L 12 AS 267/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 4345/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 267/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt für die Zeit ab September 2008 die Auszahlung bzw. Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der 1951 geborene Antragsteller bezog ab Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und in der Zeit vom 01. Mai 2006 bis 30. Juni 2008 Leistungen der Grundsicherung für dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Ehe des Antragstellers mit S. M. wurde durch Urteil des Amtsgerichts P. (AG) vom 08. Februar 2008 geschieden (5 F 186/04). Hierbei wurde die geschiedene Ehefrau des Antragstellers verurteilt, ihm einen Zugewinnausgleichsbetrag in Höhe von 65.764,22 EUR zu bezahlen. Ab 01. Juli 2008 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf, die mit 720 EUR brutto monatlich (568,98 EUR netto) entlohnt wurde; hierfür wurde von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Zuschuss an den Arbeitgeber gezahlt (Bescheid vom 23. Juni 2008). In der Folgezeit kündigte der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis mit Wirkung zum 30. November 2008.

Am 25. Juni 2008 beantragte der Antragsteller die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Antragsgegner zu 2 bewilligte mit Bescheid vom 29. Juli 2008 für den Zeitraum Juli bis Dezember 2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 286,37 EUR. Die Antragsgegnerin zu 1 bewilligte zunächst mit Bescheid vom 14. Juli 2008 Leistungen für denselben Zeitraum in Höhe von 19,21 EUR, mit Änderungsbescheid vom 08. August 2008 berücksichtigte sie zusätzlich einen Mehrbedarf für behinderte Menschen in Höhe von 123 EUR und bewilligte entsprechend Leistungen in Höhe von 142,21 EUR monatlich.

Im Hinblick auf seinen Zugewinnausgleichsanspruch nahm der Antragsteller ab Juli 2008 bei seiner geschiedenen Frau Lohnpfändungen vor, welche zunächst von seinen Anwälten mit ausstehenden Honoraransprüchen verrechnet wurden. Ein Hausgrundstück der geschiedenen Ehefrau wurde für 130.000 EUR versteigert, wovon der Antragsteller, der dem Zwangsversteigerungsverfahren beigetreten war (Beschluss des AG vom 15. Mai 2008 - 2 K 184/07 -), nach dem endgültigen Teilungsplan vom 03. September 2008 5.306,67 EUR erhielt. Nach Abzug von Rechtsanwaltshonoraren wurden dem Antragsteller hiervon Ende September 2008 schließlich 2.046,69 EUR ausgezahlt. Nachdem die Antragsgegnerin zu 1 hiervon Kenntnis erhalten hatte, stellte sie die Leistungen ab 01. Oktober 2008 ein, der Antragsgegner zu 2 stellte die Leistungen mit Wirkung ab 01. Dezember 2008 ein. Die für September 2008 gewährten Leistungen zahlte der Rechtsanwalt des Antragstellers nach Hinweis auf den gesetzlichen Anspruchsübergang in voller Höhe aus dem Versteigerungserlös zurück.

Am 07. Oktober 2008 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und die Weiterzahlung der Leistungen begehrt. Von den 2.046,69 EUR, die er letztlich erhalten habe, habe er Schulden zurückgezahlt. Ungeachtet dessen, dass er ein Negativvermögen von über 30.000 EUR sein eigen nenne, habe er Anspruch auf Berücksichtigung eines Schonvermögens.

Mit Beschluss vom 31. Oktober 2008 hat das SG die Anträge abgelehnt. Maßgebend sei eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sich der Antragsteller gegen eine nicht durch Verwaltungsakt erfolgte Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 331 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) wende. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft könne der Antrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die mit Bescheid vom 29. Juli 2008 bewilligten Leistungen in Höhe von monatlich 286,37 EUR weiterhin zur Zahlung angewiesen würden. Gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dem Anspruch aus dem Bewilligungsbescheid könne diese die Einwendung der vorläufigen Zahlungseinstellung entgegen halten. Gemäß dem entsprechend anwendbaren § 331 Abs. 1 SGB III könne die Agentur für Arbeit die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhalte, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führten und wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergebe, deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben sei. Durch den Zahlungseingang Ende September in Höhe von 2.046,69 EUR, der gemäß § 11 SGB II als Einkommen anzurechnen sei, sei der Antragsteller in die Lage versetzt, seinen Lebensunterhalt in dem nach § 331 Abs. 2 SGB III auf zwei Monate begrenzten Zeitraum zu bestreiten. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, den Versteigerungserlös anderweitig verwendet zu haben. Er habe bereits nicht glaubhaft gemacht, mit dem erhaltenen Geld Schulden beglichen zu haben. Darüber hinaus sei eine Einnahme auch dann als Einkommen anzurechnen, wenn das Geld dem Betroffenen nicht mehr zur Verfügung stehe, weil er es für andere Zwecke eingesetzt habe. Die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II diene nicht der Schuldentilgung. Der Antragsteller habe auch nicht vorgetragen, dass die sofortige Tilgung der Schulden unabwendbar gewesen sei.

