Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 409/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 302/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
SGB II-Feststellung des Anordnungsgrundes
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren darüber, ob dem Antragsteller für die Zeit vom 26. März 2008 bis zum 30. September 2008 noch höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu gewähren sind.
Der am 1960 geborene Antragsteller absolvierte bis zum 25. März 2008 eine Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten, die er selbst "aus gesundheitlichen Gründen" abbrach. Er bewohnt alleine eine Zweizimmerwohnung, für die im Monat 300,00 EUR zur Abgeltung der Grundmiete und von Betriebskosten zu entrichten sind.
Am 26. März 2008 stellt er parallel zu einem Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei gab er an, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 216,95 EUR monatlich zu beziehen. Nach einer den Antragsunterlagen beigefügten ärztlichen Bescheinigung leidet der Antragsteller unter einer Nickelallergie und ist dauernd auf nickelfreie Kosten angewiesen.
Die BA bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 5. Mai 2008 Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) für die Zeit vom 26. März 2008 bis zum 24. November 2008 in Höhe von 6,83 EUR täglich.
Die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd - Bezirksverwaltung E. - (BG) bescheinigte dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. Mai 2008 das Bestehen eines Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach, dessen Ausgestaltung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers liege.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 26. März bis zum 31. März 2008 in Höhe von 8,76 EUR, für die Zeit vom 1. April bis zum 30. April 2008 in Höhe von 94,38 EUR, für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 in Höhe von 275,75 EUR und für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 30. September 2008 in Höhe von 279,75 EUR monatlich. In den Gründen führte sie aus, ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung sei gemäß der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge nicht zu gewähren. Wegen Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf Blatt 51 bis 56 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Der Antragsteller hat am 2. Juni 2008 beim Sozialgericht Stendal (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Zusätzlich zu den gewährten Leistungen stünden ihm Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 4 und Abs. 5 SGB II zu. Außerdem habe die Antragsgegnerin bei der Leistungsberechnung zu Unrecht die Unfallrente als Einkommen angerechnet. Mehrkosten für die Ernährung entstünden ihm, weil er keine Lebensmittel aus Blechkonserven verzehren könne. Außerdem sei er auf Gemüse und Obst aus ökologischem Anbau angewiesen, weil bei konventionellem Anbau mit einer starken Nickelanreicherung zu rechnen sei. Er sei auch auf besondere Pflegeprodukte für seine Haut angewiesen.
Auf die Aufforderung des SG, zum Nachweis ihm entstehender Mehrkosten ein Haushaltsbuch zu führen und vorzulegen, hat der Antragsteller mitgeteilt, dies sei ihm nicht möglich, weil er viele Lebensmittel auf dem Wochenmarkt bzw. direkt beim Erzeuger kaufe.
Vom 10. bis zum 30. Juni 2008 hat der Antragsteller eine Nebenbeschäftigung ausgeübt und hierfür ein Einkommen (ohne Abzüge) von 241,40 EUR erzielt.
Zum 1. Juli 2008 ist der Zahlbetrag der dem Antragsteller bewilligten Verletztenrente auf monatlich 219,33 EUR angepasst worden.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 4. Juli 2008 abgelehnt und in den Gründen ausgeführt: Der Antragsteller begehre, ihm für die Zeit vom 26. März bis zum 30. September 2008 höhere Leistungen zu bewilligen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hierfür seien nicht glaubhaft gemacht. Die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II setzte voraus, dass dem Hilfebedürftigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden seien. Dass sie – wie der Antragssteller – grundsätzlich die Voraussetzungen für solche Leistungen erfüllten, reiche nicht aus. Die Ausführungen zum Ernährungsmehrbedarf des Antragstellers seien nicht nachvollziehbar. Er habe einen solchen auch nicht beziffert. Dass die Verletztenrente auf der gesetzlichen Unfallversicherung in voller Höhe als Einkommen anzurechnen sei, entspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Gegen den ihm am 8. Juli 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17. Juli 2008 Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Die vollständige Anrechnung der Unfallrente stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Der ernährungsbedingte Mehrbedarf ergebe sich daraus, dass er bei dem Einkauf von Nahrungsmitteln auf Nickelfreiheit achten müsse. Für den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II sei ausreichend, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bestehe. Zudem erhalte er auch Leistungen zur Erlangung eines leidensgerechten Platzes im Arbeitsleben.
