L 10 AL 233/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 465/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 233/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.04.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 wegen fehlender Erreichbarkeit der Klägerin.

Die 1949 geborene Klägerin war vom 12.09.1989 bis 30.04.2002 als Büglerin bei der Firma S. in K. tätig. Am 20.03.2002 meldete sie sich arbeitslos und gab als Adresse die R.str. in A-Stadt an. Den Erhalt des Merkblatts 1 für Arbeitslose bestätigte sie mit ihrer Unterschrift. Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 23.04.2002 ab 01.05.2002 Arbeitslosengeld bewilligt.

Nach einem Beratungsvermerk vom 16.04.2004 sprach die Klägerin bei der Beklagten an diesem Tage vor. Die Einladung sei wegen eines anonym angezeigten Auslandsaufenthalts erfolgt, die Klägerin sei Anfang März wegen der Erkrankung/Tod des Onkels kurzfristig in die Türkei geflogen, habe versucht die Beklagte telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht geklappt habe.

Am 27.04.2004 sprach die Klägerin erneut bei der Beklagten vor und gab an, in der Zeit vom 11.03.2004 bis 14.04.2004 ortsabwesend gewesen zu sein; dies sei vorher nicht mitgeteilt worden. Darüber hinaus sei sie am 01.01.2004 innerhalb O. umgezogen.

Mit Bescheid vom 05.05.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Klägerin in der Zeit ab 01.01.2004 auf und setzte die Erstattungen von Leistungen in Höhe von insgesamt 3.053,13 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 fest. Die Klägerin sei umgezogen und habe der Beklagten die neue Anschrift nicht oder jedenfalls nicht rechtzeitig mitgeteilt. Der Umzug sei zwar lediglich innerhalb der Wohngemeinde oder einer Nachbargemeinde erfolgt, die Klägerin habe der Post jedoch keinen Nachsendeauftrag erteilt, somit hätten Postsendungen der Beklagten die Klägerin nicht oder zumindest nicht rechtzeitig erreichen können.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2004 zurück. Ein Arbeitsloser müsse sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Die Klägerin sei innerhalb ihres bisherigen Wohnortes umgezogen, habe jedoch bei der Post keinen Nachsendeauftrag gestellt. Deshalb sei sie für die Beklagte erst wieder erreichbar gewesen, nachdem sie am 27.04.2004 ihre neue Anschrift mitgeteilt hatte.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.07.2004 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Im Erörterungstermin am 18.05.2005 hat sie angegeben, sie sei Analphabetin. Sie habe im Dezember 2003 bei der Agentur für Arbeit in A-Stadt vorgesprochen und dort dem Sachbearbeiter, Herrn O., mitgeteilt, dass sie umziehen werde. Sie sei davon ausgegangen, dass diese Meldung ausreichend gewesen sei. Ihre Erreichbarkeit sei uneingeschränkt gegeben gewesen. Der Briefkasten am alten Wohnsitz der Klägerin sei täglich vom Ehemann der Klägerin überprüft worden, sodass die an sie gerichtete Post ihr auch hätte zugehen können. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei von der Beklagten auch nicht versucht worden, sie zu erreichen bzw. es hätten sämtliche an die Klägerin gerichtete Schriftstücke durch Weiterleitung durch den Ehemann übermittelt werden können. Ein Nachteil sei somit auf Seiten der Beklagten nicht entstanden.

Das SG hat den Arbeitsvermittler der Beklagten, W. O., vernommen. Dieser hat ausgesagt, dass die Klägerin am 01.12.2003 zur Vorsprache bei ihm gewesen, ihm aber nicht erinnerlich sei, dass sie damals einen Umzug mitgeteilt hätte. Er habe auch keinen entsprechenden Vermerk gemacht. Soweit eine solche Mitteilung gemacht worden wäre, hätte er den Umzug auf jeden Fall vermerkt. Auch bei der Vorsprache am 02.03.2004 sei eine solche Mitteilung von der Klägerin nicht gemacht worden, diese sei erst am 27.04.2004 erfolgt.

