Präparaten des werbenden Herstellers führe, bewirke eine reduzierte, auf das beworbene Produkt zugeschnittene Handlungssituation und stelle eine Manipulation der ärztlichen Handlungsfreiheit dar. Dem wolle die Pflichtfunktion P3-210 entgegen wirken. Gegen die Pflichtfunktion P3-410 werde verstoßen, weil das Programm einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Diagnose und Verordnungsvorschlag herstelle.
Über den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 17. September 2008 ist noch nicht entschieden. Am 23. September 2008 hat die Antragstellerin um die Gewährung von Eilrechtsschutz nachgesucht. In der Begründung von Widerspruch und Eilantrag vertieft die Antragstellerin ihre Auffassung, dass kein Verstoß gegen die beiden Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 vorliege. Eine Gefahr der Manipulation liege jeweils nicht vor, weil der Arzt eigenverantwortlich weitere Schritte bis zur Verordnung eines Arzneimittels vornehmen müsse. Die Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410 gingen im Übrigen über die gesetzliche Ermächtigung hinaus und stellten eine unverhältnismäßige Überregulierung dar, die die Antragstellerin in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit verletze. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, weil die entstehenden wirtschaftlichen Nachteile durch Kundenverlust irreversibel seien. Das fragliche Programm werde derzeit von etwa 500 Kunden genutzt und erziele einen jährlichen Umsatz von etwa 708.000 Euro. Auch unterliege die Antragstellerin einem erheblichen Schadensersatzrisiko, wenn sie im Falle der ausbleibenden Zertifizierung nicht mehr in der Lage sein sollte, den Software-Pflege-Verträgen mit ihren Kunden nachzukommen.
Mit Beschluss vom 12. November 2008 hat das Sozialgericht Berlin den Eilantrag zurückgewiesen, den Streitwert auf 250.000 Euro festgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Anforderungskatalog gehe nicht über den vom Gesetz vorgegebenen Rahmen hinaus. Das Programm C vermische in unzulässiger Weise Werbung und Funktion. Die Taste F4 sei mit regulären Programmfunktionen belegt, löse aber auch die Öffnung von Werbung aus. Der werbebehaftete Weg führe den Nutzer besonders leicht zur Verordnung des beworbenen Medikaments. Hierin liege eine Manipulation auch des kundigen Nutzers. Dieser werde verleitet, über die Doppelfunktion der Tasten, aber vor allem über den einfachen und kurzen Weg der Verordnung, das beworbene Medikament auszuwählen. Hierbei sei vor allem die Zeitersparnis auf dem Weg zu der Verordnung zur Manipulation geeignet. Dieses werde besonders deutlich, wenn bei Eingabe des Codes für die Erkrankung ein Verordnungsvorschlag des beworbenen Medikaments erscheine, alle anderen Medikamentenvorschläge jedoch nur über einen aufwändigeren Weg für den Nutzer erreichbar seien. Hierin liege eine Verletzung der Pflichtfunktionen P3-410 und P3-210, so dass zu Recht ein manipulativer Eingriff zu beanstanden ist. Auch die vom Arzt jeweils noch einzugebenden Bestätigungen änderten daran nichts, denn entscheidend sei, dass der Arzt als Nutzer über die Werbung auf den Weg der Verordnung des beworbenen Medikaments gebracht werde und dabei keine aktive Gestaltung mehr vornehmen müsse. Vor dieser Art der Einflussnahme wolle der Gesetzgeber den Arzt jedoch gerade schützen.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 14. November 2008 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Die fragliche Software sei, anders als vom Sozialgericht unterstellt, nicht manipulativ, denn sie führe den Arzt nicht in die Irre; dieser bliebe vielmehr jederzeit Herr des Verordnungsgeschehens. Das Sozialgericht habe den Begriff der Manipulation falsch verstanden. Es bestehe ein Anspruch auf Zertifizierung.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Software programm C in der mit Schreiben der Antragstellerin vom 29. Juli 2008 beschriebenen und beantragten Funktionalität für die Verordnung von Arzneimitteln durch Vertragsärzte bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vorläufig nach § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V zu zertifizieren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Das Vorbringen der Antragstellerin belege, dass das Arzneimittelverordnungsverhalten der Ärzte durch die Arzneimittelsoftware bewusst gesteuert werden solle. Dies zu verhindern sei der Wille des Gesetzgebers. Ein Preisvergleich, der mit Werbung vermischt sei, sei nicht objektiv. "Manipulativ" sei Praxissoftware schon dann, wenn der Arzt durch sachfremde, werbende Angaben beeinflusst werde. Das Verständnis der Antragstellerin zum Begriff der Manipulation sei zu sehr durch das Wettbewerbsrecht geprägt.
Die drei Berufsrichter des Senats haben den Rechtsstreit am 11. Februar 2009 mit den Beteiligten mündlich erörtert.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der dreibändigen Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG), hat aber keinen Erfolg. Zutreffend hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Der Antrag ist unbegründet, denn jedenfalls ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Erlass der begehrten Regelungsanordnung kann nicht beansprucht werden, weil die Voraussetzungen für eine Zertifizierung des Programms C nicht vorliegen.
1. Die Pflicht zur Zertifizierung ärztlicher Praxissoftware folgt in Form eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt unmittelbar aus dem Gesetz, indem § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-WSG] vom 26. März 2007 [gültig ab 1. April 2007, BGBl. I 2007, S. 378]) ausdrücklich bestimmt, dass Vertragsärzte für die Verordnung von Arzneimitteln nur solche elektronischen Programme nutzen dürfen, die die Informationen nach den Sätzen 2 und 3 sowie über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130 a Abs. 8 enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Der Gesetzesbefehl lautet mithin ausdrücklich dahin, dass ein Zulassungsverfahren im Hinblick auf bestimmte, im Gesetz benannte Aspekte durchzuführen ist. Dem liegt die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, dass nur solche Praxissoftware zum Einsatz kommt, die einen manipulationsfreien Preisvergleich von Arzneimitteln ermöglicht und gleichzeitig alle Informationen enthält, die für die Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung von Bedeutung sind (BT-Drs. 16/194, S. 9; vgl. hierzu und zur Verfassungsmäßigkeit von § 73 Abs. 8 Satz 7 SGB V schon die Beschlüsse des Senats vom 27. Oktober 2008, L 7 B 57/08 KA ER sowie L 7 B 82 bis 85/08 KA ER).
Die einzelnen Zertifizierungsvoraussetzungen regeln die Bundesmantelverträge (§ 29 Abs. 3 bis 5 BMV-Ä bzw. § 15 Abs. 3 bis 5 BMV-Ä/EKV) in Verbindung mit dem Anforderungskatalog. Der Senat hat keine Bedenken an der Vereinbarkeit dieses Regelungswerks mit höherrangigem Recht. Der durch die gesetzliche Regelung gegebene Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ist gerechtfertigt, weil der Gebrauch manipulationsfreier Praxissoftware durch Vertragsärzte einen erheblichen Gemeinwohlbelang darstellt (vgl. hierzu schon die Beschlüsse des Senats vom 27. Oktober 2008). Der Gesetzgeber hat die Partner der Bundesmantelverträge ausdrücklich zu Detailregelungen ermächtigt (§ 73 Abs. 8 Satz 8 SGB V), die diese in Gestalt des Anforderungskataloges vorgenommen haben. Nach derzeitigem Beurteilungsstand sieht der Senat den Anforderungskatalog damit von einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung gedeckt; es ist nicht erkennbar, dass einzelne Regelungen - insbesondere die hier fraglichen Pflichtfunktionen P3- 210 und P3-410 - über die gesetzliche Ermächtigung hinausgingen und willkürlich Anforderungen setzten, die nicht von Umfang und Zweck der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt wären.
2. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Zertifizierung der Praxissoftware C, denn diese verstößt gegen die im Anforderungskatalog aufgeführten Pflichtfunktionen P3-210 und P3-410. Zertifizierbarkeit ist damit nicht gegeben. Die Verstöße gegen die Regelungen des Anforderungskataloges sind eindeutig, wovon der Senat sich im Rahmen des Erörterungstermins vom 11. Februar 2009 überzeugen konnte.
a) Die Software bietet einen direkten Weg von Produktwerbung zum Verordnungsformular, worin ein Verstoß gegen die Pflichtfunktion P3-210 liegt, und zwar sowohl in deren alter Fassung bei Bescheiderlass als auch in deren neuer Fassung vom 15. Dezember 2008. Ein Verstoß liegt schon darin, dass das Programm die Werbung nicht in Form eines gesonderten - und gesondert "wegklickbaren" - Werbefensters anbietet, sondern in Form einer Textzeile, die als Arzneimittelalternative erscheint, sowie der Benutzer ein bestimmtes Arzneimittel angewählt hat. Die Werbung ist mit einer Funktion hinterlegt, die unmittelbar über wenige Tastenkombinationen zu der Verordnung des beworbenen Arzneimittels führt. Die Pflichtfunktion P3-210 will genau dies verhindern, was an sich auch von der Antragstellerin nicht bestritten wird.
b) Auch ein Verstoß gegen die Pflichtfunktion P3-410 liegt unzweifelhaft vor. Nach Eingabe einer bestimmten Diagnose in Gestalt des entsprechenden ICD-Codes erfolgt unmittelbar ein Hinweis auf ein beworbenes Arzneimittel, das sodann über wenige Tastenkombinationen ins Verordnungsformular übertragen werden kann. Hierin liegt ein Verstoß gegen das Verbot, Verordnungsvorschläge automatisch auf Diagnosestellungen folgen zu lassen.
c) Die Anforderungen P3-210 und P3-410 sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden, denn sie tragen dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, die von Vertragsärzten genutzte Praxissoftware manipulationsfrei zu halten. Unter Manipulation versteht der Senat dabei nicht nur "bösartig" irreführende Werbung, die den Benutzer eines Programms gleichsam unbemerkt zur Verordnung eines beworbenen Arzneimittels verleitet. Manipulativ ist vielmehr schon jegliche Vermischung von reiner Programmfunktionalität und Elementen der Werbung, selbst wenn es dem Benutzer nicht unbenommen ist, die Werbung zu ignorieren und bewusst unbeworbene Arzneimittel zu verordnen. Die Vermischung von Programmfunktionalität und Werbung ist bei dem zur Zertifizierung gestellten streitgegenständlichen Programm ohne Zweifel gegeben, indem ein direkter Weg von dem beworbenen Produkt zum Verordnungsformular besteht und eine ärztlich eingegebene Diagnose unmittelbare Produktwerbung nach sich zieht.
Der Senat hält eine strikte Trennung von Werbung und Programmfunktionen für sachgerecht im Sinne der gesetzgeberischen Intention, Praxissoftware nur manipulationsfrei anzubieten. Die Idee der Trennung von Werbung und Programmfunktionen ist auch in einem größeren Maßstab betrachtet frei von Willkür, denn beispielsweise im Rundfunkrecht gilt ebenfalls das uneingeschränkte strikte Verbot der Trennung von Werbung und Programm (vgl. § 7 Abs. 2 und 3 des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien [Rundfunkstaatsvertrag] vom 31. August 1991, zuletzt geändert durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 19. Dezember 2007). Im vertragsarztrechtlichen Zusammenhang erhält das Trennungsgebot seine besondere Rechtfertigung durch das in § 12 Abs. 1 SGB V geregelte Wirtschaftlichkeitsgebot: Ärztlich verordnete Leistungen dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten, um eine wirtschaftliche Funktionsweise der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. In diesem Licht erscheint das Anliegen, den Vorgang der ärztlichen Verordnung von Arzneimitteln von werblicher Einflussnahme strikt zu trennen, geradezu zwingend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved