L 4 KR 1766/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 1563/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1766/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, sie sei vom 01. April 1975 bis 30. November 1993 bei dem Beigeladenen zu 3), ihrem Ehemann, nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

Die am 1953 geborene Klägerin ist gelernte Stenokontoristin und war bis 31. März 1975 in diesem Berufsfeld beschäftigt. Zum 01. April 1975 (anfangs mehrmals irrtümlich mit "01. Januar" bezeichnet) trat sie in die Dienste der von ihrem Ehemann (Eheschließung 1974), dem Beigeladenen zu 3), betriebenen Bäckerei mit Lebensmittelverkauf, bis 31. Dezember 2000 als Einzelunternehmen, seit dem 01. Januar 2001 als GmbH (notarieller Gesellschaftsvertrag vom 15. Dezember 2000). Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist der Beigeladene zu 3). Die GmbH hat 23 Filialen mit ca. 125 Mitarbeitern. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Bäckerei- und Konditoreierzeugnissen sowie der Handel mit Lebensmitteln aller Art, insbesondere im Filialbetrieb mit integriertem Ausschank (Stehcafés). Ein Arbeitsvertrag wurde für die Zeit bis zum Abschluss eines Dienstvertrags vom 28. Dezember 1984 nicht vorgelegt. Unter dem 28. Dezember 1984 wurde ein "Dienstvertrag" geschlossen. Nach dessen § 1 war die Klägerin "kaufmännische Leiterin der Firma" und hatte die Befugnis einer Prokuristin; ihr oblagen insbesondere der Ein- und Verkauf, die Überwachung des gesamten Rechnungswesens, die Lohnbuchhaltung sowie die Belieferungen und Abrechnungen mit den Filialen. Das Dienstverhältnis wurde "zunächst bis zum 31. Dezember 1986 verlängert und fest abgeschlossen" und verlängerte sich dann bei einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jeweils um ein weiteres Jahr (§ 2). Die Bezüge (§ 3) bestanden aus einem festen Monatsgehalt ab 01. Januar 1985 von DM 3.800,00, das sich ab 01. März 1985 auf DM 4.100,00 erhöhte, einer Weihnachtsgratifikation in angemessener Höhe "nach den betriebsintern festgelegten Beträgen für leitende Angestellte" sowie einem "Urlaubsgeld entsprechend der betrieblichen Regelungen". Reisekosten wurden ersetzt (§ 4), der - abgeltungsfähige - Urlaub betrug vier Wochen pro Jahr (§ 5) und Vertragsänderungen waren nur schriftlich gültig (§ 6). Hinzu kam (Tantiemenvereinbarung vom 04. Januar 1985) eine Jahrestantieme von 1 % vom Umsatz unter der Voraussetzung, dass ein Mindestgewinn von DM 100.000,00 erzielt werde; die Tantieme sei steuer- und versicherungspflichtig. Insoweit erfolgte (neue Vereinbarung vom 12. Januar 1993) eine Erhöhung des vorausgesetzten Mindestgewinns auf DM 150.000.00 und eine Festlegung der Jahrestantieme auf 5 % des Jahresgewinns vor Steuern. Die Klägerin war Mitglied der Beklagten vom 01. Oktober 1972 bis 30. November 1993, danach der Innungskrankenkasse Baden-Württemberg (IKK). Zwischenzeitlich besteht eine private Kranken- und Pflegeversicherung.