Mit Urteil vom 26.04.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 für die Beklagte nicht erreichbar gewesen sei und deswegen in dieser Zeit auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe. Die Angabe, sie habe am 01.12.2003 dem Zeugen O. den Umzug mitgeteilt, habe sie erstmals im Klageverfahren gemacht, vorher habe sie noch erklärt, sie sei Anfang März im Arbeitsamt erschienen und habe zu diesem Zeitpunkt die Adressenänderung mitgeteilt. Es spiele keine Rolle, ob der Ehemann täglich den Briefkasten geleert habe, der Wortlaut des § 1 Abs 1 Satz 2 EAO sei insoweit eindeutig. Die Klägerin habe sicherzustellen, dass die Beklagte die Klägerin persönlich an jedem Werktag an ihrem Wohnsitz unter der ihr benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne, dies schließe eine Überbringung durch Dritte aus. Es sei unerheblich, ob die Beklagte in der genannten Zeit irgendwelche Arbeitsangebote für die Klägerin gehabt habe. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, Analphabetin zu sein. In diesem Fall habe sie die Verpflichtung, sich über den Inhalt von Schreiben oder Merkblättern in geeigneter Weise Kenntnis zu verschaffen.

Hiergegen hat die Klägerin am 28.06.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe mehrmals bei dem zuständigen Sachbearbeiter vorgesprochen und mitgeteilt, dass sie umziehen werde. Es wäre durchaus möglich, dass sich dieser nicht mehr an alle einzelnen Besuche der Klägerin erinnern könne. Es könne von der Klägerin nicht erwartet werden, dass ihr bewusst sei, in welchem Umfang sie Meldungen zu erbringen habe, bzw. in welchem Umfang sie zur Mitwirkung verpflichtet sei. Sie sei ständig erreichbar gewesen, da die persönliche Erreichbarkeit durch die Leerung des Briefkastens durch den Ehemann der Klägerin gesichert gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 26.04.2006 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 05.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2004 aufzu-
heben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:



Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2004 ist rechtmäßig, damit liegt auch eine Rechtsverletzung der Klägerin nicht vor.

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 05.05.2004 ist nicht bereits wegen einer unterbliebenen Anhörung der Klägerin nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - begründet. Die vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes unterbliebene Anhörung ist durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs 1 Nr.3 SGB X. Der Klägerin ist im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit eingeräumt worden, sich sachgerecht zu äußern; im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte die Einwendungen der Klägerin zur Kenntnis genommen und abgewogen (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X 6.Aufl. 2008, § 41 Rdnr. 15).

Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X i.V.m § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - konnte die Beklagte den Arbeitslosengeldbescheid vom 23.04.2002 rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufheben, da die Klägerin wusste oder nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen war.

Die Klägerin stand den Vermittlungsbemühungen der Beklagten in der Zeit vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 nicht zur Verfügung, in dieser Zeit lag eine Arbeitslosigkeit der Klägerin i.S.d. Gesetzes nicht vor. Damit ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die dem Bewilligungsbescheid vom 23.04.2002 zugrunde lagen, gegeben. Die Klägerin ist ihrer Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Mitteilung der Adressänderung bis 27.04.2004 nicht nachgekommen.

Nach § 117 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die u.a. arbeitslos sind, § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. Nach § 118 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung ist arbeitslos, wer u.a. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Eine Beschäftigung sucht, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht, d.h. arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist, § 119 Abs 1, 2 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung. Nach § 119 Abs 3 Nr 3 SGB III a.F. ist der Arbeitslose arbeitsfähig, der den Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf.

Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit hat durch die Erreichbarkeitsanordnung (EAO) Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Nr 2 SGB III).

Nach § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EAO kann Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wer in der Lage ist, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Nach § 1 Abs 1 Satz 2 EAO hat der Arbeitslose deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

Diese Voraussetzungen waren bei der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 nicht erfüllt.

Die Klägerin ist zum 01.01.2004 innerhalb der Gemeinde A-Stadt umgezogen, ohne einen Postnachsendeauftrag zu stellen. Die Änderung ihrer Anschrift hat die Klägerin der Beklagten erst am 27.04.2004 mitgeteilt. Eine frühere Meldung ist nicht nachgewiesen.

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Klägerin der Beklagten diesen Umzug bereits vor dem 27.04.2004 mitgeteilt hat. Zweifel waren wegen der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Zeugenaussage des Arbeitsvermittlers O. angebracht, wonach diesem weder eine Mitteilung der Klägerin am 01.12.2003 noch am 02.03.2004 erinnerlich war. Auch hätte er nach seinem glaubwürdigen Vorbringen bei einer Mitteilung in jedem Fall einen entsprechenden Vermerk gemacht. Die Aussage der Klägerin, sie habe dem Arbeitsvermittler O. den Umzug vorab mitgeteilt, erscheint demgegenüber nicht glaubhaft, da im Widerspruchsverfahren lediglich von einer Meldung Anfang März 2004 gesprochen wurde, diese Angabe dann im Klageverfahren aber noch um eine weitere Meldung im Dezember 2003 erweitert wurde.

Zwar trägt bei einem Aufhebungsbescheid grundsätzlich die Beklagte die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 9.Aufl. 2008, § 103 Rdnr. 19d mwN). Von dieser grundsätzlichen Beweislastverteilung ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre des Arbeitlosen wurzelnde Umstände nicht aufklärbar sind, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe zum Arbeitslosen vorliegt (BSG 11a. Senat vom 24.05.2006, Az. B 11a AL 7/05 R mwN). Die Pflicht zur Unterrichtung über den Umzug des Arbeitslosen und die Mitteilung einer neuen Adresse und Postanschrift fällt allein in die Sphäre des Arbeitslosen, so dass dieser die rechtzeitige Meldung bei der Beklagten nachweisen muss (vgl. LSG Niedersachsen 8. Senat vom 25.06.1998, Az. L 8 AL 107/98).

Im Ergebnis kann die Klägerin nicht beweisen, dass sie vor dem 27.04.2004 der Beklagten die erforderliche Meldung ihres Umzugs gemacht hat. Allein das Vorbringen, dass es möglich sei, dass der Arbeitsvermittler einen Termin der Klägerin vergessen habe, genügt den an die Klägerin zu stellenden Beweisanforderungen nicht. Auch wenn die Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren keine subjektive Beweisführungslast haben, ist doch die materielle Beweislast oder Feststellungslast für das sozialgerichtliche Verfahren von Bedeutung (vgl. Leitherer aaO § 103 Rdnr. 19b). Nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten trägt die Klägerin die Beweislast für eine rechtzeitige Meldung bei der Beklagten.

Für die Frage der persönlichen Erreichbarkeit genügt es auch nicht, dass - was als glaubhaft unterstellt wird - der Ehemann der Klägerin den Briefkasten der alten Wohnung täglich geleert hat. Es fehlt an der Grundvoraussetzung für die Erreichbarkeit, nämlich der postalischen Erreichbarkeit. Deren Sicherstellung erfordert, dass dem Arbeitslosen Briefpost unmittelbar, d.h. ohne Verzögerung und ohne Einschaltung Dritter, zugehen kann. Der Arbeitslose hat dafür Sorge zu tragen, dass ein Postbediensteter ohne weitere Nachfrage die Postzugangseinrichtung (Briefkasten, Briefschlitz in der Wohnung) für die Anschrift auffinden kann. Hierzu genügt es nicht, wenn die Postzustellung von der bloßen Gefälligkeit Dritter abhängig ist oder Dritte zwecks Klärung der Postanschrift bemüht werden müssen (vgl. BSG 7a.Senat vom 09.02.2006, Az: B 7a AL 58/05 R; BayLSG vom 23.09.2005 L 8 AL 252/03; Schleswigholsteinisches Landessozialgericht vom 10.08.2007, Az: L 3 AL 97/06). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Dritten um den Ehemann der Klägerin handelt. Die Voraussetzungen der Leistung wegen Arbeitslosigkeit sollen nicht von der Zufälligkeit der Weitergabe durch Dritte abhängig sein, sondern beruhen vielmehr auf der Möglichkeit des persönlichen Kontakts unter der dem Arbeitsamt mitgeteilten Adresse (vgl. LSG Nordrhein Westfalen vom 05.06.2008, Az: L 9 AL 46/07; BSG vom 09.08.2001, Az: B 11 AL 17/01 R; vom 30.06.2005, Az: B 7a/7 AL 98/04 R).

