L 13 AS 865/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 315/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 865/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Einstweiliger Rechtsschutz ist im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 86 b SGG zu gewähren. Gemäß § 86b Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 S.1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, soweit ein Fall des [§ 86b SGG] Absatz 1 nicht vorliegt, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 S.2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Als Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S.1 SGG ist der Antrag darauf gerichtet, einen bestehenden Zustand aufrechtzuerhalten, wobei wegen des Vorrangs des § 86b Abs. 1 SGG, der Eingriff in einen bestehenden Zustand nicht durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt erfolgt sein darf.

Vorliegend wandte sich der Antragsteller mit einem "Dringlichkeitsbegehren" an das Sozialgericht Reutlingen (SG), mit dem er begehrte, den Antragsgegner zur Zahlung der ihm zustehenden Beträge zu verurteilen. Gleichzeitig legte er hierzu eine Mehrfertigung des Bescheides vom 04. November 2008 vor, mit dem der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II) für den September 2008 teilweise aufgehoben hat. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers erschöpft sich hiernach nicht auf die Höhe der laufenden Leistungsgewährung, sondern erfasst auch die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für September 2008. In diesem Sinne ist das Rechtsschutzbegehren sowohl als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, als auch als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vor dem SG (Az.: S 14 AS 456/09) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2008 auszulegen.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, den Antragsgegner zu verpflichten, (laufende) Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung eines Einkommens aus dem Zufluss von 6.750,-EUR zu gewähren, zu Recht abgelehnt. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses vom 18. Februar 2009 zurück und sieht deswegen von einer Begründung seiner Entscheidung ab (§ 142 Abs. 2 S.3 SGG).

Auch das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Soweit der Antragsteller, unter Hinweis auf die Höhe der ihm mit Bescheid vom 4. November 2008 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 bewilligten Leistungen nach dem SGB II von 227,- EUR monatlich, die Dringlichkeit seines Begehrens betont, setzt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, neben einem glaubhaft zu machenden Anordnungsgrund, der Eilbedürftigkeit des begehrten Rechtsschutzes, auch einen glaubhaft zu machenden Anordnungsanspruch, d.h. einen inhaltlichen Anspruch auf die begehrte Leistung, voraus. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss 18. Februar 2009 den Erlass einer einstweiligen Anordnung (weitestgehend) deswegen abgelehnt, weil ein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II bzw. darauf, wie der Antragsteller es mit seiner Beschwerde formuliert, auf Leistungen, die zum Leben ausreichen, nicht glaubhaft gemacht ist. Weder das SG, noch der erkennende Senat verkennen die Dringlichkeit des Begehrens des Antragstellers, da ihm jedoch ein Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld II ohne die Anrechnung von Einkünften nicht zusteht, ist der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wegen des Fehlens eines Anordnungsanspruchs abzulehnen. Eine diesbezüglich abweichende Beurteilung scheidet auch nach einer eigenen umfassenden Folgenabwägung des Senats, in die auch die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend eingestellt sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05) aus. Hierbei wird der erkennende Senat maßgeblich davon geleitet, dass der vollständige Verbrauch des zugeflossenen Betrages von 6.750,- EUR, der Grund der Anrechnung von Einkünften i.H.v. 5.350,- EUR ist, nicht belegt ist und auch die angeführten Darlehensrückzahlungen an nahe Verwandte bzw. Bekannte des Antragsstellers geflossen sind, so dass für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller tatsächlich nur den von ihm mehrfach angeführten Betrag von 227,-EUR zur Verfügung hat. Angesichts des hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Prüfungsrahmens erscheinen die angeblich mündlich abgeschlossenen Darlehensverträge nicht glaubhaft. Die nachträglich erstellten diesbezüglichen "Bestätigungen" enthalten keine nachvollziehbaren Umstände hinsichtlich der vereinbarten Tilgungsleistungen und der Tilgungszeitpunkte. Unabhängig von der Frage, ob die angeblichen Darlehenstilgungen - wie vom SG angenommen- ohnehin unbeachtlich sind (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 30. September 2008, Az.: B 4 AS 29/07 R), ist daher eine einkommensmindernde Wirkung nicht anzunehmen. Ferner fließt in die Abwägung ein, dass, wie vom SG bereits in dem angefochtenen Beschluss berücksichtigt, der Antragsgegner im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2009 dem Begehren des Antragstellers teilweise entsprochen hat und Einkommen nicht mehr, wie zunächst im Bescheid vom 04. November 2008 entschieden, im Umfang von 532,50 EUR monatlich, sondern ab September 2008 nur in Höhe von 445,83 EUR monatlich auf die laufende Leistungsbewilligung anrechnet wird und sich der Leistungsbetrag daher um die Differenz von 86,67 EUR erhöht hat. Auch vermag der Senat keine zwingenden Gründe dafür zu erkennen, warum der Antragsteller nach dem Erhalt des Betrages von 6.750,-EUR am 04. September 2008, während des laufenden Arbeitslosengeld II- Bezuges, unmittelbar Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber nahen Verwandten und Freunden erfüllt, anstatt die Summe zur (zeitweise) eigenverantwortlichen Lebenshaltung zu verwenden, wozu er als Bezieher einer steuerfinanzierten Sozialleistungen gehalten gewesen wäre. Soweit der Antragsteller zur Untermauerung der Dringlichkeit seines Begehrens auf die angeblich drohende Obdachlosigkeit hinweist und Zweifel hieran als "weltfremd" bezeichnet, vermag dies gleichfalls die Folgenabwägung nicht zu Gunsten des Antragstellers zu verschieben. Die bloße Befürchtung des Antragstellers, wegen der Kündigung des Mietvertrages obdachlos zu werden, ohne dass diese durch objektive Tatsachen, wie bspw. eine Kündigung oder die substantiierte Darlegung bestehender Mietrückstände, gestützt ist, rechtfertigt dies für den Senat nicht. Dies gilt insb. deswegen, als die vom Antragsgegner vorgelegte Akte eine Mehrfertigung eines Kontoauszuges des Antragstellers vom 23. September 2008 beinhaltet, in dem unter Wertstellung am 5. September 2008 eine Überweisung i.H.v. 535,00 EUR aufgeführt ist, die mit dem Buchungstext "Miete B.str. 8 Sept." versehen ist. Hieraus folgt, dass der Antragsteller die bestehenden Mietzinsverpflichtungen jedenfalls bis September 2008 bedient hat und eine Kündigung des Mietverhältnisses und ein Räumung der Wohnung jedenfalls nicht unmittelbar bevor steht. Soweit der Antragsteller ferner eine Verzögerungstaktik bzw. eine Verschleppung von Entscheidungen durch den Antragsgegner zur Begründung seiner Beschwerde anführt, vermag der Senat einen sachlichen Bezug zur begehrten Leistung nicht zu erkennen.

Soweit sich der Antragsteller mit seinem "Dringlichkeitsantrag" auch gegen die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für den September 2008 wendet, ist dieses Begehren, wie oben ausgeführt, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2008 auszulegen. Die Beschwerde ist diesbezüglich ebenfalls nicht begründet; die aufschiebende Wirkung der Klage vor dem SG (Az.: S 14 AS 456/09) ist nicht anzuordnen. Grundlage dieser Entscheidung bildet eine Interessenabwägung, bei der das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug und das private Aufschubinteresse gegeneinander abzuwägen sind (vgl. hierzu Binder in Sozialgerichtsgesetz -Handkommentar-, 2. Auflage, 2005, § 86b, Rn. 13). Hierbei sind auch die Erfolgsaussichten des (Hauptsache-)Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben, die Schwere der Belastung und das Maß späterer Abänderbarkeit zu berücksichtigen (BVerfGE 37,150 [153]; 46, 166 [178f]), sind hierbei i.S. einer dynamischen Betrachtung die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs umso so geringer, ja schwerer die Behördenentscheidung wirkt (vgl. Binder, a.a.O., § 86b, Rn. 16). Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht zu überspannen, wenn keine schwerwiegende Betroffenheit gegeben ist. Die Interessenabwägung des Senats führt dazu, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der einstweiligen ungekürzten Leistungsgewährung für den September 2008 überwiegt. Der Senat berücksichtigt hierbei maßgeblich die fehlenden Erfolgsaussichten des beim SG anhängigen Klageverfahrens. Nach der gebotenen summarischen Überprüfung (vgl. u.a. Binder, a.a.O., § 86b, Rn. 40 m.w.N.) wird der Antragsteller mit seinem Begehren, Leistungen nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen aus dem Zufluss von 6.750,-EUR zu erhalten, nicht durchdringen. Der Senat verweist hierzu auf die obigen Ausführungen zur Einkommensanrechnung und die dortige Bezugnahme auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss des SG vom 18. Februar 2009. Für den insofern streitbefangenen Leistungszeitraum, den September 2008, ist eine abweichende Beurteilung der Einkommensanrechnung weder dem Grunde, noch der Höhe nach, bedingt.

Das SG hat den Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes daher im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 18. Februar 2009 ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet in einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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