Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 17 R 363/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 102/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bewilligung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ohne Abschläge
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. Januar 2006 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 in der Fassung des Bescheides vom 12. Mai 2005 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, bei der Berechung der Al-tersrente des Klägers den Zugangsfaktor 1,0 zugrunde zu legen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für bei-de Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger Anspruch auf Bewilligung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ohne Abschläge hat.
Der am geborene Kläger – von Beruf Walzwerker – war vom 1. September 1958 bis zum 30. Juni 1991 bei der Eisen- und Hüttenwerke (EHW) T. AG beschäftigt. Das Kündigungsschreiben vom 19. März 1991 lautete u.a. wie folgt: " aufgrund der Ihnen bereits bekannten Entscheidung zur Einstellung der Produktion im Bereich des Block- und Blechwalzwerkes sehen wir uns gezwungen, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis hiermit ordentlich und fristgerecht zum 30.06.1991 zu kündigen. Bei Wirksamwerden der Kündigung haben Sie Anspruch auf Leistungen aus dem Sozialplan, mit denen ein Ausgleich der Ihnen wegen der bestehenden Arbeitsmarktsituation möglicherweise entstehenden sozialen Härten angestrebt wird". Ferner enthielt die Kündigung folgenden Passus: " Weitere Sozialplanleistungen werden zwischen dem Betriebsrat und dem Vorstand vereinbart. Diese Vereinbarung kann zur Zeit nur unter dem Vorbehalt erfolgen, dass die von der Unternehmensleitung vorgesehenen zusätzlichen Finanzierungsmittel seitens der Treuhandanstalt im Rahmen der Eröffnungsbilanz bestätigt werden. Der Vorbehalt gilt auch für Sozialplan-leistungen, die aus dem EGKS-Fonds der Europäischen Gemeinschaft finanziert werden". Vom 1. Juli bis 7. Dezember 1991 war der Kläger arbeitslos und bezog zunächst Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Er erhielt ferner nach seinem Ausscheiden von der EHW T. AG eine einmalige betriebliche Beihilfe in Höhe von 5000 DM sowie einen Zuschuss von Juli bis November 1991 in Höhe von monat-lich 300 DM und für Dezember 1991 in Höhe von 68 DM.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. März 2005. In der Anlage 6 des Rentenbescheides ist der Zugangsfaktor mit 1,0, vermindert um 0,003 für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme, d.h. für 44 Kalendermonate um 0,132 und damit mit 0,868, festge-stellt worden.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, es gelte für ihn die Vertrauensschutzregelung für aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschiedene Beschäftigte. Er legte eine Bescheinigung des Leiters der Personalwirtschaft der EHW T. AG, des Zeugen D. , vom 6. August 1998 vor, wonach er - der Kläger - vom 1. September 1958 bis 30. Juni 1991 in der EHW T. AG beschäftigt gewesen sei. Die EHW T. AG sei ein Betrieb, der von einer Maßnahme im Sinne des Artikel 56 § 2 Buchst. b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemein-schaft für Kohle und Stahl (EGKS-V) betroffen gewesen sei. Die Maßnahme für diesen Betrieb sei am 31. Mai 1991 genehmigt worden.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die Agentur für Arbeit Halberstadt im März 2005 mit, entsprechend der Ermächtigung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) sei die Ursprungsliste durch das betroffene Montanunionsvertrags-Unternehmen (MUV-Unternehmen) erstellt worden. Auch die Aufnahme der betroffe-nen Arbeitnehmer und die Vergabe der Referenznummern seien durch das MUV-Unternehmen erfolgt. Da der Kläger auf keiner Ursprungsliste geführt worden sei, habe er nicht den Status eines Betroffenen einer Maßnahme im Sinne des Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer der Eisen- und Stahlindustrie.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zum Nachweis, dass der Kläger aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 EGKS-V aus dem Betrieb ausgeschieden sei, sei der ausgestellte Beschäftigungsnachweis nicht ausreichend. Darin werde darin lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger einem Betrieb angehört habe, für den eine entsprechende Maßnahme bewilligt worden sei. Deshalb sei in diesen Fällen zusätzlich zu prüfen, inwieweit Versicherte in den so genannten Ursprungslisten beim Arbeitsamt mit einer persönlichen Referenznummer aufgeführt seien. Sei dies nicht der Fall, sei davon auszugehen, dass der Versicherte aus anderen Gründen aus dem Betrieb ausgeschieden sei. Vertrauensschutz sei dann nicht gegeben. Da der Kläger nicht beim Arbeitsamt unter einer Referenznummer registriert worden sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er Betroffener der EGKS-V-Maßnahme gewesen sei. Nur die Versicherten, die aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V aus dem Betrieb ausgeschieden seien, würden von der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicher- ung - (SGB VI) erfasst.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 stellte die Beklagte die Rente des Klägers ab 1. März 2005 neu fest.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 hat der Kläger beim Sozialge-richt Magdeburg am 17. Mai 2005 Klage erhoben und daran festgehalten, in einem ehemaligen Betrieb der Montanindustrie beschäftigt gewesen zu sein und Vertrauens-schutz gemäß § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in Anspruch nehmen zu können.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2006 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI seien beim Kläger nicht gegeben. Sein Ausscheiden aus der EHW Thale AG zum 30. Juni 1991 beruhe nicht auf einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V, jedenfalls sei dies nicht mit der hinreichenden Sicherheit zu beweisen. Aus dem Beschäftigungsnachweis vom 6. August 1998 ergebe sich nicht zwanglos die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V. Gegen eine solche Sicht spreche auch die Tatsache, dass die Kündigung vom 19. März 1991 datiere, wo hingegen die Maßnahme erst am 31. Mai 1991 bewilligt worden sei. Ansonsten wäre die Kündigung nach dem Zeitpunkt der Bewilligung am 31. Mai 1991 erklärt worden. Die in der Kündigung erfolgte Inbezugnahme der anteiligen Finanzierung von Sozialplanleistun-gen aus EGKS-Mitteln stelle lediglich einen deklaratorischen Hinweis dar, dem sich eine Abhängigkeit des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis von einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V nicht entnehme lasse. Eine Auflösung des Arbeitsvertrages sollte aus betriebsbedingten Gründen jedenfalls zum 30. Juni 1991 erfolgen, auch wenn die Maßnahme nicht am 31. Mai 1991 bewilligt worden wäre. Dies hätte auf die Kündigung keinerlei rechtserheblichen Einfluss gehabt. Wäre vom Gesetzgeber derartiges tatsächlich gewollt gewesen, hätte er anstatt der Formulierung "aufgrund einer Maßnahme" unschwer die Bezeichnung "im Zusammenhang mit einer Maßnahme" verwenden können. Da dies jedoch unterblieben sei, verbiete sich eine Auslegung des Gesetzes entgegen seinem klaren Wortlaut. Gegen die Kausalität spreche schließlich auch der Umstand, dass der Kläger nicht in den von seinem ehemaligen Arbeitgeber erstellten Ursprungslisten als ein von der Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V betroffener Arbeitnehmer mit einer entsprechenden Referenznummer geführt worden sei.
