L 5 R 5343/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2586/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5343/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8.10.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Änderung seines Geburtsdatums bzw. seiner Versicherungsnummer.

Der Kläger, türkischer Staatsangehöriger, hatte bei Eintritt in die Deutsche Rentenversicherung am 1.9.1982 (Verwaltungsakte S. 22) als Geburtsdatum den 25.2.1965 angegeben. Am 12.10.2005 beantragte er bei der Beklagten, den 25.2.1959 als Geburtsdatum anzuerkennen. Sein Vater habe ihn seinerzeit aus Nachlässigkeit erst im Jahr 1965 (bei den türkischen Behörden) angemeldet. Da für die verspätete Anmeldung Neugeborener hohe Geldstrafen verhängt worden seien, habe er wahrheitswidrig als Geburtsdatum den 25.2.1965 angegeben. Seine, des Klägers, Tochter A. sei am 13.10.1980 geboren; das belege zusätzlich, dass das ursprünglich angegebene Geburtsdatum nicht stimmen könne.

Der Kläger legte Dokumente vor, (u.a.) einen Beschluss des Amtsgerichts L. (Türkei) über die "Alterskorrektur des I. T." (Verwaltungsakte S. 2 ff.). Im Einzelnen lautet die Übersetzung des Beschlusses:

Klagedatum: 21.7.1993 Urteilsdatum: 13.8.1993 Urteilsspruch: Klage angenommen

Feststellung: Der Kläger beantragt die Berichtigung seines Geburtsdatums vom 25.2.1965 auf den 25.2.1959. Zur Begründung führt er an, dass er versehentlich zusammen mit seiner jüngeren Schwester M. T. als deren Zwillingsbruder mit dem 25.2.1965 als gemeinsames Geburtsdatum ins Standesregister eingetragen worden sei. Zum Beweis für die Irrigkeit dieses Geburtsdatums legt er seine Volksschulabgangszeugnis vor, aus dem hervorgeht, dass er 1966 in die Schule eingetreten sei. Ferner erklärt seine Schwester M., dass der Kläger ihr um 6 - 7 Jahre älterer Bruder sei und keinesfalls mit ihr gleichaltrig sei. Ein medizinischer Untersuchungsbericht des Staatskrankenhauses S. belegt, dass der Kläger gegenwärtig ca. 35 Jahre alt sein müsse. Die Staatsanwaltschaft beantragt daher auf Grund der vorgelegten Beweise die Änderung des Geburtsdatums des Klägers im Sinne der Klage.

Beschluss:

1) Die Klage wird angenommen. 2) Das Geburtsdatum des Klägers I. T., Sohn des S. und der F., eingetragen mit dem Geburtsjahr 1965 in Bestandesregister Provinz S., Kreis L., Dorf Ku., Band 046/01, Seite 6 Nummer 6, ist unter Beibehaltung der Angaben für Monat und Tag auf das Geburtsjahr 1959 zu berichtigen. 3) Das Urteil wird zwecks Überprüfung versandt. 4) Gebühr in Höhe von 19.000,- Lira entrichtet. Das Urteil wurde unter Hinweis auf die Möglichkeit der Berufungsklage in Anwesenheit des Staatsanwalts amtlich verkündet. 13.8.1993 ( Unterschrift und Siegel des Richters)

Das Urteil wurde nach Ausbleiben einer Berufungsklage mit dem 31.8.1993 rechtskräftig und den Parteien entsprechend bekannt gegeben 3.9.1993 (Unterschrift und Siegel des Richters)

Außerdem legte der Kläger (in Kopie) eine Einschulungsbestätigung zum 28.9.1966 vor. Das Dokument trägt das Datum des 21.7.1993.

Mit Bescheid vom 28.11.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Änderung des Geburtsdatums und Änderung der Versicherungsnummer ab. Zur Begründung führte sie aus, gem. § 33a Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sei für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich das Geburtsdatum maßgeblich, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger bzw. einem Arbeitgeber ergebe. Bei Eintritt in die Deutsche Rentenversicherung habe der Kläger den 25.2.1965 als Geburtsdatum angegeben. Davon dürfe gemäß § 33a Abs. 2 SGB I nur dann abgewichen werden, wenn durch die Deutsche Rentenversicherung festgestellt werde, dass ein Schreibfehler vorliege, oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor Eintritt in die Deutsche Rentenversicherung ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Der Beschluss des türkischen Gerichts vom 13.8.1993 erfülle die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 SGB I nicht. Für den deutschen Rentenversicherungsträger sei weiterhin der 25.2.1965 als Geburtsdatum des Klägers maßgeblich.

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.5.2006 zurück. Ergänzend führte sie aus, auch nach dem türkischen Sozialversicherungsrecht (Art. 120 Gesetz 506) werde eine Änderung des Geburtsdatums nach dem Eintritt in die Versicherung nicht mehr anerkannt. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger mit einem am 5.5.2006 zur Post gegebenen Brief übersandt.

Am 6.6.2006 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Er trug vor, bei seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland habe er das Geburtsdatum 25.2.1965 angegeben. Damit sei er auch bei allen deutschen Stellen geführt worden; die Beklagte habe ihm eine entsprechende Versicherungsnummer zugeteilt. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 2.12.1997, SozR 3-7670 § 66 Nr. 1) müsse das vorgelegte Urteil des türkischen Amtsgerichts berücksichtigt werden, sofern dessen Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt werde (BSGE 88, 89; BSG, Urt. v. 31.1.2002, - B 13 RJ 9/01 R -). Deshalb komme es nicht darauf an, dass dieses Urteil vor dem nach § 33a Abs. 1 SGB I maßgeblichen Zeitpunkt ergangen sei. Außerdem habe er zusätzlich seine Einschulungsurkunde vom 28.9.1966 vorgelegt.

Der Kläger legte weitere Unterlagen vor und machte ergänzend geltend, aus einem Abgangsbuch der Grundschule Su. mit dem Stempel des 11.8.1972 (SG-Akte S. 36) gingen seine Schulnoten nach sechsjährigem Grundschulbesuch hervor. Die Geburtsdaten der anderen Schüler aus den Jahren 1959 und 1960 belegten, das das für ihn angegebene Geburtsdatum 25.2.1965 nicht richtig sei. Das Abgangsbuch stamme aus der Zeit vor Eintritt in die Deutsche Rentenversicherung Außerdem wurde eine Erklärung der Schule vom 15.6.2006 vorgelegt (SG-Akte S. 23 - Übersetzung Bl. 47 LSG-Akte).

Die Beklagte trug vor, aus der vorgelegten Schulbescheinigung ergebe sich nicht eindeutig, wann der Kläger geboren sei. Ihr könne man nur entnehmen, dass (auch) dort das Geburtsdatum 25.2.1965 verwendet werde und der Kläger im Hinblick auf die Lichtbilder und die Angabe der besuchten Jahrgangsstufe bei Ausstellung der Bescheinigung nicht ein Jahr alt gewesen sein könne. Aus der Schulbescheinigung ergebe sich positiv aber kein anderes Geburtsdatum als der 25.2.1965. Die besuchte Jahrgangsstufe lasse keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Kläger, wie er behaupte, tatsächlich im Jahre 1959 geboren sei. Dies sei auch nicht zwingend durch Rückrechnung ausgehend vom Einschulungsalter zu bestimmen, da dieses ebenfalls nicht nachgewiesen sei. Der Schulbescheinigung lasse sich nur entnehmen, dass zweifelhaft sei, ob der Kläger am 25.2.1965 geboren sei. Ein bestimmtes Alter sei jedoch nicht festzustellen. Damit sei der erforderliche Urkundenbeweis gem. § 33a SGB I nicht erbracht. Zudem sei die Schulbescheinigung in sich widersprüchlich, da sie zum einen das Geburtsdatum 25.2.1965 angebe und zum anderen eine Einschulung im Alter von einem Jahr bestätigt werde. Damit sei die Beweiskraft dieser Urkunde nachhaltig erschüttert. Als Beweismittel im Rahmen des § 33a Abs. 1 SGB I tauge sie nicht.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 5.4.2001, - B 13 RJ 35/00 R -) sei das der ersten Angabe entsprechende Geburtsdatum nicht automatisch durch das Geburtsdatum, das die ältere Urkunde enthalte, zu ersetzen. Nach Maßgabe des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I lägen nicht selten mehrere Urkunden mit unterschiedlichen Geburtsdaten vor, weil auch die erste Angabe gemäß § 33a Abs. 1 SGB I regelmäßig unter Bezugnahme auf eine Urkunde erfolge. Auch und gerade im Hinblick auf den weiten Urkundenbegriff dürfte im Rahmen des § 33a Abs. 2 Satz 2 SGB I nach den allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden sein, ob statt des zuerst angegebenen Geburtsdatums nunmehr das sich aus einer älteren Urkunde ergebende Geburtsdatum zu-grundezulegen sei. Dabei werde der Art der Urkunde besondere Bedeutung zukommen. Das gem. § 33a Abs. 1 SGB I auf Grund der ersten Angaben maßgebende Geburtsdatum sei lediglich durch ein anderes Geburtsdatum zu ersetzen, das sich aus einer älteren Urkunde ergebe, wenn die ältere Urkunde ihrem Charakter nach (besser als die Regel des § 33a Abs. 1 SGB I) geeignet sei, die Richtigkeit des darin angegebenen Geburtsdatums zu belegen. Damit sei zu beachten, dass auch die vorgelegte Schulbescheinigung als Geburtsdatum den 25.2.1965 festlege. Der sich aus der Bescheinigung ergebende Altersunterschied zu den Mitschülern sei seinerzeit offenbar unerheblich gewesen. Andernfalls hätte man das Geburtsdatum bereits damals geändert. Im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit der Angaben in dem Schulregisterauszug könne nicht angenommen werden, dass dieser Auszug besser als die Regel des § 33a Abs. 1 SGB I dazu geeignet sei, die Richtigkeit der Angaben des Klägers zum Geburtsdatum zu belegen. Dieser habe bei der erstmaligen Beschäftigungsaufnahme selbst angegeben, am 25.2.1965 geboren zu sein. Daran müsse er sich nunmehr festhalten lassen, zumal er selbst am besten wissen müsse, wie alt er sei. Die einzige Möglichkeit, von dem Geburtsdatum, das bei Eintritt in die Versicherung angegeben werde, abzuweichen sei in § 33a Abs. 2 SGB I gesetzlich festgelegt. Eine der dort normierten Ausnahmen liege aber nicht vor.

