L 11 AS 20/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 AS 1535/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 20/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein bindender Ablehnungsbescheid (§ 77 SGG) schließt einen Anordnungsanspruch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Regellungsanordnung) aus.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.12.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (ASt) begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1957 geborene ASt ist italienischer Staatsangehöriger und beantragte erstmals am 25.04.2008 bei der Antragsgegnerin (Ag) Alg II, das ihm mit Bescheid vom 19.05.2008 für den Zeitraum vom 25.04.2008 bis 31.10.2008 bewilligt wurde. Mit Bescheid vom 23.05.2008 hob die Ag diese Bewilligung wieder auf, weil der ASt nicht bedürftig sei. Einen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung legte der ASt nicht ein.

Am 28.11.2008 beantragte er die "Weiterbewilligung" von Alg II. Dies lehnte die Ag mit Bescheid vom 04.12.2008 ab, weil der ASt allein zum Zweck der Arbeitssuche nach Deutschland eingereist sei. Ein Leistungsanspruch sei daher nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Auf der Aktendurchschrift des Bescheides ist das Datum der Versendung nicht vermerkt.

Der ASt hat am 09.12.2008 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) unter Vorlage des Bescheides vom 04.12.2008 beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu bewilligen. Er lebe mietfrei bei seiner Schwester, die ihm gelegentlich Geld leihe. Im Übrigen sei er ohne Einkommen und Vermögen.

Die Ag hat hierzu am 16.12.2008 mitgeteilt, dass der ASt gegen den Bescheid vom 04.12.2008 bislang keinen Widerspruch erhoben habe.

Das SG hat mit Beschluss vom 19.12.2008 den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei fraglich, weil der ASt mit seiner Schwester und seinem Schwager in einer Haushaltsgemeinschaft lebe und damit die Bedürftigkeit im Hinblick auf § 9 Abs 5 SGB II in Frage stehe. Darüber hinaus sei er als Ausländer, der zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland eingereist sei nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr.2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Es sei jedoch einem Hauptsacheverfahren vorzubehalten, ob diese Regelung europarechtskonform auszulegen ist. Im Hinblick auf die offenen Erfolgsaussichten sei im Wesentlichen auf den Anordnungsgrund abzustellen, der jedoch nicht glaubhaft gemacht sei. Der ASt werde nach seinem eigenen Vortrag von seiner Schwester unterstützt. Darüber hinaus sei eine existenzielle Notlage des ASt nicht ersichtlich, insbesondere weil dieser selbst keine Veranlassung gesehen habe, sich gegen die Aufhebung der bis 31.10.2008 bewilligten Leistungen zu wenden.

Gegen diesen Beschluss hat der ASt am 13.01.2009 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung verweise er auf sein Vorbringen gegenüber der Ag und dem SG.

Die Ag hat mit Schriftsatz vom 29.01.2009 vorgetragen, dass ein Hauptsacheverfahren bislang nicht anhängig sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als nicht begründet.

Vorliegend begehrt der ASt die Bewilligung von Alg II, die mit Bescheid vom 04.12.2008 abgelehnt wurde, so dass für die Frage, ob die Ag zur (vorläufigen) Erbringung dieser Leistungen zu verpflichten ist, § 86b Abs 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darstellt.

Eine einstweilige Regelung ist zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl. RdNr. 643)

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9.Aufl, § 86b RdNr. 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Unter Beachtung dieser Kriterien ist dem ASt einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren, weil weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben ist.

Vorliegend ist die ablehnende Entscheidung der Ag vom 04.12.2008 - mangels Erhebung eines fristgemäßen Widerspruches - bestandskräftig und schließt somit einen Leistungsanspruch des ASt aus (§ 77 SGG), und es ist nach Lage der Akten auch nicht ersichtlich, dass der ASt einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X gestellt hätte.

Der ablehnende Bescheid der Ag vom 04.12.2008 ist mit Ablauf der Widerspruchsfrist bereits formell bestandskräftig, auch wenn sich die Ag mangels Absendevermerkes auf der Aktendurchschrift des Bescheides vom 04.12.2008 nicht auf die Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 SGB X berufen kann. Gleichwohl ist die Unanfechtbarkeit des Bescheides vom 04.12.2008 als nachgewiesen anzusehen, denn der ASt hat mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am 09.12.2008 den Bescheid vom 04.12.2008 beim SG vorgelegt, so dass der Zugang dieses Bescheides vor oder spätestens am 09.12.2008 belegt ist. Die Monatsfrist für die Erhebung des Widerspruches nach § 84 Abs 1 Satz 1 SGG endete daher spätestens mit Ablauf des 09.01.2009.

Bis zu diesem Datum hatte der ASt nach Angaben der Ag (lt. Schriftsatz vom 29.01.2008) keinen Widerspruch erhoben.

Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung ist daher nicht zu erkennen, denn es ist nach Lage der Akten auch nicht ersichtlich, dass der ASt einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 04.12.2008 gestellt hätte, so dass die Angelegenheit derzeit auch nicht eilbedürftig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des ASt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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