Der Antragsteller hat ein Schreiben der BG vom 8. Juli 2008 vorgelegt, wonach er "derzeit" an einer Vermittlungsmaßnahme mit dem Ziel, für ihn eine leidensgerechte Tätigkeit zu finden, teilnimmt und die im Rahmen der Maßnahme anfallenden Kosten (Fahrkosten, Verpflegungskosten sowie Bewerbungskosten) werden von der BG gegen Nachweis übernommen. Nähere Angaben zu Beginn und Dauer der Maßnahme werden in dem Schreiben nicht gemacht.
Mit einem Änderungsbescheid vom 12. August 2008 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis zum 30. Juni 2008 Leistungen in Höhe von 188,53 EUR und für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2008 in Höhe von 277,37 EUR monatlich bewilligt. Wegen Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf Blatt 86 bis 92 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 18. August 2008 Widerspruch erhoben und sich dabei auf seine schon im Antragsverfahren vor dem SG vorgetragenen Argumente gestützt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 4. Juli 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn für die Zeit vom 26. März bis zum 30. September 2008 vorläufig höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für richtig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Ziffer 1 SGG greift nicht ein, denn aus der Differenz zwischen der Summe der für den streitigen Zeitraum vom 26. März bis zum 30. September 2008 begehrten Leistungen zu den tatsächlich erbrachten Leistungen ergibt sich schon bei überschlägiger Prüfung, dass der für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR erreicht wird.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kommt allein eine Regelungsanordnung in Betracht. Die Anordnung kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (hier ein Widerspruchsverfahren) abwarten müsste und deswegen wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).
Die Beschwerde hat hier schon deshalb keinen Erfolg, weil der Antragsteller für sein Rechtsschutzbegehren insgesamt keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Soweit vom Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Erbringung höherer Leistungen auf für Zeit 26. März bis zum 1. Juni 2008 begehrt wird, handelt es sich um einen Zeitraum, der vor dem Eingang des Rechtsschutzantrags beim angerufenen Gericht (am 2. Juni 2008) liegt. Insoweit ist bei einem Begehren, das sich auf Geldleistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Leistungszeitraum richtet, ein Anordnungsgrund in der Regel zu verneinen. Eine Verpflichtung zur Leistungserbringung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für zurückliegende Zeiträume vor Eingang des Rechtschutzantrags kommt in der Regel nur in Betracht, wenn eine vorgetragene Nichtleistung für die Vergangenheit noch andauernde Auswirkungen für Gegenwart und Zukunft begründet. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn für den Antragsteller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen rückständiger Schulden zu erwarten sind und diese Schulden kausal auf die Nichtgewährung der Leistungen zurückzuführen sind (Keller: in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 29a am Ende und 35a mit weiteren Nachweisen). Eine solche Konstellation ist hier nicht glaubhaft gemacht worden. Anhaltspunkte für deren Vorliegen sind auch nicht ersichtlich, so dass der Senat sich nicht zur weiteren Amtsermittlung in dieser Hinsicht veranlasst sieht.
Für den verbleibenden streitigen Zeitraum vom 2. Juni bis zum 30. September 2008 ergibt sich im Ergebnis nicht anderes. Über den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2008, der Gegenstand einer nicht in dieses Verfahren einbezogenen Regelung ist, ist hier nicht zu entscheiden.
Eine Regelungsanordnung kann nur ergehen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nötig erscheint eine Nachteilsabwendung nur dann, wenn sich ein bereits eingetretener Nachteil noch gegenwärtig auswirkt oder der Eintritt eines Nachteils mit abzuwendenden Auswirkungen unmittelbar bevorsteht. In diesem Sinne muss der Nachteil gegenwärtig sein. Von diesem Prüfungsansatz ausgehend wird vertreten, wenn Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts schon vergangene Zeiträume begehrte würden, müsse gesondert glaubhaft gemacht werden, dass sich dies noch aktuell in dem Sinne auswirke, dass ein auszugleichender Nachholbedarf vorhanden sei (siehe dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 20. Dezember 2007, L 10 B 1434/07 AS, zitiert nach juris). Dagegen wird indes der Einwand erhoben, der Beginn des Rechtsschutzes dürfe nicht von der Arbeitsgeschwindigkeit des Gerichts abhängen (Spellbrink in Sozialrecht aktuell, 2007, S. 1).
