Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 20 AS 2182/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 389/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. August 2008 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin für den Zeitraum Juli 2008 bis September 2009 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Übernahme von Kosten zur Durchführung von Qualifizierungs- und Übungsmaßnahmen am E. S. -Institut (ESI) in Höhe von 15.580,00 EUR sowie weiterer Betriebskosten in Höhe von monatlich 617,17 EUR für ihre Praxis.
Die Antragstellerin bezieht seit Januar 2005 von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Sie bewohnt eine Mietwohnung mit einer Größe von 84,4 m², wobei sie nach ihren Angaben 40 m² für ihre Shiatsu-Praxis nutzt. Bis zum 30. August 2008 bewohnte sie diese Wohnung gemeinsam mit ihrem Ehemann. Seit dem 1. September 2008 ist der Ehemann ausgezogen.
Die Antragstellerin absolvierte im Jahr 1999 einen Grundkurs zur Erlernung von Shiatsu-Behandlungen und ist seit April 2001 selbständig als Shiatsu-Behandlerin tätig. Gewinn erzielte sie bisher nicht. Wegen einer Krebserkrankung ist sie bis September 2009 als 100% schwerbehindert eingestuft.
Mit Fax vom 14. März 2006 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin eine Kopie ihres bei der Deutschen Rentenversicherung gestellten Antrags auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend dem Neunten Sozialgesetzbuch – Behindertenrecht und Rehabilitation (SGB IX). Das Antragsschreiben datiert vom 2. März 2006 und ist an diesem Tag bei der Deutschen Rentenversicherung eingegangen.
Im Rahmen eines Klageverfahrens beim Sozialgericht Halle (SG) mit dem Aktenzeichen S 26 AS 236/06 teilte die Antragstellerin in einem Schriftsatz vom 30. Januar 2008 dem Gericht Folgendes mit: "Klagegrund ist die Übernahme der Kosten für das tatsächliche häusliche Arbeitszimmer während der Qualifizierungszeit, sowie die Förderung der Qualifizierung selbst. ( ) Die Klägerin benötigt als Behinderte, Erwerbsfähige, Selbständige während ihrer noch andauernden Qualifizierung Unterstützung, indem eine Förderung erfolgt und Kosten des tatsächlichen häuslichen Arbeitszimmers und Qualifizierungskosten übernommen werden."
Die Antragstellerin hat am 2. Juni 2008 beim SG um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht und zur Begründung ausgeführt: Die Antragsgegnerin sei zur Leistung von Qualifikations- und Betriebskosten verpflichtet, da sie – die Antragstellerin – eine behinderte Selbständige sei. Da die Antragsgegnerin bis Ende 2005 die Zahlung für die gesamte Unterkunft einschließlich des Praxisteils der Wohnung erbracht habe, aber seit 2006 nicht mehr leisten wolle, habe sie sich an den Rentenversicherungsträger gewandt, um von dort Leistungen zu erhalten. Am 28. Februar 2008 seien auch bei der Bundesagentur für Arbeit Unterlagen abgegeben worden, welche Qualifizierungsmaßnahmen für den Monat Mai 2008 betroffen hätten. Die Gesamtsumme der Qualifizierungskosten und der Betriebskosten betrage pro Monat 1.730,03 EUR. Die Kosten seien deshalb so hoch, weil die Qualifizierungen nun innerhalb eines kurzen Zeitraumes geplant seien. Wenn die Antragsgegnerin eine Gesamtaufstellung der Kosten benötige, so hätte sie seit 2007 bereits die Gelegenheit gehabt, diese zu verlangen. Die Selbständigkeit sei gefährdet, da die Antragstellerin die nötigen Kosten für die Erhaltung und Weiterentwicklung des Unternehmens nicht aufbringen könne.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 12. August 2008 abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Anspruchsgrundlagen aus dem SGB IX seien von der Antragsgegnerin zwar zu prüfen, da diese den bei ihr gestellten Antrag nicht innerhalb von 14 Tagen an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet habe. Die Voraussetzungen der möglichen Anspruchsgrundlagen nach dem SGB IX seien jedoch nicht erfüllt.