Ab 01. April 1975 wurde der Beklagten als Einzugsstelle eine zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung gemeldet. Das Bruttoentgelt belief sich von April bis Oktober 1975 auf DM 5.440,00, für 1976 DM 9.146,00, 1977 DM 9.900,00 und für Januar bis September 1978 DM 8.708,00. Vom 01. Oktober 1978 bis 17. Januar 1979 war die Beitragsentrichtung nach der Geburt des zweiten Sohnes (am 22. November 1978) unterbrochen. In den folgenden Jahren wurde als versicherungspflichtiges Entgelt gemeldet: Vom 18. Januar bis 31. Dezember 1979 DM 18.955,00, 1980 DM 25.124,00, 1981 DM 28.624,00, 1982 DM 33.324,00, 1983 DM 35.724,00, 1984 DM 43.474,00, 1985 DM 49.374,00, 1986 DM 67.200,00, 1987 DM 64.656,00, 1988 DM 70.452,00, 1989 DM 68.610,00, 1990 DM 62.495,00, 1991 DM 68.855,00, 1992 DM 73.264,00, schließlich vom 01. Januar bis 30. November 1993 DM 70.302,00. Zum letzten Zeitpunkt wechselte die Klägerin in die Mitgliedschaft bei der IKK. Zu dieser wurden auch in den folgenden Jahren folgende Entgelte als beitragspflichtig gemeldet: vom 01. Dezember bis 31. Dezember 1993 DM 5.952,00, 1994 DM 91.152,100, 1995 DM 93.600,100, 1996 DM 95.702,00, 1997 DM 97.902,100, 1998 DM 100.602,100, 1999 DM 102.000,00, 2000 DM 103.200,00, 2001 DM 104.400,00, 2002 EUR 54.000,00, 2003 EUR 60.932,00, 2004 EUR 61.686,71 und vom 01 Januar bis 31. August 2005 EUR 38.842,68.

Unter dem 02. November 2004 beantragte die Klägerin bei der IKK, die Sozialversicherungspflicht für die Zeit ab 01. Januar 1975 zu prüfen. Sie legte dar, die alleinige kaufmännische Leitung und Verwaltung des Unternehmens innezuhaben, die Buchhaltung zu machen, Gespräche mit Banken und dem Steuerberater zu führen, sämtliche Bankgeschäfte zu erledigen, die Filialen und auch Einkauf und Verkauf zu leiten sowie die alleinige Kompetenz für die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern zu haben. In den ihr zugewiesenen Bereichen treffe sie alle unternehmerischen Entscheidungen. Auch habe sie Darlehensverbindlichkeiten für den Betrieb übernommen, um über so genannte Liquiditätsengpässe hinweg zu helfen. Im beigefügten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 15. Juni 2005 wurde laut den dortigen Angaben die Mitarbeit als kaufmännische Leiterin "variabel" bzw. "nach Belieben" betreffend Ort und Zeit bei durchschnittlicher wöchentlicher Arbeitszeit von 60 Stunden an sechs Arbeitstagen ausgeübt. Das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt betrage brutto EUR 4.831,00 zuzüglich Tantiemen. Die Tätigkeit werde auf Grund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt. Es obliege die gesamte kaufmännische Verwaltung, "alles außer Backen". Die Klägerin sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert und eine solche müsste an ihrer Stelle nicht eingestellt werden. Bei Weisungsfreiheit und selbstständiger Gestaltung der Tätigkeit bringe die Klägerin bei familienhaft gleichberechtigtem Nebeneinander ihre besonderen Fachkenntnisse ein. Der Urlaubsanspruch betrage 20 Arbeitstage. Eine Kündigungsfrist von einem Jahr sei vereinbart. Arbeitsentgelt werde bei Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Wochen fortgezahlt. Das Arbeitsentgelt entspreche aus Gründen familiärer Rücksichtnahme nicht dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Lohn und werde auf ein privates Bankkonto, für das sie verfügungsberechtigt sei, überwiesen. Vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet. Das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabe gebucht. Weitere Arbeitsverhältnisse bestünden nicht. Eine weitere selbstständige Tätigkeit übe sie nicht aus. Zudem sei ein Darlehen in Höhe von EUR 50.000,00 gewährt worden. Der Beigeladene zu 3) bestätigte die Angaben in einer "Erklärung" vom 20. September 2004 mit der Ergänzung, nach finanzieller Lage habe die Klägerin oft die Gehaltsforderungen wochenlang gestundet; die dem Betrieb gegebenen Darlehen hätten jeweils zwischen DM 20.000,00 und DM 30.000,00 gelegen. Die Klägerin trage "Verantwortung und Risiko eines Mitinhabers". Weitere kurzfristige zinslose Kredite seien nicht festgehalten worden (Ergänzung vom 13. Juni 2005). Mit Bescheid vom 17. August 2005 teilte die IKK der Klägerin mit, ihr (der Klägerin) Beschäftigungsverhältnis mit der Einzelfirma unterliege ab 01. Dezember 1993 sowie ihr Beschäftigungsverhältnis mit der GmbH unterliege ab 01. Januar 2001 nicht mehr der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht. Aufgrund des Bescheids vom 17. August 2005 erstattete die Beigeladene zu 2) durch Bescheide vom 29. November 2005 die ab 01. Dezember 1993 entrichteten Beiträge in Höhe von EUR 8.873,57.

Am 16. September 2005 reichte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag ein, die Versicherungspflicht der Beschäftigung/Tätigkeit für die zurückliegende Zeit seit 1975 zu prüfen. Sie verwies auf den Bescheid der IKK. Auf Anfrage der Beklagten vertrat die Beigeladene zu 1) die Auffassung, die Klägerin stehe in einem Beschäftigungsverhältnis zur GmbH und zuvor zur Einzelfirma (Schreiben vom 27. Dezember 2005). Durch Bescheid vom 16. Januar 2006 stellte die Beklagte für die Zeit von 1975 bis 30. November 1993 fest, die Klägerin sei in ihrer Tätigkeit in der Bäckerei des Beigeladenen zu 3) weiterhin dem Personenkreis der abhängig Beschäftigten zuzuordnen. Insbesondere sei der Arbeitsleistung für ein Familienunternehmen angemessenes Arbeitsentgelt gegenübergestanden, das - wenn auch bei abgeschwächtem Weisungsrecht - für eine gewollte und gelebte abhängige Beschäftigung gezahlt und auch durchgängig als versicherungspflichtig behandelt worden sei. Dass eine abhängige Beschäftigung gewollt und gelebt worden sei, ergebe sich auch aus dem Dienstvertrag vom 28. Dezember 1984. Das Arbeitsentgelt habe zuletzt deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung gelegen. Das für eine selbstständige Tätigkeit notwendige Unternehmerrisiko habe allein bei dem Beigeladenen zu 3) gelegen. Die bislang nicht nachgewiesene zeitweise Gewährung von Darlehen spreche nicht gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses. Nach Bekanntgabe des Bescheids an die Beigeladene zu 1) teilte diese der IKK mit (Schreiben vom 24. Januar 2006), dass ihre (der IKK) Beurteilung im Bescheid vom 17. August 2005 aus den von der Beklagten dargelegten Gründen als verfehlt erachtet werde, und forderte die IKK auf, ihren Bescheid zurückzunehmen ... Die IKK hob mit Bescheid vom 31. Mai 2006 ihren Bescheid vom 17. August 2005 hinsichtlich der Beschäftigung in der Einzelfirma bis 31. Dezember 2000 auf, verblieb jedoch für die Zeit der Tätigkeit bei der GmbH ab 01. Januar 2001 bei ihrer versicherungsrechtlichen Beurteilung. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte hat ihrer Behauptung nach wegen der Zeit ab 01. Januar 2001 Klage gegen die IKK beim Sozialgericht Berlin erhoben.

