Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 (26, 5) AS 147/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 33/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung gemäß § 21 Absatz 5 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist aufgrund einer Herzleistungsminderung bei operiertem Vorhofseptumdefekt mit Fehlbildung der rechten Lungenvenen, Bluthochdruck und Zuckerkrankheit mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 als schwerbehindert anerkannt.
Am 00.00.2007 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 00.00.2007. Mit Bescheid vom 00.00.2007 gewährte ihnen die Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 00.00.2007 bis 00.00.2007 in Höhe von 258,45 EUR, für den Zeitraum vom 00.00.2007 bis 00.00.2007 in Höhe von 1.507,12 EUR und für den Zeitraum vom 00.00.2007 bis 00.00.2007 in Höhe von monatlich 704,89 EUR.
Am 00.00.2007 machte die Klägerin unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des Internisten und Diabetologen Dr. I. vom 00.00.2007 geltend, ihr stehe aus medizinischen Gründen ein Mehraufwand wegen kostenaufwändiger Ernährung zu. Die Beklagte holte daraufhin eine amtsärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Kreises I. nach Aktenlage ein, das zu dem Ergebnis kam, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin bedingten keinen entsprechenden Mehrbedarf. Auf dieser Grundlage lehnte die Klägerin mit Bescheid vom 00.00.2007 die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung ab.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem am 00.00.2007 eingelegten Widerspruch, dem sie ein weiteres Attest des Dr. I. vom 00.00.2007 beifügte. Sie vertrat die Auffassung, aufgrund des bei ihr vorhandenen komplexen Krankheitsbildes, das neben des Diabetes auch Hyperlipidämie, Hypertonie, Hyperurikämie sowie die Funktionsbeeinträchtigung des Herzens umfasse, sei ein Mehrbedarf medizinisch geboten.
Am 00.00.2007 stellte die Antragstellerin, vertreten durch ihren Ehemann, vor dem Sozialgericht Aachen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung trug sie vor, sie habe sich seit ihrer Herzoperation im Jahre 1999 kostenaufwändiger ernähren müssen. Seit dem Frühjahr 2007 habe sich der Diabetes verschlimmert und es sei nunmehr eine strikte Einhaltung diätischer Ernährung erforderlich. Die Mehrkosten, die man schon über Monate getragen habe, könne man nun nicht mehr aufbringen. Zu Angaben hinsichtlich der Höhe der anfallenden Mehraufwendungen sei sie von der Beklagten nicht aufgefordert worden; im übrigen obliege die Feststellung der konkreten Höhe des Mehrbedarfs ohnehin der Beklagten selbst. Die Klägerin lebe mit ihrem Ehemann unterhalb der Regelleistung, da sie noch Tilgungsleistungen für ihr Eigenheim zu erbringen hätten. Aus diesem Grund sei eine dem Krankheitsbild angemessene Ernährung nicht möglich, was die Eilbedürftigkeit des Antrags begründe.
Am 00.00.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags vom 00.00.2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 02.07.2007 eingelegten Klage. Sie ist weiterhin der Auffassung aufgrund des bei ihr vorliegenden komplexen Krankheitsbildes sei die Gewährung eines Mehrbedarfs erforderlich.
Mit Beschluss vom 00.00.2007 hat das Sozialgericht B. den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ist ohne Erfolg geblieben.
Das Gericht hat sodann im Klageverfahren Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes des Internisten und Diabetologen Dr. I. sowie der Internistin und Kardiologin Dr. H.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 00.00.2008 hat die Klägerin ergänzend ausgeführt, es sei – unter anderem wegen der krankheitsbedingt erforderlichen Medikation – notwendig, dass sie weitestgehend sonstige Gifte aus dem Körper lasse. Daher könne sie nicht irgendwelches Obst oder Gemüse kaufen, sondern sei auf besonders hochpreisige Produkte angewiesen.
Sie beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 00.00.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.2007 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 00.00.2007 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in angemessener Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf Ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchs-verfahren sowie im Rahmen der einstweiligen Anordnung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte S 0 AS 000/07 ER sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Absatz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.
Nach § 21 Absatz 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Ein entsprechender Mehrbedarf fällt bei der Klägerin nicht an.
Zwar bestehen bei der Klägerin diverse gesundheitliche Beeinträchtigungen. So liegt bei ihr Diabetes mellitus Typ II (E 11.61 G) vor. Hinzu kommen u.a. eine rechtsführende Herzinsuffizienz (I 50.9 G) eine schwere pulmonale Hypertonie bei mittelschwerer Mitral- und Trikuspidalklappen-insuffuzienz (I 34.0 G; I 36.1 G), arterielle Hypertonie (I 10.0 G) Hyperlipidämie gemischt (E 78.5 G), Hyperurikämie (E 79.0 G), Cholelithiasis (K 80.20 G), Übergewicht (Body-Mass-Index [BMI] 29) sowie eine atopische ekzematiode Dermatitis (L 30.3 V), wie sich aus den eingeholten Befundberichten des Dr. I. und der Dr. H. ergibt.
Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründen indes aus medizinischer Sicht keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Vielmehr sollte sich die Klägerin – wie gesunde Erwachsene auch – durch ausgewogene Mischkost ernähren. Es ist ihr – aufgrund des ebenfalls vorhandenen Übergewichts – sogar zu empfehlen, die Mischkost in der Kalorienmenge zu reduzieren, was eher einen reduzierter Bedarf an Kosten für die Ernährung nach sich ziehen würde (vgl. dazu auch Landessozialgericht Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2007, L 6 AS 71/07 ER).
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich der Gesetzgeber bei Erlass des SGB II auf die sog. "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkost in der Sozialhilfe" (2. Aufl. 2007 – Empfehlungen) des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge bezogen hat (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 57; vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.11.2006 – L 9 B 57/06 AS). Diese sehen – unter gewissen Voraussetzungen – Mehrbedarfe für Diabeteskost bei Diabetes, für lipidsenkende Kost bei Hyperlipidämie, für natriumdefinierte Kost bei Hypertonie sowie für purinreduzierte Kost bei Hyperurikämie vor (vgl. dazu auch Lang/Knickrehm, in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 53; Münder, in: ders. [Hrsg.], Sozialgesetzbuch II, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl. 2006, § 21 Rn. 28 ff.).
Die Kammer verkennt hierbei auch nicht, dass nach vorherrschender Auffassung – durch die oben genannte Inbezugnahme durch den Gesetzgeber – diese Empfehlungen in der Sache gleichsam den Charkater eines antizipierten Sachverständigengutachtens erhalten (vgl. dazu auch Lang/Knickrehm, in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 52, m.w.N.; vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2006, L 20 B 109/06 AS; zum Begriff des "antizipierten Sachverständigengutachten", vgl. auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ders., Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 103 Rn. 7c; Vieweg, NJW 1982, 2473 ff. ).
Indes ist auch einem solchen antizipierten Sachverständigengutachten jedenfalls dann nicht mehr zu folgen, wenn das erkennende Gericht aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Stellungnahmen aber auch aufgrund geänderter gesellschaftlicher Umstände davon ausgehen muss, dass die dem Sachverständigengutachten zugrundeliegenden Prämissen veraltet sind (zur Möglichkeit des Abweichens von den Empfehlungen, vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.06.2006, 1 BvR 2673/05; Vieweg, NJW 1982, 2473 [2475 f.]).
Hiervon geht die Kammer im vorliegenden Fall aus.
Die Empfehlungen sind auf dem medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Stand des Erscheinungsjahres 1997. Seit dieser Zeit hat sich – und dies ist der Kammer aufgrund in anderen Verfahren eingeholter Sachverständigengutachten und Stellungnahmen bekannt – der Erkenntnisstand erheblich geändert haben (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2006 – L 20 B 286/06 AS ER). Hinzu kommt, dass die Annahme eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs durch den Deutschen Verein unter anderem auch darauf beruhte, dass seinerzeit fettreduzierte diätische Nahrungsmittel regelmäßig nicht im normalen Handel (inklusive sog. "Lebensmitteldiscounter") erhältlich waren, sondern in teureren Reformhäusern o. ä. erworben werden mussten und einen deutlich höheren Preis auswiesen. Schon diese Grundannahmen sind heute überholt (vgl. dazu auch Sozialgericht Münster, Urteil vom 26.02.2007 – S 8 (12) AS 52/06). Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass der Deutsche Verein selbst seine Empfehlungen derzeit überarbeitet.