Vor dem Hintergrund von mit der hohen Arbeitslastung bei Gericht oftmals verbundenen Verzögerungen und einer daraus folgenden längeren Zeitdauer bis zur Entscheidung entspricht es der derzeit wohl überwiegenden Spruchpraxis, im Falle des Erfolges des Eilantrags die Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung für die Zeit ab Eingang des Eilantrags beim SG auszusprechen. Dabei wird dann entweder ausdrücklich oder ohne dies besonders zu problematisieren auf die gesonderte Glaubhaftmachung eines zum Entscheidungszeitpunkt noch aktuell vorliegenden Nachholbedarfs verzichtet (siehe die Rechtsprechungshinweise bei Keller: in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 29 a am Ende und 35a). Allerdings kann aus dieser Spruchpraxis kein ausnahmslos geltender Grundsatz abgeleitet werden. So dürfte es ohne weiteres einleuchten, dass Geldleistungen z. B. nicht auch für einen zwischen dem Eingang des Rechtsschutzantrags und dem Entscheidungszeitpunkt liegenden Teilzeitraum vorläufig zugesprochen werden können, währenddessen auf Grund des Zuflusses von Einnahmen aus einer zwischenzeitlich ausgeübten Beschäftigung keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II vorlag.
Ein Zuspruch von Leistungen ab Eingang des Rechtsschutzantrags beim SG ohne besondere Glaubhaftmachung eines Nachholebedarfs ist nach Auffassung des Senats vorrangig für die Fälle geboten, in denen ein Fall der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch andauernden Nicht- oder Minderleistung vorgetragen wird und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei Eingang des Rechtsschutzantrages und in der Zwischenzeit danach wesentlich andere Verhältnisse vorlagen als zum Entscheidungszeitpunkt. Denn die Feststellung, dass zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmte Leistungen nicht oder nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen erbracht werden, rechtfertigt in der Regel die Annahme eines gegenwärtigen Nachteils, ohne dass der Betroffene tatsächlich glaubhaft machen muss, etwa zu hungern oder zu frieren oder unmittelbar davon bedroht zu sein. Alleine der Umstand, dass nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt tatsächlich weniger geleistet wird, als nach den gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung des Lebensunterhalts zu leisten ist, rechtfertigt die Bejahung des Anordnungsgrundes. Dieses Vorgehen lässt sich nach Auffassung des Senats dann auch auf den zurückliegenden Zeitraum ab Eingang des Rechtsschutzantrags erstrecken, ohne dass der Hilfebedürftige z. b. nachweisen muss, einen Nachholbedarf wegen des unterbliebenen Ersatzes verschlissener Kleidung oder des unterbliebenen Ankaufs von Wasch- und Reinigungsmitteln zu haben. Sofern aber zum Entscheidungszeitraum Hilfebedürftigkeit und damit ein Leistungsanspruch ausscheidet, etwa weil der Hilfebedürftige eine Arbeit aufgenommen hat oder ihm Vermögen zugeflossen ist, ist er für die davor liegenden Zeiträume auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sofern er keinen konkreten Nachholebedarf glaubhaft macht. In den Fällen, in denen - wie hier - der für den Streitgegenstand maßgebliche Regelungszeitraum vor der Entscheidung des Gerichts bereits abgelaufen ist, spricht viel dafür, den Anordnungsgrund zu bejahen, sofern keine zwischenzeitliche Überwindung der Hilfebedürftigkeit bekannt ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, was konkret nicht der Fall ist.
Allerdings ist die Annahme eines aus der Nicht- oder Minderleistung resultierenden nicht hinzunehmenden gegenwärtigen Nachteils auch für die Zeiträume zwischen dem Antrag des Rechtsschutzantrags beim SG und der Entscheidung des Gerichts nur dann gerechtfertigt, wenn dem Hilfebedürftigen für diese Zeiträume nach seinem Vortrag geringere Mittel zur Verfügung gestanden haben, als sie dem Umfang nach höchstens zu Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren gewesen wären. Dabei sind in diesen Zeiträumen zufließende Einnahmen nach Abzug der sich aus dem SGB II ergebenden Freibeträge zu berücksichtigen, sofern sie nicht aufgrund einer zwingenden Zweckbindung der Disposition des Hilfebedürftigen entzogen sind.