Der Kläger trug abschließend vor, im Hinblick auf die vorgelegte Schulbescheinigung habe sich zumindest die Beweislast umgekehrt, weshalb die Beklagte angesichts des vorliegenden Urteils eines türkischen Gerichts nunmehr beweisen müsse, dass das von ihr behauptete Geburtsdatum richtig sei. Im Übrigen habe man seinerzeit der fehlerhaften Eintragung in der Schulbescheinigung keine Bedeutung beigemessen. Bei Einreise nach Deutschland habe man mangels Sprachkenntnissen das richtige Geburtsdatum nicht angegeben, vielmehr auf die Eintragung im Personalausweis verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 8.10.2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, mit dem Urteil des türkischen Amtsgerichts L. vom 13.8.1993 bzw. dem türkischen Reisepass des Klägers seien die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 SGB I nicht zu erfüllen, da es sich dabei nicht um Dokumente handele, die vor Eintritt in die Deutsche Rentenversicherung ausgestellt worden seien. Deshalb bleibe es bei der Maßgeblichkeit des ursprünglich angegebenen Geburtsdatums 25.2.1965. Ein medizinisches Gutachten zum Alter des Klägers sei nicht zu erheben.

Auf den ihm am 12.10.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12.11.2007 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend vor, das Sozialgericht habe die Wechselbeziehung zwischen der vorgelegten Schulbescheinigung und dem Urteil des türkischen Amtsgerichts fehlerhaft gewürdigt und zu Unrecht auf die gesetzliche Regelung in § 33a Abs. 1 SGB I abgestellt. Der Schulbescheinigung könne zumindest entnommen werden, dass das (aus ihr hervorgehende) Geburtsdatum 25.2.1965 unzutreffend sein müsse. Die besuchte Jahrgangsstufe lasse darauf schließen, dass er im Jahr 1959 geboren sei. Üblicherweise werde in der Türkei mit dem sechsten Lebensjahr eingeschult. Im Zusammenhang mit dem Urteil des Amtsgerichts L. sei die Richtigkeit des von ihm nunmehr angegebenen Geburtsdatums erwiesen. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH müssten deutsche Behörden die Urkunden eines anderen Staates beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage zu stellen sei. Solche Anhaltspunkte gebe es im Hinblick auf das Urteil des Amtsgerichts L. nicht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8.10.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.5.2006 zu verurteilen, den 25.2.1959 als sein Geburtsdatum anzuerkennen und seine Versicherungsnummer entsprechend zu ändern.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger abschließend mitgeteilt, soweit er sich (u.a.) auf eine "Einschulungsurkunde vom 28.9.1966" berufe, handele es sich um das dem Änderungsantrag seinerzeit beigefügte, am 21.7.1993 auf seinen Antrag ausgestellte Schriftstück. In dieser Urkunde sei sein Geburtsdatum mit 25.2.1965 und das Einschulungsdatum mit 28.9.1966 angegeben (Übersetzung Senatsakte S. 34). Das bei Einreise nach Deutschland benannte Geburtsdatum könne daher nicht richtig sein. Man möge ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, als Geburtsdatum des Klägers den 25.2.1959 anzuerkennen. Er hat darauf keinen Anspruch.