Gegen den ihm am 06. November 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 01. Dezember 2008 Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, dass es vorliegend nicht um zu berücksichtigendes Einkommen, sondern um Vermögen gehe, wobei die Freibeträge zu berücksichtigen seien. Der Anspruch auf das Vermögen (Zugewinn aus Ehescheidung) sei bereits durch Einreichung der Scheidung im Frühjahr 2004 erhoben worden. Dieser Anspruch sei weit vor Bezug von Alg-II Leistungen eingetreten. Dass es erst jetzt zur Auszahlung des Vermögens komme, könne nicht zum Anlass genommen werden, die jetzigen Zahlungen auch aus Lohnpfändung als anrechenbare Einkünfte zu behandeln. Zudem müsse einem bedürftigen Leistungsempfänger möglich gemacht werden, seine nachgewiesenen Verbindlichkeiten ablösen zu können. Er habe an das Landratsamt K./B. für eine 2005 übernommene Mietkaution 450 EUR bezahlt sowie private Schulden in Höhe von 1400 EUR zurückgezahlt. Hierzu hat er eine Quittung von Frau M. M. vom 01. Oktober 2008 vorgelegt.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2008 hat die Antragsgegnerin zu 1 die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung ab 01. Oktober 2008 aufgehoben. Den hiergegen gerichteten Widerspruch hat sie mit Widerspruchsbescheid vom 04. Februar 2009 zurückgewiesen. Auf den Fortzahlungsantrag des Antragsstellers hat sie mit Bescheid vom 03. Februar 2009 die Gewährung von Leistungen wegen vorhandenen Vermögens (Anspruch auf Zugewinnausgleich) abgelehnt. Da ein sofortiger Zugriff auf das Vermögen nicht möglich sei, könnten Leistungen in Form eines Darlehens gezahlt werden, der Antragsteller möge mitteilen, ob er ein solches Darlehen in Anspruch nehmen wolle. Mit Aufhebungsbescheid vom 24. Februar 2009 hat der Antragsgegner zu 2 die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit ab 1. September 2008 aufgehoben und für den Zeitraum Oktober und November 2008 die Erstattung von 572,74 EUR verlangt. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid liegt noch nicht vor.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin zu 1 vom 22. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2009 anzuordnen und die Antragsgegnerin zu 1 zu verpflichten, die insoweit einbehaltenen Leistungen wieder auszuzahlen,

2. den Antragsgegner zu 2 zu verpflichten, Leistungen ab September 2008 zu zahlen und die Antragsgegnerin zu 1 zu verpflichten, Leistungen für September 2008 sowie ab 01. Januar 2009 zu zahlen.

Die Antragsgegner beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin zu 1 führt aus, dass es sich vorliegend zweifelsohne um zu berücksichtigendes Einkommen nach § 11 SGB II und nicht um Vermögen handele.

Der Antragsgegner zu 2 trägt vor, dass die Leistungen ab 01. Dezember 2008 vorläufig eingestellt und entsprechende Unterlagen angefordert worden seien. Dieser Aufforderung sei der Antragsteller bisher nicht nachgekommen. Rückwirkend sei ihm darüber hinaus Arbeitslosengeld I ab 04. Dezember 2008 in Höhe von täglich 11,14 EUR bewilligt worden. Aufgrund der Auszahlung der Leistung bis November 2008 bestehe kein Anordnungsgrund.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegner Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere wäre im Hinblick auf die geltend gemachten Leistungen auch in der Hauptsache die Berufung zulässig, da die Berufungssumme von 750 EUR überschritten würde (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.

Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist zum Einen die Bestimmung des § 86b Abs. 1 SGG, welche in Anfechtungssachen u.a. die gerichtliche Korrektur der fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelt. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist der gestellte Antrag sachdienlich auszulegen (vgl. § 123 SGG) und ggf. auch umzudeuten, um dem erkennbar gewordenen Rechtsschutzziel zum Erfolg zu verhelfen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage, Rdnr. 8). Das Rechtsschutzverlangen ist insoweit unter die Bestimmungen des § 86b Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG zu fassen, denn durch den Bescheid der Antragsgegnerin zu 1 vom 22. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Februar 2009 wird in die durch die Leistungsbewilligung vom 14. Juli 2008, abgeändert mit Bescheid vom 08. August 2008 für den Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2008 erlangte Rechtsposition des Antragstellers eingegriffen. Da dem Widerspruch des Antragstellers gegen diesen Bescheid - da keine Erstattungsforderung betroffen ist (vgl. hierzu Conradis in LPK- SGB II, 2. Aufl., § 39 Rdnr. 7; Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 01. November 2005 - L 7 AS 292/05 ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. April 2006 - L 2 B 62/06 AS ER - (beide juris)) - kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02. Oktober 2007 - L 7 AS 4111/07 ER-B -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Juli 2007 - L 8 AS 186/07 ER - (juris); Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 39 Rdnr. 12), ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur gerichtlichen Korrektur die Regelung des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG heranzuziehen; hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Insoweit muss der Senat die geänderte Sachlage durch die nach dem Beschluss des SG erlassenen Bescheide berücksichtigen. Da ein Klageverfahren gegen den Widerspruchsbescheid vom 04. Februar 2009 nach telefonischer Auskunft des SG noch nicht anhängig ist, ist der Antrag sachdienlich dahin gehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet oder wiederhergestellt werden soll - und zwar auch nach Klageerhebung im Hauptsacheverfahren. Bei gerichtlich angeordneter aufschiebender Wirkung kann das Gericht als zeitliches Ende der aufschiebenden Wirkung die Unanfechtbarkeit des Widerspruchsbescheids bestimmen, um so einen lückenlosen einstweiligen Rechtsschutz auch für die Zeit zwischen Erlass des Widerspruchsbescheids und Klageerhebung zu gewährleisten (vgl. Krodel, a.a.O., Rdnr. 87 m.w.N.). Allerdings wird dem Rechtsschutzziel des Antragstellers vorliegend nicht hinreichend Rechnung getragen durch dessen Auslegung allein als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Die von ihm letztlich begehrte Auszahlung der Leistungen kann über den unselbstständigen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch des § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG erreicht werden (vgl. Krodel, a.a.O. Rdnr. 179; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 10). Der so verstandene Antrag ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg (dazu unter 1.).

Da ein Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners zu 2 vom 24. Februar 2009 bisher nicht eingelegt wurde, kommt insoweit eine gerichtliche Anordnung einer aufschiebenden Wirkung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

Für die Leistungsgewährung für die Zeit ab 1. Januar 2009 kommt demgegenüber eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in Form der Regelungsanordnung in Betracht, da der Antragsteller zwar einen Fortzahlungsantrag gestellt hat, dieser aber abgelehnt bzw. vom Antragsgegner zu 2 noch nicht beschieden worden ist. Insoweit liegt eine Anfechtungssituation nicht vor, es wurde nicht in eine bestehende Rechtsposition des Antragstellers eingegriffen. Ebenfalls für die Ansprüche des Antragstellers betreffend September 2008 sowie gegenüber dem Antragsgegner zu 2 insgesamt kommt eine Regelungsanordnung in Betracht. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Auch diesbezüglich ist der Antrag in der Sache jedoch unbegründet und damit ohne Erfolg (dazu unter 2.).

1.) Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2006 - L 8 AS 238/06 ER-B -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER - (juris); Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnrn. 12 ff.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 7. Januar 2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B - und vom 9. Januar 2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B - (beide juris)); dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) in BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, a.a.O., Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 12c). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. BVerfG NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen, so dass - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und dem SGB XII - insoweit eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 31. März 2006 und 12. April 2006 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 205); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen.