Gegen den ihm am 19. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 9. Februar 2006 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er erfülle die Voraussetzungen des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Auf die Tatsachen, dass er in den Ursprungslisten nicht geführt werde und über keine Referenznummer verfüge, dürfe es nicht ankommen. Er hat eine formularmäßige Bescheinigung der EHW T. AG vom 28. Mai 1991 vorgelegt, wonach er anlässlich seines Aus-scheidens aus dem Betrieb Anspruch auf betriebliche Beihilfen, nicht aber auf EGKS-Beihilfen gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. Januar 2006 auf-zuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 in der Fassung des Beschei-des vom 12. Mai 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei der Be-rechnung seiner Altersrente den Zugangsfaktor 1,0 zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.
Der Senat hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 25. Juni 2008 eingeholt. Danach betraf der Antrag der EHW T. AG auf Beihilfen nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V die Stilllegung des Walzwerks des Unternehmens. Von der Maßnahme seien 1.734 Arbeitnehmer betroffen gewesen. Der genehmigte Höchstbetrag habe 25,8 Mio. DM betragen. Der Antrag sei am 31. Mai 1991 genehmigt worden. Beginn der Maßnahme sei der 30. Juni 1990 gewesen.
Schließlich hat der Senat den ehemaligen Leiter der Personalwirtschaft der EHW T. AG, Wilhelm D. , als Zeugen vernommen. Anfang Juni 1991 sei vom damaligen BMA zeitgleich in einem so genannten Schnellbrief über die Zugehörigkeit der EHW T. AG zur Montanindustrie und über die Genehmigung von Beihilfen nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V entschieden worden. In Erwartung der Genehmigung seien für die Arbeitnehmer, die zum Metall erzeugenden Betrieb gehörten, Nummern vergeben und geplant worden, in welcher Höhe Leistungen an die zu entlassenden Arbeitnehmer fließen sollten. Nachdem die Beihilfen bewilligt worden waren, seien diese Mittel auf die entlassenen Arbeitnehmer verteilt worden. Arbeitnehmer, denen ein Arbeitsplatz in dem neu gegründeten Industriepark habe vermitteln werden können, hätten keine Gelder aus den Beihilfen erhalten. Mit ihnen sei ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden. Diese Arbeitnehmer hätten auch keine der Nummern mehr erhalten, die als so genannte Referenznummer in die spätere Ursprungsliste aufgenommen worden sei. Da der Kläger im Walzwerk gearbeitet habe, hätte er einen Anspruch auf Aufnahme in die Ursprungsliste gehabt. Ihm seien weitere Fälle bekannt, in denen die Vorgehens-weise bei der Vergabe der Referenznummern nicht korrekt erfolgt sei. Da Beihilfen für alle Arbeitnehmer in ähnlich hoher Summe gezahlt worden seien, sei den Referenz-nummern erst mit der Einführung der Vertrauensschutzregelung ins SGB VI Bedeutung zugekommen. Denjenigen Arbeitnehmern, die unter die erste Kündigungswelle fielen, sei unter Berücksichtigung der im Einzelfall zu beachtenden Kündigungsfrist schon vor dem 30. Juni 1991 gekündigt worden. Auf die dann ab dem 1. Juli 1991 erstellten Ursprungslisten hätten Arbeitnehmer auch noch später aufgenommen werden können. Arbeitnehmer, denen personenbedingt gekündigt worden sei, hätten keine Referenz-nummer und insbesondere keine Abfindung erhalten; ein solcher Fall sei ihm aber nicht bekannt geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwal-tungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl das sozialgerichtliche Verfahren an einem erheblichen Mangel litt. Das Sozialgericht hätte nicht durch Gerichtsbescheid des Kammervorsitzenden entscheiden dürfen; dies ist nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur erlaubt, wenn die Sache u.a. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Zum einen führt der tatsächlich schwer zu ermittelnde Ablauf von der geplanten Stilllegung des Walzwerks über die Beantragung und Genehmigung der Beihilfen bis zur Erstellung der so genannten Ursprungslisten zur Annahme der besonderen tatsächlichen Schwierigkeit der Sache. Zum anderen weist die Auslegung und Anwendung einer Rechtsvorschrift, deren Wortlaut nicht ohne weiteres umgesetzt werden kann und zu der es keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, auf besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art hin.
Das Sozialgericht hat damit verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorgelegen haben. Dadurch hat es dem Kläger seinen gesetzlichen Richter im Sinne des Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich die Kammer in voller Besetzung (vgl. auch Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –, NZS 2007, S. 51). Dieser Mangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
Trotz dieses wesentlichen Verfahrensmangels konnte der Senat jedoch in der Sache selbst entscheiden, weil er gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zwar befugt, aber nicht zwingend verpflichtet war, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.). Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteilig-ten an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits gegeneinander abgewogen. Angesichts der schon längeren Verfahrensdauer hält der Senat hier eine Zurückverweisung nicht für sachgerecht.
2. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Vielmehr hat der Kläger Anspruch auf Altersrente unter Zugrundelegung eines (ungekürzten) Zugangsfaktors von 1,0. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)); sie waren entsprechend zu ändern.
Bei dem Kläger findet nach § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI die bei seinem Rentenbeginn, d.h. am 1. März 2005, geltende Fassung des § 237 SGB VI mit der zum 1. Januar 2005 geltenden Änderung durch Art. 1 Nr. 59 des Gesetzes zur Reform der gesetzli-chen Rentenversicherung vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) Anwendung.
Nach Absatz 1 dieser Vorschrift haben Anspruch auf Altersrente Versicherte, wenn sie (1.) vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, (2.) das 60. Lebensjahr vollendet haben, (3.) u. a. bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren, (4.) in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicher-te Beschäftigung oder Tätigkeit sowie (5.) die Wartzeit von 15 Jahren erfüllt haben. Die vorgenannten Voraussetzungen liegen beim Kläger unstreitig vor.
Der Zugangsfaktor für die dem Kläger bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beträgt hier 1,0. Nach § 63 Abs. 5 und 6 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt werden, wobei im Rahmen der Rentenberechnung Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer durch einen Zugangsfaktor vermieden werden. Dieser richtet sich nach § 77 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI nach dem Alter der Versi-cherten bei Rentenbeginn oder Tod und beträgt bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, 1,0; bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist dieser für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a SGB VI).
Der Kläger hat hier seine Rente nicht vorzeitig in Anspruch genommen.
Gemäß § 237 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente möglich ist. Nach § 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI bestimmen sich die Anhebung der Altersgrenze und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruch-nahme nach der Anlage 19 zum SGB VI; hiernach wäre die Altersgrenze beim Kläger entsprechend eines vorzeitigen Rentenbeginns anzuheben. Abweichend von § 237 Abs. 3 SGB VI normiert § 237 Abs. 4 SGB VI eine modifizierte Anhebung der Altersren-te, u.a. wenn der Versicherte bis zum 14. Februar 1944 geboren und aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V, die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden ist, nach der dieser Regelung angefügten Tabelle. Für Versicherte, die – wie der Kläger – im Oktober 1943 geboren sind, ist eine Anhebung auf das Alter 60 Jahre um neun Monate vorgesehen. Die Voraussetzungen einer Anwendung dieser Vertrauensschutzregelung liegen bei dem Kläger vor.
Der Kläger ist am 20. Oktober 1943 und damit bis zum 14. Februar 1944 geboren. Aus dem Geburtsmonat und dem Geburtsjahr ergibt sich bei Anwendung der o.g. Vertrau-ensschutzregelung ein (ungekürzter) Zugangsfaktor von 1,0. Denn der Kläger hatte das 60. Lebensjahr im Oktober 2003 vollendet und bezieht erst seit dem 1. März 2005 und damit 16 Monate nach Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente. Die Anhe-bung der Altersrente um neun Monate führt deshalb nicht zu einer Verringerung des Zugangsfaktors.
Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger auch aufgrund einer Maßnahme nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V, die im Sinne des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass noch mit dem am 1. Januar 1992 - also nach dem Beginn der Stilllegung bei der EHW Thale AG - in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I 1989, 2261) in der Übergangsregelung zu § 41 Abs. 1 SGB VI a.F. für die Versicherten der Geburtsjahre 1941 bis 1944 allgemein nur eine Anhebung der Altersgrenze für eine abschlagsfreie Altersrente bei Arbeitslosigkeit von einem Monat für vier Monate vorgesehen wurde. Erst mit dem Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (RuhStFöG) vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1078) wurde, damals in § 237 Abs. 2 SGB VI, eine der Regelung in § 237 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in der Fassung des RRG 1999 entsprechende weitere Eingrenzung des in den Genuss der Vertrau-ensschutzregelung kommenden Personenkreises vorgenommen (vgl. hierzu Bundes-tags-Drucksache 13/4336 S. 24). Die Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung stellen dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterfallende Rechtspositionen dar (vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - BVerfGE 53, 257, 290 ff - recherchiert nach juris). Die Anhebung der Altersgrenze stellt hier eine zulässige Inhaltsbeschränkung dar (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. Juli 2004 - B 8 KN 3/03 R - SozR 4-2600 Nr. 3; Urteil vom 5. August 2004 - B 13 RJ 10/03 R - SozR 4-2600 § 237 Nr. 6; vgl. zur Gesamtproblematik O´Sullivan, Zur Verfassungsmäßigkeit der Anhebung des Renteneintrittsalters, SGb 2004, 290 ff.; der Vorlagebeschluss des BSG vom 23. August 2005 - B 4 RA 28/03 R - juris betrifft die hier nicht in Streit stehende Dauer des Rentenabschlages und die Ungleichbehandlung von freiwilligen Beiträgen und Pflichtbeiträgen in Bezug auf § 237a SGB VI). Gleichwohl ist diese Gesetzesentwicklung bei der Auslegung der Regelung in § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in dem Sinne zu berücksichtigen, dass der Vertrauensschutz nicht über den Wortlaut des Gesetzes hinaus weiter eingeschränkt werden darf. Insbesondere dürfen dem Versicherten daraus keine Nachteile erwachsen, dass vollkommen unklar bleibt, was der Gesetzgeber mit einer "Genehmigung" der Maßnahme meint.
Nach Art. 56 § 2 Buchst. b Satz 1 EGKS-V kann die Hohe Behörde der EGKS eine nicht rückzahlungspflichtige Beihilfe bewilligen, um zur Zahlung von Entschädigungen, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Wiederbeschäftigung abzuwarten, durch Zuwendungen an die Unternehmen zur Sicherung der Entlohnung ihres Personals bei zeitweiser Beurlaubung, die durch Änderung ihrer Tätigkeit notwendig geworden ist, zur Gewährung von Beihilfen an die Arbeitnehmer für die Kosten zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes oder zur Finanzierung der Umschulung der Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung wechseln müssen, beizutragen. Voraussetzung ist, dass in den Absatzbedingungen der Kohle- oder Stahlindustrie grundlegende Änderungen eintre-ten, die nicht unmittelbar auf die Errichtung des gemeinsamen Marktes zurückzuführen sind, die aber einzelne Unternehmen zwingen, ihre Tätigkeit endgültig einzustellen, einzuschränken oder zu ändern, sowie ein entsprechender Antrag der beteiligten Regierungen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift macht die Hohe Behörde die Bewilligung einer nicht rückzahlungspflichtigen Beihilfe von der Zahlung eines mindestens gleich hohen besonderen Beitrags durch den beteiligten Staat abhängig, es sei denn, dass der Rat mit Zweidrittelmehrheit eine Abweichung zulässt.
Wenn man die "Bewilligung" im Sinne der vorgenannten Vorschriften des EGKS-V mit der Genehmigung im Sinne des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gleichsetzen wollte mit der Hinzunahme eines Kausalitätserfordernisses, dass erst eine solche "Bewilli-gung" vor dem Ausscheiden aus dem Betrieb erfolgt sein müsste, würde der Vertrau-ensschutz leerlaufen. Denn das Prozedere sah zur Überzeugung des Senats zunächst eine Zusammenstellung der erforderlichen Mittel durch das betroffene Unternehmen für Betriebsstilllegungen, -änderungen etc. vor, dann eine Prüfung durch die Behörden im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches, nachfolgend eine von dort ausgehende Mitteilung – in der Regel wohl im Wege eines "Schnellbriefs" –, dass dem Grunde nach eine Förderung nach dem EGKS-V möglich sei, dann wurde vor diesem Hintergrund eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen oder ein Aufhebungsvertrag ge-schlossen und schließlich wurden anhand von Listen (nicht zwingend "Ursprungslisten" mit personenkonkreter Bezeichnung der Ausscheidenden) Beihilfen konkret durch die betroffenen Arbeitnehmer oder Unternehmen beantragt. Da die Bewilligung durch die Hohe Behörde der EGKS nach Art. 56 § 2 Buchst. b Satz 2 EGKS-V im Regelfall von der Bewilligung eines "mindestens gleich hohen Betrages" durch den beteiligten Staat abhängt, folgte dann eine konkrete Bewilligung von deutscher Seite mit Ausführung durch die ehemalige Bundesagentur für Arbeit und nachfolgend eine Bewilligung durch die Hohe Behörde der EGKS und zuletzt - teilweise Jahre später - eine Schlussrechnung über die tatsächlich erforderlichen Beihilfen.
Das macht eine Auslegung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI insbesondere vor der oben genannten Gesetzesentwicklung mit einer weitgehenden Verwirklichung des Vertrauensschutzes durch den Senat erforderlich.
Unter einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V sind Betriebseinstel-lungs-, Betriebseinschränkungs- oder Betriebsänderungsmaßnahmen zu verstehen (Grüner-Dalichau, Gesetzliche Rentenversicherung, Kommentar, § 237 S. 35). Hier war der Kläger bei der EHW Thale AG beschäftigt und arbeitete im Walzwerk. Das Walzwerk wurde aufgrund einer Maßnahme des Artikels 56 § 2 Buchst. b EGKS-V geschlossen. Dies ergibt sich für den Senat aus der vom Kläger vorgelegten Beschei-nigung vom 6. August 1998 des Zeugen D. und dessen Zeugenerklärung vor dem Senat sowie aus der Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 25. Juni 2008.
Die Maßnahme wurde ausweislich der genannten Auskünfte am 31. Mai 1991 und damit vor dem 14. Februar 1996 genehmigt. Diesen zeitlichen Ablauf hat der Zeuge D. vor dem Senat bestätigt. Danach wurden gleichzeitig die Feststellung der Zugehörig-keit zur Montanindustrie und die Bewilligung der Beihilfen nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V beantragt. Die Entscheidung hierüber erfolgte im Wege eines so genannten Schnellbriefs am 31. Mai 1991. Soweit der Zeuge diesen Termin auf Anfang Juni 1991 datiert hat, wertet der Senat dies als Ungenauigkeit in der Erinnerung des Zeugen hinsichtlich eines Ereignisses, das inzwischen 17 Jahre zurückliegt. Bezüglich einer "Genehmigung" der Maßnahme - die, wie angegeben, eigentlich nicht zu erfolgen hatte - vor dem 14. Februar 1996 reicht es aus, dass die zuständigen Behörden im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs die Voraussetzungen im Sinne des Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V als gegeben erachteten. Dies war zur Überzeugung des Senats ausweislich der Bescheinigung des Zeugen D. vom 6. August 1998 und seiner Angaben bei seiner Vernehmung vor dem Senat sowie der Auskunft des Bundesminis-teriums für Wirtschaft und Technologie vom 25. Juni 2008 der Fall.
Der Senat geht davon aus, dass der Arbeitsplatz des Klägers "aufgrund" dieser Maßnahme weggefallen ist. Zwar ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 19. März 1991 zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem die Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V noch nicht genehmigt war. Auch ist der Kläger nicht als Beihilfe-berechtigter anerkannt und auf keiner der Ursprungslisten des Arbeitsamtes registriert worden. Dies ist jedoch nach Auffassung des Senats nicht Vorraussetzung für die Inanspruchnahme des vom Gesetzgeber geschaffenen Vertrauensschutzes. Denn der Gesetzgeber hat den Vertrauensschutztatbestand lediglich an den Umstand geknüpft, dass der Arbeitsplatz aufgrund einer Maßnahme, für die der Arbeitgeber eine Beihilfe erhalten hat und die er genehmigen lassen musste, seinen Arbeitsplatz verloren hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes, wonach der Versicherte aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V ausgeschieden sein muss, ist unschädlich, wenn die Kündigung vor der Genehmigung der Maßnahme erfolgte. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die Genehmigung der Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V noch vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb erteilt wurde. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist zum 30. Juni 1991 beendet, die Maßnahme am 31. Mai 1991 genehmigt worden. Dem Kündigungsschrei-ben vom 19. März 1991 ist zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung bereits die Notwendigkeit der Einstellung der Produktion im Bereich des Block- und Blech-walzwerkes der EHW T. AG und damit die Beendigung sämtlicher damit im Zusammenhang stehender Arbeitsverhältnisse feststand. Ferner wurde in dem Kündigungsschreiben auf eventuelle Sozialplanleistungen aus dem EGKS-Fonds der Europäischen Gemeinschaft Bezug genommen. Damit wurden Beihilfen für den Fall der Genehmigung der Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V in Aussicht gestellt. Folglich ist der Arbeitsplatz des Klägers wegen einer vor dem 14. Februar 1996 genehmigten Stilllegungsmaßnahme weggefallen. Dies wird auch von dem Zeugen D. bestätigt, der bei seiner Vernehmung aufgezeigt hat, dass in die erst ab dem 1. Juli 1991 erstellten Ursprungslisten auch Arbeitnehmer aufgenommen wurden, deren Arbeitsverhältnisse angesichts der bevorstehenden Stilllegungsmaßnahme zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt worden waren. Insoweit geht der Senat davon aus, dass die vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Voraussetzungen für die Inanspruch-nahme des Vertrauensschutzes erfüllt sind. Hinweise darauf, dass die Vertrauens-schutzregelung an die tatsächliche Gewährung von Beihilfen oder die Aufnahme in eine so genannte Ursprungsliste abhängig gemacht werden sollte, sind für den Senat nicht ersichtlich. Ausreichend ist, dass es dem Kläger hier durch die Angaben des früheren Arbeitgebers bzw. dessen Rechtsnachfolger gelungen ist, den Zusammen-hang zwischen dem Wegfall seines Arbeitsplatzes und der nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V genehmigten Maßnahme nachzuweisen und damit auszuschließen, dass er seinen Arbeitsplatz aufgrund anderer Ursachen, z.B. aus personenbedingten Gründen, aufgeben musste.
Einer Tatbestandswirkung der Erfassung auf der Ursprungsliste steht auch entgegen, dass hier keine Regelungen ersichtlich sind, die eine notwendige Einbeziehung des Versicherten vorsahen. Diese wären aber Voraussetzung einer zwingenden Zugrunde-legung des Vorhandenseins einer solchen Ursprungsliste und der Erfassung des Versicherten auf einer solchen Liste für die Zubilligung des Vertrauensschutzes nach Maßgabe des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV (vgl. zur notwendigen Bekanntgabe als Grundlage einer Tatbestandswirkung: BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 17/07 R - Rdnr. 6, juris). Im Übrigen bieten die rechtlichen Regelungen keine hinrei-chende Gewähr für eine Richtigkeit der Ursprungslisten. Dies ergibt sich eindrucksvoll aus den Angaben des Zeugen D ... Danach seien in Erwartung der "Genehmigung" der Beihilfen für die Arbeitnehmer, die zum Metall erzeugenden Betrieb gehörten, Nummern vergeben und geplant worden, in welcher Höhe Leistungen an die zu entlassenden Arbeitnehmer fließen sollten. Erst nachdem die Beihilfen bewilligt worden waren, seien diese Mittel auf die entlassenen Arbeitnehmer verteilt worden. Die Vorgehensweise bei der Vergabe dieser Mittel sei nicht immer korrekt gewesen. Mehrere Arbeitnehmer - wie der Kläger -, die in der Montanindustrie zwar von einer Stilllegungsmaßnahme, für die Beihilfen nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V geneh-migt wurden, betroffen und deshalb ihren Arbeitsplatz verloren haben, hätten aus nicht nachvollziehbaren Gründen keine Gelder aus den Beihilfen erhalten. Insoweit konnte der Zeuge D. nicht erklären, weshalb dem Kläger bereits vor der Genehmigung der Maßnahme die Bescheinigung vom 25. Mai 1991 ausgestellt worden war, wonach er - der Kläger - keine EGKS-Beihilfen erhalte. Der Kläger habe vielmehr zu dem Perso-nenkreis gehört, für den Beihilfen beantragt und bewilligt worden seien, und ihm hätten eine EGKS-V-Beihilfe sowie die Zuteilung einer Referenznummer zugestanden. 1998 vorgenommene Bemühungen, die nachträgliche Aufnahme in die Referenzliste zu erreichen, seien gescheitert. Ferner ergibt sich aus der Aussage des Zeugen, dass auch die Arbeitnehmer, denen ein Arbeitsplatz in dem neu gegründeten Industriepark vermittelt werden konnte und mit denen ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden war, keine Gelder aus den Beihilfen erhalten hatten. Diese Arbeitnehmer haben dann auch keine der Nummern behalten bzw. erhalten, die als so genannte Referenznum-mer in die spätere Ursprungsliste aufgenommen worden war. Sie waren jedoch auch nicht (beihilfe-)bedürftig, da ihnen in dem neu gegründeten Industriepark ein neuer Arbeitsplatz vermittelt werden konnte. Ihre zunächst in Erwartung eines Beihilfean-spruchs zugeteilte Nummer wurde nicht frei gelassen, sondern anderen - wahrschein-lich nicht in der Montanindustrie, sondern in dem Metall verarbeitenden Betriebsteil Beschäftigten und damit eigentlich nicht beihilfeberechtigten - Arbeitnehmern zugeteilt. Das Anknüpfen an eine (Referenz-) Nummer gewährleistete somit gerade nicht, dass ein in der Montanindustrie tätiger Arbeitnehmer von einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V betroffen war.
Auch die Frage, ob dem Arbeitnehmer im Einzelfall Leistungen auf der Grundlage der nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V gewährten Beihilfen zugeflossen sind, kann nicht von Bedeutung sein. Soweit der Gesetzgeber eine Gewährung von Vertrauensschutz in Bezug auf den abschlagsfreien Rentenzugang an den Bezug von Leistungen knüpfen wollte - wie z.B. in § 237 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 SGB VI -, hat er dies ausdrücklich geregelt.
Schließlich kann nicht das Vorliegen einer "Einzelvereinbarung" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich eines Ausscheidens auf Grund einer Maßnahme nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V Voraussetzung einer Anerkennung des Vertrauens-schutzes nach § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EGKS-V sein. Bei einer Stilllegungsmaßnah-me, von der ca. 1700 Arbeitnehmer betroffen waren und bei der ein Sozialplan vorlag, wäre die Forderung nach einer solchen Einzelvereinbarung für den einzelnen Arbeitnehmer lebensfremd, zumal die arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die dies hätte haben können, unüberschaubar wären. Vor dem Hintergrund, dass die weitere Beschränkung des Vertrauensschutzes auf den von § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfassten Personenkreis erst nach dem Beschluss der Stilllegungsmaßnahme in Kraft getreten ist, hätte das Unternehmen auch diesen Gesichtspunkt nicht in seine Überlegungen einstellen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da – soweit ersichtlich – bislang eine höchst-richterliche Entscheidung zu der Rechtsfrage, was unter dem Tatbestandsmerkmal "aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V" zu verstehen ist, nicht ergangen ist. Ferner weicht der Senat von dem Leitsatz des Sächsischen Landessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2005 – L 6 KN 88/04 – ab, wonach ein Anspruch auf Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente entweder an eine Einzelvereinbarung des Betriebes mit dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer geknüpft ist oder daran, dass der Versicherte in der Liste der von der Schließungsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer aufgeführt ist.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe I. Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulas-sung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Pro-zessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bundessozialgericht Kassel, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, einzule-gen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozi-algericht eingegangen sein.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a) die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereini-gungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Land-wirtschaft und von Vereinigungen der Kriegsopfer, die kraft Satzung oder Voll-macht zur Prozessvertretung befugt sind. Gleiches gilt für Bevollmächtigte, die als Angestellte bestimmter juristischer Personen handeln, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der genannten Vereinigungen stehen und die ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Vereinigung nach deren Satzung durchführen. Dazu ist die Haftung der Vereinigung für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten Voraussetzung.
b) Rechtsanwälte.
Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen sich nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich zu begründen.
In der Begründung muss
die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt
oder
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der das Urteil abweicht,
oder
ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch einen Bevollmächtigten der unter I a) genannten Gewerkschaften oder Vereinigungen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bun-dessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsan-walt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
gez. Klamann gez. Schäfer gez. Müller-Rivinius
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger Anspruch auf Bewilligung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ohne Abschläge hat.
Der am geborene Kläger – von Beruf Walzwerker – war vom 1. September 1958 bis zum 30. Juni 1991 bei der Eisen- und Hüttenwerke (EHW) T. AG beschäftigt. Das Kündigungsschreiben vom 19. März 1991 lautete u.a. wie folgt: " aufgrund der Ihnen bereits bekannten Entscheidung zur Einstellung der Produktion im Bereich des Block- und Blechwalzwerkes sehen wir uns gezwungen, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis hiermit ordentlich und fristgerecht zum 30.06.1991 zu kündigen. Bei Wirksamwerden der Kündigung haben Sie Anspruch auf Leistungen aus dem Sozialplan, mit denen ein Ausgleich der Ihnen wegen der bestehenden Arbeitsmarktsituation möglicherweise entstehenden sozialen Härten angestrebt wird". Ferner enthielt die Kündigung folgenden Passus: " Weitere Sozialplanleistungen werden zwischen dem Betriebsrat und dem Vorstand vereinbart. Diese Vereinbarung kann zur Zeit nur unter dem Vorbehalt erfolgen, dass die von der Unternehmensleitung vorgesehenen zusätzlichen Finanzierungsmittel seitens der Treuhandanstalt im Rahmen der Eröffnungsbilanz bestätigt werden. Der Vorbehalt gilt auch für Sozialplan-leistungen, die aus dem EGKS-Fonds der Europäischen Gemeinschaft finanziert werden". Vom 1. Juli bis 7. Dezember 1991 war der Kläger arbeitslos und bezog zunächst Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Er erhielt ferner nach seinem Ausscheiden von der EHW T. AG eine einmalige betriebliche Beihilfe in Höhe von 5000 DM sowie einen Zuschuss von Juli bis November 1991 in Höhe von monat-lich 300 DM und für Dezember 1991 in Höhe von 68 DM.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. März 2005. In der Anlage 6 des Rentenbescheides ist der Zugangsfaktor mit 1,0, vermindert um 0,003 für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme, d.h. für 44 Kalendermonate um 0,132 und damit mit 0,868, festge-stellt worden.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, es gelte für ihn die Vertrauensschutzregelung für aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschiedene Beschäftigte. Er legte eine Bescheinigung des Leiters der Personalwirtschaft der EHW T. AG, des Zeugen D. , vom 6. August 1998 vor, wonach er - der Kläger - vom 1. September 1958 bis 30. Juni 1991 in der EHW T. AG beschäftigt gewesen sei. Die EHW T. AG sei ein Betrieb, der von einer Maßnahme im Sinne des Artikel 56 § 2 Buchst. b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemein-schaft für Kohle und Stahl (EGKS-V) betroffen gewesen sei. Die Maßnahme für diesen Betrieb sei am 31. Mai 1991 genehmigt worden.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die Agentur für Arbeit Halberstadt im März 2005 mit, entsprechend der Ermächtigung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) sei die Ursprungsliste durch das betroffene Montanunionsvertrags-Unternehmen (MUV-Unternehmen) erstellt worden. Auch die Aufnahme der betroffe-nen Arbeitnehmer und die Vergabe der Referenznummern seien durch das MUV-Unternehmen erfolgt. Da der Kläger auf keiner Ursprungsliste geführt worden sei, habe er nicht den Status eines Betroffenen einer Maßnahme im Sinne des Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer der Eisen- und Stahlindustrie.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zum Nachweis, dass der Kläger aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 EGKS-V aus dem Betrieb ausgeschieden sei, sei der ausgestellte Beschäftigungsnachweis nicht ausreichend. Darin werde darin lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger einem Betrieb angehört habe, für den eine entsprechende Maßnahme bewilligt worden sei. Deshalb sei in diesen Fällen zusätzlich zu prüfen, inwieweit Versicherte in den so genannten Ursprungslisten beim Arbeitsamt mit einer persönlichen Referenznummer aufgeführt seien. Sei dies nicht der Fall, sei davon auszugehen, dass der Versicherte aus anderen Gründen aus dem Betrieb ausgeschieden sei. Vertrauensschutz sei dann nicht gegeben. Da der Kläger nicht beim Arbeitsamt unter einer Referenznummer registriert worden sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er Betroffener der EGKS-V-Maßnahme gewesen sei. Nur die Versicherten, die aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V aus dem Betrieb ausgeschieden seien, würden von der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicher- ung - (SGB VI) erfasst.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 stellte die Beklagte die Rente des Klägers ab 1. März 2005 neu fest.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 hat der Kläger beim Sozialge-richt Magdeburg am 17. Mai 2005 Klage erhoben und daran festgehalten, in einem ehemaligen Betrieb der Montanindustrie beschäftigt gewesen zu sein und Vertrauens-schutz gemäß § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in Anspruch nehmen zu können.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2006 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI seien beim Kläger nicht gegeben. Sein Ausscheiden aus der EHW Thale AG zum 30. Juni 1991 beruhe nicht auf einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V, jedenfalls sei dies nicht mit der hinreichenden Sicherheit zu beweisen. Aus dem Beschäftigungsnachweis vom 6. August 1998 ergebe sich nicht zwanglos die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V. Gegen eine solche Sicht spreche auch die Tatsache, dass die Kündigung vom 19. März 1991 datiere, wo hingegen die Maßnahme erst am 31. Mai 1991 bewilligt worden sei. Ansonsten wäre die Kündigung nach dem Zeitpunkt der Bewilligung am 31. Mai 1991 erklärt worden. Die in der Kündigung erfolgte Inbezugnahme der anteiligen Finanzierung von Sozialplanleistun-gen aus EGKS-Mitteln stelle lediglich einen deklaratorischen Hinweis dar, dem sich eine Abhängigkeit des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis von einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V nicht entnehme lasse. Eine Auflösung des Arbeitsvertrages sollte aus betriebsbedingten Gründen jedenfalls zum 30. Juni 1991 erfolgen, auch wenn die Maßnahme nicht am 31. Mai 1991 bewilligt worden wäre. Dies hätte auf die Kündigung keinerlei rechtserheblichen Einfluss gehabt. Wäre vom Gesetzgeber derartiges tatsächlich gewollt gewesen, hätte er anstatt der Formulierung "aufgrund einer Maßnahme" unschwer die Bezeichnung "im Zusammenhang mit einer Maßnahme" verwenden können. Da dies jedoch unterblieben sei, verbiete sich eine Auslegung des Gesetzes entgegen seinem klaren Wortlaut. Gegen die Kausalität spreche schließlich auch der Umstand, dass der Kläger nicht in den von seinem ehemaligen Arbeitgeber erstellten Ursprungslisten als ein von der Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V betroffener Arbeitnehmer mit einer entsprechenden Referenznummer geführt worden sei.
