Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 1031/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 868/06
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 4. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1945 geborene Kläger, ein polnischer Staatsbürger, der 1979 in die Bundesrepublik übersiedelte und seit 1981 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, wendet sich mit seiner am 06.12.2006 beim Sozialgericht München (SG) und am 21.12.2006 beim Bayer. Landesozialgericht eingegangenen Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG München vom 04.06.2002, mit welchem festgestellt wurde, dass die Klage im Verfahren S 9 RJ 9/95 im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.09.1998 zurückgenommen und der Rechtstreit dadurch erledigt wurde.
In diesem Verfahren hatte der Kläger die Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit seines Haftaufenthalts vom 11.07.1986 bis 21.06.1988, abgelehnt durch Bescheid der Beklagten vom 11.08.1994 / zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.12.1994, begehrt.
In der 15 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung vom 25.09.1998 hatte der Vorsitzende ausweislich der Niederschrift im damaligen Verfahren darauf hingewiesen, dass die Ablehnung der Beklagten nicht zu beanstanden sei, da nach dem seinerzeitigen Recht
(§ 1418 RVO a.F.) die Zahlung von freiwilligen Beiträgen nur im jeweils laufenden Kalenderjahr möglich gewesen und eine Nachentrichtung für Zeiten von 1986 bis 1988 auf Grund des erst am 27.02.1989 gestellten Antrags des Klägers rechtlich nicht mehr zulässig gewesen sei. Am Rande hatte er an Hand eines Berechnungsbeispiels außerdem darauf hingewiesen, dass die gewünschte Nachzahlung aus finanzieller Sicht auch nicht sinnvoll erscheine.
Der Kläger hatte daraufhin erklärt, er nehme die Klage zurück. Die Erklärung wurde vorgelesen und vom Kläger genehmigt.
Nachdem der Kläger sich in der Folgezeit mit wiederholten handschriftlichen und in deutscher Sprache verfassten Schreiben erneut an die Beklagte gewandt und die Mitteilung erhalten hatte, dass eine Nachentrichtung weiterhin nicht möglich sei, wandte er sich im März 2000 auch erneut das SG und brachte vor, er verstehe nicht, dass eine Nachzahlung für die Zeit vom 11.07.1986 bis 21.06.1988 nicht möglich sein solle, zumal freiwillige Beitragsentrichtungen nach neuem Recht bis zum 31. März des Folgejahres zulässig seien.
Nach Hinweisen des SG zur Rechtslage erklärte der Kläger mit einem am 23.06.2000 eingegangenen Schreiben die Anfechtung der Klagerücknahme vom 25.09.1998.
Zur Begründung führte er an, die Verhandlung habe seinerzeit nur 15 Minuten gedauert, als polnischer Staatsbürger habe er auch nicht alles verstanden. Seine Verspätung bei der seinerzeitigen Antragstellung habe nur 58 Tage betragen. Er habe nach der Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt im Jahre 1988 zunächst andere Sorgen wegen der Wohnungs- und Arbeitssuche gehabt und die Rechtslage nicht gekannt. Es müsse für ihn Gnade geben, zumal jetzt eine längere Frist gelte.
Das SG holte eine Stellungnahme des im seinerzeitigen Verfahren S 9 RJ 9/95 tätig gewordenen Vorsitzenden ein. Richter Dr. A. erklärte in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 25.02.2002, er erinnere sich an die damalige Verhandlung, seine Unterlagen darüber mit den Beitragsberechnungen lägen ihm noch vor; der seit 1979 in Deutschland lebende Kläger habe nicht den Eindruck gemacht, der Verhandlung nicht folgen zu können. Die geringen finanziellen Auswirkungen der Fristversäumnis seien für ihn nachvollziehbar gewesen. Auch seien angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung keine besonderen Sprachkenntnisse erforderlich gewesen.