Gegen den ihr am 15. September 2008 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 29. September 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Angedacht sei eine selbständige Tätigkeit von täglich drei Stunden entsprechend der bestehenden Erwerbsminderung. Bei drei Vollbehandlungen von jeweils einer Stunde könnten 100,00 EUR Einnahmen am Tag erzielt werden. Daraus ergebe sich ein monatliches Einkommen von 2.000,00 EUR, sodass nach Abzug der anteiligen Betriebskosten der Lebensunterhalt gesichert sei. Dass sie zwischenzeitlich diese Einnahmen bei einer dreistündigen Arbeitsfähigkeit nicht erzielen könne, liege daran, dass die Antragsgegnerin sie täglich drei Stunden damit beschäftige, ihr Zuarbeiten zu leisten, Termine einzuhalten, Widersprüche und verschiedene Klageverfahren zu führen. In der Zukunft könne sie jedoch drei Stunden täglich Shiatsu praktizieren, wenn die Antragsgegnerin mit ihr konstruktiv zusammenarbeite, die Klageverfahren abgeschlossen seien und die Qualifizierung beendet sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. August 2008 aufzuheben und 2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für die Monat Juli 2008 bis September 2009 15.580,00 EUR (monatlich 1.112,86 EUR) zur Durchführung von Qualifizierungs- und Übungsmaßnahmen am E. S. -Institut (ESI) sowie Betriebskosten in Höhe von monatlich 617,17 EUR zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin bezieht sich auf die erstinstanzliche Entscheidung und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts zum Az. S 26 AS 236/06 und zum Az. S 8 R 699/06 ergänzend Bezug genommen. Diese Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht begründet. Denn das SG hat mit Beschluss vom 12. August 2008 im Ergebnis zu Recht den Antrag im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
Hier fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Denn die Antragsgegnerin ist im Hinblick auf die geltend gemachten Ansprüche nicht zuständiger Leistungsträger. Die Antragstellerin begehrt mit den Qualifizierungskosten zum Abschluss "Shiatsu-Praktikerin" sowie Betriebskosten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Grundsätzlich könnte die Antragsgegnerin zwar über § 16 SGB II zuständig sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn aus der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Regelung § 14 SGB IX ergibt sich in Zusammenhang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 21. August 2008, B 13 R 33/07 R, juris), der sich der Senat anschließt, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ausschließende Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers.
Hiernach ist die Antragsgegnerin zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe nur dann zuständig, wenn sie der "erstangegangene" Rehabilitationsträger war. War aber die Rentenversicherung der "erstangegangene" Rehabilitationsträger, ist sie dafür zuständig, den etwaigen Anspruch auf die beantragte Leistung zur Teilhabe zu erbringen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags festgestellt hat, dass sie für die Leistung nicht zuständig ist, und danach nicht den Antrag unverzüglich dem nach ihrer Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zugeleitet hat, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 SGB IX (BSG a.a.O.). Dies war hier nicht der Fall. Denn "erstangegangener" Träger war die Deutsche Rentenversicherung, die ebenfalls Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX ist. Die Antragstellerin hatte bereits am 2. März 2006 bei der Rentenversicherung den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt. Dagegen lag ein Antrag bei der Antragsgegnerin frühestens mit den oben zitierten Ausführungen der Antragstellerin in dem Klageverfahren S 26 AS 236/06 (Schriftsatz vom 30. Januar 2008) vor. Die Rentenversicherung hat den Antrag der Antragstellerin nicht an die Antragsgegnerin weitergeleitet. Sie hat vielmehr über den bei ihr gestellten Antrag entschieden. Die Antragsgegnerin hat die ablehnenden Entscheidungen der Rentenversicherung mit Klage beim SG angegriffen (Az.: S 8 R 699/06). Dieses Verfahren ist weiterhin rechtshängig.
Die Rentenversicherung ist unabhängig davon zuständig, ob die Antragsgegnerin als Leistungsträger "eigentlich" zur Leistungserbringung zuständig war. Ist der "erstangegangene" Träger für eine Leistung der beantragten Art gar nicht zuständig, hat er die Leistung dem Antragsteller gegenüber nach den Vorschriften des "eigentlich" zuständigen Leistungsträger zu erbringen und gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch gegenüber dem "eigentlich" zuständigen Träger geltend zu machen (BSG a.a.O.). Ist für die Erbringung der Leistung neben dem erstangegangenen auch ein anderer Rehabilitationsträger "eigentlich" zuständig, ist der erstangegangene nach § 14 SGB IX leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Versäumt er dies, entstehen hieraus jedoch keine Nachteile für den Antragsteller. Denn die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich im Verhältnis zu diesem stets auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für behinderte Menschen vorgesehen sind. Die ("formelle") Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers ändert sich auch nicht dadurch, dass dieser das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines – und sei es bindenden – Verwaltungsakts abschließt (BSG a.a.O.).
Der Senat hält dieses Ergebnis auch vor dem Hintergrund der vom BSG angesprochenen "fehlgelaufenen Fälle" für zutreffend. Wenn das Ergebnis nicht mit der Intention des § 14 SGB IX übereinstimme, könne sich – so das BSG – die Frage stellen, ob insoweit – übergangsweise, so lange sich die Erkenntnisse über die Tragweite der Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX noch nicht durchgesetzt hätten – durch Auslegung (ggf. teleologische Reduktion) der Vorschrift geholfen werden könne; dies könnte unter Umständen bei "fehlgelaufenen" Fällen zum Ergebnis der Leistungspflicht eines nach § 14 SGB IX an sich nicht zuständigen Trägers führen (BSG a.a.O.). Sinn und Zweck der Norm ist die Zuständigkeitsklärung. Vorliegend ist gegen die Rentenversicherung bezüglich der geltend gemachten Ansprüche ein Klageverfahren beim SG anhängig. Damit ist die ablehnende Entscheidung der Rentenversicherung noch nicht bestandskräftig. Die im vorliegenden Eilverfahren begehrte Gewährung kann allenfalls eine vorläufige sein. Es ist deshalb sachgerecht und entspricht der gesetzgeberischen Intention, die Sache abschließend im Rahmen des Klageverfahrens gegen die Rentenversicherung zu klären und nicht im vorliegenden Eilverfahren gegen die Antragsgegnerin. Diese hat bisher – soweit ersichtlich – über den nicht ausdrücklich bei ihr, sondern in einem Klageverfahren (s. o.) gestellten Antrag noch gar nicht entschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Die Beschwerde ist nicht zulässig, § 177 SGG.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin für den Zeitraum Juli 2008 bis September 2009 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Übernahme von Kosten zur Durchführung von Qualifizierungs- und Übungsmaßnahmen am E. S. -Institut (ESI) in Höhe von 15.580,00 EUR sowie weiterer Betriebskosten in Höhe von monatlich 617,17 EUR für ihre Praxis.
Die Antragstellerin bezieht seit Januar 2005 von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Sie bewohnt eine Mietwohnung mit einer Größe von 84,4 m², wobei sie nach ihren Angaben 40 m² für ihre Shiatsu-Praxis nutzt. Bis zum 30. August 2008 bewohnte sie diese Wohnung gemeinsam mit ihrem Ehemann. Seit dem 1. September 2008 ist der Ehemann ausgezogen.
Die Antragstellerin absolvierte im Jahr 1999 einen Grundkurs zur Erlernung von Shiatsu-Behandlungen und ist seit April 2001 selbständig als Shiatsu-Behandlerin tätig. Gewinn erzielte sie bisher nicht. Wegen einer Krebserkrankung ist sie bis September 2009 als 100% schwerbehindert eingestuft.
Mit Fax vom 14. März 2006 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin eine Kopie ihres bei der Deutschen Rentenversicherung gestellten Antrags auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend dem Neunten Sozialgesetzbuch – Behindertenrecht und Rehabilitation (SGB IX). Das Antragsschreiben datiert vom 2. März 2006 und ist an diesem Tag bei der Deutschen Rentenversicherung eingegangen.
Im Rahmen eines Klageverfahrens beim Sozialgericht Halle (SG) mit dem Aktenzeichen S 26 AS 236/06 teilte die Antragstellerin in einem Schriftsatz vom 30. Januar 2008 dem Gericht Folgendes mit: "Klagegrund ist die Übernahme der Kosten für das tatsächliche häusliche Arbeitszimmer während der Qualifizierungszeit, sowie die Förderung der Qualifizierung selbst. ( ) Die Klägerin benötigt als Behinderte, Erwerbsfähige, Selbständige während ihrer noch andauernden Qualifizierung Unterstützung, indem eine Förderung erfolgt und Kosten des tatsächlichen häuslichen Arbeitszimmers und Qualifizierungskosten übernommen werden."
Die Antragstellerin hat am 2. Juni 2008 beim SG um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht und zur Begründung ausgeführt: Die Antragsgegnerin sei zur Leistung von Qualifikations- und Betriebskosten verpflichtet, da sie – die Antragstellerin – eine behinderte Selbständige sei. Da die Antragsgegnerin bis Ende 2005 die Zahlung für die gesamte Unterkunft einschließlich des Praxisteils der Wohnung erbracht habe, aber seit 2006 nicht mehr leisten wolle, habe sie sich an den Rentenversicherungsträger gewandt, um von dort Leistungen zu erhalten. Am 28. Februar 2008 seien auch bei der Bundesagentur für Arbeit Unterlagen abgegeben worden, welche Qualifizierungsmaßnahmen für den Monat Mai 2008 betroffen hätten. Die Gesamtsumme der Qualifizierungskosten und der Betriebskosten betrage pro Monat 1.730,03 EUR. Die Kosten seien deshalb so hoch, weil die Qualifizierungen nun innerhalb eines kurzen Zeitraumes geplant seien. Wenn die Antragsgegnerin eine Gesamtaufstellung der Kosten benötige, so hätte sie seit 2007 bereits die Gelegenheit gehabt, diese zu verlangen. Die Selbständigkeit sei gefährdet, da die Antragstellerin die nötigen Kosten für die Erhaltung und Weiterentwicklung des Unternehmens nicht aufbringen könne.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 12. August 2008 abgelehnt und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Anspruchsgrundlagen aus dem SGB IX seien von der Antragsgegnerin zwar zu prüfen, da diese den bei ihr gestellten Antrag nicht innerhalb von 14 Tagen an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet habe. Die Voraussetzungen der möglichen Anspruchsgrundlagen nach dem SGB IX seien jedoch nicht erfüllt.
Gegen den ihr am 15. September 2008 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 29. September 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Angedacht sei eine selbständige Tätigkeit von täglich drei Stunden entsprechend der bestehenden Erwerbsminderung. Bei drei Vollbehandlungen von jeweils einer Stunde könnten 100,00 EUR Einnahmen am Tag erzielt werden. Daraus ergebe sich ein monatliches Einkommen von 2.000,00 EUR, sodass nach Abzug der anteiligen Betriebskosten der Lebensunterhalt gesichert sei. Dass sie zwischenzeitlich diese Einnahmen bei einer dreistündigen Arbeitsfähigkeit nicht erzielen könne, liege daran, dass die Antragsgegnerin sie täglich drei Stunden damit beschäftige, ihr Zuarbeiten zu leisten, Termine einzuhalten, Widersprüche und verschiedene Klageverfahren zu führen. In der Zukunft könne sie jedoch drei Stunden täglich Shiatsu praktizieren, wenn die Antragsgegnerin mit ihr konstruktiv zusammenarbeite, die Klageverfahren abgeschlossen seien und die Qualifizierung beendet sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. August 2008 aufzuheben und 2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für die Monat Juli 2008 bis September 2009 15.580,00 EUR (monatlich 1.112,86 EUR) zur Durchführung von Qualifizierungs- und Übungsmaßnahmen am E. S. -Institut (ESI) sowie Betriebskosten in Höhe von monatlich 617,17 EUR zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin bezieht sich auf die erstinstanzliche Entscheidung und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts zum Az. S 26 AS 236/06 und zum Az. S 8 R 699/06 ergänzend Bezug genommen. Diese Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht begründet. Denn das SG hat mit Beschluss vom 12. August 2008 im Ergebnis zu Recht den Antrag im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
Hier fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Denn die Antragsgegnerin ist im Hinblick auf die geltend gemachten Ansprüche nicht zuständiger Leistungsträger. Die Antragstellerin begehrt mit den Qualifizierungskosten zum Abschluss "Shiatsu-Praktikerin" sowie Betriebskosten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Grundsätzlich könnte die Antragsgegnerin zwar über § 16 SGB II zuständig sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn aus der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Regelung § 14 SGB IX ergibt sich in Zusammenhang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 21. August 2008, B 13 R 33/07 R, juris), der sich der Senat anschließt, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ausschließende Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers.