Für die objektive Verfügbarkeit kommt es auch nicht darauf an, ob das Arbeitsamt in der Zeit, in der der Arbeitslose nicht verfügbar war, tatsächlich Vermittlungsbemühungen angestellt oder diese z. B. mangels entsprechender Angebote von Arbeitgeberseite unterlassen hat. Nicht entscheidend ist somit die Frage, ob der Arbeitslose - wäre er zeit- und ortsnah erreichbar gewesen - überhaupt in Arbeit hätte vermittelt werden können. Die Berechtigung zum Leistungsbezug wegen Arbeitslosigkeit folgt nicht aus den Chancen von Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes i.S. einer Vermittlungsmöglichkeit nach den Umständen des Arbeitsmarktes - deren Fehlen ist ja gerade der Grund für eine Leistungsgewährung - sondern aus der Fähigkeit des Arbeitslosen, solchen Bemühungen - falls sie erfolgen - zeitlich und örtlich entsprechen zu können (vgl. BSG vom 15.05.1985, Az: 7 RAr 103/83; vom 12.06.1992, Az: 11 RAr 65/91).

Die Klägerin wusste auch, dass sie den Umzug der Beklagten mitteilen musste; jedenfalls war ein eventuelles Nichtwissen der Klägerin grob fahrlässig.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 2.Halbsatz SGB X). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist ein subjektiver Maßstab anzulegen (st. Rechtsprechung des BSG, lediglich beispielhaft BSG 7.Senat vom 28.08.2007, Az:
B 7/7a AL 10/06 R mwN). Teilt ein Versicherter wesentliche Tatsachen nicht mit, obwohl er dazu verpflichtet war und auch unmissverständlich belehrt worden ist, liegt in aller Regel grobe Fahrlässigkeit vor (vgl. Sächs. Landessozialgericht vom 21.04.2008, Az: L 3 AL 34/05). Die Klägerin hat den Erhalt des Merkblatts 1 mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die Klägerin war damit objektiv ohne Weiteres in der Lage, ihre Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten zu erkennen.

Hieran ändert auch nichts, dass die Klägerin nach ihrer Einlassung Analphabetin ist. Auch einem Ausländer, der weder die deutsche Sprache noch seine Heimatsprache lesen oder schreiben kann, ist grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, wenn er sich nicht ausreichend um Hilfe durch andere Personen bemüht hat, um den Inhalt des ihm vom Arbeitsamt ausgehändigten Merkblatts zu verstehen. Die Ausländereigenschaft und ein Analphabetentum begründen keinen atypischen Fall i.S. des § 48 SGB X (vgl. LSG Baden Württemberg vom 25.11.1992, Az: L 5 Ar 533/091). Einen Analphabeten von jeglicher Notwendigkeit freizustellen, sich die erforderlichen und auch vom Arbeitsamt bereitgestellten Informationen durch Hilfe von Dritten zu beschaffen, würde diesem einen durch nichts zu rechtfertigenden Vorteil gegenüber anderen Arbeitslosen verschaffen.

Darüber hinaus kannte die Klägerin die ihr von der Beklagten auferlegten Informationspflichten. Dies ergibt sich zum einen aus dem in sehr gutem Deutsch verfassten Widerspruchsschreiben vom 14.05.2004. Darüber hinaus hat die Klägerin in der Beratung am 16.04.2004 mitgeteilt, sie habe gewusst, dass sie die Ortsabwesenheit wegen des Aufenthalts in der Türkei der Beklagten mitteilen musste, dies aber nicht geschafft. Die Klägerin hatte damit nach ihrem eigenen Vorbringen eine hinreichende Kenntnis der grundsätzlichen Notwendigkeit von Mitteilungen an die Beklagte. Gründe dafür, warum ihr dies entgegen den Informationen des Merkblattes bei einem Umzug nicht bekannt gewesen sein sollte, sind dem Senat nicht ersichtlich.

Insbesondere hat die Klägerin aber im gerichtlichen Verfahren eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie wusste, dass sie einen Umzug mitteilen musste und dies gegenüber dem Arbeitsvermittler O. auch getan hatte. Die Klägerin hatte somit nach ihrem eigenen Vortrag positive Kenntnis von der Notwendigkeit der Mitteilung. Sie kann nur unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen diese Mitteilung nicht beweisen.

Das für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 überzahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 2.084,94 EUR ist gemäß § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten. Der Erstattungsanspruch für überzahlte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 968,19 EUR ergibt sich aus § 335 Abs 1 SGB III.

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved