L 16 R 196/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 374/07 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 196/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 06. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1957 geborene Klägerin besitzt die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina und hat ihren Wohnsitz in ihrem Heimatland.

In der Bundesrepublik Deutschland arbeitete die Klägerin vom 20.07.1993 bis zum 16.10.1995 als Fabrikarbeiterin und entrichtete insgesamt für 28 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Nach ihren Angaben übte sie ca. zehn Jahre eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Serbien-Montenegro aus und führte in Bosnien-Herzegowina insgesamt zwei Jahre und elf Monate an Beitragszeiten zur dortigen Rentenversicherung (vom 15.06.1998 bis zum 10.08.1999, vom 01.08.2000 bis zum 31.12.2000 und vom 01.11.2002 bis zum 03.03.2004) ab. Seit dem 04.03.2004 bezieht die Klägerin eine Invalidenrente aus ihrem Heimatland.

Mit Bescheid vom 03.08.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 24.07.2003 ab, da ausgehend vom Datum der Antragstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Ob eine Erwerbsminderung oder eine Berufsunfähigkeit tatsächlich vorlag, prüfte die Beklagte nicht.

Mit Widerspruch vom 05.12.2005 machte die Klägerin geltend, dass sie bereits 1995 in Deutschland in psychiatrischer Behandlung gewesen sei.

Die Beklagte veranlasste daraufhin am 22.03.2006 eine Begutachtung der Klägerin durch den Psychiater Dr.A., dem zur Begutachtung auch der Entlassungsbericht des Psychiatrischen Krankenhauses E. vom 22.09.1995 sowie verschiedene Berichte der Psychiatrischen Klinik A-Stadt aus dem Jahre 1999 sowie weitere medizinische Unterlagen über eine Gebärmutterentfernung der Klägerin vorlagen. Außerdem standen Dr.A. die Unterlagen über die Begutachtung der Klägerin durch die Invalidenkommission in A-Stadt am 04.11.2003 zur Verfügung, die damals zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Klägerin auf Dauer erwerbs- und berufsunfähig sei.

Dr.A. stellte bei der Klägerin eine depressive Verstimmung, Übergewicht und wirbelsäulenabhängige Beschwerden fest. Durch diese Beschwerden sei ihre Leistungsfähigkeit nicht wesentlich reduziert. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig in Tagesschicht auszuüben.

Daraufhin wurde mit Bescheid vom 07.04.2006 der Rentenantrag der Klägerin abgelehnt, da nach Überprüfung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin die Beklagte davon ausging, dass diese noch mehr als sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.

Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und wies darauf hin, dass sie mehrere Unterleibsoperationen gehabt habe und dass sie seit dem Jahre 2004 wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes eine Invalidenrente erhalte. Sie könne nicht mehr arbeiten. Sie beziehe sowohl in Bosnien-Herzegowina als auch in Serbien-Montenegro eine Invalidenrente.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Klägerin aufgrund des Gutachtens der Invalidenkommission in A-Stadt, des Krankenhausberichtes des Psychiatrischen Krankenhauses in E. und des eingeholten Gutachtens von Dr.A. nicht erwerbesgemindert sei.

Am 21.03.2007 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut. Sie übersandte verschiedene medizinische Unterlagen zum Nachweis ihrer Erwerbsminderung (Bericht des Psychiatrischen Krankenhauses A.-Klinik O. vom 12.09.1995, Bericht des Psychiatrischen Therapiezentrums S.-Hospital E. vom 29.05.1995 sowie zwei schon der Beklagten vorliegende Berichte aus dem Jahre 1991 und 1999 über Krankenhausaufenthalte in ihrer Heimat).

Die Beklagte erwiderte, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Antragstellung am 24.07.2003 nicht erfüllt seien, ebenso sei die allgemeine Wartezeit nicht vor dem 01.01.1984 erfüllt. Sie legte einen Versicherungsverlauf vom 18.04.2007 vor, in dem 28 Pflichtbeiträge in Deutschland gespeichert sind und der die in Bosnien zurückgelegten Versicherungszeiten von 1998 bis 2004 enthält.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2008 wies das Sozialgericht Landshut die Klage gegen die Bescheide vom 04.08.2005 und 07.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2007 ab, da die Klägerin auch unter Berücksichtigung eines Eintritts der Erwerbsminderung im Jahre 1995 keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung habe, weil sie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Im Zeitraum von 1991 bis 1995 habe sie lediglich 28 Monate an Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung entrichtet. Auch zum Zeitpunkt der Antragstellung seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut hat die Klägerin am 25.02.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie sowohl in Serbien als auch in Bosnien-Herzegowina eine Invalidenrente erhalte und sie nicht mehr arbeiten könne. Zum Nachweis legte sie einen Befundbericht vom 27.11.2007 vor, in dem der Psychiater Dr.H. feststellte, es bestünde bei der Klägerin Unsicherheit und Misstrauen bei Einschlafstörungen.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin eine Übersicht über ihre Beschäftigung in Serbien übersandt. Aus dieser ergibt sich, dass sie in Serbien vom 07.03.1977 bis zum 11.06.1992, mit Unterbrechungen insgesamt elf Jahre, einen Monat und zwölf Tage gearbeitet hat.

Die Beklagte hat daraufhin ausgeführt, dass die in Serbien und Montenegro zurückgelegten Zeiten im Versicherungskonto nicht gespeichert seien. Sie seien allerdings nur dann für den Rechtsstreit von Bedeutung, wenn sie nach ihrer Beschäftigung in Deutschland zurückgelegt worden seien, dies sei offensichtlich nicht der Fall.

Nach weiterem Hinweis des Senates, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente nicht erfüllt seien, hat die Klägerin erklärt, dass sie nicht bereit sei, die Berufung zurückzuziehen und im Übrigen um Benachrichtigung bitte, unter welchen Umständen sie freiwillig die Versicherung bezahlen könne.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 06.02.2008 und der Bescheide der Beklagten vom 03.08.2005 und vom 07.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.07.2003 zu zahlen.

In der mündlichen Verhandlung beantragt der Bevollmächtigte der Beklagten,
die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und die ablehnenden Bescheide der Beklagten bestätigt, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zum Zeitpunkt des Rentenantrages am 24.07.2003 hat. Die Klägerin hat zum einen die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, zum anderen ist sie nach den Feststellungen im Verfahren nicht erwerbsgemindert.

Nach § 43 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor dem Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden, bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 und 2 Satz 1 und 2 SGB VI).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht alle. Sie erfüllt zwar unter Zusammenrechnung der Zeiten in Deutschland und in Bosnien-Herzegowina die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nach § 50 Abs.1 Satz 1 SGB VI, jedoch sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs.1 oder 2 Nr.2 SGB VI weder zum Zeitpunkt des Rentenantrages noch zu irgendeinem anderen Zeitraum nach der Aufgabe ihrer Beschäftigung in Deutschland am 16.10.1995 erfüllt. Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie der Arbeitsunfähigkeit und die ab dem 04.03.2004 bezogene Invalidenrente sind nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.12.1968, BGBl. 1969 II S.1438 i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30.09.1974, BGBl. 1975 II S. 390, das nach der Bekanntmachung vom 16.11. 1992, BGBl. II S. 1196 im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bosnien und Herzegowina anzuwenden ist, als vergleichbare Schubtatbestände nicht gleichgestellt. Sollte man der Auffassung des Bundessozialgerichts in seinem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 23.05.2006, Az. B 13 RJ 17/05 folgen, würde die Gleichstellung bereits am Fehlen einer zwischen- oder überstaatlichen Regelung scheitern.

Von Juli 1993 bis Oktober 1995 hat die Klägerin in Deutschland insgesamt 28 Monate Pflichtbeiträge in die deutsche Rentenversicherung eingezahlt. Im Anschluss an ihre letzte Tätigkeit in Deutschland hat sie erstmals im Juni 1998 eine Arbeit in ihrer Heimat aufgenommen und dort bis August 1999 14 Monate an Pflichtbeiträgen zurückgelegt. Anschließend ist eine Lücke von einem Jahr im Versicherungsverlauf. Dann sind nochmals fünf Monate an Pflichtbeiträgen von August bis Dezember 2000 nachgewiesen, gefolgt von einer weiteren Lücke von einem Jahr und zehn Monaten. Im Anschluss daran hat die Klägerin von November 2002 bis März 2004 insgesamt 17 Monate an Pflichtbeiträgen zurückgelegt. Ab März 2004 erhält sie in ihrer Heimat eine Invalidenrente.

Hieraus ergibt sich, dass in der maßgeblichen Zeit vor der Rentenantragstellung vom 24.07.1998 bis zum 23.07.2003 lediglich 27 Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt sind und daher zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Aber auch zu einem späteren Zeitpunkt sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Im Übrigen ist die Klägerin nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Dr. A. auch nicht erwerbsgemindert. Die Klägerin konnte zum Zeitpunkt der Begutachtung am 22.03.2006 mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten. Etwas anderes ergibt sich für den Senat auch nicht aus den vorgelegten Entlassungsberichten der Psychiatrischen Kliniken in Deutschland oder ihrer Heimat, da diese jeweils ausführen, dass die Klägerin nach Behandlung in Remission entlassen wurde.

Daher steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung ein vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Tagesschicht hatte und daher nicht erwerbsgemindert gemäß § 43 SGB VI war. Dies gilt ebenso für den späteren Zeitraum ab März 2004.

Auch eine Nachentrichtung von Beiträgen ist der Klägerin heute für die Zeit nach 1995 nicht mehr möglich. Dies ergibt sich aus den §§ 187 ff. SGB VI, insbesondere § 197 Abs.2 SGB VI, wonach freiwillige Beiträge wirksam sind, wenn sie bis zum 31. März des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrer Berufung ohne Erfolg geblieben ist (§§ 183, 193 SGG).

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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