Mit dem Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, in den ersten Jahren sei keinesfalls ein der Arbeitsleistung angemessenes Entgelt gezahlt worden. Dennoch habe sie die gesamte kaufmännische Leitung ausgeübt. Die Gehaltsstundungen und Darlehenshingaben hätten es ermöglicht, das Familienunternehmen gewinnbringend expandieren zu lassen. Auch die Tantiemenvereinbarung spreche für eine Mitunternehmerstellung. Die Anmeldung im Jahr 1975 sei letztlich aus Unkenntnis erfolgt. Sie habe eigenständig und alleinverantwortlich wichtige und weit reichende unternehmerische Entscheidungen getroffen, die maßgeblich den Aufbau und Fortbestand des Unternehmens sicherten.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12. April 2006. Zur Begründung wurde dargelegt, der Widerspruch sei unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Wegen bereits eingetretener Verjährung habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine Beitragserstattung. Im Übrigen sei der Widerspruch auch unbegründet, da die Klägerin im Zeitraum vom 01. April 1975 bis 30. November 1993 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Beschäftigung sei durchgängig seit 01. April 1975 sozialversicherungspflichtig gemeldet gewesen. Die Klägerin sei nicht Mitunternehmerin gewesen. Die gewährten Darlehen und Stundungen könnten zu keiner anderen Bewertung führen. Die verspätete Entgeltzahlung sei gerade in kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben auch gegenüber familienfremden Mitarbeitern häufiger anzutreffen und mache diese Mitarbeiter dadurch nicht zu Mitunternehmern. Ebenso wenig verändere die Tantieme den Charakter der Beschäftigung, weil sich nur ein vergleichsweise geringes Verlustrisiko für die Klägerin ergeben habe. Eine familienhafte Mithilfe scheide aus. Der Dienstvertrag vom 28. Dezember 1984 verdeutliche, dass typische arbeitsrechtliche Regelungen gewollt gewesen seien. Auf weitgehende Weisungsfreiheit komme es nach alledem nicht an.

Mit der am 15. Mai 2006 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage wies die Klägerin zunächst darauf hin, das expandierte Familienunternehmen, das seit 01. Januar 2001 in eine GmbH umfirmiert worden sei, unterhalte inzwischen 23 Filialen mit 125 Mitarbeitern. Sie habe die alleinige kaufmännische Leitung und Verwaltung des Unternehmens inne. Die gesamten Bereiche Buchführung, Ein- und Verkauf sowie Verhandlungen mit Banken und Steuerberatern seien alleinverantwortlich und weisungsfrei geführt worden. Sie habe die alleinige Kompetenz für Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern gehabt. Alle unternehmerischen Entscheidungen ihres Fachbereiches seien ausschließlich von ihr getroffen worden und müssten von ihr verantwortet werden. Sie unterliege keinerlei Weisungen, auch nicht abgeschwächter Form. Niemand anderer habe das notwendige hohe Fachwissen besessen. Die Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten sei nicht mit dem Einstehen von fremden Arbeitskräften für ihren Betrieb oder ihre Arbeitgeber vergleichbar. Das Arbeitsverhältnis sei mehr durch ein gleichberechtigtes Interesse und familiäre Rücksichtnahme als durch einen typischen Interessengegensatz eines Arbeitnehmer-/Arbeitgeberverhältnisses geprägt. Angesichts der umfangreichen Tätigkeit von 60 Stunden wöchentlich und der stetig zunehmenden erheblichen Verantwortung sei ein Stundenlohn von etwa EUR 20,00 nicht angemessen. Die alleinige Inhaberschaft des Beigeladenen zu 3) führe nicht dazu, dass ihr jegliches Unternehmensrisiko fehle. Durch die Tantiemenvereinbarungen sei sie unmittelbar am Unternehmenserfolg beteiligt. Die Versicherungsträger, auch die Beklagte, hätten, z.B. bei Betriebsprüfungen, nicht auf die fehlende Sozialversicherungspflicht hingewiesen. Bekanntlich werde häufig erst im Fall der Arbeitslosmeldung erkannt, dass eine Tätigkeit entweder als Arbeitnehmer oder als Mitunternehmer oder als familienhafte Mithilfe ausgeübt werde. Auf die langjährige Abführung von Versicherungsbeiträgen dürfe es deshalb nicht ankommen. Im Übrigen habe die IKK diese Auffassung bestätigt. Auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse wegen etwaiger Verjährung von Erstattungsforderungen dürfe es nicht ankommen. Auf Verjährung der Beitragserstattungsansprüche berufe sich in der Regel nur die Beigeladene zu 2), nicht aber die Beigeladene zu 1).

Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezweifelte deren Zulässigkeit, nachdem die Beitragsansprüche verjährt seien. Im Übrigen sei bei der inhaltlichen Beurteilung zu verbleiben.

Das SG lud durch Beschluss vom 12. Juli 2006 die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beigeladene zu 1) und die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 2) zum Verfahren bei. Die Beigeladene zu 1) äußerte sich dahingehend, sie halte die Klage für unbegründet. Hingegen werde das Rechtsschutzbedürfnis wegen Verjährung der Erstattungsforderungen nicht bezweifelt. Es bestehe sehr wohl ein Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragszahlung für zurückliegende Zeiträume. Die Beigeladene zu 2) verwies auf ihre bestandskräftigen Bescheide vom 29. November 2005.

Durch Urteil vom 02. März 2007 wies das SG die Klage ab. Die Feststellungsklage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, nachdem Erstattungsansprüche in vier Jahren verjährten. Es sei unerheblich, dass die Beigeladenen zu 1) und zu 2) die Einrede der Verjährung bisher nicht ausdrücklich erhoben hätten. Bei der Ermessensausübung dürfe die Einrede der Verjährung regelmäßig nur in Fällen der besonderen Härte unterbleiben, insbesondere wenn die Beitragsentrichtung auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln beruhe. Dies sei nicht der Fall. Aufgrund der Meldungen der Klägerin zur Sozialversicherung habe davon ausgegangen werden können, dass sie tatsächlich auch versicherungspflichtig beschäftigt sei. Für die abhängige Beschäftigung spreche bereits, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt am Unternehmen des Ehemannes beteiligt gewesen sei. Nicht einmal bei der Gründung der GmbH sei sie als Minderheitsgesellschafterin beteiligt worden. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 1984 enthalte typische arbeitsrechtliche Regelungen. Allein die innerhalb der Familie gewährten Darlehen zwischen DM 20.000,00 und DM 30.000,00 reichten nicht aus, um damit bereits den Status eines Selbstständigen zu begründen.

Gegen das am 06. März 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05. April 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie weist darauf hin, die Versicherungsträger seien nicht verpflichtet, den Einwand der Verjährung zu erheben. Es handle sich um eine Einrede. Immerhin könne der Verzicht auf die Verjährung wegen unbilliger Härte in Betracht kommen, wenn bei mehreren Betriebsprüfungen keine Beanstandungen erhoben worden seien. Aufgrund zum 01. Januar 2008 erfolgter Änderung des § 26 Abs. 1 Satz 3 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) könne sich die Beigeladene zu 1) künftig auf die vierjährige Verjährungsfrist berufen, nicht aber bei einem davor liegenden Zeitraum. In der Sache werde auf die bereits mehrmals vorgetragenen Merkmale Bezug genommen. Es habe sich offenkundig um eine weisungsfreie Tätigkeit in voller Verantwortung für das Unternehmen gehandelt.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 3) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02. März 2007 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2006 festzustellen, dass die Klägerin vom 01. April 1975 bis 30. November 1993 gegenüber dem Beigeladenen zu 3) nicht versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die ablehnenden Entscheidungen weiterhin für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre bisherigen Stellungnahmen.

Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.

