S 106 AS 30130/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
106
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 106 AS 30130/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Tatbestand:

Die Kläger begehren von dem Beklagten höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Leistungszeitraum vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008.

Die 1963 geborene Klägerin und der 1961 geborene Kläger standen seit Ende 2005 bei dem Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die Klägerin ist als schwerbehindert anerkannt mit einem Grad der Behinderung von 100. Bei ihr sind des Weiteren die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, aG, H, RF und T anerkannt. Sie arbeitet im X-Berlin und verdiente im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 1719,99 Euro brutto bzw. 1333,47 Euro netto. Der Arbeitgeber der Klägerin erhielt vom Landesamt für Gesundheit und Soziales aus Mitteln der Ausgleichsabgabe einen Zuschuss nach § 102 SGB IX in Höhe von 324,00 Euro monatlich, zuletzt mit Bescheid vom 30. Januar 2007 für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis zum 28. Februar 2009.

Anfang August 2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie ab 8. August 2007 eine von der Rentenversicherung bewilligte medizinische Rehabilitation für voraussichtlich vier Wochen antrete. Mit Leistungsbescheid vom 7. August 2007 bewilligte der Beklagte den Klägern ergänzende Leistungen für den Leistungszeitraum vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008 in Höhe von 189,07 Euro für August 2007 und für den Zeitraum ab 1. September 2007 77,23 Euro. Hierbei berücksichtigte der Beklagte ein Nettoerwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von monatlich 1230,41 Euro, wovon er einen Freibetrag in Höhe von 250,00 Euro sowie die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro abzog. Für August 2007 ging der Beklagte von einem weiteren sonstigen Einkommen von 87,36 Euro und für den Zeitraum ab September 2007 in Höhe von 109,20 Euro aus. Die Bewilligungsentscheidung erging ausweislich der Begründung des Bescheides nach § 40 Abs. 1 SGB II, § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III vorläufig, da die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommen nicht feststehe.

Mit Schreiben vom 7. August 2007 bat der Beklagte den Kläger um Übersendung eines Nachweises über die Höhe des Einkommens für die Klägerin im August 2007 wegen der medizinischen Rehabilitation, um die Anspruchshöhe für August 2007 abschließend feststellen zu können. Des Weiteren bat er um die Übersendung eines Nachweises über den Anspruch auf Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger.

Die Klägerin befand sich vom 8. August bis zum 18. Oktober 2007 in einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Weitere Leistungen der Deutschen Rentenversicherung erhielt die Klägerin nicht. Ihr Arbeitgeber zahlte ihr in dieser Zeit fortlaufend Gehalt.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 15. August 2007 legten die Kläger gegen den Bescheid vom 7. August 2007 Widerspruch ein. Es sei sicherlich richtig, dass erst nach Übersendung der für die medizinische Rehabilitation der Klägerin maßgebenden Unterlagen die Leistungen für August 2007 abschließend festgestellt werden könnten. Der Bescheid sei aber fehlerhaft, da der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II für die Klägerin nicht berücksichtigt worden sei. Zudem sei das anrechenbare Einkommen falsch bestimmt worden. Darüber hinaus erkläre sich die Anrechnung sonstigen Einkommens nicht. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2007 zurück. Der angefochtene vorläufige Bescheid sei nicht zu beanstanden. Ein Anspruch auf den genannten Mehrbedarf bestehe nicht, das Einkommen sei zutreffend berechnet worden, der Abzug einer Verpflegungspauschale wegen des stationären Aufenthaltes sei rechtmäßig.

Anfang Oktober 2007 nahm der Kläger zu 2) eine vergütete Tätigkeit bei einem ABM-Maßnahmeträger auf, die zum 1. Dezember 2007 in eine unbefristete Tätigkeit umgewandelt wurde. Im November 2007 erzielte die Klägerin einschließlich Weihnachtsgeld ein Einkommen von 3128,53 Euro brutto. Zum November 2007 meldeten sich die Kläger vom Leistungsbezug ab, der Beklagte stellte die Leistungen zum November 2007 ein.