Bei einer solchen Betrachtung ergeben sich hier keine Anhaltspunkte für eine die Annahme wesentlichern Nachteile rechtfertigende Unterdeckung. Für den Antragsteller ergibt sich – bei Auswertung der dem Leistungsantrag und der Verwaltungsakte zu entnehmenden Daten – für den Monat Juni 2008 ein Bedarf von 647,00 EUR (Regelbedarf nach § 20 Abs. 1 SGB II von monatlich 347,00 EUR und 300,00 EUR Kosten der Unterkunft). Einkommen stand dem Antragssteller im Monat Juni 2008 in einer Gesamthöhe von 458,47 EUR zur Verfügung und zwar das Einkommen aus seiner Nebenbeschäftigung in Höhe von 113,12 EUR (= 241,40 EUR abzüglich eines sich aus §§ 11 Abs. 2 Satz 1 und § 30 Satz 1 Ziffer 1 SGB II ergebenden Freibetrages von 128,28 EUR), das (in diesem Monat wegen der Nebenbeschäftigung verminderte) Arbeitslosengeld in Höhe von 128,40 EUR und die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung von 216,95 EUR. Es verbleibt ein zu deckender notwendiger Bedarf von 188,53 EUR, in dessen Höhe die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen gewährt hat. Für die Monate Juli, August und September 2008 gilt im Ergebnis nicht anderes. Hier steht dem monatlichen Bedarf von 651,00 EUR (angepasste Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II in Höhe von monatlich 351,00 EUR und 300,00 EUR Kosten der Unterkunft) jeweils Einkommen von 394,23 EUR (Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 204,90 EUR sowie die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung von monatlich 219,33 EUR bei Absetzung des allgemeinen Pauschbetrages von 30,00 EUR nach § 3 Ziffer 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) gegenüber, wobei die Antragsgegnerin nach Absetzung eines Betrages von monatlich 50,60 EUR nur 373,60 EUR als Einkommen berücksichtigt hat. Es verbleibt ein zu deckender notwendiger Bedarf von (höchstens) 277,37 EUR, in dessen Höhe die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen gewährt hat.
Hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 SGB II gilt grundsätzlich, dass diese in Hinblick auf die Prüfung des Anordnungsgrunds genauso zu behandeln sind wie der Regelbedarf. Diese Leistungen sind zur Abdeckung von Sonderbedarfen erforderlich. In diesen Fällen geht der Gesetzgeber davon aus, dass dem Hilfebedürftigen in der pauschal festgesetzten Höhe zusätzliche Lebenshaltungskosten entstehen, die er auch nicht vermeiden kann. Dies rechtfertigt in der Fällen der Nicht- oder Minderleistung die Annahme, dass der Hilfebedürftige die Mehrkosten aus der Regelbedarfleistung abdecken muss, so dass dann hier eine Unterdeckung auftritt, die wiederum die Annahme eines wesentlichen Nachteils rechtfertigt. Allerdings kann dies nicht gelten, wenn sich aufgrund des konkreten Sachverhalts deutliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der vom Gesetzgeber typischerweise angenommene Mehrbedarf nicht vorlag. Dies war hier der Fall. Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des Antragstellers zu nicht abwendbaren Mehrkosten für die Verpflegung aufgrund seiner Nickelallergie nicht nachvollziehbar sind. Zwar ist nachvollziehbar, dass der Antragsteller bei der Auswahl von Lebensmitteln besonders genau vorgehen muss und ggf. auch bestimmte Verpackungsformen zu meiden hat. Er hat aber nicht plausibel begründen können, dass er dadurch gezwungen ist, auf teurere Lebensmittel auszuweichen. Seine Behauptung, bei Gemüse und Obst aus konventionellem Anbau sei mit einer starken Nickelanreicherung zu rechnen, ist insoweit nicht plausibel und im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht überprüfbar. Zudem hat es der Antragsteller trotz entsprechender Aufforderung durch das SG unterlassen, Nachweise für die Mehrkosten nachzuweisen oder auch nur zu dokumentieren. Gleiches gilt für die vom Antragsteller vorgetragenen Mehrkosten für bestimmte Pflegeprodukte, die ohnehin nicht unter den Ernährungsmehrbedarf fallen können. Hinsichtlich eines Mehrbedarfs im Zusammenhang mit der Erbringung und Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben kommt hier nur die Teilnahme des Antragstellers an der von der BG geförderten Vermittlungsmaßnahme in Betracht, wobei Angaben dazu fehlen, von wann bis wann diese Maßnahme dauerte. Hier ergibt sich aus der vorgelegten Auskunft der BG, dass möglichen Mehrkosten bereits von dieser getragen worden sind.
Nach alledem lassen sich für den im Streit stehenden Zeitraum insgesamt keine wesentlichen Nachteile erkennen, zu deren Abwendung der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten sein könnte. Hinsichtlich der hier deshalb nicht zu klärenden Fragen zum möglicherweise bestehenden Anspruch auf höhere Leistungen ist der Antragsteller deshalb auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen.
Die Kostenentscheidung erfolgt entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren darüber, ob dem Antragsteller für die Zeit vom 26. März 2008 bis zum 30. September 2008 noch höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu gewähren sind.
