L 15 V 15/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 V 1/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 15/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 6/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Regensburg vom 18. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1930 geborene Klägerin ist Witwe von Herrn A. A., geboren 1924, verstorben am 07.05.1995. Streitig ist zwischen den Parteien die Bewilligung einer Witwenrente im Sinne von § 38 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) an Stelle der bereits bewilligten Witwenbeihilfe nach § 48 BVG.

Der verstorbene Ehegatte der Klägerin war Schwerkriegsbeschädigter im Sinne von § 31 Abs.3 BVG. Mit zuletzt maßgeblichem Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 25.03.1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes Bayern vom 15.07.1992 war als Folge einer Schädigung im Sinne des BVG "Verlust des rechten Beines im Oberschenkel" rechtsverbindlich festgestellt worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) war wie bisher gemäß § 30 Abs.1 BVG mit 70 v.H. bewertet worden. Ab dem 01.04.1991 war eine Kleiderverschleißpauschale nach § 1 Nr.44 DVO zu § 15 BVG mit der Bewertungszahl 41 eingewiesen worden.

Der Ehegatte der Klägerin ist am 07.05.1995 im Alter von 70 Jahren verstorben. Entsprechend der Todesbescheinigung der Klinik S. in A-Stadt vom 08.05.1995 ist Todesursache eine dekompensierte globale Myokardinsuffizienz bei ischämischer dilativer Kardiomyopathie und koronarer Herzkrankheit gewesen. Als andere wesentliche Krankheiten, die zum Zeitpunkt des Todes bestanden haben, sind eine Niereninsuffizienz sowie ein Diabetes mellitus genannt worden.

Der Beklagte hat es bereits mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 26.09.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 20.02.1996 abgelehnt, eine Witwenrente nach § 38 BVG zu gewähren. Nach der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.08.1995, die auch den Bericht des Klinikums S. über die stationäre Behandlung vom 06.05.1995 bis zum Tode berücksichtigt habe, bestehe zwischen den zum Tode führenden Leiden und dem als Schädigungsfolge anerkannten "Verlust des rechten Beines im Oberschenkel" kein ursächlicher Zusammenhang. Bei dem verstorbenen Ehegatten habe seit vielen Jahren eine dilative Kardiomyopathie mit zunehmender Neigung zu Dekompensationserscheinungen bestanden. Ursächlich hierfür sei eine koronare Herzkrankheit gewesen, die durch erhebliche Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fett- und Harnsäurestoffwechselstörung sowie einen zuletzt insulinpflichtigen Diabetes mellitus verursacht worden sei.

In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Regensburg kein Gutachten nach § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholt. Der nach § 109 SGG benannte und beauftragte ärztliche Sachverständige Dr. H. K. ist mit internistischem Fachgutachten vom 22.05.1997 zu dem Ergebnis gekommen, dass zwischen dem Todesleiden kardiogenem Schock bei dilativer Kardiomyopathie auf dem Boden einer koronaren Herzkrankheit und der anerkannten Schädigungsfolge kein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Die Schädigungsfolge habe zudem keinen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit und auch nicht auf den Zeitpunkt des Todes gehabt. Es könne nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass der Tod Schädigungsfolge sei. In Berücksichtigung der Einwände der Bevollmächtigten der Klägerin ist Prof. Dr. E.P. K. gutachtlich gehört worden. Dieser hat mit fachinternistischem Gutachten vom 27.03.2000 bekräftigt, dass auch die Voraussetzungen einer "Kannversorgung" für das wesentlich zum Tode führende Leiden, eine schwerste Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzerkrankung, nicht vorliegend seien. Ein möglicher kausaler Zusammenhang wäre (nur) dann gegeben, wenn ein akut entzündliches Geschehen wie zum Beispiel eine Vereiterung des Amputationsstumpfes vorgelegen hätte. Ein entsprechender Krankheitsverlauf sei jedoch nach Aktenlage nicht objektivierbar. Eine lokale Beziehung zwischen dem durch die Nachoperation 1991 sanierten Amputationsstumpf und dem Spontanverlauf der 1988 erstmals beschriebenen schweren Herzinsuffizienz lasse sich nicht herstellen.