Der durch Beschluss vom 10. November 2008 beigeladene Ehemann der Klägerin - Beigeladener zu 3) - ergänzt, mehrmals seien Arbeitsverträge mit Bediensteten der Bäckerei von der Klägerin unterzeichnet worden. Diese hafte gemäß Grundbuchauszug für eine am 25. Oktober 1988 eingetragene Grundschuld von EUR 1,827.868,48 mit. Bereits 1977 habe sie gesamtschuldnerisch die Haftung für eine Grundschuldbestellung über DM 60.000,00 übernommen.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten sowie der von der Beklagten sowie den Beigeladenen zu 1) und zu 2) vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 02. März 2007 die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen und zutreffend dargelegt, dass der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2006 rechtmäßig ist. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit im Unternehmen des Beigeladenen zu 3) vom 01. April 1975 bis 30. November 1993 als gesamtsozialversicherungspflichtig Beschäftigte ausgeübt. Soweit das SG die ablehnende Entscheidung auch auf ein wegen Zeitablaufs fehlendes Feststellungsinteresse gestützt hat, werden die diesbezüglichen Bedenken vom Senat nicht geteilt, jedenfalls solange - wie hier - die Durchsetzbarkeit von Erstattungsansprüchen nicht ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des Senats vom 27. Januar 2006 - L 4 KR 702/03 ).

Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war im streitigen Zeitraums vom 01. April 1975 bis 30. November 1993 die Beklagte, weil sie in diesem Zeitraum die Krankenversicherung durchführte. Da sie auf die entsprechende Anfrage der Klägerin ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht einleitete, scheidet das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV aus, für das die Beigeladene zu 1) zuständig ist. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall noch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Nach dieser Bestimmung hat die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Nach § 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe d SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 30. März 2005 durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818), müssen die Meldungen enthalten für jeden Versicherten insbesondere bei der Anmeldung die Angabe, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte oder Lebenspartner, seit 01. Januar 2008 auch als Abkömmling (erweitert durch Art. 15 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I, S. 3024) besteht. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Ehegatten damit erst bei Anmeldungen durchzuführen, die ab dem 01. Januar 2008 bei den Einzugsstellen erfolgen. Die Anmeldung der Klägerin erfolgte vor dem 01. Januar 2005, nämlich mit Beginn der jetzigen Tätigkeit bei der Klägerin zum 01. April 1975.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB V], bis 31. Dezember 1988 § 165 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs ([SGB VI], bis zum 31. Dezember 1991 §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III (bis 31. Dezember 1997 § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 Rdnr. 17).

Hierbei hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG, Urteile vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - und vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 -, jeweils in juris veröffentlicht). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann z.B. bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z.B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39f.; 17, 1, 7f.; 74, 275, 278f.; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, veröffentlicht in juris). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund bestimmen sich die für die hier streitigen Fragen erheblichen Beziehungen für die Zeit vom 01. April 1975 bis 30. November 1993 vorrangig nach dem aufgrund des unter dem 28. Dezember 1984 geschlossenen Dienstvertrags praktizierten Regelwerk. Weshalb gerade zu diesem Zeitpunkt der Vertrag niedergelegt worden ist, kann letztlich offenbleiben. Die Umwandlung einer zuvor als selbstständig betrachteten Tätigkeit in eine nicht- selbstständige wird als Motiv oder Anlass nicht genannt; es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb ein bisher als selbstständig betrachtetes Dienstverhältnis in ein nichtselbstständiges umgewandelt werden sollte. Dass die Beteiligten bereits zuvor das Dienstverhältnis nicht anders praktiziert haben, wird dadurch verdeutlicht, dass nach § 1 des Vertrags die Klägerin die Befugnis einer Prokuristin "hat" und kaufmännische Leiterin der Firma "ist", nicht etwa "wird". Gemäß § 2 des Vertrags wurde das Dienstverhältnis im nunmehr formulierten Umfang "zunächst bis zum 31. Dezember 1986 verlängert und fest abgeschlossen". Schon das Vertragsverhältnis aufgrund dieses Dienstvertrags erlaubt eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung, weil dieser Dienstvertrag typische Regelungen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis enthält. Geregelt wurden (vgl. § 3) festes Monatsgehalt, Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld. Es bestand (§ 5) Anspruch auf vier Wochen Urlaub pro Jahr, der sogar in Geld abzugelten war.

Es fehlt an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die entsprechenden Willenserklärungen rechtlich nicht ernst gemeint (§ 118 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) oder unter den rechtlichen Voraussetzungen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) abgegeben worden wären. Es mag sein, dass der Anstellungsvertrag aus steuerrechtlichen Gründen geschlossen worden ist. Dies erfordert es aber nicht, ihn bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung außer Betracht zu lassen. Denn es unterliegt nicht der Disposition der Klägerin, die Wirkungen eines wirksamen Vertrages nach Maßgabe seiner Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (vgl. hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 Rdnr. 20; Urteil des Senats vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 -, veröffentlicht in juris). Umgekehrt gilt vielmehr, dass dann, wenn eine vertragliche Gestaltung durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben ist, davon auszugehen ist, dass die tatsächlichen Verhältnisse hiervon nicht rechtserheblich abweichen und deshalb bei Beurteilung der Versicherungspflicht diese vertragliche Gestaltung auch rechtlich maßgebend ist (BSG, a.a.O.). Aus diesem Grund vermag auch eine Behauptung, der Vertrag sei nicht gelebt worden, nicht durchzugreifen.

Die Klägerin übte in der Bäckerei des Beigeladenen zu 3) typische Aufgaben einer (leitenden) Angestellten im kaufmännischen Bereich aus. Im Feststellungsbogen vom 15. Juni 2005 wurde dargelegt, der Klägerin obliege die gesamte kaufmännische Verwaltung, "alles außer Backen", also die handwerkliche Betätigung. Anfall und Durchführung der Aufgaben im Einzelnen waren sachzwänglich abhängig von der unternehmerischen Betätigung des Beigeladenen zu 3) als Inhaber des Unternehmens. Diesbezüglich ist ein qualitativ über den Arbeitseinsatz einer leitenden Angestellten hinausgehendes Engagement nicht deutlich, mag auch eine fremde Mitarbeiterin im Streitfall zeitlich überobligatorischen Einsatz abzuwehren suchen.

Die Tätigkeit der Klägerin wurde im streitigen Zeitraum vom 01. April 1975 bis 30. November 1993 auch wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach außen abgewickelt. Die Klägerin hat durchgängig ein einvernehmlich vereinbartes monatliches Bruttoentgelt bezogen (vgl. nochmals die eingangs aus dem Versicherungsverlauf der Rentenversicherung bzw. aus dem Erstattungsantrag zitierten Jahresentgelte). Das Bruttoentgelt hat sich entsprechend dem Erfolg des Unternehmens und auch der allgemeinen Lohnentwicklung kontinuierlich gesteigert, ohne dass Versicherungspflicht bestritten oder in Frage gestellt wurde. Das monatliche Bruttoentgelt stellt auch den Gegenwert für die Arbeit dar, die die Klägerin im Unternehmen des Beigeladenen zu 3) verrichtete; wenn es vor Abschluss des Dienstvertrags vom 28. Dezember 1984 zunächst niedriger gelegen haben mag (im Jahr 1980 DM 25.124,00), mag dies seine Erklärung im ausdrücklich vorgebrachten damals geringeren Umfang des Geschäfts finden. Das Entgelt wurde als Betriebsausgabe verbucht, Lohnsteuer und Gesamtsozialversicherungsbeiträge wurden abgeführt. Die Verbuchung des gezahlten Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer ist jedoch ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (vgl. schon BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO). Die Entgeltform hat mithin keine deutlichen Züge unternehmerischen Risikos getragen. Soweit bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine Stundung des Entgelts zugestanden worden sein mag, hat es sich um eine vorübergehende Rücksichtnahme ohne dauerhaften Verzicht auf wesentliche Entgeltbestandteile gehandelt.

Mithin war schon im Ansatz nicht beabsichtigt, die Klägerin über das von ihr bezogene Entgelt wesentlich an Gewinn oder Verlust des Unternehmens zu beteiligen. Die Klägerin sollte letztlich kein Unternehmerrisiko tragen. Dies wird insbesondere dadurch bekräftigt, dass die Klägerin in die im Jahre 2001 errichtete GmbH nicht als Mitgesellschafterin eingetreten ist. Maßgebend für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also wesentlich ungewiss ist (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - Rdnr. 26). Wenn aber in finanzieller Hinsicht eine formale Beteiligung fehlt, würde die Annahme eines Unternehmerrisikos jedenfalls voraussetzen, dass eine für eine abhängige Beschäftigung unübliche Vereinbarung oder tatsächliche Handhabung der Gestalt und Zahlung der Vergütung bestünde, die den Schluss zuließe, dass bei entsprechend schlechter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens die Vergütungsforderung in der bisherigen Höhe nicht durchgesetzt werden könne. Dies ist bei einer über Jahre gleich bleibenden und vom Ertrag des Unternehmens unabhängigen Vergütung nicht der Fall. Dass der längerfristige Erfolg des Unternehmens von den Fähigkeiten und dem Engagement der Klägerin abhing, unterscheidet ihre Position qualitativ wiederum nicht wesentlich von derjenigen leitender Angestellter, die sich unter dem Anreiz einer möglichen Steigerung auch der eigenen Bezüge für das Fortkommen des Unternehmens einsetzen.

Gegenüber diesen fixen Entgeltbedingungen vermag für die Klägerin ein tatsächlich beherrschender Anteil an den unternehmerischen Entscheidungen nicht durchschlagend ins Feld geführt zu werden. Zwar mag das Gedeihen des Unternehmens tatsächlich wesentlich auf dem Arbeitseinsatz der Klägerin beruht haben. All dies hat sich aber im Rahmen der alleinigen Unternehmerschaft des Beigeladenen zu 3) vollzogen. Wenn dieser aufgrund der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Klägerin Einwirkungen weitgehend unterlassen hat, beseitigt die nicht ausgeübte Rechtsmacht und damit eröffnete Dispositionsfreiheit nicht die rechtlich bestehende "persönliche Abhängigkeit" (vgl. hierzu etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4).

Ein sozialversicherungsrechtlich entscheidendes Unternehmerrisiko ergibt sich auch nicht aus der Darlehensgewährung - die die Klägerin nicht nachgewiesen hat- und der Beteiligung an Grundschulden. Diese haben zwar eine mögliche Haftung mit dem Privatvermögen begründet, jedoch keine förmliche und materielle Beteiligung am Unternehmen herbeigeführt. Das Risiko mit dem privaten Vermögen tritt im Hinblick auf die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Anhaltspunkte in den Hintergrund. Die Gewährung von Darlehen - und damit das Haftungsrisiko - unter Eheleuten ist nicht mit der Gewährung eines Darlehens durch einen fremden Arbeitnehmer, der nicht Angehöriger des Unternehmensinhabers ist, zu vergleichen. Denn die Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitiges Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens (vgl. Urteil des Senats vom 15. August 2008 - L 4 KR 4577/06 -, veröffentlicht in juris). Insoweit stehen deshalb die abtrennbaren familiären Interessen im Vordergrund, nicht jedoch eine Beteiligung am Unternehmenserfolg. Es fehlt an jeglichem Nachweis der rechtsverbindlich gewollten Bildung einer Mitunternehmerschaft. Ein Gesellschaftsvertrag wurde nicht geschlossen; sogar bei dessen erstmaliger Begründung unter dem 15. Dezember 2000 war eine Beteiligung der Klägerin nicht vorgesehen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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