Der am 1960 geborene Antragsteller absolvierte bis zum 25. März 2008 eine Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten, die er selbst "aus gesundheitlichen Gründen" abbrach. Er bewohnt alleine eine Zweizimmerwohnung, für die im Monat 300,00 EUR zur Abgeltung der Grundmiete und von Betriebskosten zu entrichten sind.
Am 26. März 2008 stellt er parallel zu einem Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei gab er an, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 216,95 EUR monatlich zu beziehen. Nach einer den Antragsunterlagen beigefügten ärztlichen Bescheinigung leidet der Antragsteller unter einer Nickelallergie und ist dauernd auf nickelfreie Kosten angewiesen.
Die BA bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 5. Mai 2008 Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) für die Zeit vom 26. März 2008 bis zum 24. November 2008 in Höhe von 6,83 EUR täglich.
Die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd - Bezirksverwaltung E. - (BG) bescheinigte dem Antragsteller mit Schreiben vom 22. Mai 2008 das Bestehen eines Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach, dessen Ausgestaltung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers liege.
Mit Bescheid vom 22. Mai 2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 26. März bis zum 31. März 2008 in Höhe von 8,76 EUR, für die Zeit vom 1. April bis zum 30. April 2008 in Höhe von 94,38 EUR, für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 in Höhe von 275,75 EUR und für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 30. September 2008 in Höhe von 279,75 EUR monatlich. In den Gründen führte sie aus, ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung sei gemäß der Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge nicht zu gewähren. Wegen Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf Blatt 51 bis 56 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Der Antragsteller hat am 2. Juni 2008 beim Sozialgericht Stendal (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Zusätzlich zu den gewährten Leistungen stünden ihm Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 4 und Abs. 5 SGB II zu. Außerdem habe die Antragsgegnerin bei der Leistungsberechnung zu Unrecht die Unfallrente als Einkommen angerechnet. Mehrkosten für die Ernährung entstünden ihm, weil er keine Lebensmittel aus Blechkonserven verzehren könne. Außerdem sei er auf Gemüse und Obst aus ökologischem Anbau angewiesen, weil bei konventionellem Anbau mit einer starken Nickelanreicherung zu rechnen sei. Er sei auch auf besondere Pflegeprodukte für seine Haut angewiesen.
Auf die Aufforderung des SG, zum Nachweis ihm entstehender Mehrkosten ein Haushaltsbuch zu führen und vorzulegen, hat der Antragsteller mitgeteilt, dies sei ihm nicht möglich, weil er viele Lebensmittel auf dem Wochenmarkt bzw. direkt beim Erzeuger kaufe.
Vom 10. bis zum 30. Juni 2008 hat der Antragsteller eine Nebenbeschäftigung ausgeübt und hierfür ein Einkommen (ohne Abzüge) von 241,40 EUR erzielt.
Zum 1. Juli 2008 ist der Zahlbetrag der dem Antragsteller bewilligten Verletztenrente auf monatlich 219,33 EUR angepasst worden.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 4. Juli 2008 abgelehnt und in den Gründen ausgeführt: Der Antragsteller begehre, ihm für die Zeit vom 26. März bis zum 30. September 2008 höhere Leistungen zu bewilligen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hierfür seien nicht glaubhaft gemacht. Die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II setzte voraus, dass dem Hilfebedürftigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden seien. Dass sie – wie der Antragssteller – grundsätzlich die Voraussetzungen für solche Leistungen erfüllten, reiche nicht aus. Die Ausführungen zum Ernährungsmehrbedarf des Antragstellers seien nicht nachvollziehbar. Er habe einen solchen auch nicht beziffert. Dass die Verletztenrente auf der gesetzlichen Unfallversicherung in voller Höhe als Einkommen anzurechnen sei, entspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Gegen den ihm am 8. Juli 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17. Juli 2008 Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Die vollständige Anrechnung der Unfallrente stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Der ernährungsbedingte Mehrbedarf ergebe sich daraus, dass er bei dem Einkauf von Nahrungsmitteln auf Nickelfreiheit achten müsse. Für den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II sei ausreichend, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bestehe. Zudem erhalte er auch Leistungen zur Erlangung eines leidensgerechten Platzes im Arbeitsleben.
Der Antragsteller hat ein Schreiben der BG vom 8. Juli 2008 vorgelegt, wonach er "derzeit" an einer Vermittlungsmaßnahme mit dem Ziel, für ihn eine leidensgerechte Tätigkeit zu finden, teilnimmt und die im Rahmen der Maßnahme anfallenden Kosten (Fahrkosten, Verpflegungskosten sowie Bewerbungskosten) werden von der BG gegen Nachweis übernommen. Nähere Angaben zu Beginn und Dauer der Maßnahme werden in dem Schreiben nicht gemacht.
Mit einem Änderungsbescheid vom 12. August 2008 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis zum 30. Juni 2008 Leistungen in Höhe von 188,53 EUR und für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2008 in Höhe von 277,37 EUR monatlich bewilligt. Wegen Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf Blatt 86 bis 92 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 18. August 2008 Widerspruch erhoben und sich dabei auf seine schon im Antragsverfahren vor dem SG vorgetragenen Argumente gestützt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 4. Juli 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn für die Zeit vom 26. März bis zum 30. September 2008 vorläufig höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für richtig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Ziffer 1 SGG greift nicht ein, denn aus der Differenz zwischen der Summe der für den streitigen Zeitraum vom 26. März bis zum 30. September 2008 begehrten Leistungen zu den tatsächlich erbrachten Leistungen ergibt sich schon bei überschlägiger Prüfung, dass der für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR erreicht wird.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kommt allein eine Regelungsanordnung in Betracht. Die Anordnung kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (hier ein Widerspruchsverfahren) abwarten müsste und deswegen wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).
Die Beschwerde hat hier schon deshalb keinen Erfolg, weil der Antragsteller für sein Rechtsschutzbegehren insgesamt keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Soweit vom Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Erbringung höherer Leistungen auf für Zeit 26. März bis zum 1. Juni 2008 begehrt wird, handelt es sich um einen Zeitraum, der vor dem Eingang des Rechtsschutzantrags beim angerufenen Gericht (am 2. Juni 2008) liegt. Insoweit ist bei einem Begehren, das sich auf Geldleistungen für einen in der Vergangenheit liegenden Leistungszeitraum richtet, ein Anordnungsgrund in der Regel zu verneinen. Eine Verpflichtung zur Leistungserbringung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für zurückliegende Zeiträume vor Eingang des Rechtschutzantrags kommt in der Regel nur in Betracht, wenn eine vorgetragene Nichtleistung für die Vergangenheit noch andauernde Auswirkungen für Gegenwart und Zukunft begründet. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn für den Antragsteller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen rückständiger Schulden zu erwarten sind und diese Schulden kausal auf die Nichtgewährung der Leistungen zurückzuführen sind (Keller: in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 29a am Ende und 35a mit weiteren Nachweisen). Eine solche Konstellation ist hier nicht glaubhaft gemacht worden. Anhaltspunkte für deren Vorliegen sind auch nicht ersichtlich, so dass der Senat sich nicht zur weiteren Amtsermittlung in dieser Hinsicht veranlasst sieht.
Für den verbleibenden streitigen Zeitraum vom 2. Juni bis zum 30. September 2008 ergibt sich im Ergebnis nicht anderes. Über den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2008, der Gegenstand einer nicht in dieses Verfahren einbezogenen Regelung ist, ist hier nicht zu entscheiden.
Eine Regelungsanordnung kann nur ergehen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nötig erscheint eine Nachteilsabwendung nur dann, wenn sich ein bereits eingetretener Nachteil noch gegenwärtig auswirkt oder der Eintritt eines Nachteils mit abzuwendenden Auswirkungen unmittelbar bevorsteht. In diesem Sinne muss der Nachteil gegenwärtig sein. Von diesem Prüfungsansatz ausgehend wird vertreten, wenn Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts schon vergangene Zeiträume begehrte würden, müsse gesondert glaubhaft gemacht werden, dass sich dies noch aktuell in dem Sinne auswirke, dass ein auszugleichender Nachholbedarf vorhanden sei (siehe dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 20. Dezember 2007, L 10 B 1434/07 AS, zitiert nach juris). Dagegen wird indes der Einwand erhoben, der Beginn des Rechtsschutzes dürfe nicht von der Arbeitsgeschwindigkeit des Gerichts abhängen (Spellbrink in Sozialrecht aktuell, 2007, S. 1).
Vor dem Hintergrund von mit der hohen Arbeitslastung bei Gericht oftmals verbundenen Verzögerungen und einer daraus folgenden längeren Zeitdauer bis zur Entscheidung entspricht es der derzeit wohl überwiegenden Spruchpraxis, im Falle des Erfolges des Eilantrags die Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung für die Zeit ab Eingang des Eilantrags beim SG auszusprechen. Dabei wird dann entweder ausdrücklich oder ohne dies besonders zu problematisieren auf die gesonderte Glaubhaftmachung eines zum Entscheidungszeitpunkt noch aktuell vorliegenden Nachholbedarfs verzichtet (siehe die Rechtsprechungshinweise bei Keller: in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 29 a am Ende und 35a). Allerdings kann aus dieser Spruchpraxis kein ausnahmslos geltender Grundsatz abgeleitet werden. So dürfte es ohne weiteres einleuchten, dass Geldleistungen z. B. nicht auch für einen zwischen dem Eingang des Rechtsschutzantrags und dem Entscheidungszeitpunkt liegenden Teilzeitraum vorläufig zugesprochen werden können, währenddessen auf Grund des Zuflusses von Einnahmen aus einer zwischenzeitlich ausgeübten Beschäftigung keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II vorlag.
Ein Zuspruch von Leistungen ab Eingang des Rechtsschutzantrags beim SG ohne besondere Glaubhaftmachung eines Nachholebedarfs ist nach Auffassung des Senats vorrangig für die Fälle geboten, in denen ein Fall der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch andauernden Nicht- oder Minderleistung vorgetragen wird und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei Eingang des Rechtsschutzantrages und in der Zwischenzeit danach wesentlich andere Verhältnisse vorlagen als zum Entscheidungszeitpunkt. Denn die Feststellung, dass zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmte Leistungen nicht oder nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen erbracht werden, rechtfertigt in der Regel die Annahme eines gegenwärtigen Nachteils, ohne dass der Betroffene tatsächlich glaubhaft machen muss, etwa zu hungern oder zu frieren oder unmittelbar davon bedroht zu sein. Alleine der Umstand, dass nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt tatsächlich weniger geleistet wird, als nach den gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung des Lebensunterhalts zu leisten ist, rechtfertigt die Bejahung des Anordnungsgrundes. Dieses Vorgehen lässt sich nach Auffassung des Senats dann auch auf den zurückliegenden Zeitraum ab Eingang des Rechtsschutzantrags erstrecken, ohne dass der Hilfebedürftige z. b. nachweisen muss, einen Nachholbedarf wegen des unterbliebenen Ersatzes verschlissener Kleidung oder des unterbliebenen Ankaufs von Wasch- und Reinigungsmitteln zu haben. Sofern aber zum Entscheidungszeitraum Hilfebedürftigkeit und damit ein Leistungsanspruch ausscheidet, etwa weil der Hilfebedürftige eine Arbeit aufgenommen hat oder ihm Vermögen zugeflossen ist, ist er für die davor liegenden Zeiträume auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sofern er keinen konkreten Nachholebedarf glaubhaft macht. In den Fällen, in denen - wie hier - der für den Streitgegenstand maßgebliche Regelungszeitraum vor der Entscheidung des Gerichts bereits abgelaufen ist, spricht viel dafür, den Anordnungsgrund zu bejahen, sofern keine zwischenzeitliche Überwindung der Hilfebedürftigkeit bekannt ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, was konkret nicht der Fall ist.
Allerdings ist die Annahme eines aus der Nicht- oder Minderleistung resultierenden nicht hinzunehmenden gegenwärtigen Nachteils auch für die Zeiträume zwischen dem Antrag des Rechtsschutzantrags beim SG und der Entscheidung des Gerichts nur dann gerechtfertigt, wenn dem Hilfebedürftigen für diese Zeiträume nach seinem Vortrag geringere Mittel zur Verfügung gestanden haben, als sie dem Umfang nach höchstens zu Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren gewesen wären. Dabei sind in diesen Zeiträumen zufließende Einnahmen nach Abzug der sich aus dem SGB II ergebenden Freibeträge zu berücksichtigen, sofern sie nicht aufgrund einer zwingenden Zweckbindung der Disposition des Hilfebedürftigen entzogen sind.
Bei einer solchen Betrachtung ergeben sich hier keine Anhaltspunkte für eine die Annahme wesentlichern Nachteile rechtfertigende Unterdeckung. Für den Antragsteller ergibt sich – bei Auswertung der dem Leistungsantrag und der Verwaltungsakte zu entnehmenden Daten – für den Monat Juni 2008 ein Bedarf von 647,00 EUR (Regelbedarf nach § 20 Abs. 1 SGB II von monatlich 347,00 EUR und 300,00 EUR Kosten der Unterkunft). Einkommen stand dem Antragssteller im Monat Juni 2008 in einer Gesamthöhe von 458,47 EUR zur Verfügung und zwar das Einkommen aus seiner Nebenbeschäftigung in Höhe von 113,12 EUR (= 241,40 EUR abzüglich eines sich aus §§ 11 Abs. 2 Satz 1 und § 30 Satz 1 Ziffer 1 SGB II ergebenden Freibetrages von 128,28 EUR), das (in diesem Monat wegen der Nebenbeschäftigung verminderte) Arbeitslosengeld in Höhe von 128,40 EUR und die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung von 216,95 EUR. Es verbleibt ein zu deckender notwendiger Bedarf von 188,53 EUR, in dessen Höhe die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen gewährt hat. Für die Monate Juli, August und September 2008 gilt im Ergebnis nicht anderes. Hier steht dem monatlichen Bedarf von 651,00 EUR (angepasste Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II in Höhe von monatlich 351,00 EUR und 300,00 EUR Kosten der Unterkunft) jeweils Einkommen von 394,23 EUR (Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 204,90 EUR sowie die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung von monatlich 219,33 EUR bei Absetzung des allgemeinen Pauschbetrages von 30,00 EUR nach § 3 Ziffer 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) gegenüber, wobei die Antragsgegnerin nach Absetzung eines Betrages von monatlich 50,60 EUR nur 373,60 EUR als Einkommen berücksichtigt hat. Es verbleibt ein zu deckender notwendiger Bedarf von (höchstens) 277,37 EUR, in dessen Höhe die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen gewährt hat.
Hinsichtlich der vom Antragsteller geltend gemachten Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 SGB II gilt grundsätzlich, dass diese in Hinblick auf die Prüfung des Anordnungsgrunds genauso zu behandeln sind wie der Regelbedarf. Diese Leistungen sind zur Abdeckung von Sonderbedarfen erforderlich. In diesen Fällen geht der Gesetzgeber davon aus, dass dem Hilfebedürftigen in der pauschal festgesetzten Höhe zusätzliche Lebenshaltungskosten entstehen, die er auch nicht vermeiden kann. Dies rechtfertigt in der Fällen der Nicht- oder Minderleistung die Annahme, dass der Hilfebedürftige die Mehrkosten aus der Regelbedarfleistung abdecken muss, so dass dann hier eine Unterdeckung auftritt, die wiederum die Annahme eines wesentlichen Nachteils rechtfertigt. Allerdings kann dies nicht gelten, wenn sich aufgrund des konkreten Sachverhalts deutliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der vom Gesetzgeber typischerweise angenommene Mehrbedarf nicht vorlag. Dies war hier der Fall. Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des Antragstellers zu nicht abwendbaren Mehrkosten für die Verpflegung aufgrund seiner Nickelallergie nicht nachvollziehbar sind. Zwar ist nachvollziehbar, dass der Antragsteller bei der Auswahl von Lebensmitteln besonders genau vorgehen muss und ggf. auch bestimmte Verpackungsformen zu meiden hat. Er hat aber nicht plausibel begründen können, dass er dadurch gezwungen ist, auf teurere Lebensmittel auszuweichen. Seine Behauptung, bei Gemüse und Obst aus konventionellem Anbau sei mit einer starken Nickelanreicherung zu rechnen, ist insoweit nicht plausibel und im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht überprüfbar. Zudem hat es der Antragsteller trotz entsprechender Aufforderung durch das SG unterlassen, Nachweise für die Mehrkosten nachzuweisen oder auch nur zu dokumentieren. Gleiches gilt für die vom Antragsteller vorgetragenen Mehrkosten für bestimmte Pflegeprodukte, die ohnehin nicht unter den Ernährungsmehrbedarf fallen können. Hinsichtlich eines Mehrbedarfs im Zusammenhang mit der Erbringung und Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben kommt hier nur die Teilnahme des Antragstellers an der von der BG geförderten Vermittlungsmaßnahme in Betracht, wobei Angaben dazu fehlen, von wann bis wann diese Maßnahme dauerte. Hier ergibt sich aus der vorgelegten Auskunft der BG, dass möglichen Mehrkosten bereits von dieser getragen worden sind.
Nach alledem lassen sich für den im Streit stehenden Zeitraum insgesamt keine wesentlichen Nachteile erkennen, zu deren Abwendung der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten sein könnte. Hinsichtlich der hier deshalb nicht zu klärenden Fragen zum möglicherweise bestehenden Anspruch auf höhere Leistungen ist der Antragsteller deshalb auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen.
Die Kostenentscheidung erfolgt entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
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