Mit der bei dem Sozialgericht Berlin am 21. November 2007 eingegangenen Klage wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Sie begehren die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II für die Klägerin und wenden sich gegen die Anrechung einer Verpflegungspauschale als Einkommen der Klägerin.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 7. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2007 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger für den genannten Bewilligungsabschnitt Leistungen in Höhe von 265,94 Euro, mindestens jedoch in Höhe von 208,27 Euro monatlich zu erbringen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Kläger betreffenden Leistungsakten des Beklagten verwiesen, die der Kammer vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) ist nicht zulässig. Den Klägern fehlt es an einem Rechtschutzbedürfnis für ihr Klagebegehren. Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die vorläufige Festsetzung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 SGB II i. V. mit § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III und begehren die Bewilligung höherer Leistungen für den Leistungszeitraum vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008. Nach der genannten Vorschrift kann der Beklagte über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs des Leistungsempfängers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Leistungsempfänger die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind hierbei anzugeben.

Zwar bestehen an der Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich keine Bedenken, wenn sich der Kläger gegen die Ablehnung eines vorläufigen Bescheides wendet oder höhere vorläufige Leistungen begehrt (Eicher in Hennig, § 328, Rdnr. 92). Für ein solches Klagebegehren ist jedoch nur solange Raum, wie eine endgültige abschließende Feststellung der Leistungsvoraussetzungen nicht möglich ist. Denn die vorläufige Entscheidung über die Leistungserbringung ergeht im Interesse des Leistungsempfängers, dem Leistungen bewilligt werden, obwohl über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden kann. Auf die typischerweise mit dem endgültigen Verwaltungsakt verbundene Rechtsicherheit wird verzichtet, um soziale Transferleistungen möglichst zügig zu realisieren (vgl. Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240, 241). Eine solche vorläufige Bewilligung hat daher nur solange ihre Berechtigung, wie eine abschließende Feststellung noch nicht möglich ist. Hier lagen die Tatsachen für eine abschließende Bewilligungsentscheidung, nämlich die Dauer des Aufenthaltes der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin, die ihr von der Rentenversicherung hierfür bewilligten Leistungen sowie die Höhe des Arbeitsentgeltes der Klägerin in dieser Zeit jedoch spätestens im November 2007 vor. Der Reha-Aufenthalt der Klägerin war zum 18. Oktober 2007 beendet worden und die Kläger hatten sich aufgrund des Einkommens des Klägers (und des Weihnachtsgeldes der Klägerin) zum November 2007 vom Leistungsbezug abgemeldet. Nach Erhalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2007 war es den Klägern daher möglich und auch zumutbar, dem Beklagten die notwendigen Nachweise über die Dauer des Reha-Aufenthaltes und über das Einkommen der Klägerin einzureichen und einen Antrag nach § 328 Abs. 2 SGB III auf endgültige Festsetzung der Leistungshöhe zu stellen. Der erst am 21. November 2007 erhobenen Klage auf (vorläufige) Bewilligung höherer Leistungen stand ein Rechtschutzbedürfnis hingegen von Anfang an nicht zur Seite. Das Ziel der Kläger auf Bewilligung höherer Leistungen für den Leistungszeitraum von August bis Oktober 2007 war einfacher und schneller durch einen Antrag auf die endgültige Festsetzung der Leistungshöhe zu erreichen.

Ein Rechtschutzbedürfnis für die Kläger lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer für sie nachteiligen Bindungswirkung des vorläufigen Bescheides für den endgültigen Bescheides bejahen. Im Rahmen anderer Institute als des § 328 SGB III verneint die Rechtsprechung eine inhaltliche Bindungswirkung in vollem Umfang (vgl. nur BSG SozR 3-4100 zu § 112 Nr. 28; BSG SozR 3-1200 § 22 Nr. 8 S. 27). Selbst wenn mit Teilen der Literaturmeinung davon auszugehen wäre, dass diejenigen Leistungsvoraussetzungen, die bereits als sicher gelten können, inzident als endgültig festgestellte Bestandteile der Regelung gelten und nur nach §§ 44 ff. SGB X zurückgenommen werden können (vgl. Eicher in Henning, § 328, Rdnr. 47; Niesel, SGB III, § 328. Rdnr. 7; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240, 247 f. mwN), wird eine solche Bindungswirkung lediglich zugunsten des Leistungsempfängers angenommen. Denn der Begünstigte erhält bereits durch den vorläufigen Bescheid eine begrenzt gesicherte Rechtsposition. Von der grundsätzlichen Bindungswirkung, wonach sich die Rechtswirkung eines Verwaltungsaktes allein auf seinen im Entscheidungssatz oder Verfügungssatz zum Ausdruck gekommenen Regelungsgegenstand ergibt, ist hingegen nicht abzuweichen. Hierauf kann sich deshalb auch nur eine Bindungs- oder Bestandskraftwirkung beziehen. Diese besteht bei einem vorläufigen Leistungsbescheid jedoch allein in der Regelung der vorläufigen Leistungsbewilligung. Der Regelungsgegenstand ist hier gerade nur von temporärer Art und vorneherein auf die Ersetzung durch die abschließende Entscheidung gerichtet.