Es ist schon seit dem Jahr 2000 weitgehend unter Ernährungswissenschaftlern anerkannt, dass Diabetikern keine andere Ernährung als gesunden Erwachsenen empfohlen wird, weswegen Diabetiker auch keine speziellen, in der Regel teureren Diabetikerprodukte benötigen (vgl. dazu etwa die Deutsche Diabetes Gesellschaft in: Diabetes und Stoffwechsel 2004, S. 6 f.). Dies wird auch durch den sog. "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung" des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe aus dem Jahre 2002 (Begutachtungsleidfaden) bestätigt. Dieser Leitfaden, der von einer Arbeitsgruppe von Ärztinnen und Ärzten aus den Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf erstellt wurde, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis das jedenfalls heute bei Diabetes Typ II, gleich welcher Form, kein ernährungsbedingter Mehrbedarf anfällt. Die Kammer schließt sich diesen Erkenntnissen an (so auch Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 30.08.2006 – S 23 AS 1372/06 ER; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24.11.2005 – L 9 B 259/05 SO; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2006 – L 20 B 109/06 AS). Dabei ist es der Kammer durchaus bewusst, dass ein Abstellen auf diesen Leitfaden, der ausschließlich durch Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens erstellt worden ist, teilweise kritisch gesehen wird. Es spiegelt gleichwohl nach Ansicht der Kammer den aktuellen ernährungswissenschaftlichen Stand besser wieder als die – wie bereits ausgeführt – mittlerweile veralteten Ausführungen in den Empfehlungen.
Auch die bei der Klägerin vorliegende Hyperlipidämie Hyperurikämie und Hypertonie bei vorhandenem Übergewicht ziehen keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf nach sich.
Soweit die Klägerin unter Hyperlipididämie bei vorhandenem Übergewicht (BMI 29) leidet ist verminderter Fettverzehr, insbesondere tierischer Fette, sowie eine kalorienreduzierte ausgewogene Mischkost unter Erhöhung des Kohhlehydrat- und Ballasstoffanteil angezeigt. Mehrkosten entstehen hierdurch nicht (vgl. Begutachtungsleidfaden, S. 17; SG Würzburg, Urteil vom 22.10.2007, S 15 AS 587/07, m.w.N). Im Hinblick auf die bestehende Hypertonie der Klägerin ist – ebenfalls unter Berücksichtigung des vorhandenen BMI von 29 – eine Gewichtsreduzierung anzustreben, wobei die Ernährung mit mäßig reduzierter Kochsalzzufuhr erfolgen soll. Auch dies ist mit üblichen Lebensmitteln ohne Mehrkosten möglich (vgl. Begutachtungsleidfaden, S. 14; zu weiteren den Blutdruck beeinflussenden Faktoren vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 31.08.2006, L 7 AS 86/06 mit weiteren Nachweisen aus der medizinischen Literatur). Soweit die Empfehlungen im Falle der Hypertonie bei Adipositas einen Mehrbedarf für natriumreduzierte Kost berücksichtigen hat das Hessische Landessozialgericht eine Auskunft beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. eingeholt. Es führt hierzu in seinem Urteil vom 21.08.2007 (L 6 AS 97/07) aus:
"Weiter gebietet die von dem Senat eingeholte Auskunft des Deutschen Vereins vom 22.06.2007 keine andere Sicht der Dinge. Dieser hat ausgeführt, eine natriumdefinierte Kost sei eine Variante der Vollkost in überwiegend vegetarischer Form. Ob in der für 2008 zu ewartenden Überarbeitung der Empfehlungen bei Hypertonie künftig eine Vollkost empfohlen werde und ob diese kostenaufwändiger sei, bleibe den weiteren Prüfungen vorbehalten. Damit bleibt zwar eine Änderung der Empfehlungen im Falle von Hypertonie-Erkrankungen offen, jedoch ist der Auskunft zu entnehmen, dass eine "natriumdefinierte" Kost lediglich eine Variante der Vollkost in überwiegend vegetarischer Form darstellt. Eine Vollkost kann jedoch nicht als Diät angesehen werden. Vielmehr handelt es sich dabei um eine ausgewogene Mischkost, wie sie für jeden Menschen empfehlenswert ist. Ob hieraus ein Mehrbedarf erwachsen kann, ist zumindest zweifelhaft. Im Ergebnis sind die Ausführungen des Deutschen Vereins jedenfalls nicht geeignet, einen tatsächlichen krankheitsbedingten Mehrbedarf des Klägers zu bestätigen."
Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer an.
Auch im Hinblick auf das Krankheitsbild der Hyperurikämie hat sich seit der Veröffentlichung der Emnpfehlungen, die noch einen Mehrbedarf für purinreduzierte Kost vorsahen, die wissenschaftliche Auffassung hinsichtlich der angezeigten Ernährung geändert (vgl. dazu auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. Beschluss vom 26.02.2007, L 6 AS 71/07 ER ). Die in der Tat gebotene Vermeidung besonders purinreicher Nahrungsmittel (wie etwa Innereien, Wildbret oder Sardinen) führt nicht zu gegenüber der im Regelsatz enthaltenen Kosten für eine gesunde Vollkost höheren Aufwendungen (vgl. dazu Begutachtungsleidfaden, S. 18; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).
Dass nach alledem für die Klägerin aufgrund der bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen kein Mehrbedarf besteht, steht für die Kammer auch vor dem Hintergrund der eingeholten Befundberichte sowie der ärtzlichen Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Kreises Heinsberg fest. Dabei verkennt die Kammer – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht das Zusammenspiel der vorhandenen Erkrankungen. Insbesondere aufgrund der kardialen Beschwerden der Klägerin hat die Kammer ausdrücklich die behandelnde Kardiologin Dr. Grafen um eine Stellungnahme gebeten, ob und ggf. welche ernährungsbedingten Mehrkosten bei der Klägerin bestehen, da die Kammer nicht ausschließen konnte, dass sich gerade aus dem Zusammenwirken der bestehenden Erkrankungen bei vorhandenem Herzleiden ein solcher Mehrbedarf entsteht. Diese Bedenken hat Dr. Grafen indes zerstreut, in dem sie ausführte, sie habe der Klägerin zu einer "Diabetes-gerechten" Ernährung geraten ohne Hinweis auf teure Produkte. Soweit der behandelnde Diabetologe in seinem Befundbericht ausgeführt hat, es entstehe ein Mehrbedarf durch viel frisches Obst und Gemüse sowie teure "Du-darfst"-Produkte; Fisch oder Guar, vermag die Kammer diese Einschätzung vor dem Hintergrund des oben dargestellten aktuellen ernährunswisschenschaftlichen Sachstandes nicht nachzuvollziehen. Darüber hinaus geht er von falschen Prämissen aus, bezeichnet er doch per se die "normale" Ernährung als "ungesund", da sie bei über 50% der Bürger zu Übergewicht führen würde. Die Annahme, dass sich der Großteil der Bevölkerung ungesund ernährt mag zwar zutreffen, bedeutet aber keineswegs, dass eine gesunde Ernährung zwangsweise einen Mehrbedarf bedingt. Bei der Frage, ob ein Mehrbedarf vorliegt sind nämlich die Kosten für die krankheitsbedingt notwendige Ernährung mit dem im verfassungsmäßigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R) Regelsatz enthaltenen Anteil für gesunde Vollkost, und nicht mit einer etwaig ungesunden Ernährung durch ausschließlichen Verzehr von Fertiggerichten oder ähnlichem, zu vergleichen.
Die Auffassung der Klägerin, sie sei auf hochpreisige Produkte angewiesen, da sie "Gift aus ihrem Körper lassen" müsse, vermag die Kammer so nicht zu teilen. Sie legt Wert auf die Feststellung, dass jedermann – ob gesund oder krank – die Möglichkeit haben muss und auch im Rahmen des Bezuges der Regelleistung nach dem SGB II hat, sich gesund zu ernähren und die Zufuhr von etwaigen Giftstoffen zu vermeiden. Dies ist nach Auffassung der Kammer nämlich auch beim Einkauf in sog. "Lebensmitteldiscountern" möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung gemäß § 21 Absatz 5 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist aufgrund einer Herzleistungsminderung bei operiertem Vorhofseptumdefekt mit Fehlbildung der rechten Lungenvenen, Bluthochdruck und Zuckerkrankheit mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 als schwerbehindert anerkannt.
Am 00.00.2007 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 00.00.2007. Mit Bescheid vom 00.00.2007 gewährte ihnen die Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 00.00.2007 bis 00.00.2007 in Höhe von 258,45 EUR, für den Zeitraum vom 00.00.2007 bis 00.00.2007 in Höhe von 1.507,12 EUR und für den Zeitraum vom 00.00.2007 bis 00.00.2007 in Höhe von monatlich 704,89 EUR.
Am 00.00.2007 machte die Klägerin unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des Internisten und Diabetologen Dr. I. vom 00.00.2007 geltend, ihr stehe aus medizinischen Gründen ein Mehraufwand wegen kostenaufwändiger Ernährung zu. Die Beklagte holte daraufhin eine amtsärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Kreises I. nach Aktenlage ein, das zu dem Ergebnis kam, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin bedingten keinen entsprechenden Mehrbedarf. Auf dieser Grundlage lehnte die Klägerin mit Bescheid vom 00.00.2007 die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung ab.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem am 00.00.2007 eingelegten Widerspruch, dem sie ein weiteres Attest des Dr. I. vom 00.00.2007 beifügte. Sie vertrat die Auffassung, aufgrund des bei ihr vorhandenen komplexen Krankheitsbildes, das neben des Diabetes auch Hyperlipidämie, Hypertonie, Hyperurikämie sowie die Funktionsbeeinträchtigung des Herzens umfasse, sei ein Mehrbedarf medizinisch geboten.
Am 00.00.2007 stellte die Antragstellerin, vertreten durch ihren Ehemann, vor dem Sozialgericht Aachen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung trug sie vor, sie habe sich seit ihrer Herzoperation im Jahre 1999 kostenaufwändiger ernähren müssen. Seit dem Frühjahr 2007 habe sich der Diabetes verschlimmert und es sei nunmehr eine strikte Einhaltung diätischer Ernährung erforderlich. Die Mehrkosten, die man schon über Monate getragen habe, könne man nun nicht mehr aufbringen. Zu Angaben hinsichtlich der Höhe der anfallenden Mehraufwendungen sei sie von der Beklagten nicht aufgefordert worden; im übrigen obliege die Feststellung der konkreten Höhe des Mehrbedarfs ohnehin der Beklagten selbst. Die Klägerin lebe mit ihrem Ehemann unterhalb der Regelleistung, da sie noch Tilgungsleistungen für ihr Eigenheim zu erbringen hätten. Aus diesem Grund sei eine dem Krankheitsbild angemessene Ernährung nicht möglich, was die Eilbedürftigkeit des Antrags begründe.
Am 00.00.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags vom 00.00.2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 02.07.2007 eingelegten Klage. Sie ist weiterhin der Auffassung aufgrund des bei ihr vorliegenden komplexen Krankheitsbildes sei die Gewährung eines Mehrbedarfs erforderlich.
Mit Beschluss vom 00.00.2007 hat das Sozialgericht B. den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ist ohne Erfolg geblieben.
Das Gericht hat sodann im Klageverfahren Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes des Internisten und Diabetologen Dr. I. sowie der Internistin und Kardiologin Dr. H.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 00.00.2008 hat die Klägerin ergänzend ausgeführt, es sei – unter anderem wegen der krankheitsbedingt erforderlichen Medikation – notwendig, dass sie weitestgehend sonstige Gifte aus dem Körper lasse. Daher könne sie nicht irgendwelches Obst oder Gemüse kaufen, sondern sei auf besonders hochpreisige Produkte angewiesen.
Sie beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 00.00.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.2007 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 00.00.2007 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in angemessener Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf Ihr Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchs-verfahren sowie im Rahmen der einstweiligen Anordnung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte S 0 AS 000/07 ER sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Absatz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.
Nach § 21 Absatz 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Ein entsprechender Mehrbedarf fällt bei der Klägerin nicht an.