I.

Die beim Sozialgericht erhobene Klage war zulässig. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte durch Verwaltungsakt (§ 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) über das maßgebliche Geburtsdatum des Klägers entschieden und mit den angefochtenen Bescheiden die Feststellung eines anderen als des bei Eintritt in die Deutsche Rentnersicherung angegebenen Geburtsdatums (25.2.1965) abgelehnt hat, ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) anzusehen. Sie richtet sich auf die Neuvergabe einer Versicherungsnummer (§§ 147, 152 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI i. V. m. Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung – VKVV – v. 30.3.2001, BGBl. I S. 475) für die Zukunft (dazu BSG, Urt. v. 5.4.2001, - B 13 RJ 35/00 R – sowie Urt. v. 9.4.2003, - B 5 RJ 32/002 R -). Hierfür ist gem. § 33a Abs. 1 und 2 SGB I gem. § 33a Abs. 3 SGB I entsprechend anzuwenden. In Betracht käme im Übrigen auch eine Feststellungsklage (§ 55 SGG – zu deren Zulässigkeit BSG, Urt. v. 28.4.2004, - B 5 RJ 33/03 R -).

II.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Festlegung des maßgeblichen Geburtsdatums eines Versicherten bzw. der Geburtsdaten, die Bestandteil der Versicherungsnummer sind (§ 33a Abs. 3 SGB I), ist § 33a Abs. 1 SGB I (i. V. m. § 37 SGB I). Danach ist für den Fall, dass Rechte oder Pflichten von der Erreichung oder Überschreitung einer bestimmten Altersgrenze abhängen, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger (bzw. in hier nicht einschlägigen Fallgestaltungen gegenüber einem Arbeitgeber) ergibt. Von einem nach § 33a Abs. 1 SGB I maßgebenden Geburtsdatum darf gem. § 33a Abs. 2 SGB I nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass (1.) eine Schreibfehler vorliegt, oder (2.) sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs. 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt.

Mit der Regelung des § 33a Abs. 1 SGB I hat der Gesetzgeber die Anknüpfung an das "wahre" Geburtsdatum aufgegeben und – zur Vermeidung einer dafür besonders verwaltungsintensiven Prüfung und um missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/8994, S. 67 zu Art. 1a) – das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert (BSG, Urt. v. 28.4.2004, - B 5 RJ 33/03 R -). Die Nutzlosigkeit von Manipulationsversuchen dient außerdem der Streitvermeidung und der Befriedung (Weselski, jurisPK-SGB I § 33a Rdnr. 13). Damit ist das maßgebende Geburtsdatum strikt und formalistisch festgelegt. Eine Abweichung ist nur unter den in § 33a Abs. 2 SGB I normierten Abweichungsgründen zulässig (vgl. auch BSG, Urt. v. 19.5.2004, - B 13 RJ 26/03 R -; LSG Hessen, Urt. v. 31.1.2006, - L 2 R 225/05 -). Unbeschadet dessen, dass auf Wissenserklärungen der vorliegenden Art die Vorschriften des BGB über Willenserklärungen entsprechend gelten, kommt eine Irrtumsanfechtung der Erstangabe gem. § 119 BGB nicht in Betracht. Die Abweichungsvorschrift in § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I trifft für Irrtumsfälle nämlich eine abschließende Sonderregelung, die die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen über die Irrtumsanfechtung ausschließt. Die Beklagte ist auch nicht im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz (§ 20 SGB X) zur Klärung des "wahren" Geburtsdatums" und daran anknüpfend zur Berichtigung der Erstangabe i. S. d. § 33a Abs. 1 SGB I verpflichtet. Das käme nur in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstangabe in Betracht, da § 33a SGB I andernfalls Bindungswirkung nur einseitig für den Versicherten entfalten würde, was weder mit dessen Wortlaut noch mit Sinn und Zweck der Vorschrift zu vereinbaren wäre (vgl. auch Weselski, jurisPK-SGB I § 33a Rdnr. 26 ff., 36).