Die sonach gebotene Interessenabwägung führt nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Streitgegenständlich ist die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 1. Oktober 2008 durch die Antragsgegnerin zu 1 mit Bescheid vom 22. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Februar 2009. Die Aufhebung der Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 SGB III. Nach den genannten Vorschriften ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung ab Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Eine wesentliche Änderung, die den Verwaltungsakt rechtswidrig werden lässt, liegt vor, wenn die Änderung im Vergleich zur Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass dazu führt, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den ergangenen Bescheid nicht hätte erlassen dürfen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22; SozR 3-4100 § 103 Nr. 9 S. 46).

Die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2008 ist bei der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung rechtswidrig, denn der Antragsteller hat in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, da es an der Hilfebedürftigkeit fehlt.

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Unter Berücksichtigung des bereinigten Erwerbseinkommens haben die Antragsgegner den Bedarf des Antragstellers mit 142,21 EUR (Regelleistung und Mehrbedarf) bzw. 286,37 EUR (Kosten der Unterkunft) errechnet. Inwieweit diese Berechnungen zutreffend sind, hat der Senat vorliegend nicht zu überprüfen, da die Bewilligungsbescheide vom Antragsteller nicht angefochten und daher, soweit sie nicht rechtswirksam aufgehoben worden sind, bindend geworden sind.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) oder nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leib oder Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Der Antragsteller hatte - neben dem Erwerbseinkommen im Oktober und November 2008 - Zahlungen aus Lohnpfändungen bei seiner geschiedenen Ehefrau (1. Oktober 2008: 297,40 EUR; 04. November 2008: 708,98 EUR; Folgebeträge mangels Vorlage der Kontoauszüge durch den Antragsteller nicht bekannt) sowie Ende September 2008 eine Einmalzahlung aus der Zwangsversteigerung des Grundstücks seiner geschiedenen Ehefrau in Höhe von 2.046,69 EUR erhalten. Bei sämtlichen Einnahmen handelt es sich um zu berücksichtigendes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Mit diesem Einkommen ist der Bedarf des Antragstellers im Zeitraum Oktober bis Dezember 2008 gedeckt, Hilfebedürftigkeit liegt nicht vor.

Einmalige Einnahmen sind entsprechend § 2 Abs. 4 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen, abweichend davon ist eine Berücksichtigung ab dem folgenden Monat zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahme sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Der Verteilzeitraum erfasst zunächst den gesamten Bewilligungsabschnitt, hier bis 31. Dezember 2008. Inwieweit darüber hinaus für den neuen Bewilligungsabschnitt sich der Verteilzeitraum hierauf ebenfalls erstreckt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - (juris)). Mit dem vorhandenen Einkommen kann in der Zeit von Oktober bis Dezember 2008 der von den Antragsgegner festgestellte Bedarf in Höhe von insgesamt 428,58 EUR gedeckt werden.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt daraus, dass sowohl die Lohnpfändungen bei der geschiedenen Ehefrau als auch der aus der Zwangsversteigerung vereinnahmte Betrag auf einem Anspruch des Antragstellers auf Zugewinnausgleich beruhen, nicht zu einer Zuordnung zum - unterhalb der Freibeträge - geschützten Vermögen (§ 12 SGB II). Nach der Rechtsprechung des BSG ist Einkommen grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl. BSG, Urteile vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R - (juris) und vom 30. September 2008, a.a.O.). Von der Regelung des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen ist auch dann nicht abzuweichen, wenn es sich um Einkommen handelt, das zu einem früheren Zeitpunkt fällig gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30. September 2008, a.a.O. zu Steuererstattung). Hier ist der Anspruch auf Zugewinnausgleich ohnehin erst mit Rechtskraft des Scheidungsurteils fällig geworden, so dass schon deshalb die Argumentation des Antragstellers, es handele sich um Vermögen, welches mit Stellung des Scheidungsantrags im Jahr 2004 beansprucht worden sei, nicht zutrifft.