Zwar bestehen bei der Klägerin diverse gesundheitliche Beeinträchtigungen. So liegt bei ihr Diabetes mellitus Typ II (E 11.61 G) vor. Hinzu kommen u.a. eine rechtsführende Herzinsuffizienz (I 50.9 G) eine schwere pulmonale Hypertonie bei mittelschwerer Mitral- und Trikuspidalklappen-insuffuzienz (I 34.0 G; I 36.1 G), arterielle Hypertonie (I 10.0 G) Hyperlipidämie gemischt (E 78.5 G), Hyperurikämie (E 79.0 G), Cholelithiasis (K 80.20 G), Übergewicht (Body-Mass-Index [BMI] 29) sowie eine atopische ekzematiode Dermatitis (L 30.3 V), wie sich aus den eingeholten Befundberichten des Dr. I. und der Dr. H. ergibt.
Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründen indes aus medizinischer Sicht keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Vielmehr sollte sich die Klägerin – wie gesunde Erwachsene auch – durch ausgewogene Mischkost ernähren. Es ist ihr – aufgrund des ebenfalls vorhandenen Übergewichts – sogar zu empfehlen, die Mischkost in der Kalorienmenge zu reduzieren, was eher einen reduzierter Bedarf an Kosten für die Ernährung nach sich ziehen würde (vgl. dazu auch Landessozialgericht Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2007, L 6 AS 71/07 ER).
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich der Gesetzgeber bei Erlass des SGB II auf die sog. "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkost in der Sozialhilfe" (2. Aufl. 2007 – Empfehlungen) des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge bezogen hat (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 57; vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.11.2006 – L 9 B 57/06 AS). Diese sehen – unter gewissen Voraussetzungen – Mehrbedarfe für Diabeteskost bei Diabetes, für lipidsenkende Kost bei Hyperlipidämie, für natriumdefinierte Kost bei Hypertonie sowie für purinreduzierte Kost bei Hyperurikämie vor (vgl. dazu auch Lang/Knickrehm, in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 53; Münder, in: ders. [Hrsg.], Sozialgesetzbuch II, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl. 2006, § 21 Rn. 28 ff.).
Die Kammer verkennt hierbei auch nicht, dass nach vorherrschender Auffassung – durch die oben genannte Inbezugnahme durch den Gesetzgeber – diese Empfehlungen in der Sache gleichsam den Charkater eines antizipierten Sachverständigengutachtens erhalten (vgl. dazu auch Lang/Knickrehm, in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 52, m.w.N.; vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2006, L 20 B 109/06 AS; zum Begriff des "antizipierten Sachverständigengutachten", vgl. auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ders., Kommentar zum SGG, 8. Aufl. 2005, § 103 Rn. 7c; Vieweg, NJW 1982, 2473 ff. ).
Indes ist auch einem solchen antizipierten Sachverständigengutachten jedenfalls dann nicht mehr zu folgen, wenn das erkennende Gericht aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Stellungnahmen aber auch aufgrund geänderter gesellschaftlicher Umstände davon ausgehen muss, dass die dem Sachverständigengutachten zugrundeliegenden Prämissen veraltet sind (zur Möglichkeit des Abweichens von den Empfehlungen, vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.06.2006, 1 BvR 2673/05; Vieweg, NJW 1982, 2473 [2475 f.]).
Hiervon geht die Kammer im vorliegenden Fall aus.
Die Empfehlungen sind auf dem medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Stand des Erscheinungsjahres 1997. Seit dieser Zeit hat sich – und dies ist der Kammer aufgrund in anderen Verfahren eingeholter Sachverständigengutachten und Stellungnahmen bekannt – der Erkenntnisstand erheblich geändert haben (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2006 – L 20 B 286/06 AS ER). Hinzu kommt, dass die Annahme eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs durch den Deutschen Verein unter anderem auch darauf beruhte, dass seinerzeit fettreduzierte diätische Nahrungsmittel regelmäßig nicht im normalen Handel (inklusive sog. "Lebensmitteldiscounter") erhältlich waren, sondern in teureren Reformhäusern o. ä. erworben werden mussten und einen deutlich höheren Preis auswiesen. Schon diese Grundannahmen sind heute überholt (vgl. dazu auch Sozialgericht Münster, Urteil vom 26.02.2007 – S 8 (12) AS 52/06). Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass der Deutsche Verein selbst seine Empfehlungen derzeit überarbeitet.
Es ist schon seit dem Jahr 2000 weitgehend unter Ernährungswissenschaftlern anerkannt, dass Diabetikern keine andere Ernährung als gesunden Erwachsenen empfohlen wird, weswegen Diabetiker auch keine speziellen, in der Regel teureren Diabetikerprodukte benötigen (vgl. dazu etwa die Deutsche Diabetes Gesellschaft in: Diabetes und Stoffwechsel 2004, S. 6 f.). Dies wird auch durch den sog. "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung" des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe aus dem Jahre 2002 (Begutachtungsleidfaden) bestätigt. Dieser Leitfaden, der von einer Arbeitsgruppe von Ärztinnen und Ärzten aus den Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf erstellt wurde, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis das jedenfalls heute bei Diabetes Typ II, gleich welcher Form, kein ernährungsbedingter Mehrbedarf anfällt. Die Kammer schließt sich diesen Erkenntnissen an (so auch Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 30.08.2006 – S 23 AS 1372/06 ER; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24.11.2005 – L 9 B 259/05 SO; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.06.2006 – L 20 B 109/06 AS). Dabei ist es der Kammer durchaus bewusst, dass ein Abstellen auf diesen Leitfaden, der ausschließlich durch Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens erstellt worden ist, teilweise kritisch gesehen wird. Es spiegelt gleichwohl nach Ansicht der Kammer den aktuellen ernährungswissenschaftlichen Stand besser wieder als die – wie bereits ausgeführt – mittlerweile veralteten Ausführungen in den Empfehlungen.
Auch die bei der Klägerin vorliegende Hyperlipidämie Hyperurikämie und Hypertonie bei vorhandenem Übergewicht ziehen keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf nach sich.
Soweit die Klägerin unter Hyperlipididämie bei vorhandenem Übergewicht (BMI 29) leidet ist verminderter Fettverzehr, insbesondere tierischer Fette, sowie eine kalorienreduzierte ausgewogene Mischkost unter Erhöhung des Kohhlehydrat- und Ballasstoffanteil angezeigt. Mehrkosten entstehen hierdurch nicht (vgl. Begutachtungsleidfaden, S. 17; SG Würzburg, Urteil vom 22.10.2007, S 15 AS 587/07, m.w.N). Im Hinblick auf die bestehende Hypertonie der Klägerin ist – ebenfalls unter Berücksichtigung des vorhandenen BMI von 29 – eine Gewichtsreduzierung anzustreben, wobei die Ernährung mit mäßig reduzierter Kochsalzzufuhr erfolgen soll. Auch dies ist mit üblichen Lebensmitteln ohne Mehrkosten möglich (vgl. Begutachtungsleidfaden, S. 14; zu weiteren den Blutdruck beeinflussenden Faktoren vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 31.08.2006, L 7 AS 86/06 mit weiteren Nachweisen aus der medizinischen Literatur). Soweit die Empfehlungen im Falle der Hypertonie bei Adipositas einen Mehrbedarf für natriumreduzierte Kost berücksichtigen hat das Hessische Landessozialgericht eine Auskunft beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. eingeholt. Es führt hierzu in seinem Urteil vom 21.08.2007 (L 6 AS 97/07) aus:
"Weiter gebietet die von dem Senat eingeholte Auskunft des Deutschen Vereins vom 22.06.2007 keine andere Sicht der Dinge. Dieser hat ausgeführt, eine natriumdefinierte Kost sei eine Variante der Vollkost in überwiegend vegetarischer Form. Ob in der für 2008 zu ewartenden Überarbeitung der Empfehlungen bei Hypertonie künftig eine Vollkost empfohlen werde und ob diese kostenaufwändiger sei, bleibe den weiteren Prüfungen vorbehalten. Damit bleibt zwar eine Änderung der Empfehlungen im Falle von Hypertonie-Erkrankungen offen, jedoch ist der Auskunft zu entnehmen, dass eine "natriumdefinierte" Kost lediglich eine Variante der Vollkost in überwiegend vegetarischer Form darstellt. Eine Vollkost kann jedoch nicht als Diät angesehen werden. Vielmehr handelt es sich dabei um eine ausgewogene Mischkost, wie sie für jeden Menschen empfehlenswert ist. Ob hieraus ein Mehrbedarf erwachsen kann, ist zumindest zweifelhaft. Im Ergebnis sind die Ausführungen des Deutschen Vereins jedenfalls nicht geeignet, einen tatsächlichen krankheitsbedingten Mehrbedarf des Klägers zu bestätigen."
Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer an.
Auch im Hinblick auf das Krankheitsbild der Hyperurikämie hat sich seit der Veröffentlichung der Emnpfehlungen, die noch einen Mehrbedarf für purinreduzierte Kost vorsahen, die wissenschaftliche Auffassung hinsichtlich der angezeigten Ernährung geändert (vgl. dazu auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. Beschluss vom 26.02.2007, L 6 AS 71/07 ER ). Die in der Tat gebotene Vermeidung besonders purinreicher Nahrungsmittel (wie etwa Innereien, Wildbret oder Sardinen) führt nicht zu gegenüber der im Regelsatz enthaltenen Kosten für eine gesunde Vollkost höheren Aufwendungen (vgl. dazu Begutachtungsleidfaden, S. 18; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).
Dass nach alledem für die Klägerin aufgrund der bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen kein Mehrbedarf besteht, steht für die Kammer auch vor dem Hintergrund der eingeholten Befundberichte sowie der ärtzlichen Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Kreises Heinsberg fest. Dabei verkennt die Kammer – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht das Zusammenspiel der vorhandenen Erkrankungen. Insbesondere aufgrund der kardialen Beschwerden der Klägerin hat die Kammer ausdrücklich die behandelnde Kardiologin Dr. Grafen um eine Stellungnahme gebeten, ob und ggf. welche ernährungsbedingten Mehrkosten bei der Klägerin bestehen, da die Kammer nicht ausschließen konnte, dass sich gerade aus dem Zusammenwirken der bestehenden Erkrankungen bei vorhandenem Herzleiden ein solcher Mehrbedarf entsteht. Diese Bedenken hat Dr. Grafen indes zerstreut, in dem sie ausführte, sie habe der Klägerin zu einer "Diabetes-gerechten" Ernährung geraten ohne Hinweis auf teure Produkte. Soweit der behandelnde Diabetologe in seinem Befundbericht ausgeführt hat, es entstehe ein Mehrbedarf durch viel frisches Obst und Gemüse sowie teure "Du-darfst"-Produkte; Fisch oder Guar, vermag die Kammer diese Einschätzung vor dem Hintergrund des oben dargestellten aktuellen ernährunswisschenschaftlichen Sachstandes nicht nachzuvollziehen. Darüber hinaus geht er von falschen Prämissen aus, bezeichnet er doch per se die "normale" Ernährung als "ungesund", da sie bei über 50% der Bürger zu Übergewicht führen würde. Die Annahme, dass sich der Großteil der Bevölkerung ungesund ernährt mag zwar zutreffen, bedeutet aber keineswegs, dass eine gesunde Ernährung zwangsweise einen Mehrbedarf bedingt. Bei der Frage, ob ein Mehrbedarf vorliegt sind nämlich die Kosten für die krankheitsbedingt notwendige Ernährung mit dem im verfassungsmäßigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R) Regelsatz enthaltenen Anteil für gesunde Vollkost, und nicht mit einer etwaig ungesunden Ernährung durch ausschließlichen Verzehr von Fertiggerichten oder ähnlichem, zu vergleichen.
Die Auffassung der Klägerin, sie sei auf hochpreisige Produkte angewiesen, da sie "Gift aus ihrem Körper lassen" müsse, vermag die Kammer so nicht zu teilen. Sie legt Wert auf die Feststellung, dass jedermann – ob gesund oder krank – die Möglichkeit haben muss und auch im Rahmen des Bezuges der Regelleistung nach dem SGB II hat, sich gesund zu ernähren und die Zufuhr von etwaigen Giftstoffen zu vermeiden. Dies ist nach Auffassung der Kammer nämlich auch beim Einkauf in sog. "Lebensmitteldiscountern" möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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