Nach Anhörung der Beteiligten erließ das SG den Gerichtsbescheid vom 04.06.2002, mit dem es feststellte, dass der Kläger durch seine Erklärung im Termin vom 25.09.1998 die Klage wirksam zurückgenommen habe. Eine Rücknahme dieser Klagerücknahme sei nicht möglich. Die Rechtswirksamkeit einer das Verfahren beendenden Prozesshandlung könne nicht wegen etwaiger Willensmängel in Frage gestellt oder einseitig widerrufen werden. Auch die auf eine Erklärung im Rechtsverkehr sonst anzuwendenden Regeln des bürgerlichen Rechts über Irrtum und Täuschung seien nicht anwendbar (BSG vom 12.08.1961 - 3 RK 13/59). Lediglich in Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Wideraufnahme des Verfahrens gegeben seien, könne etwas anderes gelten. Solche Wiederaufnahmegründe seien jedoch nicht ersichtlich. Nichtigkeits- und Restitutionsgründe würden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Er habe zwar vorgebracht, als polnischer Staatsbürger nicht das genaue Verständnis gehabt zu haben, er habe jedoch nach der Ansicht des damals zuständigen Richters der Verhandlung und dem einfachen Sachverhalt durchaus folgen können. Auf die heutige geänderte Rechtslage zu Nachentrichtungsfristen könne er sich nicht berufen. Seine Beweggründe bei der Erklärung der Klagerücknahme seien für deren Wirksamkeit unerheblich.
Der Gerichtsbescheid vom 04.06.2002 wurde dem Kläger nach verschiedenen erfolglos gebliebenen Zustellungsversuchen erst am 08.03.2007 zugestellt.
Der Kläger hatte zuvor bereits mit einem am 06.12.2006 beim SG und am 21.12.2006 beim BayLSG eingegangenen, als Berufung zu wertenden Schreiben um "weitere Prüfung" des nach seiner Meinung noch nicht erledigten Nachentrichtungsantrags gebeten.
Er wiederholte sein bisheriges Vorbringen und berief sich dabei auf Vorgänge in den Jahren 1989 und 1994, insbesondere auf eine nicht in den Akten befindliche Auskunft seitens der Beklagten, dass er Monatsbeiträge von 107,- DM (Anmerkung: in früheren Schreiben sprach der Klägern von 108,- DM) nachentrichten müsse. Unverständlich sei für ihn auch die lange Zwischenzeit zwischen seinem Antrag vom 29.02.1989 und der Übersendung eines Antragsformulars im August 1994 sowie des erst nach Rückgabe des ausgefüllten Formulars ergangenen negativen Bescheids. Er sei weiterhin zur Zahlung von Nachentrichtungsbeiträgen bereit.
Mit Beschluss des Senats vom 16.09.2008 wurde die Berufung gem. § 153 Abs.5 SGG auf die zuständige Berichterstatterin übertragen. In der mündlichen Verhandlung wurde der der Klagerücknahme zugrunde liegende Sachverhalt mit dem Kläger ausführlich erörtert. Dieser beharrte trotz der dargelegten Aussichtslosigkeit auf der Fortführung des Berufungsverfahrens.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.06.2002 aufzuheben und
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.08.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1994 zu verpflichten, die Nachzahlung von frei willigen Beiträgen für die Zeit vom 11.07.1986 bis 21.06.1988 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des Verfahrens S 9 Ar 9/95 des Sozialgerichts München und die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet.
Zutreffend hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klage im Verfahren S 9 RJ 9/95 im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.09.1998 wirksam zurückgenommen wurde und der Rechtstreit dadurch in der Hauptsache seine Erledigung gefunden hat.
Bei der Klagerücknahme handelt es sich um eine Prozesshandlung, die den Rechtstreit in der Hauptsache beendet. Sie kann - wie das Erstgericht zutreffend dargelegt hat - grundsätzlich nicht widerrufen und nicht wegen Willensmängeln widerrufen werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, § 102 Anm.7c). Nur unter den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 178, 180 SGG, 579, 580 ZPO) ist im Einzelfall ein Widerruf bzw. eine Verfahrenswiederaufnahme möglich.
