L 8 SO 7/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 53 SO 541/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 7/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 22. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin – Ag – im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, an die Antragstellerin – Ast – 96.000,00 Euro Wohngeld zuzüglich Zinsen zu zahlen und der Ast einmalige Sozialhilfeleistungen in Bezug auf die Neueinrichtung einer Wohnung zu gewähren. Die am 1934 geborene Ast bezieht eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von monatlich netto 751,46 EUR. Sie wohnt seit mehreren Jahren in einer städtischen Unterkunft und entrichtet dafür monatlich 261,64 EUR. Nach ihren eigenen Angaben hatte sie bereits am 23.12.2002 einen Antrag auf Sozialhilfeleistungen gestellt. Sozialhilfe- oder Grundsicherungsleistungen wurden bisher von der Ag nicht erbracht. In Bezug auf die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen betreibt die Ast vor dem Sozialgericht München - SG - mehrere Verfahren. In einem Erörterungstermin vor dem SG vom 23.04.2008 kündigte sie eine Antragstellung wegen Grundsicherungsleistungen nach dem SG XII an. Die Ag sandte der Ast darauf hin entsprechende Antragsformulare zu. Nach Aktenlage und nach den Angaben der Ag wurde auch in der Folgezeit ein Antrag von der Ast nicht gestellt. Die Ast führte bereits ein Eilverfahren betreffend Umzugskosten, Kaution, 3 Monatsmieten und eine komplette Wohnungseinrichtung sowie ein Begehren von insgesamt mindestens 60.000,- EUR durch. Dazu ergingen ablehnende Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 27. Mai 2008, S 51 SO 187/08 ER, und des Senats vom 10. Juli 2008, L 8 B 472/08 SO ER. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ast. habe eine Unterkunft. Ein Umzug stehe nicht unmittelbar bevor. Mit ihrer Rente von etwa 750,- EUR netto sei sie in der Lage, ihren laufenden existenznotwendigen Bedarf (monatliche Kosten für Unterkunft von etwa 250,- EUR und seit 01.05.2008 Regelsatz von 371,- EUR) zu decken. Die Eilanträge auf Wohnungsbeschaffungskosten (Umzugskosten, Mietkaution und 3 Monatsmieten) und die Erstausstattung der Wohnung seien abzulehnen, weil ein Anordnungsgrund nicht erkennbar sei. Eine konkrete Wohnung, in die die Ast. einziehen möchte, stehe nicht in Aussicht. Die von der Ast. geforderte Summe von mindestens 60.000,- EUR sei nicht im Ansatz nachvollziehbar. Mit Bescheid vom 10.12.2008 lehnte die Ag die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen im Alter nach dem SGB XII ab. Die Ast verfüge über bedarfsdeckendes Einkommen in Form der Altersrente. Am 18.12.2008 hat die Ast beim SG einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt und ausgeführt, ihr seien 96.000,- EUR zu zahlen. ("Wohngeld von 36.000,- EUR gemäß Schreiben vom 22.02.1999 zuzüglich Zinsen"; "Bewilligung einmaliger Leistungen Sozialhilfe Neu-Einrichtung infolge Verkauf des Hausrats und Umzug, Kaution, Grundsicherung u.a.m. erneut steht zum 01.01.2009 eine Wohnung zur Verfügung"). Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 22.12.2008 abgelehnt und ausgeführt, es fehle an einem Anordnungsgrund, weil die Sache nicht eilbedürftig sei. Die Ast begehre zum Großteil Leistungen für die Vergangenheit und zum Teil Leistungen, die sie nicht von der Ag erhalten könne (Wohngeld). Damit sei keine Eilbedürftigkeit gegeben. Soweit die Ast Leistungen für einen geplanten Umzug im Sinne des § 42 Nr.2, 29 Abs.1 S. 7 SGB XII im einstweiligen Rechtsschutz begehre, fehle es an einem vorherigen Antrag bei der Ag und ebenfalls an der Eilbedürftigkeit, weil keine konkrete Unterkunftsalternative benannt oder glaubhaft gemacht sei. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren dürfe auch nicht dazu missbraucht werden, ein ordentliches Verwaltungsverfahren und die dortigen Antragsobliegenheiten zu umgehen. Im Übrigen sei die Ast nach den schlüssigen Feststellungen der Ag auch nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB XII. Dagegen hat die Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht – LSG – eingelegt und ihr Begehren wiederholt. Die Ast beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 22. Dezember 2008 aufzuheben und die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Wohngeld von EUR 36.000,- zuzüglich Zinsen sowie unabhängig von eventuellen Ansprüchen auf Grundsicherung einmalige Geldleistungen (Umzugskosten, Kaution, 3 Monatsmieten vorab, Renovierung, Kosten der neuen Wohnungseinrichtung), insgesamt 96.000,00 EUR, zu gewähren. Die Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Eilantrag der Ast auf Erlass der hier statthaften Regelungsanordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Denn die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Eilentscheidung liegen nicht vor.

Soweit die Ast dasselbe Rechtsschutzziel verfolgt wie mit ihrem Eilantrag in den Verfahren beim SG mit dem Az. S 51 SO 187/08 ER bzw. vor dem Senat mit dem Az. L 8 B 472/08 SO ER, also jedenfalls insoweit, als es um Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung des Senats vom 10. Juli 2008 im vorgenannten Verfahren geht, ist die Beschwerde unbegründet, weil der an das SG gestellte Eilantrag unzulässig war. Das ist hier schon deshalb von Bedeutung, weil die Ast offensichtlich auch Leistungen für die Vergangenheit begehrt. Insofern steht dem neuen Eilantrag die Rechtskraft der Beschlüsse des Sozialgerichts München vom 27. Mai 2008, S 51 SO 187/08 ER, und des Senats vom 10. Juli 2008, L 8 B 472/08 SO ER entgegen. Über die entsprechenden Eilanträge ist mit diesen Beschlüssen rechtskräftig entschieden worden. Der vorliegende, auf dasselbe Begehren gerichtete Antrag ist wegen der entgegenstehenden Rechtskraft dieser Beschlüsse unzulässig, § 141 Sozialgerichtsgesetz - SGG - analog. Beschlüsse im Eilverfahren sind der formellen Rechtskraft fähig (vgl. zur formellen Rechtskraft ablehnender Beschlüsse, wenn - wie hier - kein Rechtsmittel mehr möglich ist LSG Berlin vom 26.10.2004, L 15 B 88/04 KR ER; vom 10.07.2002, L 15 B 39/02 KR ER). In Bezug auf die genannten Beschlüsse ist auch eine sachliche Bindungswirkung eingetreten (vgl. zur sachlichen Bindungswirkung von Eilbeschlüssen LSG Baden-Württemberg vom 05.11.2007, L 8 AL 3045/07 B; LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2007, L 19 B 86/07 AS; LSG Thüringen vom 30.01.2004, L 6 RJ 914/03 ER; LSG Berlin, NZS 2002, 670; Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005 - ML/K/L -, § 141 Rn. 5, § 142 Rn. 3a, § 86 b Rn. 44) mit der Folge, dass sie der Stellung des vorliegenden neuen Antrages mit gleichem Rechtsschutzziel bei unveränderter Sach- und Rechtslage entgegenstehen (vgl. dazu LSG Thüringen vom 30.01.2004, L 6 RJ 914/03 ER juris LS 2; LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2007, L 19 B 86/07 AS; LSG Schleswig-Holstein vom 22.10.2007, L 4 B 583/07 KA ER Rn. 15; LSG Baden-Württemberg vom 05.11.2007, L 8 AL 3045/07 B juris Rn. 14; ML/K/L § 86b Rn. 45a; BFH vom 18.12.1991, II B 112/91 = BFHE 166, 114; BFH NVwZ 93, 607, 608).

Die Rechtskraft der von der Ast begehrten, auf eine vorläufige Erweiterung der Rechtsposition gerichteten Regelungsanordnung wird vorliegend auch nicht durchbrochen (zur Durchbrechung Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, Rn. 42), da nach Erlass der Entscheidung des LSG vom 10.07.2008 keine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten ist, die - hätte sie bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über das vorläufige Rechtsschutzbegehren bestanden - zu einer anderen Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geführt hätte (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.07.2007, L 19 B 86/07 AS juris Rn. 7, 10; LSG Baden-Württemberg vom 05.11.2007, L 8 AL 3045/07 B juris Rn. 1). Aus demselben Grunde hat auch ein Eilantrag nach § 86b Abs. 1 S. 4 SGG keine Aussicht auf Erfolg (vgl. dazu Krodel, a.a.O., Rn. 181, 185, 335); ein entsprechender Antrag müsste auch beim SG gestellt werden.

Der Eilantrag war daher insoweit als unzulässig abzulehnen.

Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, weil der Eilantrag unbegründet war. Insofern waren der vorliegenden Eilentscheidung folgende Grundsätze zugrunde zu legen: Die Maßstabsbildung in Eilverfahren der Fachgerichte hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom Rechtsschutzziel ab (vgl. z.B. für den Bereich der Existenzsicherung Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Juris Rn.25; zu Leistungen nach dem SGB V Beschluss vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06). Ist bei dem Betroffenen ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes eine schwere Verletzung in seinen Rechten im Sinne der zur Existenzsicherung nach dem SGB II (BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Juris Rn.25 - 28) bzw. im Sinne der zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der Krankenversicherung entwickelten Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 06.02.2007, Az.: 1 BvR 3101/06) immerhin möglich, ist entweder eine abschließende Prüfung der Hauptsache durchzuführen oder eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei den einfachgesetzlichen Maßgaben des § 86 b SGG.

Vorliegend ist eine schwere Rechtsverletzung im Sinne der o.g. Rechtsprechung nicht möglich. Die hier in Frage stehende Existenzsicherung für Zeiträume nach der Bekanntgabe der Senatsentscheidung vom 10.07.2008 bzw. nach Antragstellung bei der Ag ist durch die bezogene Rente gewährleistet und auch die Unterkunft ist zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde (dazu Krodel, a.a.O., Rn 327; m.w.N.) gesichert. Auch droht im Hinblick auf die Unterbringung in einer städtischen Unterkunft keine Obdachlosigkeit, so dass bei Nichtgewährung des begehrten Eilrechtsschutzes eine Verletzung von Grundrechten, die aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung des § 86 b SGG rechtfertigen würde, nicht denkbar ist.

Einstweiliger Rechtsschutz richtet sich mithin nach den Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Erlass der hier statthaften Regelungsanordnung setzt voraus, dass sich bei summarischer Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellem Recht zusteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 ZPO; Anordnungsanspruch) und im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsbeeinträchtigung droht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Eilbedürftigkeit bzw. Anordnungsgrund).

Was den Anspruch auf Grundsicherungsleistungen betrifft, besteht zur vollen Überzeugung des Senats überhaupt kein sicherungsfähiger Hauptsacheanspruch. Denn die Ast hat keinen Anspruch auf laufende Grundsicherungsleistungen nach § 41 SGB XII. Dies ergibt sich aus den Angaben der Ast selbst, die eine Altersrente in Höhe von monatlich netto 751,46 EUR bezieht und Unterkunftskosten von 261,64 EUR zu tragen hat. Der sich ergebende Differenzbetrag (489,82 EUR) ist höher als der Regelsatz, den die Ag bei Bedürftigkeit gewähren würde (375,- Euro). Insofern verweist der Senat auch auf seinen bereits in Bezug genommenen Beschluss vom 10. Juli 2008.

Was einen eventuellen Anspruch auf Leistungen für einen geplanten Umzug im Sinne des § 42 Nr.2, 29 Abs.1 Satz 7 SGB XII betrifft, weist das SG zu Recht darauf hin, dass es insofern an einem vorherigen Antrag bei der Ag fehlt, so dass bereits ein Rechtsschutzbedürfnis für gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz fehlt. Im Bescheid vom 10.12.2008 hat die Ag überhaupt keine diesbezügliche Regelung getroffen. Die Ag hat auch im Übrigen nicht zu erkennen gegeben, dass sie einen entsprechenden Antrag ablehnen würde. Im Übrigen fehlt es zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde in Bezug auf den Anspruch auf Leistungen für einen geplanten Umzug im Sinne des § 42 Nr.2, 29 Abs.1 Satz 7 SGB XII auch an einem Anordnungsanspruch. Die insofern zu fordernde überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Zustehen eines entsprechenden Hauptsacheanspruchs lässt sich weder dem Inhalt der beigezogenen Akten noch dem Vorbringen der Ast entnehmen.

Im Übrigen verweist der Senat auf den erstinstanzlichen Beschluss (§ 142 Abs.9, 3 SGG) und auf seinen Beschluss vom 10. Juli 2008, L 8 B 472/08 SO ER, der ebenfalls gegenüber den Beteiligten dieses Verfahrens erging.

Da die Beschwerde der Ast erfolglos bleibt, waren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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