Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 SO 530/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 10/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. Januar
2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung wird abgelehnt.
III. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstat-
ten.
Gründe:
I.
Zu entscheiden ist hier über eine Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung des Sozialgerichts München (SG), mit welcher der Antragsgegner zur Erbringung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege, und Hilfe zur Gesundheit nach den Kapiteln 4 bis 7 SGB XII für die Antragstellerin verpflichtet wurde.
Die 1936 geborene Antragstellerin erhielt bis Oktober 2007 Leistungen der Grundsicherung von der Landeshauptstadt D-Stadt. Anschließend erbrachte der D. mit Bescheid vom 03.03.2008 Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen und Hilfe zur Pflege für die Unterbringung der Antragstellerin im Alten- und Pflegeheim "S." in der kreisangehörigen Gemeinde Z. (Landkreis M.). Dort erkrankte sie schwer und wurde ab 31.08.2008 in der Klinik M. stationär behandelt.
Am 23.09.2008 wurde die Antragstellerin in die außerklinische Intensivpflege H. in A-Stadt (kreisangehörige Gemeinde des Landkreises B. - B.) entlassen. Dies teilte die Betreuerin der Antragstellerin im D. mit Schreiben vom 23.09.2008 mit.
Ihre Betreuerin beantragte am 22.09.2008 beim Landratsamt - LRA - B. Hilfe zur Pflege für die genannte Pflegeeinrichtung. Dieses übersandte Antragsformulare an die Antragstellerin und bekundete dabei mit Schreiben vom 24.09.2008, dass für die weitere Sachbearbeitung der Landkreis M. zuständig sei, da die Klägerin in der dort kreisangehörigen Gemeinde Z. zuletzt ihren Wohnsitz im Alten- und Pflegeheim "S." gehabt habe.
Der am 01.10.2008 beim LRA M. (Antragsgegner) gestellte Antrag auf Hilfe zur Pflege, Grundsicherung im Alter und Hilfe zur Gesundheit wurde mit Bescheid vom 20.10.2008 abgelehnt. Das LRA führt dazu aus, dass die Leistungen der Intensivpflege weit über den Grundservice hinausgingen und damit den Leistungen einer stationären Einrichtung entsprechen würden. Sie erfolge nicht im eigenen Haushalt der Betreuten, denen eine eigen- und selbstständige Lebensführung, wie bei Lebens- und Wohngemeinschaften, nicht möglich sei. Für Hilfeleistungen in der stationären Einrichtung sei aber die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers (D.) gegeben. Sollte es sich aber dennoch um eine ambulant betreute Wohnform handeln, bestünde die Zuständigkeit der Stadt D-Stadt. Dort habe die Klägerin vor ihrer stationären Unterbringung im Alten- und Pflegeheim "S." gewohnt.
Gleichzeitig leitete die Antragsgegnerin den Vorgang an den D. weiter, welcher die Unterlagen aber postwendend am 24.10.2008 zurückreichte. Dabei führte der Bezirk aus, dass ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei, wohl aber ein ambulantes Betreuungsangebot in einem anderen Ort (Ü.), welches nach Ansicht des SG als ambulante Maßnahme angesehen wurde. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den der Bezirk ebenfalls an den Antragsgegner weiter reichte. Der Antragstellerin wurde in einem Schreiben vom 07.11.2008 mitgeteilt, dass ein Widerspruch gegen die Abgabe des Vorgangs an den Antragsgegner unzulässig sei. Des Weiteren wurde erläutert, dass es sich um eine stationäre Unterbringung handele und dass für die Erbringung der Leistungen der ambulanten Versorgung die Landeshauptstadt D-Stadt zuständig sei, in deren Gebiet die Antragstellerin zuletzt vor ihrer stationären Unterbringung gelebt habe.
Die Antragsgegnerin legte den Widerspruch am 25.11.2008 der Regierung von Oberbayern zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass auch gem. § 43 SGB I keine Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung bestehen würde. Denn zunächst hätte sie, die Antragstellerin, sich an den D. und dann an das LRA B. gewandt.
Am 11.12.2008 beantragte die Antragstellerin beim SG, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab sofort die Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Es sei zu befürchten, dass die Antragstellerin demnächst aus ihrer Wohngemeinschaft zwangsausgewiesen werde, weil keine Kostenzusage vorliege. Auch erfolge an die Lieferanten der technischen Hilfsmittel keinerlei Zahlung, so dass diese auf Rückgabe bestehen würden. Insbesondere das Beatmungsgerät sei lebensnotwendig.
Mit Beschluss vom 02.01.2009 hat das SG den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin vom 01.12.2008 bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien hinreichend glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin sei nach der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung leistungsberechtigt für die beantragte Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter, Hilfe zur Gesundheit und Hilfe zur Pflege nach den Kap. 4 - 7 SGB XII. Dabei habe die Antragstellerin auch glaubhaft gemacht, dass dieser Anspruch gegenüber dem Antragsgegner beständen. Hierfür spräche vor allem, dass die 42. Kammer des Sozialgerichts München in einem Parallelverfahren mit Beschluss vom 06.11.2007 (S 42 SO 351/07 ER) bereits ausführlich dargestellt habe, dass die Pflege des Pflegedienstes H. als ambulante Pflege in betreuter Wohnform ausgeführt werde. Zum anderen sei die Leistungsverpflichtung des Antragsgegners zumindest nach § 43 SGB I als vorläufige Leistungsverpflichtung glaubhaft gemacht. Die Erbringung der Leistung obliege dem zuerst angegangenen Leistungsträger. Das sei derjenige, der sich aufgrund eines Antrags oder von Amts wegen zuerst mit der Sache befasst hat. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Leistungsberechtigte sich lediglich mit der Bitte um Auskunft oder Beratung an den Leistungsträger gewandt hat; vielmehr muss ein konkretes Leistungsbegehren vorliegen. Aus den vorliegenden Unterlagen würde nicht eindeutig hervorgehen, ob die Betreuerin der Antragstellerin an den D. bzw. das LRA B. lediglich ein Auskunfts- oder Beratungsbegehren gerichtet oder ein konkretes Leistungsbegehrten zum Ausdruck gebracht habe. Nach Sinn und Zweck eines Eilverfahrens sei auch für die Gewährung von vorläufigen Leistungen im Sinne von § 43 SGB I vom Gericht nicht abschließend zu klären, welcher Leistungsträger zuerst "angegangen" worden sei; vielmehr sei auch für diese Frage die Glaubhaftmachung ausreichend.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 15.01.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgerichts (LSG) eingelegt. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da bereits am 20.09.2008 beim LRA B. ein Antrag gestellt und von diesem am 24.09.2008 abgelehnt worden sei. Auch schon früher, am 23.09.2008 habe sich die Antragstellerin an den D. gewendet. Daher könne von keiner Zuständigkeit nach § 43 SGB I zu Ungunsten der Antragsgegnerin ausgegangen werden.
Die Beschwerdegegnerin hat sich am 02.02.2009 geäußert. Der D. und das Landratsamt B. haben ihre Akten am 03.02.2009 übersandt.
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.01.2009 aufzuheben sowie die Vollstreckung aus dem Beschluss durch einstweilige Anordnung auszusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sind unbegründet.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht eine einstweilige Anordnung gegenüber dem Beschwerdeführer (Antragsgegner, Landkreis M.) erlassen.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig, da auch die einstweilige Anordnung ein Vollstreckungstitel im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist (Meyer-Ladewig/Keller, Randnummer 46 zu § 86b). Die Zuständigkeit des LSG ist trotz § 175 Satz 3 SGG gegeben (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, Randnummer 4 zu § 175 SGG zur Befugnis des Beschwerdegerichts) Einer dagegen gerichteten Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. § 175 SGG). Gründe zur Aussetzung im Sinne von § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG liegen aber ebenso wenig vor, wie zur Aufhebung des Beschlusses als solchem. Der Beschluss, der insofern vom Vorsitzenden des Senats alleine zu ergehen hat, wird gleichzeitig mit der Entscheidung über die Beschwerde verbunden, da der Vorsitzende gleichzeitig Berichterstatter ist und ein solches Vorgehen der Beschleunigung und Verfahrensvereinfachung dient.
Es besteht ein Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ("einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint"). Das streitige Rechtsverhältnis liegt hier zwar in der vorläufigen Bestimmung einer Zuständigkeit zur Leistungserbringung. Die Leistung selbst ist aber für die Antragstellerin von existenzieller Bedeutung. Denn es geht um die Gestellung von lebenserhaltenden Hilfsmitteln (Beatmungsgerät und Hilfe bei Krankheit im Sinne von § 264 SGB V vermittelts Anmeldung durch den zuständigen Sozialhilfeträger) sowie lebenserhaltende Pflegeleistungen durch Sicherstellung der Beatmung. Vom Vorliegen eines Anspruchs auf die genannten Leistungen ist der Senat nicht nur hinreichend im Sinne der notwendigen Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) sondern voll überzeugt, denn dies lässt sich aus dem Antrag der Klinik M. auf Pflegeleistungen vom 22.09.2008 (vorliegend in den Akten des LRA B., des Beschwerdeführers und des Bezirks Oberbayern) entnehmen. Danach wurde die Antragstellerin wegen einer Karzinomerkrankung mit akuter respiratorischer Insuffizienz (beatmet) in die Intensivpflege entlassen. Es handelte sich um einen Dauerzustand. Weiter liegt (im Aktenvorgang des LRA B. und des Bezirks Oberbayern) eine ärztliche Bescheinigung der Intensivstationen der Kreisklinik M. vor, wonach eine Versorgung in einer für intensive Beatmung geeigneten Einrichtung notwendig sei.
Bei Gefahr der Entstehung schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Beeinträchtigungen verlangt die Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) eine besondere Prüfung (vgl. BVerfG vom 12.05.2005,
1 BvR 569/05 Juris Rn. 23; BVerfG, NVwZ 2004, S. 95, 96, Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06). Danach ist entweder eine abschließende (und nicht nur summarische) Prüfung der Hauptsache durchzuführen, um eine Ablehnung unter Orientierung an der Hauptsache zu rechtfertigen, oder eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen. Hier hat nach abschließender Prüfung der Eilantrag bereits nach den einfach-gesetzlichen Regelungen Erfolg hat. Sowohl Anordnungsanspruch - hier sogar im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit des zustehenden Hauptsacheanspruchs - als auch Anordnungsgrund, d.h. Eilbedürftigkeit sind gegeben.
Die abschließende Prüfung der vorläufigen Zuständigkeit bereitete hier keine Schwierigkeiten. Der Sachverhalt ist klar zu Tage liegend und nach Subsumtion besteht ein Anordnungsanspruch nicht nur im Sinne der Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Vier verschiedene Träger der Sozialhilfe kommen als Leistungsträger in Betracht: der am 22.09.2008 zuerst angegangene Landkreis B., der im Hinblick auf § 98 Abs. 5 SGB XII Leistungen versagt hat, der Beschwerdeführer (Landkreis M.), bei dem ein Leistungsantrag am 06.10.2008 eingegangen ist, der D., dem die Betreuerin der Antragstellerin am 23.09.2008 die Verlegung aus dem Klinikum M. in die außerstationäre Intensivpflege angezeigt hat und die Landeshauptstadt D-Stadt, in dessen Gebiet die Antragstellerin vor ihrer erstmaligen stationären Aufnahme gewohnt hat.
Bei Anwendung von § 43 SGB I (Vorläufige Leistungen) hätte der Landkreis B. die Leistungen zu erbringen. Denn gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I hat der zuerst angegangene Leistungsträger auf einen insoweit gestellten Antrag spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats vorläufig Leistungen zu erbringen. Der Zeitablauf ist hier eindeutig (Antragseingang beim Landkreis B. am 22.09.2008, Leistungsantrag am 06.10.2008 beim Landkreis M.). Auf die Kenntnis vom Hilfefall ist gemäß § 43 SGB I nicht abzustellen; zeitlich gesehen hat allerdings der D. auch schon mit der Anzeige vom 23.09.2008 Kenntnis erlangt. Voraussetzung ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist. Ein solcher Antrag auf vorläufige Leistung ist aber nicht beim Landkreis B. gestellt worden. Dort ist vielmehr ein Antrag auf endgültige Leistung angebracht worden, dessen Ablehnung mit Bescheid vom 24.09.2008 nicht angefochten worden ist.
Im vorliegenden Fall sind aber die Besonderheiten der Zuständigkeitserklärung für behinderte Menschen zu beachten. Insoweit ist § 43 SGB I nicht abschließend. Selbst vom SGB I abweichende Regelungen (hier handelt es sich um eine ergänzende Regelung für behinderte) wären möglich (§ 37 SGB I). Das Sozialgesetzbuch neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 9. Juni 2001 (BGBl. I S. 1 1046) - SGB IX - gilt gemäß § 1 SGB IX für den Erhalt von Leistungen an behinderte Menschen. Die Antragstellerin ist ohne Zweifel diesem Personenkreis zugehörig (vgl. § 2 SGB IX Begriff der Behinderung) Leistungsträger im Sinne des SGB IX sind auch die Träger der Sozialhilfe (vgl. 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX).
Die Zuständigkeitsklärung gemäß § 14 SGB IX idfG v. 23.04.2004 (BGBl. I 606) ist mehrstufig. Zunächst (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. So ist der Landkreis B. verfahren. Darüber, ob die Begründung (§ 98 Abs. 5 SGB XII) zutraf und die Schlussfolgerung richtig war, ist hier nicht zu befinden. Gemäß § 14 Abs. 3 SGB IX gelten die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts - wie in der Sozialhilfe mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung - wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
Wird der Antrag - wie hier mit Schreiben vom 26.09.2008 an die Betreuerin der Antragstellerin vom Landkreis B. an den Landkreis M. - weitergeleitet, ordnet § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX an, dass die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger entsprechend gelten, an den der Antrag weitergeleitet worden ist. Selbst unter der Annahme, dass es sich nicht um eine Weiterleitung im Sinne von einer 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX gehandelt hätte, träfe § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX dann auf den Beschwerdeführer (Antragsgegner) unmittelbar zu. Dieser hat am 20.10.2008 einen wegen Unzuständigkeit ablehnenden Bescheid erteilt und gleichzeitig den Antrag an den D. weitergeleitet (Eingang am 22.10.2008). Dadurch konnte sich der Beschwerdeführer (Antragsgegner) nicht seiner Zuständigkeit entledigen.
Gerade auch wegen derartiger Fallgestaltungen ist mit Wirkung vom 01.05.2004 durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.04.2004 (BGBl I 606) die Regelung nach § 14 Abs. 2 Satz 5 SGB IX neu in das Gesetz eingefügt worden. Nach dieser Regelung klärt der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, der aber für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger sein kann, unverzüglich mit dem nach seiner Meinung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der in Satz 2 und 4 genannten Fristen entschieden wird. Diese Regelung soll klarstellen, dass der Rehabilitationsträger, an den ein Antrag von einem anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet wurde, diesen Antrag nicht nochmals weiterleiten darf, und zwar selbst dann nicht, wenn er kein Rehabilitationsträger nach § 6 Abs 1 SGB IX bzw. nach Maßgabe des § 6a SGB IX sein kann. Der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, soll das weitere Vorgehen mit dem anderen Rehabilitationsträger und dem Antragsteller abstimmen, damit eine sachgerechte Leistungsentscheidung getroffen werden kann. Im Ergebnis folgt aus der in § 14 SGB IX getroffenen Regelung, dass eine nach außen verbindliche Zuständigkeit geschaffen worden ist, gleichzeitig aber interne Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers fortbestehen (vgl. Urteile des BSG vom 25.06.2008, Az.: B 11b AS 19/07 R, vom 26.10.2004, Az.: B 7 AL 16/04 R; vom
26.06.2007 - B 1 KR 34/06 R - Rn. 12 ff, und vom 28.11.2007 - B 11a AL 29/06
Rn. 15; Gagel, juris PR-SozR 2/2008 Anm. 5; Fichte, in Erlenkämper/Fichte Sozialrecht, 6. Aufl. 2007, Rz. 19/72 ff).
Eine weiter bestehende Zuständigkeit des Beschwerdeführers (Antragsgegner) im o. g. Sinne entspricht auch den Intentionen des SGB IX, wonach die Komplexität des Sozialrechts, insbesondere auch durch die Vielgestaltigkeit seiner Träger, nicht zu Leistungsverzögerungen beim Hilfeempfänger führen darf. Diese Regelung soll bewirken, dass Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage bei ungeklärter Zuständigkeit nicht mehr zu Lasten der behinderten Menschen bzw. der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung gehen (BT-Drucks 14/5074 S 95). Eine Weiterführung der Weiterleitung würde zu einem karussellartigen Leerlauf führen und erinnert stark an die frühere Regelung der Verweisung im Rechtsweg, die der Gesetzgeber bewusst mit der Vereinfachungsnovelle 1990 beseitigt und durch die aufdrängende Wirkung des zweites angegangenen Gerichts ersetzt hat. Denn der D. hat unter der Annahme, dass es sich um eine außerstationäre Maßnahme handele, den Antrag am 24.10.2008 an den Landkreis M. zur Bearbeitung in eigener Zuständigkeit weiter bzw. zurückgeleitet. Unter formalistische Fortführung der Regel nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hätte dann der Beschwerdeführer (Antragsgegner) durch seine Weiterleitung des Antrags wiederum binnen 14 Tagen - an die Landeshauptstadt D-Stadt mit Schreiben vom 03.11.2008 (Blatt 58 der Akten des Antragsgegners) - eine Zuständigkeit der Landeshauptstadt herbeigeführt. Damit hätte sich die Antragstellerin nunmehr 7 Wochen nach Entstehung des Bedarfs erneut mit einem weiteren als vierten angegangenen Sozialhilfeträger auseinander setzen müssen. Ein derartiges Verhalten ist schwerlich mit den durch das Sozialgesetzbuch zuerkannten sozialen Rechten (vgl. § 2 Abs. 2 SGB I) vereinbar. Vielmehr hätte die Antragsgegnerin das weitere Vorgehen mit den anderen Rehabilitationsträger und dem Antragsteller abstimmen müssen, damit eine sachgerechte Leistungsentscheidung hätte getroffen werden können. Befürchtungen des Antragsgegners, ungerechtfertigt Finanzmittel des Landkreises zu verwenden gehen angesichts der lückenlosen Erstattungsansprüche (§ 14 Abs. 4 SGB IX, 2. Abschnitt des SGB X, Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander, 102 ff SGB X) ins Leere.
In diesem Zusammenhang hätte dann eine Diskussion von § 98 SGB XII (Örtliche Zuständigkeit) zwischen den involvierten Sozialhilfeträgern erfolgen können. Dabei ermöglicht die Rechtsfigur der Beteiligung (§ 12 Absatz 2 SGB X) die Berücksichtigung der rechtlichen Interessen aller involvierten Sozialhilfeträger. Dabei hätte dann geklärt werden können, ob tatsächlich § 98 Abs. 5 SGB XII wegen des Vorliegens einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit einschlägig ist oder die Regeln über einen Wechsel in stationären Einrichtungen (§ 98 Abs. 2 SGB XII) Anwendung finden.
Eine auch im einstweiligen Verfahren mögliche (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, Randnummer 38 zu § 86b SGG) Beiladung des "eigentlich" zuständigen Trägers ist in diesem Antragsverfahren nicht zweckdienlich. Die Zuständigkeitsklärung nach § 14 SGB IX, die wegen der Ungewissheit über den zuständigen Träger geschaffen worden ist, hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes möglichst schnell zu erfolgen. Die Entscheidung würde durch eine Beiladung wesentlich verzögert. In einem möglichen Hauptsacheverfahren wird jedoch der Umstand Beachtung finden müssen, dass ein Fall der so genannten echten notwendigen Beiladung vorliegt. Die Entscheidung kann auch in einem Fall der vorliegenden Art nur einheitlich gegenüber der Antragsgegnerin und dem möglicherweise "eigentlich zuständigen" Sozialhilfeträger als Rehabilitationsträger ergehen, weil sie unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingreifen kann und damit die für die notwendige Beiladung erforderliche Identität des Streitgegenstandes zu bejahen ist. Insoweit ergibt sich die Notwendigkeit der Beiladung aus den Besonderheiten des Rehabilitationsverfahrens, insbesondere aus § 14 SGB IX, der eine enge Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger im gesamten Verfahren vorschreibt.
Auch am Anordnungsgrund fehlt es nicht. Angesichts der existenziellen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Unversehrtheit an Leib und Leben und der Selbstbestimmtheit der Lebensführung zumisst, drohen der Antragstellerin erhebliche Nachteile, wenn sie zunächst die Entscheidung der Antragsgegnerin abwarten muss. Auch in gerichtlichen Eilverfahren, die - wie hier - die Gewährung existenzsichernder Leistungen betreffen, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Fachgerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. zuletzt Beschluss des BVerfG vom 15.01.2007, Az.: 1 BvR 2971/06 m.w.N.). Zumal, wenn -wie hier- in den Fällen, in denen es um existenzsichernde Leistungen geht, die abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. auch BVerfGK 1, 292, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05) eine Erfolgsaussicht in der Hauptsache ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss ergeht für die Antragstellerin kostenfrei, § 183 SGG. Er ist endgültig und kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung wird abgelehnt.
III. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstat-
ten.
Gründe:
I.
Zu entscheiden ist hier über eine Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung des Sozialgerichts München (SG), mit welcher der Antragsgegner zur Erbringung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe zur Pflege, und Hilfe zur Gesundheit nach den Kapiteln 4 bis 7 SGB XII für die Antragstellerin verpflichtet wurde.
Die 1936 geborene Antragstellerin erhielt bis Oktober 2007 Leistungen der Grundsicherung von der Landeshauptstadt D-Stadt. Anschließend erbrachte der D. mit Bescheid vom 03.03.2008 Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen und Hilfe zur Pflege für die Unterbringung der Antragstellerin im Alten- und Pflegeheim "S." in der kreisangehörigen Gemeinde Z. (Landkreis M.). Dort erkrankte sie schwer und wurde ab 31.08.2008 in der Klinik M. stationär behandelt.
Am 23.09.2008 wurde die Antragstellerin in die außerklinische Intensivpflege H. in A-Stadt (kreisangehörige Gemeinde des Landkreises B. - B.) entlassen. Dies teilte die Betreuerin der Antragstellerin im D. mit Schreiben vom 23.09.2008 mit.
Ihre Betreuerin beantragte am 22.09.2008 beim Landratsamt - LRA - B. Hilfe zur Pflege für die genannte Pflegeeinrichtung. Dieses übersandte Antragsformulare an die Antragstellerin und bekundete dabei mit Schreiben vom 24.09.2008, dass für die weitere Sachbearbeitung der Landkreis M. zuständig sei, da die Klägerin in der dort kreisangehörigen Gemeinde Z. zuletzt ihren Wohnsitz im Alten- und Pflegeheim "S." gehabt habe.
Der am 01.10.2008 beim LRA M. (Antragsgegner) gestellte Antrag auf Hilfe zur Pflege, Grundsicherung im Alter und Hilfe zur Gesundheit wurde mit Bescheid vom 20.10.2008 abgelehnt. Das LRA führt dazu aus, dass die Leistungen der Intensivpflege weit über den Grundservice hinausgingen und damit den Leistungen einer stationären Einrichtung entsprechen würden. Sie erfolge nicht im eigenen Haushalt der Betreuten, denen eine eigen- und selbstständige Lebensführung, wie bei Lebens- und Wohngemeinschaften, nicht möglich sei. Für Hilfeleistungen in der stationären Einrichtung sei aber die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers (D.) gegeben. Sollte es sich aber dennoch um eine ambulant betreute Wohnform handeln, bestünde die Zuständigkeit der Stadt D-Stadt. Dort habe die Klägerin vor ihrer stationären Unterbringung im Alten- und Pflegeheim "S." gewohnt.
Gleichzeitig leitete die Antragsgegnerin den Vorgang an den D. weiter, welcher die Unterlagen aber postwendend am 24.10.2008 zurückreichte. Dabei führte der Bezirk aus, dass ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei, wohl aber ein ambulantes Betreuungsangebot in einem anderen Ort (Ü.), welches nach Ansicht des SG als ambulante Maßnahme angesehen wurde. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den der Bezirk ebenfalls an den Antragsgegner weiter reichte. Der Antragstellerin wurde in einem Schreiben vom 07.11.2008 mitgeteilt, dass ein Widerspruch gegen die Abgabe des Vorgangs an den Antragsgegner unzulässig sei. Des Weiteren wurde erläutert, dass es sich um eine stationäre Unterbringung handele und dass für die Erbringung der Leistungen der ambulanten Versorgung die Landeshauptstadt D-Stadt zuständig sei, in deren Gebiet die Antragstellerin zuletzt vor ihrer stationären Unterbringung gelebt habe.
Die Antragsgegnerin legte den Widerspruch am 25.11.2008 der Regierung von Oberbayern zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass auch gem. § 43 SGB I keine Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung bestehen würde. Denn zunächst hätte sie, die Antragstellerin, sich an den D. und dann an das LRA B. gewandt.
Am 11.12.2008 beantragte die Antragstellerin beim SG, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab sofort die Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Es sei zu befürchten, dass die Antragstellerin demnächst aus ihrer Wohngemeinschaft zwangsausgewiesen werde, weil keine Kostenzusage vorliege. Auch erfolge an die Lieferanten der technischen Hilfsmittel keinerlei Zahlung, so dass diese auf Rückgabe bestehen würden. Insbesondere das Beatmungsgerät sei lebensnotwendig.