Hiernach ist die Antragsgegnerin zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe nur dann zuständig, wenn sie der "erstangegangene" Rehabilitationsträger war. War aber die Rentenversicherung der "erstangegangene" Rehabilitationsträger, ist sie dafür zuständig, den etwaigen Anspruch auf die beantragte Leistung zur Teilhabe zu erbringen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags festgestellt hat, dass sie für die Leistung nicht zuständig ist, und danach nicht den Antrag unverzüglich dem nach ihrer Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zugeleitet hat, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 SGB IX (BSG a.a.O.). Dies war hier nicht der Fall. Denn "erstangegangener" Träger war die Deutsche Rentenversicherung, die ebenfalls Rehabilitationsträger im Sinne des § 14 SGB IX ist. Die Antragstellerin hatte bereits am 2. März 2006 bei der Rentenversicherung den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt. Dagegen lag ein Antrag bei der Antragsgegnerin frühestens mit den oben zitierten Ausführungen der Antragstellerin in dem Klageverfahren S 26 AS 236/06 (Schriftsatz vom 30. Januar 2008) vor. Die Rentenversicherung hat den Antrag der Antragstellerin nicht an die Antragsgegnerin weitergeleitet. Sie hat vielmehr über den bei ihr gestellten Antrag entschieden. Die Antragsgegnerin hat die ablehnenden Entscheidungen der Rentenversicherung mit Klage beim SG angegriffen (Az.: S 8 R 699/06). Dieses Verfahren ist weiterhin rechtshängig.
Die Rentenversicherung ist unabhängig davon zuständig, ob die Antragsgegnerin als Leistungsträger "eigentlich" zur Leistungserbringung zuständig war. Ist der "erstangegangene" Träger für eine Leistung der beantragten Art gar nicht zuständig, hat er die Leistung dem Antragsteller gegenüber nach den Vorschriften des "eigentlich" zuständigen Leistungsträger zu erbringen und gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch gegenüber dem "eigentlich" zuständigen Träger geltend zu machen (BSG a.a.O.). Ist für die Erbringung der Leistung neben dem erstangegangenen auch ein anderer Rehabilitationsträger "eigentlich" zuständig, ist der erstangegangene nach § 14 SGB IX leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Versäumt er dies, entstehen hieraus jedoch keine Nachteile für den Antragsteller. Denn die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich im Verhältnis zu diesem stets auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für behinderte Menschen vorgesehen sind. Die ("formelle") Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers ändert sich auch nicht dadurch, dass dieser das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines – und sei es bindenden – Verwaltungsakts abschließt (BSG a.a.O.).
Der Senat hält dieses Ergebnis auch vor dem Hintergrund der vom BSG angesprochenen "fehlgelaufenen Fälle" für zutreffend. Wenn das Ergebnis nicht mit der Intention des § 14 SGB IX übereinstimme, könne sich – so das BSG – die Frage stellen, ob insoweit – übergangsweise, so lange sich die Erkenntnisse über die Tragweite der Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX noch nicht durchgesetzt hätten – durch Auslegung (ggf. teleologische Reduktion) der Vorschrift geholfen werden könne; dies könnte unter Umständen bei "fehlgelaufenen" Fällen zum Ergebnis der Leistungspflicht eines nach § 14 SGB IX an sich nicht zuständigen Trägers führen (BSG a.a.O.). Sinn und Zweck der Norm ist die Zuständigkeitsklärung. Vorliegend ist gegen die Rentenversicherung bezüglich der geltend gemachten Ansprüche ein Klageverfahren beim SG anhängig. Damit ist die ablehnende Entscheidung der Rentenversicherung noch nicht bestandskräftig. Die im vorliegenden Eilverfahren begehrte Gewährung kann allenfalls eine vorläufige sein. Es ist deshalb sachgerecht und entspricht der gesetzgeberischen Intention, die Sache abschließend im Rahmen des Klageverfahrens gegen die Rentenversicherung zu klären und nicht im vorliegenden Eilverfahren gegen die Antragsgegnerin. Diese hat bisher – soweit ersichtlich – über den nicht ausdrücklich bei ihr, sondern in einem Klageverfahren (s. o.) gestellten Antrag noch gar nicht entschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Die Beschwerde ist nicht zulässig, § 177 SGG.
gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
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