L 6 R 936/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 451/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 936/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 29/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 8. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vormerkung der Zeit vom 6.12.1966 bis 20.6.1967 als Anrechnungszeit wegen des Besuches einer Fachschule.

Der 1949 im ehemaligen Jugoslawien geborene Kläger hat ausweislich des vorgelegten Abschlusszeugnisses vom 1.7.1967 im Schuljahr 1966/67 die dritte Klasse als Abschluss-klasse der Berufsschule in M. beendet und die Abschlussprüfung für den Beruf des qua-lifizierten Maurers am 20.6.1967 erfolgreich abgelegt.

Auf seinen Antrag vom 18.1.2007 hin stellte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 5.2.2007 für den Kläger gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch 6. Buch - SGB VI - den Versicherungsverlauf für die Zeiten bis 31.12.2000 fest. Hierin lehnte sie die Anerkennung der Ausbildung von 1964 bis 1967 als Anrechnungszeit ab, da es sich grundsätzlich um eine betriebsbezogene Ausbildung mit berufsbegleitendem Unterricht handele.

Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.6.2007 zurückgewiesen. Eine Berücksichtigung als Anrechnungszeit gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI komme nicht in Betracht, da die Lehrzeit nicht vor dem 28.2.1957 liege.

Eine Vormerkung als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI ("Fach-schulbesuch") scheide vor dem 6.12.1966 aus, da der Kläger erst am 5.12.1966 sein
17. Lebensjahr vollendet habe. Für den Zeitraum 6.12.1966 bis 20.6.1967 komme eine Berücksichtigung als Anrechnungszeit nicht in Betracht, da es sich bei der Berufs- ausbildung im ehemaligen Jugoslawien nicht um eine Fachschulausbildung, sondern um eine betriebsbezogene Facharbeiterausbildung mit berufsbegleitendem Unterricht an sogenannten Lehrlingsschulen gehandelt habe. In Deutschland sei wie im ehemaligen Jugoslawien bzw. Bosnien-Herzegowina eine Ausbildung zum Maurer ein klassischer Lehrberuf, bei dem auch bei überwiegender theoretischer Ausbildung der Lehrberuf eindeutig im Vordergrund stehe. Es liege daher nicht eine Schulausbildung, sondern eine Berufsausbildung vor.

Mit der hiergegen erhobenen Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 8.11.2007 hat das Gericht auf Antrag des Klägers den Zeugen A. M. uneidlich einvernommen. Dieser gab an, er habe nicht dieselbe Berufsschule besucht wie der Kläger. Im ehemaligen Jugoslawien seien jedoch alle Berufsschulen gleich gewesen. Er habe eine dreijährige Ausbildung zum qualifizierten Mauer absolviert. Dabei habe er bei einem Monat Urlaub im Jahr viereinhalb Monate in der Schule und sechseinhalb Monate auf der Baustelle verbracht. Er habe auch während des Schulbesuches Lohn von seinem Arbeitgeber erhalten. Der Schulbesuch sei praktisch die theoretische Ausbildung und Teil der Lehrzeit gewesen. Der Kläger hat hierzu erklärt, seine Ausbildung sei in gleicher Weise abgelaufen.

Mit Urteil vom 8.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe im strittigen Zeitraum weder eine Schule noch eine Fachschule besucht. Schul- bzw. Fachschul- ausbildung müssten die Arbeitskraft des Schülers überwiegend in Anspruch nehmen. Dies sei nicht der Fall, da der Kläger sechseinhalb Monate auf der Baustelle und viereinhalb Monate in der Berufsschule verbracht habe. Außerdem habe der Kläger ein Lehrlings- gehalt bezogen. Nach den Maßstäben des deutschen Rechtes habe er deshalb eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Die Berücksichtigung einer dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung zusätzlich als Anrechnungszeit komme nach der Systematik des SGB VI nicht in Betracht.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Berufung machte der Kläger geltend, während der viereinhalb Monate Vollzeitunterricht in der Berufsfachschule habe der Schulbesuch die Arbeitskraft des Klägers in dieser Zeit überwiegend in Anspruch genommen. Nicht erforderlich sei, dass der schulmäßige Unterricht die praktische Ausbildung im Zeit- volumen überwiege. Auch der Bezug des Lehrlingsgehaltes stünde dem klägerischen Begehren nicht entgegen. Der Kläger habe ohne Verschulden während seines Schul- besuchs im ehemaligen Jugoslawien keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit in Deutschland nachgehen und damit Pflichtbeiträge leisten können. Diese hätte er ohne den Anrechnungstatbestand entrichtet.

Die Beklagte hat entgegnet, bei der Lehrzeit als Maurer handele es sich erfahrungsgemäß um eine überwiegend praktische Ausbildung. Der Besuch einer Berufsschule sei keine Fachschulausbildung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 8.11.2007 und Abänderung des Bescheids vom 5.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 18.6.2007 zu verpflichten, die Zeit vom 6.12.1966 bis 20.6.1967 als Anrechnungszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 5.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.6.2007 abgewiesen. Die angefochtenem Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Vormerkung des Zeitraums 6.12.1966 bis 20.6.1967 als Anrechnungszeit zu.

Als Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers kommt allein § 149 Abs. 5 SGB VI i.V.m. § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI in Betracht.

Gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI sind Zeiten Anrechnungszeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilge- nommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren.

Der Kläger hat im strittigen Zeitraum keine Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen. Er hat aber auch weder eine Schule noch eine Fachschule iSd § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI besucht.

Die Begriffe der Schule und der Fachschule sind im Gesetz nicht definiert. Unter Schulbesuch im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - der Besuch öffentlicher oder privater allgemein- bildender und weiterführender Schulen zu verstehen, wenn der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird oder nach den staatlich genehmigten Lehrplänen für öffentliche Schulen gestaltet wird (BSG SozR 5870 § 2 Nr. 32). Entscheidend sind der Status der Ausbildungseinrichtungen sowie - bei Ausbildungen im Ausland verstärkt - Art und Inhalt der Ausbildung (BSGE 56, 36-39). Für eine Schul- ausbildung ist dabei die Vermittlung von Allgemeinbildung, für eine Fach- und Hoch- schulausbildung eine berufsbezogene Ausbildung kennzeichnend (BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 74,75 ,76; BSGE 46, 36). Der Besuch der jugoslawischen Berufsschule ist damit nicht als Schulbesuch zu qualifizieren, da dort nach der Aussage des Zeugen M. nicht die Vermittlung von Allgemeinbildung im Vordergrund stand, sondern die Vermittlung der theoretischen Kenntnisse für den Beruf des Maurers. Der Zeuge M. hat ausgesagt, dass der Schulbesuch praktisch die theoretische Ausbildung und Teil der Lehrzeit gewesen sei. Unterrichtet wurde u.a. in Mathematik, Physik, Chemie, Technisches Zeichnen, Baukonstruktion, praktische Arbeit. Schon aus diesem Grund scheidet daher eine Qualifizierung des fraglichen Zeitraums als Schulbesuch aus.

Der Kläger hat aber auch keine Fachschule im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI besucht.

Der Begriff der Fachschulausbildung wurde vom BSG für Ausbildungen vor 1972 im wesentlichen so ausgelegt, wie er in dem vom BMA herausgegebenen Fachschul- verzeichnis "Die berufsbildenden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland" nieder- gelegt ist. Danach sind Fachschulen Vollzeitschulen, die während einer mindestens ein Halbjahr dauernden oder - bei kürzerer Ausbildungszeit - insgesamt wenigstens
600 Unterrichtsstunden umfassenden Ausbildung besucht werden, wobei bereits eine Berufsausbildung und Berufserfahrung oder auch nur eine praktische Arbeitserfahrung nach einer abgeschlossenen Schulbildung vorausgesetzt werden (BSG, SozR 2200,
§ 1259 Nr. 111, m.w.N.).

Im Zeitraum 1958 bis 1969 bestanden im ehemaligen Jugoslawien Facharbeiterschulen (Schulen für qualifizierte Arbeiter), in denen Lehrlinge in bestimmten Berufen ausgebildet wurden. Dabei erfolgte die praktische Ausbildung aufgrund eines Lehrvertrags in Betrieben. Die theoretische Ausbildung erfolgte entweder in Teilzeit, wobei sich die schulische Ausbildung kontinuierlich über das ganze Jahr erstreckte oder in Form von Blockunterricht von 3-4 Monaten im Jahr (Joachim Köhler, Anerkennung von Aus- siedlerzeugnissen, Sonderveröffentlichung des Bundesinstituts für Berufsbildungs- forschung , 1981, S. 17, 18). Für den Eintritt in eine derartige Facharbeiterausbildung war seit 1949 generell der Abschluss der achtjährigen Grundschule vorgesehen (Köhler, a.a.O., S. 48). Der Kläger hat eine derartige Facharbeiterschule mit Blockunterricht besucht. Für diesen Schulbesuch war nicht Voraussetzung, dass der Kläger eine Berufsausbildung und Berufserfahrung oder auch nur eine praktische Arbeitserfahrung aufweist. Eine Qualifizierung dieser Schule als Fachschule kommt damit aus diesem Grund ebenfalls nicht in Betracht.

Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine Anrechnungszeit nicht vorliegt, wenn die schulische Ausbildung Teil eines umfassenderen Beschäftigungs-
verhältnisses ist, auch wenn sie sich nach Form und Inhalt schulmäßig vollzieht, sofern die Ausbildung Inhalt der Arbeitspflicht ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1255a Nr. 6, 12; BSGE 56, 5 = SozR 2200 § 1259 Nr. 79). Der Zeuge M. hat bestätigt, dass die schulische Ausbildung Teil der Lehrzeit war. Dies entspricht auch den seit 1946 bis 1975 geltenden Grundsätzen der dualen Ausbildung von Facharbeitern in Betrieb und Schule im ehemaligen Jugoslawien. Danach waren die Lehrherren u.a. verpflichtet, dem Lehrling den Besuch der Schule zu ermöglichen und ihn regelmäßig zu bezahlen. Der Lehrling war verpflichtet, die Schule zu besuchen und abzuschließen (Köhler, a.a.O., S. 28 f., 48).

Aus diesem Grund scheidet daher eine Vormerkung des fraglichen Zeitraums als An- rechnungszeit ebenfalls aus. Die ansonsten gebotene Berücksichtigung dieses Zeitraums als beitragsgeminderte Zeit gemäß § 54 Abs. 3 S. 2 SGB VI (Zeiten einer beruflichen Ausbildung) kommt beim Kläger nicht in Betracht, da hierfür Versicherungspflicht bei einem deutschen Rentenversicherungsträger bestanden haben müsste. Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz -SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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