Mit Beschluss vom 02.01.2009 hat das SG den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin vom 01.12.2008 bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien hinreichend glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin sei nach der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung leistungsberechtigt für die beantragte Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter, Hilfe zur Gesundheit und Hilfe zur Pflege nach den Kap. 4 - 7 SGB XII. Dabei habe die Antragstellerin auch glaubhaft gemacht, dass dieser Anspruch gegenüber dem Antragsgegner beständen. Hierfür spräche vor allem, dass die 42. Kammer des Sozialgerichts München in einem Parallelverfahren mit Beschluss vom 06.11.2007 (S 42 SO 351/07 ER) bereits ausführlich dargestellt habe, dass die Pflege des Pflegedienstes H. als ambulante Pflege in betreuter Wohnform ausgeführt werde. Zum anderen sei die Leistungsverpflichtung des Antragsgegners zumindest nach § 43 SGB I als vorläufige Leistungsverpflichtung glaubhaft gemacht. Die Erbringung der Leistung obliege dem zuerst angegangenen Leistungsträger. Das sei derjenige, der sich aufgrund eines Antrags oder von Amts wegen zuerst mit der Sache befasst hat. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Leistungsberechtigte sich lediglich mit der Bitte um Auskunft oder Beratung an den Leistungsträger gewandt hat; vielmehr muss ein konkretes Leistungsbegehren vorliegen. Aus den vorliegenden Unterlagen würde nicht eindeutig hervorgehen, ob die Betreuerin der Antragstellerin an den D. bzw. das LRA B. lediglich ein Auskunfts- oder Beratungsbegehren gerichtet oder ein konkretes Leistungsbegehrten zum Ausdruck gebracht habe. Nach Sinn und Zweck eines Eilverfahrens sei auch für die Gewährung von vorläufigen Leistungen im Sinne von § 43 SGB I vom Gericht nicht abschließend zu klären, welcher Leistungsträger zuerst "angegangen" worden sei; vielmehr sei auch für diese Frage die Glaubhaftmachung ausreichend.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 15.01.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgerichts (LSG) eingelegt. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da bereits am 20.09.2008 beim LRA B. ein Antrag gestellt und von diesem am 24.09.2008 abgelehnt worden sei. Auch schon früher, am 23.09.2008 habe sich die Antragstellerin an den D. gewendet. Daher könne von keiner Zuständigkeit nach § 43 SGB I zu Ungunsten der Antragsgegnerin ausgegangen werden.
Die Beschwerdegegnerin hat sich am 02.02.2009 geäußert. Der D. und das Landratsamt B. haben ihre Akten am 03.02.2009 übersandt.
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.01.2009 aufzuheben sowie die Vollstreckung aus dem Beschluss durch einstweilige Anordnung auszusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sind unbegründet.
Das SG hat im Ergebnis zu Recht eine einstweilige Anordnung gegenüber dem Beschwerdeführer (Antragsgegner, Landkreis M.) erlassen.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig, da auch die einstweilige Anordnung ein Vollstreckungstitel im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist (Meyer-Ladewig/Keller, Randnummer 46 zu § 86b). Die Zuständigkeit des LSG ist trotz § 175 Satz 3 SGG gegeben (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer, Randnummer 4 zu § 175 SGG zur Befugnis des Beschwerdegerichts) Einer dagegen gerichteten Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. § 175 SGG). Gründe zur Aussetzung im Sinne von § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG liegen aber ebenso wenig vor, wie zur Aufhebung des Beschlusses als solchem. Der Beschluss, der insofern vom Vorsitzenden des Senats alleine zu ergehen hat, wird gleichzeitig mit der Entscheidung über die Beschwerde verbunden, da der Vorsitzende gleichzeitig Berichterstatter ist und ein solches Vorgehen der Beschleunigung und Verfahrensvereinfachung dient.
Es besteht ein Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ("einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint"). Das streitige Rechtsverhältnis liegt hier zwar in der vorläufigen Bestimmung einer Zuständigkeit zur Leistungserbringung. Die Leistung selbst ist aber für die Antragstellerin von existenzieller Bedeutung. Denn es geht um die Gestellung von lebenserhaltenden Hilfsmitteln (Beatmungsgerät und Hilfe bei Krankheit im Sinne von § 264 SGB V vermittelts Anmeldung durch den zuständigen Sozialhilfeträger) sowie lebenserhaltende Pflegeleistungen durch Sicherstellung der Beatmung. Vom Vorliegen eines Anspruchs auf die genannten Leistungen ist der Senat nicht nur hinreichend im Sinne der notwendigen Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) sondern voll überzeugt, denn dies lässt sich aus dem Antrag der Klinik M. auf Pflegeleistungen vom 22.09.2008 (vorliegend in den Akten des LRA B., des Beschwerdeführers und des Bezirks Oberbayern) entnehmen. Danach wurde die Antragstellerin wegen einer Karzinomerkrankung mit akuter respiratorischer Insuffizienz (beatmet) in die Intensivpflege entlassen. Es handelte sich um einen Dauerzustand. Weiter liegt (im Aktenvorgang des LRA B. und des Bezirks Oberbayern) eine ärztliche Bescheinigung der Intensivstationen der Kreisklinik M. vor, wonach eine Versorgung in einer für intensive Beatmung geeigneten Einrichtung notwendig sei.
Bei Gefahr der Entstehung schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Beeinträchtigungen verlangt die Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) eine besondere Prüfung (vgl. BVerfG vom 12.05.2005,
1 BvR 569/05 Juris Rn. 23; BVerfG, NVwZ 2004, S. 95, 96, Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06). Danach ist entweder eine abschließende (und nicht nur summarische) Prüfung der Hauptsache durchzuführen, um eine Ablehnung unter Orientierung an der Hauptsache zu rechtfertigen, oder eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen. Hier hat nach abschließender Prüfung der Eilantrag bereits nach den einfach-gesetzlichen Regelungen Erfolg hat. Sowohl Anordnungsanspruch - hier sogar im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit des zustehenden Hauptsacheanspruchs - als auch Anordnungsgrund, d.h. Eilbedürftigkeit sind gegeben.