Der (hier im Vordergrund stehende) Abweichungsgrund des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I enthält eine Beschränkung auf bestimmte Urkunden nicht. Notwendig ist auch nicht, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt ist. Es "ergibt" sich aus der Urkunde auch dann, wenn die durch Urkundenbeweis bewiesenen Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum i. S. d. § 33a Abs. 2 SGB I schließen lassen (dazu näher: BSG, Urt. v. 28.4.2004, - B 5 RJ 33/03 R – zu einem Schülerregister). Lässt sich mit einer Urkunde gem. § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nachweisen, dass der Versicherte bereits an einem bestimmten Tag gelebt haben muss, ist jedenfalls dieser Tag als Geburtstag anzunehmen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 33a SGB I bestehen nicht (dazu eingehend: BSG, Urt. v. 5.4.2001, - B 13 RJ 21/33 und 35/00 R -; Urt. v. 31.1.2002, - B 13 RJ 9/01 R -; Urt. v. 19.5.2004, - B 13 RJ 26/03 R – m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 19.3.2007, - 1 BvR 2426/04 –). Auch der Vorrang des über- und zwischenstaatlichen Rechts (§ 30 Abs. 2 SGB I) steht der Anwendung der genannten Vorschriften nicht entgegen (auch dazu BSG, Urt. v. 19.5.2004, - B 13 RJ 26/03 R – m. w. N.). Das gilt auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach nationale Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte eines Mitgliedstaates der Europäischen Union in Verfahren über sozialrechtliche Leistungsansprüche von Wanderarbeitnehmern aus der Union verpflichtet sind, von zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten ausgestellte Urkunden oder ähnliche Schriftstücke über den Personenstand zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist (vgl. EuGH, Urt. v. 1.12.1997, SozR 3-7670 § 66 Nr. 1). Daraus folgt nur, dass Urkunden anderer Mitgliedstaaten keine geringere Beweiskraft beigemessen werden darf als deutschen Urkunden. § 33a SGB I trägt dem freilich Rechnung. Die Vorschrift behandelt alle Urkunden gleich, unterscheidet namentlich nicht nach der Art der Urkunde oder nach deren Ausstellungsstaat. Für den Abweichungsgrund des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I ist vielmehr der Ausstellungszeitpunkt maßgeblich. Dagegen bestehen aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts keine Bedenken (so ausdrücklich EuGH, Urt. vom 14.3.2000, - C-102/98, C 211/98 -, zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden Gesetzesvorschriften mit dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei; vgl. dazu auch Weselski, jurisPK-SGB I § 33a Rdnr. 11 f.).

Hier ist bei Eintritt in die Deutsche Rentenversicherung (unstreitig) als Geburtsdatum des Klägers der 25.2.1965 angegeben worden. Dabei handelt es sich um die erste Angabe gegenüber einem Sozialleistungsträger i. S. d. § 33a Abs. 1 SGB I, so dass dieses Geburtsdatum maßgebend ist. Davon kann nicht abgewichen werden. Ein Abweichungsgrund des § 33a Abs. 2 SGB I ist nicht gegeben. Ein Schreibfehler (§ 33a Abs. 2 Nr. 1 SGB I) liegt nicht vor. Ein anderes Geburtsdatum des Klägers ergibt sich auch nicht aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Erstangabe des Geburtsdatums – 1.9.1982 - nach § 33 a Abs.1 SGB I ausgestellt worden ist (§ 33 a Abs. 2 Nr. 2 SGB I).

Das vom Kläger angeführte Urteil des (türkischen) Amtsgerichts L. stammt vom 13.8.1993 und ist deswegen nicht von Belang. Gleiches gilt für die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegte Einschulungsurkunde. Dieses Schriftstück ist auf Antrag des Klägers am 21.7.1993 ausgestellt worden.

Damit könnte der Abweichungstatbestand des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nur mit dem Abgangsbuch der Grundschule Su. begründet werden. Dieses trägt einen Stempelaufdruck mit dem Datum des 11.8.1972. Das Original dieser Urkunde ist damit vor der Erstangabe des Geburtsdatums ausgestellt worden. Aus ihr ergibt sich jedoch ein anderes Geburtsdatum als der 25.2.1965 nicht. Vielmehr ist dieser Tag auch in der genannten Urkunde als Geburtsdatum des Klägers bezeichnet. Eine Rückrechnung auf einen bestimmten Tag vor dem 25.2.1965, an dem der Kläger bereits gelebt haben muss, ist mit Hilfe des Abgangsbuchs nicht möglich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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