Solche Wiederaufnahmegründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs.2 SGG abgesehen werden.
Lediglich im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist zu seinem Verständnis klarstellend Folgendes anzufügen:
Das mit der Berufung angefochtene erstinstanzliche Verfahren endete erst mit der (aus im Wesentlichen von ihm zu vertretenden Umständen: keine ordnungsgemäße Ummeldung beim Einwohnermeldeamt nach Umzug) am 08.03.2007 erfolgten Zustellung.
Im Berufungsverfahren gegen diese Entscheidung haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.
Es kann dahingestellt bleiben, auf Grund welcher Umstände die Verbescheidung des Nachentrichtungsantrages von Februar 1989 erst nach langer Zeit im Jahr 1994 nach Eingang des erst kurz zuvor übersandten Formblattantrags erfolgte. Das gleiche gilt für die schon früher vorgetragene Behauptung des Klägers, es sei ihm von einem Berater der Beklagten seinerzeit mitgeteilt worden, er müsse 107,- oder 108,- DM monatlich nachzahlen. Es kann sich dabei nur um eine mündliche Angabe über die aktuelle Höhe der monatlichen freiwilligen Mindestbeträge gehandelt haben, nicht aber - wie der Kläger suggerieren will - um eine Zusage einer Nachentrichtungsmöglichkeit im konkreten Fall; diese hätte eine schriftliche Bewilligung mit konkreter Angabe eines insgesamt zu zahlenden Betrages erfordert. Ebenso bedarf es keiner Erörterung, ob es sich bei der damaligen Regelung des § 1418 RVO um eine verständliche und "gerechte" Regelung handelte.
Entscheidend bleibt vorliegend allein, dass in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.1998 in ausreichendem Umfang, laut der Niederschrift 15 Minuten lang, die eher einfach gelagerte Rechtslage besprochen und sodann die Klagerücknahme erklärt wurde, wofür der Kläger die deutsche Sprache ohne Zweifel ausreichend beherrschte. Dies hat der die damalige Verhandlung führende Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 25.02.2002 nachvollziehbar dargelegt. Dieser Eindruck ergibt sich für das Berufungsgericht auch aus den gesamten umfangreichen Aktenunterlagen. Der seit 1981 als Maurer voll in das Arbeitsleben in Deutschland integrierte Kläger hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit einer Vielzahl von handgeschriebenen Briefen in deutscher Sprache an die Beklagte und auch an die Gerichte gewandt, offensichtlich ohne dabei fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trotz grammatikalischer Fehler wusste er seine Anliegen dabei immer deutlich und klar vorzubringen (so z.B. in Anträgen zu Eingliederungshilfe, Leistungen zur Rehabilitation, bei der Geltendmachung von Anrechnung seiner polnischen Arbeitszeiten in vollem Umfang zu 6/6, in Anträgen auf Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen für die Jahre 2005 und 2006, ebenso bei den jeweiligen Widersprüchen). Die Tatsache, dass dem Kläger in der jetzigen mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts auf seinen Antrag eine Dolmetscherin zur Verfügung stand, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Eindruck, dass ohne sie eine ausreichende Verständigung mit dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, entstand dadurch für das Gericht jedenfalls nicht.
Auch die Behauptung des Klägers, es sei ihm in der Verhandlung vom 25.09.1998 eine von ihm nicht verstandene Rücknahmeerklärung zur Unterschrift vorgelegt worden, kann die Wirksamkeit der Klagerücknahme nicht beseitigen. Die Behauptung ist unzutreffend. Die das Verfahren beendende Klagerücknahme, die dem Kläger laut Protokoll noch einmal vorgelesen und von ihm genehmigt wurde, bedurfte lediglich der Niederschrift durch die Protokollführerin und der anschließenden Unterzeichnung des Protokolls durch sie und den Vorsitzenden, nicht aber den Kläger. Dessen Unterschrift könnte seinerzeit allenfalls der Geltendmachung von Fahrtkosten gedient haben.
Die Berufung konnte nach allem keinen Erfolg haben.
Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1945 geborene Kläger, ein polnischer Staatsbürger, der 1979 in die Bundesrepublik übersiedelte und seit 1981 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, wendet sich mit seiner am 06.12.2006 beim Sozialgericht München (SG) und am 21.12.2006 beim Bayer. Landesozialgericht eingegangenen Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG München vom 04.06.2002, mit welchem festgestellt wurde, dass die Klage im Verfahren S 9 RJ 9/95 im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.09.1998 zurückgenommen und der Rechtstreit dadurch erledigt wurde.
In diesem Verfahren hatte der Kläger die Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit seines Haftaufenthalts vom 11.07.1986 bis 21.06.1988, abgelehnt durch Bescheid der Beklagten vom 11.08.1994 / zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.12.1994, begehrt.
In der 15 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung vom 25.09.1998 hatte der Vorsitzende ausweislich der Niederschrift im damaligen Verfahren darauf hingewiesen, dass die Ablehnung der Beklagten nicht zu beanstanden sei, da nach dem seinerzeitigen Recht
(§ 1418 RVO a.F.) die Zahlung von freiwilligen Beiträgen nur im jeweils laufenden Kalenderjahr möglich gewesen und eine Nachentrichtung für Zeiten von 1986 bis 1988 auf Grund des erst am 27.02.1989 gestellten Antrags des Klägers rechtlich nicht mehr zulässig gewesen sei. Am Rande hatte er an Hand eines Berechnungsbeispiels außerdem darauf hingewiesen, dass die gewünschte Nachzahlung aus finanzieller Sicht auch nicht sinnvoll erscheine.
Der Kläger hatte daraufhin erklärt, er nehme die Klage zurück. Die Erklärung wurde vorgelesen und vom Kläger genehmigt.
Nachdem der Kläger sich in der Folgezeit mit wiederholten handschriftlichen und in deutscher Sprache verfassten Schreiben erneut an die Beklagte gewandt und die Mitteilung erhalten hatte, dass eine Nachentrichtung weiterhin nicht möglich sei, wandte er sich im März 2000 auch erneut das SG und brachte vor, er verstehe nicht, dass eine Nachzahlung für die Zeit vom 11.07.1986 bis 21.06.1988 nicht möglich sein solle, zumal freiwillige Beitragsentrichtungen nach neuem Recht bis zum 31. März des Folgejahres zulässig seien.
Nach Hinweisen des SG zur Rechtslage erklärte der Kläger mit einem am 23.06.2000 eingegangenen Schreiben die Anfechtung der Klagerücknahme vom 25.09.1998.
Zur Begründung führte er an, die Verhandlung habe seinerzeit nur 15 Minuten gedauert, als polnischer Staatsbürger habe er auch nicht alles verstanden. Seine Verspätung bei der seinerzeitigen Antragstellung habe nur 58 Tage betragen. Er habe nach der Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt im Jahre 1988 zunächst andere Sorgen wegen der Wohnungs- und Arbeitssuche gehabt und die Rechtslage nicht gekannt. Es müsse für ihn Gnade geben, zumal jetzt eine längere Frist gelte.
Das SG holte eine Stellungnahme des im seinerzeitigen Verfahren S 9 RJ 9/95 tätig gewordenen Vorsitzenden ein. Richter Dr. A. erklärte in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 25.02.2002, er erinnere sich an die damalige Verhandlung, seine Unterlagen darüber mit den Beitragsberechnungen lägen ihm noch vor; der seit 1979 in Deutschland lebende Kläger habe nicht den Eindruck gemacht, der Verhandlung nicht folgen zu können. Die geringen finanziellen Auswirkungen der Fristversäumnis seien für ihn nachvollziehbar gewesen. Auch seien angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung keine besonderen Sprachkenntnisse erforderlich gewesen.