2. Die Klage ist darüber hinaus auch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch auf vorläufige höhere Leistungen besteht nicht.

a) Für die für die Monate November 2007 bis Januar 2008 geltend gemachten Leistungen ergibt sich dies bereits daraus, dass die Kläger sich zum November 2007 selbst aus dem Leistungsbezug abgemeldet haben und einen grundsätzlichen Anspruch auf Leistungen ab November 2007 nicht geltend machen, der im Übrigen angesichts des Gehaltes der Kläger ab November 2007 auch nicht ersichtlich ist. Besteht jedoch kein Anspruch auf Leistungen dem Grunde nach, besteht erst recht kein Anspruch auf vorläufige Leistungen mehr.

b) Der geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen besteht auch nicht für die Monate August bis Oktober 2007. Unstreitig hatten die Kläger im Leistungszeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 2007 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben nach §§ 19, 7 Abs. 1 SGB II Personen – wie die Kläger - im Alter zwischen 15 und 64 Jahren, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Die Kläger waren in dem genannten Leistungszeitraum hilfebedürftig, da sie ihren Lebensunterhalt aus dem erzielten Erwerbseinkommen der Klägerin nicht vollständig selbst bestreiten konnten.

Mit ihrem Klageantrag, den die Kläger trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichts im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht einschränkend auf die Bewilligung vorläufiger höherer Leistungen gerichtet haben, konnten die Kläger bereits deswegen keinen Erfolg haben. Denn nur die Gewährung vorläufiger Leistungen kann bei einem angefochtenen Bescheid nach § 328 Abs. 1 SGB III zulässiger Streitgegenstand sein. Nur ein solcher Anspruch ist angesichts der bisher noch ausstehenden endgültigen Leistungsfestsetzung im Bewilligungsverfahren nach § 328 SGB III denkbar. Eine abschließende Festsetzung kann mangels vorgehender Entscheidung des Beklagten hierzu im gerichtlichen Verfahren nicht verlangt werden.

c) Aber auch ein Anspruch der Kläger auf vorläufige Bewilligung der konkret bezifferten höheren Leistungen für die Monate August bis Oktober 2007 liegt nicht vor. Die Entscheidung nach § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III steht im Ermessen des Beklagten. Eine Ermessenreduzierung auf Null, die Voraussetzung für den geltend gemachten gebundenen Anspruch wäre, ist nicht ersichtlich. Dem Beklagten stand daher ein Entschließungsermessen zu, ob er den Klägern die begehrte Leistung gewährt und in welcher Höhe. Diese kraft Gesetzes eingeräumte (Entscheidungs-) Freiheit gilt nicht uneingeschränkt. Denn nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat der Beklagte sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine bestimmte Entscheidung, sondern nur Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Ebenso ist die Rechtsmacht des Gerichts nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG beschränkt. Maßstab einer gerichtlichen Entscheidung ist danach, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Für diesen Fall ist entsprechend § 131 Abs. 3 SGG die streitgegenständliche Entscheidung aufzuheben und den Leistungsträger zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheiden.

Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Beklagten gerecht. Die Entscheidung des Beklagten bezüglich der Höhe der Leistung, bei der der Beklagte nach pflichtgemäßen Ermessen insbesondere die Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen hat, ist nicht zu beanstanden. Die grundsätzliche Berechnung des Bedarfs der Kläger sowie die Einkommensanrechnung – mit Ausnahme der Verpflegungspauschale - stellen die Kläger selbst nicht (mehr) in Frage. Auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten insoweit im Widerspruchsbescheid, denen das Gericht nach eigener Prüfung folgt, wird gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen.

Soweit die Kläger der Auffassung sind, die Anrechnung der Verpflegungspauschale sei rechtswidrig, träfe dies bei einer endgültigen Entscheidung zwar zu. Denn das Bundessozialgericht hat durch Urteil vom 18. Juni 2008 entschieden, das es bis zum 31. Dezember 2007 an eine Rechtsgrundlage dafür fehlte, anderweitig bereit gestellte Vollverpflegung, zum Beispiel Verköstigung während eines stationären Krankenhausaufenthaltes, als Einkommen des erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen zu berücksichtigen (B 14 AS 22/07 R, zitiert nach Juris). Bei der Frage der Ermessensentscheidung über die Höhe des zu leistenden ergänzenden Anspruchs an die Kläger hat der Beklagte jedoch ermessensfehlerfrei eine Anrechnung vorgenommen. Zum Zeitpunkt seiner Ermessensentscheidung war die Anrechnung rechtlich umstritten (für eine Anrechnung als Sacheinkommen beispielhaft LSG Niedersachsen, Bremen, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 13 AS 14/96 ER - mwN). Eine Anrechung zum damaligen Zeitpunkt widerspricht daher nicht pflichtgemäßem Ermessen.

Aber auch die von den Klägern insbesondere gerügte fehlende Berücksichtigung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II für die Klägerin stellt sich nicht als ermessenfehlerhaft dar. Mangels hierzu bestehender eindeutiger Rechtsprechung der Obergerichte begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn sich der Beklagte an dem Wortlaut des § 21 Abs. 4 SGB II orientiert hat. Danach erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige – wie die Klägerin -, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom 100 der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Dem Wortlaut des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II nach zählt die Klägerin jedenfalls nicht zu den genannten Hilfebedürftigen. Der an ihren Arbeitgeber gezahlte Zuschuss aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nach § 102 SGB IX ist dem Wortlaut nach keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX. Denn nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 a der Schwerbehinderten-Ausgleichsverordnung (SchwbAV) handelt es sich hierbei im Gegensatz zu den in Nr. 1 genannten Leistungen gerade nicht um eine, die an den schwerbehinderten Menschen erbracht wird, sondern um eine Leistung an den Arbeitgeber, die in erster Linie dazu dient, die außergewöhnlichen Belastungen gerade des Arbeitgebers auszugleichen (vgl. § 27 Abs. 1, 2 SchwbAV).

Die Kammer hat daher erhebliche Zweifel, ob es sich hierbei um eine Leistung handelt, die an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen - zumindest auch bzw. mittelbar – im Sinn des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II "erbracht" wird. Ob die Klägerin im Rahmen einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 4 SGB II und des § 33 Abs. 1, 3 Nr. 1 SGB IX einen entsprechenden Anspruch auf Mehrbedarf hat (vgl. bejahend Beschluss der 119. Kammer des SG Berlin vom 15. Februar 2007, S 119 AS 758/07 ER), zumal die Klägerin einen konkreten Mehrbedarf im Sinne eines integrationsfördernden Mitteleinsatzes nicht nachgewiesen hat (vgl. hierzu Urteil der 37. Kammer des SG Berlin vom 16. September 2005, Rdnr. 16, – S 37 AS 5525/05 – und Nichtzulassungsbeschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 24. November 2008, Rdnr. 26, - L 29 B 414/08 AS NZB; jeweils zitiert nach juris), braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden.

Denn unabhängig davon ist die Entscheidung des Beklagten, der in die Bedarfsberechnung der Kläger nur die Regelleistung und die Kosten der Unterkunft und Heizung eingestellt hat, um zunächst die Sicherung des Lebensunterhaltes abzudecken, angesichts der Freibeträge der Klägerin wegen Erwerbstätigkeit nicht ermessenfehlerhaft. Eine zurückhaltende Bewilligung von vorläufigen Leistungen ist auch deshalb nicht zu beanstanden, weil der Leistungsempfänger sich angesichts der Konstellation des § 328 SGB III unabhängig von den Voraussetzungen und Fristen der §§ 45 und 48 SGB X viel weitgehender einer möglichen Rückforderung gegenübersieht, so dass auch in seinem Interesse eine zurückhaltende Leistungsbewilligung geradezu geboten ist, sofern die Grundbedürfnisse abgedeckt werden, was hier der Fall war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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