Im Folgenden hat das Sozialgericht Regensburg die Klage mit Urteil vom 08.08.2000
- S 3 V 15/96 - abgewiesen.

In dem Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) mit dem Aktenzeichen L 15 V 3/01 ist Prof. Dr. K. T. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG gutachtlich gehört worden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat mit fachinternistisch-kardiologischem Gutachten vom 31.05.2002 bestätigt, dass Ursache der zum Tode führenden dekompensierten Herzinsuffizienz mit hoher Wahrscheinlichkeit eine koronare Herzerkrankung sei, die sich auf dem Boden eines langjährigen und ausgeprägten Risikoprofils entwickelt habe. Die anerkannte Schädigungsfolge habe wie in den vorangegangenen Gutachten bereits ausführlich dargelegt in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der zum Tode führenden Erkrankung gestanden. Als wahrscheinlichste Ursache müsse bei einem ausgeprägten Risikoprofil eine ischämische Genese der Kardiomyopathie angenommen werden. Die Anerkennung des Todes des Ehemannes der Klägerin als Schädigungsfolge im Rahmen der Kannversorgung sei ebenfalls nicht gerechtfertigt, da insoweit mindestens zwei ganz wesentliche Bedingungen nicht erfüllt seien: Eine direkte Schädigung des Herzmuskelgewebes durch Toxine der Gasbranderreger in relevanten Dosen werde nicht für wahrscheinlich erachtet. Ebenfalls bestehe zwischen der hypothetischen Schädigung aus dem Jahre 1944 und dem Erkrankungsbeginn 1988 mangels notwendiger Brückensymptome kein zeitlicher Zusammenhang.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 12.11.2002 eine Stellungnahme des Internisten und Kardiologen Dr. G. P. vom 04.11.2002 übermittelt. Danach lasse sich die Kausalkette wie folgt zusammenfassen: 1943 Streptokokkenangina mit stumm verlaufener Myokarditis - beschwerdefreies Intervall - 1967 Erstmanifestation der Herzinsuffizienz - 1975 Exazerbation der entzündlichen Herzmuskelerkrankung mit 8-wöchigem Verlauf unter dem klinischen Bild eines interkurrenten grippalen Infektes. Anschließend progredienter Verlauf der Herzinsuffizienz mit röntgenologisch und echokardiographisch nachgewiesener dilativer Kardiomyopathie - 1995 Ableben infolge einer schwergradigen globalen Herzinsuffizienz im Stadium NYHA IV. Benannt nach § 109 SGG hat Dr. G. P. mit internistisch-kardiologischem Gutachten vom 03.11.2003 an seiner Auffassung festgehalten.

Dr. S. hat mit versorgungsärztlich-internistischer Stellungnahme vom 18.11.2003 entgegnet, die Annahme des Dr. G. P., dass sich die letztlich zum Tode führende Herzinsuffizienz erst durch die Oberschenkelamputation mit Nachblutung verschlechtert habe bzw. erst wieder klinisch relevant geworden sei, könne nicht bestätigt werden. Denn in der erhobenen Krankengeschichte anlässlich der Amputation des Oberschenkels werde auf eine schon vor der Operation bestehende klinisch signifikante Herzinsuffizienz hingewiesen. Es sei vermerkt worden, dass im Oktober 1990 sogar eine stationäre Aufnahme im hiesigen Bundeswehrkrankenhaus wegen einer globalen Myokardinsuffizienz notwendig geworden sei. Auch ohne die vier Jahre vor dem Tod des Versorgungsberechtigten vorgenommene Oberschenkelnachamputation hätte der Versorgungsberechtigte nicht mindestens ein Jahr länger gelebt. Im Folgenden hat das BayLSG mit Urteil vom 06.04.2004 - L 15 V 3/01 - die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 08.08.2000 zurückgewiesen. Die zuletzt geltend gemachte und im Gutachten nach § 109 SGG von Dr. P. vertretene Auffassung, dass die zum Tode führende Herzerkrankung des Ehemannes der Klägerin durch eine Streptokokkeninfektion der Rachenmandeln mit nachfolgendem rheumatischen Fieber im Sinne einer Herzbeteiligung (Myokarditis) im Jahre 1943 verursacht worden sei, überzeuge den Senat in Hinblick auf das Gutachten des Prof. Dr. T. nicht.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 08.11.2004 beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 26.09.1995 aufzuheben und Witwenrente nach § 38 BVG zu bewilligen. Zur Begründung ist auf das vorstehend bezeichnete Gutachten des Dr. G. P. vom 03.11.2003 Bezug genommen worden.

Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 19.11.2004 an seiner Auffassung festgehalten, dass der verstorbene Ehegatte der Klägerin nicht an den anerkannten Folgen einer Schädigung verstorben sei, und hat deswegen eine Zugunstenentscheidung im Sinne von § 44 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) abgelehnt.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Widerspruch vom 07.12.2004 erneut auf die gegenteiligen Ausführungen des Dr. G. P. hingewiesen. Der Widerspruch vom 07.12.2004 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung R. vom 19.11.2004 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 28.12.2004 zurückgewiesen worden.

In dem sich erneut anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Regensburg kein Gutachten gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG eingeholt. Der von der Klägerseite konsultierte Sachverständige Dr. K.-Fr. S. ist mit internistisch-kardiologischem Gutachten vom 07.11.2005 zu dem Ergebnis gekommen, als Todesursache sei eine fortschreitende globale Herzmuskelschwäche anzunehmen, die auf einer postentzündlichen Genese beruhe. Für ein zunächst langsam, sich aber kontinuierlich entwickelndes myokardiales Geschehen spräche auch die parallel hierzu sich aufbauenden Herzrhythmusstörungen. Als additive, aber ebenfalls nicht primäre oder dominierende Komponente sei der Diabetes mellitus zu erwähnen. Bei dem verstorbenen Ehegatten der Klägerin sei von einer Streptokokken-Zweiterkrankung im Sinne einer rheumatischen Myokarditis auszugehen. Amputationen würden häufig eine größere Herzkreislaufbelastung darstellen, wie dies allgemein angenommen werde. Vorstehenden Ausführungen ist Dr. S. mit versorgungsärztlich-internistischer Stellungnahme vom 13.01.2006 entgegengetreten. Der jetzige Gerichtsgutachter habe nicht glaubhaft machen können, dass die globale kardiale Dekompensation, die am 07.05.1995 zum Tode geführt habe, wesentlich oder wenigstens annähernd gleichwertig auf die Kriegsereignisse zurückführbar sei.

Der weitere nach § 109 SGG benannte und beauftragte Sachverständige Prof. Dr. P. M. hat mit fachinternistisch-kardiologischem Gutachten vom 05.06.2007 ausgeführt, die Verletzungsfolgen mit anschließender Amputation des Unterschenkels, die ihrerseits lebenslang Beschwerden verursacht hätten, hätten wesentlich mit zu einer passiven Lebensweise bei dem Versorgungsberechtigten geführt, die in sich selbst die Bedingung für die Entstehung und die Verschlechterung der Risikofaktoren Übergewicht, arterieller Bluthochdruck und Diabetes mellitus darstellen würden. Alle drei Faktoren hätten zur Entwicklung der Herzinsuffizienz beigetragen, seien in ihrer Gesamtheit zu wesentlichen Teilen auf den erzwungenen, durch die erlittene Schädigung verursachten Bewegungsmangel zurückzuführen. Im Übrigen könne kein vernünftiger ärztlicher Zweifel daran bestehen, dass die Schädigungsfolgen bei dem verstorbenen Ehegatten der Klägerin über den erzwungenen Bewegungsmangel sein Leben um mindestens ein Jahr verkürzt hätten. Dr. S. hat mit versorgungsärztlich-internistischer Stellungnahme vom 10.07.2007 entgegnet, dass vorstehende Ausführungen nicht mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in Rz.91, 92 und 97 übereinstimmen würden. Dies gelte auch in Berücksichtigung des "Positionspapieres zur Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen". Denn ein Bewegungsmangel stellte nur einen von vielen Risikofaktoren für die Entwicklung einer kardiovaskulären Erkrankung dar.