Nach Anhörung der Beteiligten erließ das SG den Gerichtsbescheid vom 04.06.2002, mit dem es feststellte, dass der Kläger durch seine Erklärung im Termin vom 25.09.1998 die Klage wirksam zurückgenommen habe. Eine Rücknahme dieser Klagerücknahme sei nicht möglich. Die Rechtswirksamkeit einer das Verfahren beendenden Prozesshandlung könne nicht wegen etwaiger Willensmängel in Frage gestellt oder einseitig widerrufen werden. Auch die auf eine Erklärung im Rechtsverkehr sonst anzuwendenden Regeln des bürgerlichen Rechts über Irrtum und Täuschung seien nicht anwendbar (BSG vom 12.08.1961 - 3 RK 13/59). Lediglich in Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Wideraufnahme des Verfahrens gegeben seien, könne etwas anderes gelten. Solche Wiederaufnahmegründe seien jedoch nicht ersichtlich. Nichtigkeits- und Restitutionsgründe würden vom Kläger auch nicht vorgetragen. Er habe zwar vorgebracht, als polnischer Staatsbürger nicht das genaue Verständnis gehabt zu haben, er habe jedoch nach der Ansicht des damals zuständigen Richters der Verhandlung und dem einfachen Sachverhalt durchaus folgen können. Auf die heutige geänderte Rechtslage zu Nachentrichtungsfristen könne er sich nicht berufen. Seine Beweggründe bei der Erklärung der Klagerücknahme seien für deren Wirksamkeit unerheblich.
Der Gerichtsbescheid vom 04.06.2002 wurde dem Kläger nach verschiedenen erfolglos gebliebenen Zustellungsversuchen erst am 08.03.2007 zugestellt.
Der Kläger hatte zuvor bereits mit einem am 06.12.2006 beim SG und am 21.12.2006 beim BayLSG eingegangenen, als Berufung zu wertenden Schreiben um "weitere Prüfung" des nach seiner Meinung noch nicht erledigten Nachentrichtungsantrags gebeten.
Er wiederholte sein bisheriges Vorbringen und berief sich dabei auf Vorgänge in den Jahren 1989 und 1994, insbesondere auf eine nicht in den Akten befindliche Auskunft seitens der Beklagten, dass er Monatsbeiträge von 107,- DM (Anmerkung: in früheren Schreiben sprach der Klägern von 108,- DM) nachentrichten müsse. Unverständlich sei für ihn auch die lange Zwischenzeit zwischen seinem Antrag vom 29.02.1989 und der Übersendung eines Antragsformulars im August 1994 sowie des erst nach Rückgabe des ausgefüllten Formulars ergangenen negativen Bescheids. Er sei weiterhin zur Zahlung von Nachentrichtungsbeiträgen bereit.
Mit Beschluss des Senats vom 16.09.2008 wurde die Berufung gem. § 153 Abs.5 SGG auf die zuständige Berichterstatterin übertragen. In der mündlichen Verhandlung wurde der der Klagerücknahme zugrunde liegende Sachverhalt mit dem Kläger ausführlich erörtert. Dieser beharrte trotz der dargelegten Aussichtslosigkeit auf der Fortführung des Berufungsverfahrens.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.06.2002 aufzuheben und
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.08.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1994 zu verpflichten, die Nachzahlung von frei willigen Beiträgen für die Zeit vom 11.07.1986 bis 21.06.1988 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des Verfahrens S 9 Ar 9/95 des Sozialgerichts München und die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet.
Zutreffend hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klage im Verfahren S 9 RJ 9/95 im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.09.1998 wirksam zurückgenommen wurde und der Rechtstreit dadurch in der Hauptsache seine Erledigung gefunden hat.
Bei der Klagerücknahme handelt es sich um eine Prozesshandlung, die den Rechtstreit in der Hauptsache beendet. Sie kann - wie das Erstgericht zutreffend dargelegt hat - grundsätzlich nicht widerrufen und nicht wegen Willensmängeln widerrufen werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, § 102 Anm.7c). Nur unter den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 178, 180 SGG, 579, 580 ZPO) ist im Einzelfall ein Widerruf bzw. eine Verfahrenswiederaufnahme möglich.
Solche Wiederaufnahmegründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs.2 SGG abgesehen werden.
Lediglich im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist zu seinem Verständnis klarstellend Folgendes anzufügen:
Das mit der Berufung angefochtene erstinstanzliche Verfahren endete erst mit der (aus im Wesentlichen von ihm zu vertretenden Umständen: keine ordnungsgemäße Ummeldung beim Einwohnermeldeamt nach Umzug) am 08.03.2007 erfolgten Zustellung.
Im Berufungsverfahren gegen diese Entscheidung haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.
Es kann dahingestellt bleiben, auf Grund welcher Umstände die Verbescheidung des Nachentrichtungsantrages von Februar 1989 erst nach langer Zeit im Jahr 1994 nach Eingang des erst kurz zuvor übersandten Formblattantrags erfolgte. Das gleiche gilt für die schon früher vorgetragene Behauptung des Klägers, es sei ihm von einem Berater der Beklagten seinerzeit mitgeteilt worden, er müsse 107,- oder 108,- DM monatlich nachzahlen. Es kann sich dabei nur um eine mündliche Angabe über die aktuelle Höhe der monatlichen freiwilligen Mindestbeträge gehandelt haben, nicht aber - wie der Kläger suggerieren will - um eine Zusage einer Nachentrichtungsmöglichkeit im konkreten Fall; diese hätte eine schriftliche Bewilligung mit konkreter Angabe eines insgesamt zu zahlenden Betrages erfordert. Ebenso bedarf es keiner Erörterung, ob es sich bei der damaligen Regelung des § 1418 RVO um eine verständliche und "gerechte" Regelung handelte.
Entscheidend bleibt vorliegend allein, dass in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.1998 in ausreichendem Umfang, laut der Niederschrift 15 Minuten lang, die eher einfach gelagerte Rechtslage besprochen und sodann die Klagerücknahme erklärt wurde, wofür der Kläger die deutsche Sprache ohne Zweifel ausreichend beherrschte. Dies hat der die damalige Verhandlung führende Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 25.02.2002 nachvollziehbar dargelegt. Dieser Eindruck ergibt sich für das Berufungsgericht auch aus den gesamten umfangreichen Aktenunterlagen. Der seit 1981 als Maurer voll in das Arbeitsleben in Deutschland integrierte Kläger hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit einer Vielzahl von handgeschriebenen Briefen in deutscher Sprache an die Beklagte und auch an die Gerichte gewandt, offensichtlich ohne dabei fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trotz grammatikalischer Fehler wusste er seine Anliegen dabei immer deutlich und klar vorzubringen (so z.B. in Anträgen zu Eingliederungshilfe, Leistungen zur Rehabilitation, bei der Geltendmachung von Anrechnung seiner polnischen Arbeitszeiten in vollem Umfang zu 6/6, in Anträgen auf Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen für die Jahre 2005 und 2006, ebenso bei den jeweiligen Widersprüchen). Die Tatsache, dass dem Kläger in der jetzigen mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts auf seinen Antrag eine Dolmetscherin zur Verfügung stand, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Eindruck, dass ohne sie eine ausreichende Verständigung mit dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, entstand dadurch für das Gericht jedenfalls nicht.
Auch die Behauptung des Klägers, es sei ihm in der Verhandlung vom 25.09.1998 eine von ihm nicht verstandene Rücknahmeerklärung zur Unterschrift vorgelegt worden, kann die Wirksamkeit der Klagerücknahme nicht beseitigen. Die Behauptung ist unzutreffend. Die das Verfahren beendende Klagerücknahme, die dem Kläger laut Protokoll noch einmal vorgelesen und von ihm genehmigt wurde, bedurfte lediglich der Niederschrift durch die Protokollführerin und der anschließenden Unterzeichnung des Protokolls durch sie und den Vorsitzenden, nicht aber den Kläger. Dessen Unterschrift könnte seinerzeit allenfalls der Geltendmachung von Fahrtkosten gedient haben.
Die Berufung konnte nach allem keinen Erfolg haben.
Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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