Einer bedarfsmindernden Berücksichtigung der Auszahlung des Anteils aus dem Versteigerungserlös steht nicht entgegen, dass der Antragsteller diesen teilweise zur Schuldentilgung verwendet hat. Einkommen ist vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Für ein Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft bedeutet dies, dass es sich ggf. außerstande setzen muss, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben (vgl. BSG, Urteile vom 15. April 2008 - B 14 AS 27/07 R - (juris) und vom 30. September 2008, a.a.O.). Etwas anderes gilt nur in der hier nicht vorliegenden Ausnahmesituation, dass die Schulden direkt auf dem Vermögensgegenstand lasten, wie etwa eine auf einem Grundstück eingetragene Hypothek (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 52/06 R - (juris)). Ganz abgesehen davon ist auch nicht nachvollziehbar, warum sich der Antragsteller gerade im Oktober 2008 verpflichtet gesehen haben will, die Kaution an den Kommunalen Träger zu zahlen, obgleich dieser in sämtlichen Schreiben auf die Möglichkeit einer Verlängerung der Stundung hingewiesen hat sowie einen Betrag von 1.400 EUR an Frau M. als Darlehensrückzahlung zu leisten. Auf das Konto der Frau M. wurden auf Wunsch des Antragstellers bereits ab März 2006 die ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II treuhändisch überwiesen, so dass insoweit schon fraglich ist, ob überhaupt eine Darlehensschuld glaubhaft gemacht ist. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Schulden des Antragstellers ohnehin nicht zu berücksichtigten sind. Eine Saldierung der aktiven und passiven Vermögenswerte findet insoweit nicht statt.

Da der Bescheid vom 22. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Februar 2009 nicht rechtswidrig ist, kommt insoweit auch nicht in Betracht, die Antragsgegnerin zu 1 zu verpflichten, den Vollzug dieses Bescheids (vorläufiger Einbehalt der Leistungen ab Oktober 2008) wieder rückgängig zu machen.

2.) Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164).

Für September 2008 kann der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes schon deshalb keine Regelung verlangen, weil es sich um einen Zeitraum vor Antragstellung handelt. Zu dem hat der Antragsteller im damaligen Zeitraum Leistungen erhalten. Dass diese später von seinen Rechtsanwälten aus dem Erlös des Zwangsversteigerungsverfahrens erstattet wurden, spielt insoweit keine Rolle. Einer Überprüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bedarf es insoweit nicht.

Der Antragsgegner zu 2 hat bis einschließlich November 2008 die bewilligten Leistungen ausgezahlt, so dass insoweit schon kein Anordnungsgrund ersichtlich ist. Es besteht für den Zeitraum bis 31. Dezember 2008 indes auch kein Anordnungsanspruch, weil der Antragsteller mit dem vorhandenen Einkommen seinen Bedarf decken konnte und daher nicht hilfebedürftig war, wie oben ausgeführt.

Für den Zeitraum ab 1. Januar 2009 steht das vorhandene Vermögen des Antragstellers einer Leistungsgewährung als Zuschuss entgegen. Den erforderlichen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen ab Januar 2009 hat der Antragsteller gestellt, insoweit hat die Antragsgegnerin zu 1 bereits ablehnend entschieden (Bescheid vom 3. Februar 2009). Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Hierzu gehört auch die gerichtlich titulierte Forderung des Antragstellers auf Zugewinnausgleich gegen seine geschiedene Ehefrau. Im Hinblick auf das Vermögen von noch rund 60.000 EUR (abzuziehen ist der über den Erlös aus der Zwangsversteigerung bereits erfüllte Teil der Zugewinnausgleichsforderung) werden auch die dem Antragsteller zustehenden Freibeträge in Höhe von insgesamt 9.300 EUR (57 x 150 EUR + Freibetrag für notwendige Anschaffungen 750 EUR) gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 4 SGB II überschritten.

Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Forderung des Antragstellers gegen seine geschiedene Ehefrau zum Vermögen gerechnet wird und - sobald sie (teilweise) realisiert wird, als Einkommen behandelt wird. Indes kann der Antragsteller derzeit wegen Leistungsunfähigkeit seiner geschiedenen Ehefrau auf das Vermögen nur sehr eingeschränkt im Wege der Lohnpfändung zugreifen, weshalb die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 5 SGB II in Betracht kommt. Insoweit besteht jedoch kein Anordnungsgrund, da ein derartiges Darlehen behördlicherseits bereits angeboten wurde, der Antragsteller sich jedoch noch nicht geäußert hat, ob er ein solches Darlehen überhaupt annehmen möchte. Ein Bedürfnis für eine gerichtliche Regelung diesbezüglich besteht daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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