Das Sozialgericht Regensburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 19.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2004 mit Urteil vom 18.09.2007 - S 3 V 1/05 abgewiesen. In Berücksichtigung der bereits rechtskräftigen Urteile sowohl des Sozialgerichts Regensburg als auch des Bayerischen Landessozialgerichts seien die Voraussetzungen für den Erlass einer Zugunstenentscheidung im Sinne von § 44 SGB X nicht gegeben. Auf Rz.91, 92 und 97 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" werde Bezug genommen.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 15.10.2007 ging am selben Tag beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs-Akten des Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Streitakten beigezogen. Gleiches gilt für die ärztlichen Unterlagen des Krankenhauses S. in A-Stadt, insbesondere für die Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1979 bis 1995, die rückverfilmt werden mussten. Auch das Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr stellte nach entsprechender Rückverfilmung von rund 250 Seiten die noch vorhandenen Unterlagen vor allem des Jahres 1991 zur Verfügung.

Im Folgenden holte das BayLSG gemäß § 109 SGG eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. P. M. ein. Dieser hielt mit internistisch-kardiologischer Stellungnahme vom 20.06.2008 an seiner bisherigen Auffassung fest, dass der Ehegatte der Klägerin schädigungsbedingt auf Grund der erzwungenen körperlichen Inaktivität mindestens ein Jahr früher verstorben sei.

Der nach § 106 Abs.3 Nr.5 SGG ergänzend gehörte ärztliche Sachverständige W. M. jun. kam mit fachinternistischem Gutachten vom 21.09.2008 dagegen zu dem Ergebnis, dass die zum Tode des Versorgungsberechtigten führende myokardiale Erkrankung nicht auf die anerkannten Schädigungsfolgen nach dem BVG zurückzuführen sei. Auch hätten die anerkannten Schädigungsfolgen mit Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Lebensverkürzung von mindestens einem Jahr geführt.

Auf Veranlassung der Bevollmächtigten der Klägerin bekräftigte Prof. Dr. P. M. mit Stellungnahme vom 08.11.2008 seine bereits vorgetragene Auffassung. In der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2009 wurde Prof. Dr. P. M. antragsgemäß als Terminsbeistand zugelassen (§ 73 Abs.7 Satz 3 SGG).

Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt entsprechend ihrem Schriftsatz vom 29.11.2007,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.09.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 19.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.12.2004 kostenpflichtig zu verurteilen, der Klägerin Witwenrente gemäß § 38 BVG zu gewähren.
Hilfsweise wird beantragt ein Gutachten auf kardiologisch-internistischem Fachgebiet gemäß § 106 SGG einzuholen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.09.2007 - S 3 V 1/05 -zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Regensburg hat mit Urteil vom 18.09.2007 die Klage gegen den Bescheid vom 19.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2004 zutreffend abgewiesen.

Die Klägerin hat lediglich Anspruch auf die ihr bereits bewilligte Witwenbeihilfe im Sinne von § 48 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), nicht jedoch auf Gewährung einer Witwenrente im Sinne von § 38 BVG. In Berücksichtigung des bereits durchgeführten Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Regensburg mit Aktenzeichen S 3 V 15/96 sowie des sich anschließenden Berufungsverfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht L 15 V 3/01 hat es der Beklagte zutreffend abgelehnt, einen Zugunstenbescheid im Sinne von § 44 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) zu erlassen.

Grundlegend ist in Rdz. 46 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996 - 2008" ausgeführt, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war, d.h. wenn die anerkannte Gesundheitsstörung den Tod verursacht hat, gilt der Tod stets als Schädigungsfolge. Vorliegend greift diese Rechtsvermutung nicht zugunsten der Klägerin.

Haben dagegen zum Tod mehrere Leiden beigetragen, die nicht alle Schädigungsfolgen sind, dann ist unter Anwendung des versorgungsrechtlichen Ursachenbegriffes zu prüfen, ob die Schädigungsfolgen zumindest eine annähernde gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Todes hatten. Auch eine solche Fallkonstruktion ist hier nicht gegeben.

In seltenen Fällen kann bei dieser Beurteilung auch der Zeitpunkt des Todes eine wichtige Rolle spielen, wenn neben den Schädigungsfolgen wie hier ein schweres schädigungs-unabhängiges Leiden vorgelegen hat, das nach ärztlicher Erfahrung ohne die Schädigungsfolgen noch nicht zu diesem Zeitpunkt, jedoch in einem späteren Stadium in absehbarer Zeit für sich alleine zum Tode geführt hätte. In einem solchen Fall ist der Tod dann als Schädigungsfolge anzusehen, wenn der Beschädigte ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich mindestens ein Jahr länger gelebt hätte. Der ärztlichen Beurteilung sind dabei Grenzen gesetzt; eine besonders sorgfältige Abwägung aller Umstände ist geboten (AHP a.a.O.).

Hiervon ausgehend divergieren auch zweitinstanzlich die ärztlichen Auffassungen zur Frage, ob der Ehegatte der Klägerin an der zuletzt rechtsverbindlich festgestellten Schädigungsfolge "Verlust des rechten Beines im Oberschenkel" verstorben ist oder nicht bzw. ob die vorstehend bezeichnete Schädigungsfolge ein vorzeitiges Ableben des Versorgungsberechtigten um mindestens ein Jahr ursächlich verursacht hat.

Prof. Dr. P. M. hat mit Stellungnahme vom 20.06.2008 hervorgehoben, dem Versorgungsberechtigten habe auf Grund der permanent vorhandenen Stumpfbeschwerden gar nicht die Möglichkeit zu Gebote gestanden, mit ausgleichender Bewegungsintensität die sich bei ihm entwickelnden Risikofaktoren Übergewicht, Hochdruck und Diabetes mellitus zu beeinflussen. Insoweit hat Dr. S. mit versorgungsärztlich-internistischer Stellungnahme vom 25.07.2008 nochmals bekräftigt, er habe in seiner letzten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass es sowohl bei der koronaren Herzerkrankung als auch bei dem Bluthochdruck zahlreiche beeinflussbare und nicht beeinflussbare Risikofaktoren gebe und die körperliche Inaktivität als nur eine von vielen Faktoren für die Entwicklung dieser Erkrankungen anzusehen sei. Nachdem über 50 % der Bevölkerung in höherem Lebensalter an Bluthochdruck leiden würden, könne nicht mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der verstorbene Versorgungsberechtigte ohne Beinamputation keinen erhöhten Blutdruck gehabt hätte. Der Begriff "essenzielle Hypertonie" sage gerade aus, dass die genaue Ursache für die Entwicklung eines Bluthochdrucks nicht bekannt sei. Ebenso sei für die koronare Herzerkrankung die körperliche Inaktivität nur eine von vielen Risikofaktoren. Es könne auch nicht mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die koronare Herzerkrankung des verstorbenen Versorgungsberechtigten ohne die Schädigungsfolgen einen wesentlich anderen Verlauf genommen hätte.

Bereits vorstehend zitierte Ausführungen von Dr. S. und vor allem die gutachterlichen Äußerungen von Prof. Dr. K. T. vom 31.05.2002 sind für den erkennenden Senat in Hinblick auf Rz.91, 92, 97 und 100 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" schlüssig und überzeugend. Ursache der zum Tode führenden dekompensierten Herzinsuffizienz ist hier mit hoher Wahrscheinlichkeit eine koronare Herzerkrankung gewesen, sie sich auf dem Boden eines langjährigen ausgeprägten Risikoprofils entwickelt hat. Die bereits 1988 diagnostizierte schwere Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion hat eine schwere Beeinträchtigung der Operationsfähigkeit dargestellt. Wäre der Versorgungsberechtigte im Zusammenhang mit der 1991 notwendigen Nachamputation des Unterschenkelstumpfes, der damals anerkannten Folgen der primären Schädigung, verstorben, so wäre das verfrühte Ableben des Ehemannes der Klägerin als durch die anerkannte Schädigung zumindest gleichwertig verursacht anzusehen. Der Versorgungsberechtigte hatte diese notwendige Operation jedoch vergleichsweise gut überstanden und ist erst etwa vier Jahre nach diesem Ereignis an den Folgen der Herzinsuffizienz verstorben. Somit fehlt es auch aus Sicht des erkennenden Senats an einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Nachamputation 1991 und dem Ableben des Ehegatten der Klägerin am 07.05.1995.