Die abschließende Prüfung der vorläufigen Zuständigkeit bereitete hier keine Schwierigkeiten. Der Sachverhalt ist klar zu Tage liegend und nach Subsumtion besteht ein Anordnungsanspruch nicht nur im Sinne der Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Vier verschiedene Träger der Sozialhilfe kommen als Leistungsträger in Betracht: der am 22.09.2008 zuerst angegangene Landkreis B., der im Hinblick auf § 98 Abs. 5 SGB XII Leistungen versagt hat, der Beschwerdeführer (Landkreis M.), bei dem ein Leistungsantrag am 06.10.2008 eingegangen ist, der D., dem die Betreuerin der Antragstellerin am 23.09.2008 die Verlegung aus dem Klinikum M. in die außerstationäre Intensivpflege angezeigt hat und die Landeshauptstadt D-Stadt, in dessen Gebiet die Antragstellerin vor ihrer erstmaligen stationären Aufnahme gewohnt hat.
Bei Anwendung von § 43 SGB I (Vorläufige Leistungen) hätte der Landkreis B. die Leistungen zu erbringen. Denn gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I hat der zuerst angegangene Leistungsträger auf einen insoweit gestellten Antrag spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats vorläufig Leistungen zu erbringen. Der Zeitablauf ist hier eindeutig (Antragseingang beim Landkreis B. am 22.09.2008, Leistungsantrag am 06.10.2008 beim Landkreis M.). Auf die Kenntnis vom Hilfefall ist gemäß § 43 SGB I nicht abzustellen; zeitlich gesehen hat allerdings der D. auch schon mit der Anzeige vom 23.09.2008 Kenntnis erlangt. Voraussetzung ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist. Ein solcher Antrag auf vorläufige Leistung ist aber nicht beim Landkreis B. gestellt worden. Dort ist vielmehr ein Antrag auf endgültige Leistung angebracht worden, dessen Ablehnung mit Bescheid vom 24.09.2008 nicht angefochten worden ist.
Im vorliegenden Fall sind aber die Besonderheiten der Zuständigkeitserklärung für behinderte Menschen zu beachten. Insoweit ist § 43 SGB I nicht abschließend. Selbst vom SGB I abweichende Regelungen (hier handelt es sich um eine ergänzende Regelung für behinderte) wären möglich (§ 37 SGB I). Das Sozialgesetzbuch neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 9. Juni 2001 (BGBl. I S. 1 1046) - SGB IX - gilt gemäß § 1 SGB IX für den Erhalt von Leistungen an behinderte Menschen. Die Antragstellerin ist ohne Zweifel diesem Personenkreis zugehörig (vgl. § 2 SGB IX Begriff der Behinderung) Leistungsträger im Sinne des SGB IX sind auch die Träger der Sozialhilfe (vgl. 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX).
Die Zuständigkeitsklärung gemäß § 14 SGB IX idfG v. 23.04.2004 (BGBl. I 606) ist mehrstufig. Zunächst (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. So ist der Landkreis B. verfahren. Darüber, ob die Begründung (§ 98 Abs. 5 SGB XII) zutraf und die Schlussfolgerung richtig war, ist hier nicht zu befinden. Gemäß § 14 Abs. 3 SGB IX gelten die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts - wie in der Sozialhilfe mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung - wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
Wird der Antrag - wie hier mit Schreiben vom 26.09.2008 an die Betreuerin der Antragstellerin vom Landkreis B. an den Landkreis M. - weitergeleitet, ordnet § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX an, dass die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger entsprechend gelten, an den der Antrag weitergeleitet worden ist. Selbst unter der Annahme, dass es sich nicht um eine Weiterleitung im Sinne von einer 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX gehandelt hätte, träfe § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX dann auf den Beschwerdeführer (Antragsgegner) unmittelbar zu. Dieser hat am 20.10.2008 einen wegen Unzuständigkeit ablehnenden Bescheid erteilt und gleichzeitig den Antrag an den D. weitergeleitet (Eingang am 22.10.2008). Dadurch konnte sich der Beschwerdeführer (Antragsgegner) nicht seiner Zuständigkeit entledigen.
Gerade auch wegen derartiger Fallgestaltungen ist mit Wirkung vom 01.05.2004 durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.04.2004 (BGBl I 606) die Regelung nach § 14 Abs. 2 Satz 5 SGB IX neu in das Gesetz eingefügt worden. Nach dieser Regelung klärt der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, der aber für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger sein kann, unverzüglich mit dem nach seiner Meinung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der in Satz 2 und 4 genannten Fristen entschieden wird. Diese Regelung soll klarstellen, dass der Rehabilitationsträger, an den ein Antrag von einem anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet wurde, diesen Antrag nicht nochmals weiterleiten darf, und zwar selbst dann nicht, wenn er kein Rehabilitationsträger nach § 6 Abs 1 SGB IX bzw. nach Maßgabe des § 6a SGB IX sein kann. Der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, soll das weitere Vorgehen mit dem anderen Rehabilitationsträger und dem Antragsteller abstimmen, damit eine sachgerechte Leistungsentscheidung getroffen werden kann. Im Ergebnis folgt aus der in § 14 SGB IX getroffenen Regelung, dass eine nach außen verbindliche Zuständigkeit geschaffen worden ist, gleichzeitig aber interne Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers fortbestehen (vgl. Urteile des BSG vom 25.06.2008, Az.: B 11b AS 19/07 R, vom 26.10.2004, Az.: B 7 AL 16/04 R; vom
26.06.2007 - B 1 KR 34/06 R - Rn. 12 ff, und vom 28.11.2007 - B 11a AL 29/06
Rn. 15; Gagel, juris PR-SozR 2/2008 Anm. 5; Fichte, in Erlenkämper/Fichte Sozialrecht, 6. Aufl. 2007, Rz. 19/72 ff).
Eine weiter bestehende Zuständigkeit des Beschwerdeführers (Antragsgegner) im o. g. Sinne entspricht auch den Intentionen des SGB IX, wonach die Komplexität des Sozialrechts, insbesondere auch durch die Vielgestaltigkeit seiner Träger, nicht zu Leistungsverzögerungen beim Hilfeempfänger führen darf. Diese Regelung soll bewirken, dass Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage bei ungeklärter Zuständigkeit nicht mehr zu Lasten der behinderten Menschen bzw. der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung gehen (BT-Drucks 14/5074 S 95). Eine Weiterführung der Weiterleitung würde zu einem karussellartigen Leerlauf führen und erinnert stark an die frühere Regelung der Verweisung im Rechtsweg, die der Gesetzgeber bewusst mit der Vereinfachungsnovelle 1990 beseitigt und durch die aufdrängende Wirkung des zweites angegangenen Gerichts ersetzt hat. Denn der D. hat unter der Annahme, dass es sich um eine außerstationäre Maßnahme handele, den Antrag am 24.10.2008 an den Landkreis M. zur Bearbeitung in eigener Zuständigkeit weiter bzw. zurückgeleitet. Unter formalistische Fortführung der Regel nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hätte dann der Beschwerdeführer (Antragsgegner) durch seine Weiterleitung des Antrags wiederum binnen 14 Tagen - an die Landeshauptstadt D-Stadt mit Schreiben vom 03.11.2008 (Blatt 58 der Akten des Antragsgegners) - eine Zuständigkeit der Landeshauptstadt herbeigeführt. Damit hätte sich die Antragstellerin nunmehr 7 Wochen nach Entstehung des Bedarfs erneut mit einem weiteren als vierten angegangenen Sozialhilfeträger auseinander setzen müssen. Ein derartiges Verhalten ist schwerlich mit den durch das Sozialgesetzbuch zuerkannten sozialen Rechten (vgl. § 2 Abs. 2 SGB I) vereinbar. Vielmehr hätte die Antragsgegnerin das weitere Vorgehen mit den anderen Rehabilitationsträger und dem Antragsteller abstimmen müssen, damit eine sachgerechte Leistungsentscheidung hätte getroffen werden können. Befürchtungen des Antragsgegners, ungerechtfertigt Finanzmittel des Landkreises zu verwenden gehen angesichts der lückenlosen Erstattungsansprüche (§ 14 Abs. 4 SGB IX, 2. Abschnitt des SGB X, Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander, 102 ff SGB X) ins Leere.
In diesem Zusammenhang hätte dann eine Diskussion von § 98 SGB XII (Örtliche Zuständigkeit) zwischen den involvierten Sozialhilfeträgern erfolgen können. Dabei ermöglicht die Rechtsfigur der Beteiligung (§ 12 Absatz 2 SGB X) die Berücksichtigung der rechtlichen Interessen aller involvierten Sozialhilfeträger. Dabei hätte dann geklärt werden können, ob tatsächlich § 98 Abs. 5 SGB XII wegen des Vorliegens einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit einschlägig ist oder die Regeln über einen Wechsel in stationären Einrichtungen (§ 98 Abs. 2 SGB XII) Anwendung finden.
Eine auch im einstweiligen Verfahren mögliche (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, Randnummer 38 zu § 86b SGG) Beiladung des "eigentlich" zuständigen Trägers ist in diesem Antragsverfahren nicht zweckdienlich. Die Zuständigkeitsklärung nach § 14 SGB IX, die wegen der Ungewissheit über den zuständigen Träger geschaffen worden ist, hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes möglichst schnell zu erfolgen. Die Entscheidung würde durch eine Beiladung wesentlich verzögert. In einem möglichen Hauptsacheverfahren wird jedoch der Umstand Beachtung finden müssen, dass ein Fall der so genannten echten notwendigen Beiladung vorliegt. Die Entscheidung kann auch in einem Fall der vorliegenden Art nur einheitlich gegenüber der Antragsgegnerin und dem möglicherweise "eigentlich zuständigen" Sozialhilfeträger als Rehabilitationsträger ergehen, weil sie unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingreifen kann und damit die für die notwendige Beiladung erforderliche Identität des Streitgegenstandes zu bejahen ist. Insoweit ergibt sich die Notwendigkeit der Beiladung aus den Besonderheiten des Rehabilitationsverfahrens, insbesondere aus § 14 SGB IX, der eine enge Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger im gesamten Verfahren vorschreibt.
Auch am Anordnungsgrund fehlt es nicht. Angesichts der existenziellen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Unversehrtheit an Leib und Leben und der Selbstbestimmtheit der Lebensführung zumisst, drohen der Antragstellerin erhebliche Nachteile, wenn sie zunächst die Entscheidung der Antragsgegnerin abwarten muss. Auch in gerichtlichen Eilverfahren, die - wie hier - die Gewährung existenzsichernder Leistungen betreffen, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Fachgerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. zuletzt Beschluss des BVerfG vom 15.01.2007, Az.: 1 BvR 2971/06 m.w.N.). Zumal, wenn -wie hier- in den Fällen, in denen es um existenzsichernde Leistungen geht, die abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. auch BVerfGK 1, 292, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05) eine Erfolgsaussicht in der Hauptsache ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss ergeht für die Antragstellerin kostenfrei, § 183 SGG. Er ist endgültig und kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved