L 7 B 296/08 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 19 AS 2990/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 296/08 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.03.2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin (Bg.) zur Übernahme einer Mietkaution i. H. v. 381,16 EUR sowie höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (305,42 EUR statt von der Bg. gezahlter 271,12 EUR monatlich) ab dem 16.10.2007.

Der – zumindest am 16.10.2007 noch – verheiratete Bf. stand bis zum 15.10.2007 im Leistungsbezug der ARGE Uelzen. Im Zuge der Trennung von seiner Ehefrau verzog er nach L. , wo gemäß Mietvertrag vom 14.10.2007 für die ab dem 16.10.2007 bezogene Wohnung eine Gesamtwarmmiete von zunächst 315,42 EUR monatlich zu zahlen war. Zum 01.01.2008 senkte der Vermieter die Miete um 10,00 EUR, die zunächst für die Kosten einer Gemeinschaftsantenne veranschlagt worden waren, nachdem die Bg. erstinstanzlich vorgetragen hatte, dass kein Grund ersichtlich sei, weshalb diese Kosten nicht bereits in den sonstigen kalten Betriebskosten enthalten sein sollten. Der Bf. sollte nach § 24 des Mietvertrages eine Kaution i. H. v. 381,16 EUR in bar leisten.

Den Antrag auf Übernahme der Kaution vom 15.10.2007 lehnte die Bg. mit – nicht durch Widerspruch angefochtenem – Bescheid vom 23.10.2007 ab, da keine vorherige Zustimmung zum Umzug eingeholt worden sei und die erforderliche Zusicherung nicht nachträglich erteilt werden könne.

Auf den Antrag vom 16.10.2007 hin bewilligte die Bf. dem Bg. für die Zeit vom 16.10.2007 bis zum 31.10.2007 Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II i. H. v. 212,34 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) i. H. v. 144,59 EUR; für die Zeit vom 01.11.2007 bis zum 31.03.2008 neben den Leistungen zum Lebensunterhalt KdU i. H. v. 271,12 EUR. Gegen diesen Bescheid hat der Bf. Widerspruch eingelegt, den die Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007 zurückgewiesen hat. Die geltend gemachten tatsächlichen KdU seien nicht angemessen.

Die am 29.10.2007 gestellten Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Sozialgericht Leipzig (SG) mit Beschluss vom 17.03.2008 abgelehnt. Der Bf. habe keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen KdU durch die Bg. Ein Anordnungsgrund für die begehrte Übernahme der Mietkaution durch die Bg. bestehe mangels gegenwärtigen wesentlichen Nachteils, der durch die begehrte einstweilige Anordnung abzuwenden wäre, nicht.

Gegen den am 19.03.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 07.04.2008 eingegangene Beschwerde des Bf. Zur Begründung trägt er vor, ihm stünden in Anwendung der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz bis zu 385,00 EUR monatliche Unterkunftskosten zu. Hinsichtlich der Mietkaution bestehe ein Darlehensanspruch gegen die Bg. Die Aufwendungen für die Wohnung seien angemessen und der Umzug wegen der Trennung von seiner Ehefrau notwendig gewesen. Der Vermieter habe wegen der bisherigen Nichtzahlung noch nichts unternommen. Alleine die Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung führe aber im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung zu negativen Konsequenzen.

Der Bf. beantragt,

1. den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.03.2008 abzuändern und die Bg. zu verpflichten, an ihn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten von 305,42 EUR zu erbringen sowie

2. die Bg. zu verpflichten, die Kaution i. H. v. 381,16 EUR an seinen Vermieter zu zahlen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der angefochtene Beschluss sei rechtens.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Leistungsakte der Beschwerdegegnerin Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Sie ist insbesondere statthaft. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Artikel 1 Nr. 29b Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008, BGBl. I, S. 444) ist die Beschwerde zwar in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Vorschrift ist ohne Übergangsregelung in Kraft getreten. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass der Beschluss des SG dem Bf. noch vor dem 01.04.2008 zugestellt und damit existent wurde (vgl. Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [8. Aufl., 2005], § 133 RdNrn.1 und 3) und dass ab dem Zeitpunkt der Zustellung und damit der Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung an den Prozessbeteiligten auch ein Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage entstehen kann (SächsLSG, Beschluss vom 22.07.2008 – L 3 B 407/08 AS-PKH, Juris, Rz. 3).

Die Frage des Vertrauensschutzes bei Zustellung eines Beschlusses mit einer Rechtsmittelbelehrung entsprechend der bis zum 31.03.2008 geltenden Rechtslage und Einlegung der Beschwerde erst nach dem 31.03.2008 wird in der Rechtsprechung kontrovers beantwortet. Nach zutreffender Ansicht ist die Beschwerde dann trotz ihres Ausschlusses durch die gesetzliche Neuregelung des § 172 SGG statthaft.

Das LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.06.2008 – L 25 B 743/08 AS-ER –, Juris Rz. 2) wendet insoweit unter Heranziehung der Grundsätze des intertemporalen Verfahrens- und Prozessrechts die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Vorschrift des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) noch nicht an, obwohl die dortige Beschwerde ebenfalls erst im April 2008 eingelegt worden ist. Zur Begründung beruft es sich darauf, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes und das hierin wurzelnde Rückwirkungsverbot die Anwendung neuer, nachteiliger prozessrechtlicher Regelungen auf ein bereits vor Inkrafttreten der Rechtsänderung eingelegtes Rechtsmittel verbiete (BVerfG, Beschluss vom 07.06.1992, 2 BvR 1631/90, zitiert nach Juris). Auch folge hieraus, dass dann, wenn ein Rechtsmittel bereits vor Inkrafttreten der Rechtsänderung zulässigerweise hätte eingelegt werden können, aber unter Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist erst nach Inkrafttreten der Rechtsänderung eingelegt worden sei (so für einen vergleichbaren Fall BFH, Beschluss vom 08.06.2005, V S 12/09 (PKH), zitiert nach Juris ), bei Anwendung der Ausschlussvorschrift jedenfalls gegen das Verbot der so genannten unechten Rückwirkung verstoßen und ein gesetzlich begründeter Vertrauenstatbestand verletzt würde. In einer anderen Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 02.06.2008 – L 32 B 758/08 AS – zitiert nach Juris, Rz. 2) wird zunächst auf die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannte Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts verwiesen, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes jedoch in Fällen ohne ausdrückliche gegenteilige gesetzliche Regelung bereits rechtshängige Rechtsmittel statthaft bleiben, auch wenn das Rechtsmittel nachträglich beschränkt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.1992 – 2 BvR 1631/90, 1728/90 –, BVerfGE 87, 48, 63ff). Wegen des gleich hoch zu bewertenden Vertrauensschutzes sei dem auch der Fall gleichzustellen, in dem zwar noch rechtzeitig unter Geltung des alten Rechts, hier bis 31. März 2008, das Rechtsmittel der Beschwerde hätte eingelegt werden können, der Beschluss jedoch die (im Nachhinein) unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthalten hat, die Beschwerde sei binnen eines Monats zulässig. Die gegenteilige Auffassung des 15. Senats des LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss v. 28.4.2008 L 15 B 94/08 SO – welche zwar auf die Erkennbarkeit der Gesetzesnovelle hinweise, problematisiere jedoch die Folgen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrungen nicht.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG -) folgende Grundsatz des Vertrauensschutzes gebietet, in Fällen wie dem Vorliegenden das vor dem 01.04.2008 geltende Prozessrecht weiterhin anzuwenden, auch wenn grundsätzlich eine Änderung des Verfahrensrechts auf anhängige Rechtsstreitigkeiten anzuwenden ist. Zwar ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob Rechtsmittel gegen Gerichtsentscheidungen statthaft sein sollen; das Grundgesetz selbst trifft dazu keine Bestimmung (vgl. BVerfGE 74, 228 (234)). Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 1, 433 (437 f.); 49, 329 (343); 65, 76 (90); 83, 24 (31)). Es verwehrt dem Gesetzgeber deshalb auch nicht, ein bisher nach der jeweiligen Verfahrensordnung statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Dies kann grundsätzlich mit Wirkung auch für solche Verfahren geschehen, die bereits bei Gericht anhängig sind, soweit dem nicht durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG Grenzen gezogen sind (BVerfG, Beschluss vom 07.07.1992 – 2 BvR 1631/90 u.a. - Juris-Dokument, Rz. 34).

Das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen ist von Verfassungs wegen zwar weniger geschützt als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen; im Einzelfall aber können verfahrensrechtliche Regelungen ihrer Bedeutung und ihres Gewichts wegen in gleichem Maße schutzwürdig sein wie Positionen des materiellen Rechts. Verfahrensregelungen kommt in sehr unterschiedlicher Weise Bedeutung und Gewicht zu. Nicht selten enthält Verfahrensrecht bloße ordnungsrechtliche, technische Prozessführungsregeln; es kann aber auch, zumal bei bereits anhängigen Verfahren, Rechtspositionen gewähren, die in ihrer Schutzwürdigkeit materiell-rechtlichen Gewährleistungen vergleichbar sind (BVerfG, Beschluss vom 07.07.1992 - 2 BvR 1631/90 u.a. - Juris-Dokument Rz. 42). Eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln führt aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht dazu, dass die Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels entfällt. Mit der Einlegung eines nach der Verfahrensordnung statthaften Rechtsmittels wird eine gewichtige verfahrensrechtliche Position begründet. Daher erfährt der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, eine Einschränkung dann, wenn eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln zum Fortfall der Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels führen würde (BVerfG, Beschluss vom 07.07.1992, 2 BvR 1631/90 u.a., a.a.O.).

Eine ebenfalls schützenswerte Rechtsposition hatte der Bf. hier bei Eintritt der Rechtsänderung – dem Wegfall der Beschwerdemöglichkeit gegen sozialgerichtliche Entscheidungen gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG – bereits erworben. Diese Vertrauen schützende Position wurde zwar nicht über die Rechtsmittelbelehrung hergestellt. So ist zum Beispiel die Frage, ob aus dem in einer Rechtsmittelbelehrung enthaltenen Satz, dass "gegen dieses Urteil die Berufung gegeben" sei, die Statthaftigkeit der Berufung folge, in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl statt vieler:. BSG, Urteil vom 04.09.1958-11/ 9 RV 1144/55 = BSGE 8, 136, 137f.), der der Senat folgt, verneint worden. Denn einer Rechtsmittelbelehrung kommt kein konstitutiver Charakter – auch nicht in Hinblick auf etwaigen Vertrauensschutz (dafür aber wohl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.06.2008 – L 32 B 758/08 AS – Juris) zu. Sonst wäre auch derjenige schlechter gestellt, der – entgegen der im Zeitpunkt der Erteilung der Rechtsmittelbelehrung geltenden Rechtslage – dahin belehrt worden wäre, dass die Beschwerde nicht statthaft sei oder der gar keine Belehrung erhalten hätte. Vielmehr beinhaltet sie die – nach ihrer Benennung auch lediglich zu erwartende – Belehrung des Gerichts über das nach seiner Ansicht mögliche Rechtsmittel. Diese Ansicht kann bereits zum Zeitpunkt ihrer Beifügung zu der getroffenen Entscheidung fehlerhaft sein. Hierfür hat das Prozessrecht hinreichende Möglichkeiten bereitgestellt, um Nachteile für den Rechtssuchenden soweit wie möglich zu vermeiden (§ 66 Abs. 2 SGG, § 67 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 bzw. Abs. 3 SGG). Diese Hilfestellungen versagen aber, wenn – wie hier – die Rechtsmittelbelehrung erst durch Inkrafttreten der Rechtsänderung fehlerhaft wird und nunmehr das Gesetz die zuvor geltende Rechtsschutzmöglichkeit nicht mehr vorsieht. In derartigen Fällen können nur die – unter verfassungsrechtlichem Aspekt gegebenenfalls zu verfeinernden – Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts entscheidend sein.

Da der Gesetzgeber die Einführung des § 172 Abs. 3 Satz 1 SGG damit begründet hat, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten im einstweiligen Rechtsschutz nicht gegenüber denjenigen in Hauptsacheverfahren privilegiert werden sollten (BT-Drs. 16/7716, S. 27), ist nicht ersichtlich, dass damit etwa (auch) beabsichtigt gewesen sein sollte, Rechtssuchenden ein Rechtsmittel abzuschneiden, das bei Erlass der angegriffenen Entscheidung noch statthaft war. Unabhängig davon, dass der Gesetzgeber eine solche Bestimmung ausdrücklich hätte treffen können, sind auch im vorliegenden Fall die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die für jedermann gelten (vgl. BVerfGE 30, 367 (386); 51, 356 (362)), als verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe heranzuziehen, da der Gesetzgeber auf eine bislang gegebene verfahrensrechtliche Lage, in der sich der Bf. befand, eingewirkt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.1992, 2 BvR 1631/90 u.a., a.a.O.). Danach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jedenfalls dann, wenn sich der Gesetzgeber - wie hier - nicht ausdrücklich für eine den Rechtsschutz weitestgehend einschränkende Regelung entscheidet, die Rechtsschutzmöglichkeit, die nach der bei Zustellung der angegriffenen Entscheidung geltenden Rechtslage maßgeblich war, weiter gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.03.1993 – 3 RK 1/93, BSGE 72, 148,148 – ohne weitergehende Begründung; BFH, Beschluss vom 08.06.2005 – V S 12/04 (PKH), Juris Rz. 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 143 RdNr. 10e und § 172 Rz. 1).

2. Die Beschwerde bleibt in der Sache aber ohne Erfolg, denn sie ist unbegründet.

a) Höhere Leistungen für KdU, als dem Beschwerdeführer von der Bg. zugesprochen wurden, sind ihm im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zuzuerkennen. b) Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Der Eilantrag ist unzulässig, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht, weil das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise als durch ein gerichtliches Eilverfahren erreicht werden kann (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 16a vor § 51).

Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter – unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren [4. Aufl., 1998], RdNr. 154 bis 156 m. w. N.; ähnlich Krodel, NZS 2002, 234 ff.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 86b RdNr. 27a.)

Zwar ist der Unterschied zwischen der tatsächlichen Miete und den von der Bg. anerkannten und gezahlten KdU mit 12,65 % Abweichung erheblich. In absoluten Zahlen beträgt der Unterschied 34,30 EUR. Dies entspricht aber lediglich 9,88 % der Regelleistung. Diese "Einbuße" ist in Anbetracht dessen, dass in die Regelleistung auch "Ansparbeiträge" eingerechnet sind, nicht so hoch, dass der Bf. in seiner Existenz bedroht und ihm das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wäre (vgl. zur Frage des Anordnungsgrundes bei einem Unterschied von unter 20 % der Regelleistung u. a.: SächsLSG, Beschluss vom 02.04.2008 – L 3 B 97/08 AS-ER und LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.05.2008 – L 5 B 1001/08 AS-ER mit weitergehender Begründung).

b) Soweit der Bf. die vorläufige Übernahme der Mietkaution begehrt, ist hierfür ebenfalls kein Anordnungsgrund ersichtlich.

Der Vermieter ist an der Kautionszahlung zwar wohl interessiert, er hat aber bislang – auch nach dem Vortrag des Bf. – keine Anstrengungen unternommen, diesen Anspruch durchzusetzen, also insbesondere von Mahnungen – ggf. mit Hinweis auf die sonst etwa veranlasste Zahlungsklage – abgesehen. Dass der Bf. bei weiterer Nichtzahlung von Wohnungslosigkeit bedroht wäre, ist nicht ersichtlich und angesichts der Bereitwilligkeit des Vermieters, die Miete um 10,00 EUR zu senken, auch nicht naheliegend.

Im Übrigen besteht zwar nach § 551 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch bei der hier vereinbarten Kautionsart lediglich die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit, den Kautionsbetrag in drei gleichen monatlichen Raten aufzubringen, der bisherige Verlauf des Mietverhältnisses (insbesondere die Mietsenkung) lässt aber den Schluss zu, dass der Vermieter wohl auch eine geringere Ratenzahlung akzeptieren könnte. Dass sich der Bf. hierum bemüht hätte, wird nicht vorgetragen. Eine solche Ratenzahlung wäre dem Bf. aber zumindest i. H. v. weiteren 34,70 EUR monatlich zuzumuten, denn dann wäre das sich aus den in der Regelleistung enthaltenen "Ansparbeträgen" ergebende Potenzial zur Finanzierung von der Bg. ungedeckter Bedarfe bis zur Klärung in der Hauptsache nur mit knapp 4 % der Regelleistung überschritten, ohne dass der Bereich des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen, der nach Auffassung des Senats – ausgehend von der vom Gesetzgeber in § 31 SGB II für höchstens zulässig gehaltenen Sanktionsmöglichkeit – bei 70 % der Regelleistung liegt, bereits erreicht wäre. Dem Bf. drohen danach keine Nachteile, die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Hauptsache irreparabel wären. Das Abwarten dieser Entscheidung ist ihm daher zumutbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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