Auch der bereits zuvor gehörte Prof. Dr. E.P. K. hat mit Stellungnahme vom 06.08.2001 die Ausführungen des Dr. G. P. widerlegt und hervorgehoben, Hinweise für die hypothetisch in den Raum gestellte Myokardschädigung mit zahlreichen kleinen Myokardnarben hätten sich nicht gefunden. Dagegen seien die in seinem Gutachten ausführlich gewürdigten Erkrankungen Hypertonie, Diabetes und Niereninsuffizienz ausreichend belegt, und auch vor dem Hintergrund ihrer Dauer und der teilweise nur mangelhaften medikamentösen Kontrolle sei die Entstehung der Herzmuskelschwäche vollständig zu erklären. Darüber hinaus müsse man davon ausgehen, dass eine Blutvergiftung mit Erregern des Gasbrandes wie von Dr. G. P. diskutiert im Jahr 1944 nicht vorgelegen hat.

Auch der zuletzt gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG gehörte ärztliche Sachverständige W. M. jun. ist mit internistischem Fachgutachten vom 21.09.2008 schlüssig und überzeugend zu dem Ergebnis gekommen, dass die zum Tode des Versorgungsberechtigten führende myokardiale Erkrankung nicht ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen nach dem BVG zurückzuführen ist. Auch hätten die anerkannten Schädigungsfolgen mit Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Lebensverkürzung von mindestens einem Jahr geführt. Denn die bestehende Erkrankung einer dilativen Kardiomyopathie sei multifaktorieller Genese. Hier sei dem versorgungsärztlichen Kollegen Dr. S. in jedem Fall zuzustimmen, dass eine Bewegungseinschränkung nur als einziger, wenn gleich auch nicht als unerheblicher Punkt anzusehen ist, und damit nicht als beweisend gelten kann.

Die Ausführungen von Prof. Dr. M. können den Senat nicht davon überzeugen, dass der Ehegatte der Klägerin ohne die Schädigungsfolge mit Wahrscheinlichkeit mindestens ein Jahr länger gelebt hätte. Prof. Dr. P. M. kommt zu der von ihm vertretenen Auffassung vor allem dadurch, dass er statistische Erfahrungswerte über den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und kardiovaskulärer Mortalität auf den konkreten Fall des Ehemannes der Klägerin überträgt, ohne auf die konkrete Situation hinreichend einzugehen. Für den Senat bleibt maßgeblich, dass der von Prof. Dr. P. M. in den Vordergrund gestellte Bewegungsmangel des verstorbenen Versorgungsberechtigten nur ein Risikofaktor für das Entstehen der dilativen Kardiomyopathie war. Die gravierenden weiteren erheblichen Risiken, wie sie vorstehend bereits eingehend dargestellt worden sind, sind mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich für das Ableben des Versorgungsberechtigten am 07.05.1995 anzusehen und damit nicht die wesentliche Ursache im Sinne von § 38 BVG. Der Senat ist dabei auch nicht davon überzeugt, dass dem verstorbenen Ehemann der Klägerin trotz seiner schweren Kriegsverletzung nicht doch eine hinreichende körperliche Aktivität - z.B. in Form von regelmäßigem Schwimmen wie bei den durchgeführten Kuren - möglich war. Der Rückschluss auf ein vorzeitiges Ableben um mindestens ein Jahr ist zwar als möglich anzusehen, nicht aber als wahrscheinlich im vorstehenden Sinne zu erachten.

Nachdem das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 18.09.2007 bereits zutreffend hervorgehoben hat, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Zugunstenentscheidung im Sinne von § 44 SGB X hier nicht gegeben sind, sieht das BayLSG gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es die Berufung auch aus den in allen Punkten zutreffenden Gründen der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung als unbegründet zurückweist. Auch ist eine weitere Beweisaufnahme nach §§ 103, 106 Abs.1 Nr.5 SGG nicht veranlasst, da bereits ausreichend Gutachten eingeholt worden sind.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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