Gegen den ihm am 19. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 9. Februar 2006 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er erfülle die Voraussetzungen des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Auf die Tatsachen, dass er in den Ursprungslisten nicht geführt werde und über keine Referenznummer verfüge, dürfe es nicht ankommen. Er hat eine formularmäßige Bescheinigung der EHW T. AG vom 28. Mai 1991 vorgelegt, wonach er anlässlich seines Aus-scheidens aus dem Betrieb Anspruch auf betriebliche Beihilfen, nicht aber auf EGKS-Beihilfen gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. Januar 2006 auf-zuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 in der Fassung des Beschei-des vom 12. Mai 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei der Be-rechnung seiner Altersrente den Zugangsfaktor 1,0 zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.
Der Senat hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 25. Juni 2008 eingeholt. Danach betraf der Antrag der EHW T. AG auf Beihilfen nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V die Stilllegung des Walzwerks des Unternehmens. Von der Maßnahme seien 1.734 Arbeitnehmer betroffen gewesen. Der genehmigte Höchstbetrag habe 25,8 Mio. DM betragen. Der Antrag sei am 31. Mai 1991 genehmigt worden. Beginn der Maßnahme sei der 30. Juni 1990 gewesen.
Schließlich hat der Senat den ehemaligen Leiter der Personalwirtschaft der EHW T. AG, Wilhelm D. , als Zeugen vernommen. Anfang Juni 1991 sei vom damaligen BMA zeitgleich in einem so genannten Schnellbrief über die Zugehörigkeit der EHW T. AG zur Montanindustrie und über die Genehmigung von Beihilfen nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V entschieden worden. In Erwartung der Genehmigung seien für die Arbeitnehmer, die zum Metall erzeugenden Betrieb gehörten, Nummern vergeben und geplant worden, in welcher Höhe Leistungen an die zu entlassenden Arbeitnehmer fließen sollten. Nachdem die Beihilfen bewilligt worden waren, seien diese Mittel auf die entlassenen Arbeitnehmer verteilt worden. Arbeitnehmer, denen ein Arbeitsplatz in dem neu gegründeten Industriepark habe vermitteln werden können, hätten keine Gelder aus den Beihilfen erhalten. Mit ihnen sei ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden. Diese Arbeitnehmer hätten auch keine der Nummern mehr erhalten, die als so genannte Referenznummer in die spätere Ursprungsliste aufgenommen worden sei. Da der Kläger im Walzwerk gearbeitet habe, hätte er einen Anspruch auf Aufnahme in die Ursprungsliste gehabt. Ihm seien weitere Fälle bekannt, in denen die Vorgehens-weise bei der Vergabe der Referenznummern nicht korrekt erfolgt sei. Da Beihilfen für alle Arbeitnehmer in ähnlich hoher Summe gezahlt worden seien, sei den Referenz-nummern erst mit der Einführung der Vertrauensschutzregelung ins SGB VI Bedeutung zugekommen. Denjenigen Arbeitnehmern, die unter die erste Kündigungswelle fielen, sei unter Berücksichtigung der im Einzelfall zu beachtenden Kündigungsfrist schon vor dem 30. Juni 1991 gekündigt worden. Auf die dann ab dem 1. Juli 1991 erstellten Ursprungslisten hätten Arbeitnehmer auch noch später aufgenommen werden können. Arbeitnehmer, denen personenbedingt gekündigt worden sei, hätten keine Referenz-nummer und insbesondere keine Abfindung erhalten; ein solcher Fall sei ihm aber nicht bekannt geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwal-tungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl das sozialgerichtliche Verfahren an einem erheblichen Mangel litt. Das Sozialgericht hätte nicht durch Gerichtsbescheid des Kammervorsitzenden entscheiden dürfen; dies ist nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur erlaubt, wenn die Sache u.a. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Zum einen führt der tatsächlich schwer zu ermittelnde Ablauf von der geplanten Stilllegung des Walzwerks über die Beantragung und Genehmigung der Beihilfen bis zur Erstellung der so genannten Ursprungslisten zur Annahme der besonderen tatsächlichen Schwierigkeit der Sache. Zum anderen weist die Auslegung und Anwendung einer Rechtsvorschrift, deren Wortlaut nicht ohne weiteres umgesetzt werden kann und zu der es keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, auf besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art hin.
Das Sozialgericht hat damit verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorgelegen haben. Dadurch hat es dem Kläger seinen gesetzlichen Richter im Sinne des Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich die Kammer in voller Besetzung (vgl. auch Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –, NZS 2007, S. 51). Dieser Mangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
Trotz dieses wesentlichen Verfahrensmangels konnte der Senat jedoch in der Sache selbst entscheiden, weil er gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zwar befugt, aber nicht zwingend verpflichtet war, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.). Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteilig-ten an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits gegeneinander abgewogen. Angesichts der schon längeren Verfahrensdauer hält der Senat hier eine Zurückverweisung nicht für sachgerecht.
2. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Vielmehr hat der Kläger Anspruch auf Altersrente unter Zugrundelegung eines (ungekürzten) Zugangsfaktors von 1,0. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)); sie waren entsprechend zu ändern.
Bei dem Kläger findet nach § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI die bei seinem Rentenbeginn, d.h. am 1. März 2005, geltende Fassung des § 237 SGB VI mit der zum 1. Januar 2005 geltenden Änderung durch Art. 1 Nr. 59 des Gesetzes zur Reform der gesetzli-chen Rentenversicherung vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) Anwendung.
Nach Absatz 1 dieser Vorschrift haben Anspruch auf Altersrente Versicherte, wenn sie (1.) vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, (2.) das 60. Lebensjahr vollendet haben, (3.) u. a. bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren, (4.) in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicher-te Beschäftigung oder Tätigkeit sowie (5.) die Wartzeit von 15 Jahren erfüllt haben. Die vorgenannten Voraussetzungen liegen beim Kläger unstreitig vor.
Der Zugangsfaktor für die dem Kläger bewilligte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beträgt hier 1,0. Nach § 63 Abs. 5 und 6 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt werden, wobei im Rahmen der Rentenberechnung Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer durch einen Zugangsfaktor vermieden werden. Dieser richtet sich nach § 77 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI nach dem Alter der Versi-cherten bei Rentenbeginn oder Tod und beträgt bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, 1,0; bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist dieser für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a SGB VI).
Der Kläger hat hier seine Rente nicht vorzeitig in Anspruch genommen.
Gemäß § 237 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente möglich ist. Nach § 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI bestimmen sich die Anhebung der Altersgrenze und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruch-nahme nach der Anlage 19 zum SGB VI; hiernach wäre die Altersgrenze beim Kläger entsprechend eines vorzeitigen Rentenbeginns anzuheben. Abweichend von § 237 Abs. 3 SGB VI normiert § 237 Abs. 4 SGB VI eine modifizierte Anhebung der Altersren-te, u.a. wenn der Versicherte bis zum 14. Februar 1944 geboren und aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V, die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden ist, nach der dieser Regelung angefügten Tabelle. Für Versicherte, die – wie der Kläger – im Oktober 1943 geboren sind, ist eine Anhebung auf das Alter 60 Jahre um neun Monate vorgesehen. Die Voraussetzungen einer Anwendung dieser Vertrauensschutzregelung liegen bei dem Kläger vor.
Der Kläger ist am 20. Oktober 1943 und damit bis zum 14. Februar 1944 geboren. Aus dem Geburtsmonat und dem Geburtsjahr ergibt sich bei Anwendung der o.g. Vertrau-ensschutzregelung ein (ungekürzter) Zugangsfaktor von 1,0. Denn der Kläger hatte das 60. Lebensjahr im Oktober 2003 vollendet und bezieht erst seit dem 1. März 2005 und damit 16 Monate nach Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente. Die Anhe-bung der Altersrente um neun Monate führt deshalb nicht zu einer Verringerung des Zugangsfaktors.
Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger auch aufgrund einer Maßnahme nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V, die im Sinne des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass noch mit dem am 1. Januar 1992 - also nach dem Beginn der Stilllegung bei der EHW Thale AG - in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I 1989, 2261) in der Übergangsregelung zu § 41 Abs. 1 SGB VI a.F. für die Versicherten der Geburtsjahre 1941 bis 1944 allgemein nur eine Anhebung der Altersgrenze für eine abschlagsfreie Altersrente bei Arbeitslosigkeit von einem Monat für vier Monate vorgesehen wurde. Erst mit dem Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (RuhStFöG) vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1078) wurde, damals in § 237 Abs. 2 SGB VI, eine der Regelung in § 237 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in der Fassung des RRG 1999 entsprechende weitere Eingrenzung des in den Genuss der Vertrau-ensschutzregelung kommenden Personenkreises vorgenommen (vgl. hierzu Bundes-tags-Drucksache 13/4336 S. 24). Die Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung stellen dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterfallende Rechtspositionen dar (vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - BVerfGE 53, 257, 290 ff - recherchiert nach juris). Die Anhebung der Altersgrenze stellt hier eine zulässige Inhaltsbeschränkung dar (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. Juli 2004 - B 8 KN 3/03 R - SozR 4-2600 Nr. 3; Urteil vom 5. August 2004 - B 13 RJ 10/03 R - SozR 4-2600 § 237 Nr. 6; vgl. zur Gesamtproblematik O´Sullivan, Zur Verfassungsmäßigkeit der Anhebung des Renteneintrittsalters, SGb 2004, 290 ff.; der Vorlagebeschluss des BSG vom 23. August 2005 - B 4 RA 28/03 R - juris betrifft die hier nicht in Streit stehende Dauer des Rentenabschlages und die Ungleichbehandlung von freiwilligen Beiträgen und Pflichtbeiträgen in Bezug auf § 237a SGB VI). Gleichwohl ist diese Gesetzesentwicklung bei der Auslegung der Regelung in § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in dem Sinne zu berücksichtigen, dass der Vertrauensschutz nicht über den Wortlaut des Gesetzes hinaus weiter eingeschränkt werden darf. Insbesondere dürfen dem Versicherten daraus keine Nachteile erwachsen, dass vollkommen unklar bleibt, was der Gesetzgeber mit einer "Genehmigung" der Maßnahme meint.
Nach Art. 56 § 2 Buchst. b Satz 1 EGKS-V kann die Hohe Behörde der EGKS eine nicht rückzahlungspflichtige Beihilfe bewilligen, um zur Zahlung von Entschädigungen, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Wiederbeschäftigung abzuwarten, durch Zuwendungen an die Unternehmen zur Sicherung der Entlohnung ihres Personals bei zeitweiser Beurlaubung, die durch Änderung ihrer Tätigkeit notwendig geworden ist, zur Gewährung von Beihilfen an die Arbeitnehmer für die Kosten zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes oder zur Finanzierung der Umschulung der Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung wechseln müssen, beizutragen. Voraussetzung ist, dass in den Absatzbedingungen der Kohle- oder Stahlindustrie grundlegende Änderungen eintre-ten, die nicht unmittelbar auf die Errichtung des gemeinsamen Marktes zurückzuführen sind, die aber einzelne Unternehmen zwingen, ihre Tätigkeit endgültig einzustellen, einzuschränken oder zu ändern, sowie ein entsprechender Antrag der beteiligten Regierungen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift macht die Hohe Behörde die Bewilligung einer nicht rückzahlungspflichtigen Beihilfe von der Zahlung eines mindestens gleich hohen besonderen Beitrags durch den beteiligten Staat abhängig, es sei denn, dass der Rat mit Zweidrittelmehrheit eine Abweichung zulässt.
Wenn man die "Bewilligung" im Sinne der vorgenannten Vorschriften des EGKS-V mit der Genehmigung im Sinne des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gleichsetzen wollte mit der Hinzunahme eines Kausalitätserfordernisses, dass erst eine solche "Bewilli-gung" vor dem Ausscheiden aus dem Betrieb erfolgt sein müsste, würde der Vertrau-ensschutz leerlaufen. Denn das Prozedere sah zur Überzeugung des Senats zunächst eine Zusammenstellung der erforderlichen Mittel durch das betroffene Unternehmen für Betriebsstilllegungen, -änderungen etc. vor, dann eine Prüfung durch die Behörden im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches, nachfolgend eine von dort ausgehende Mitteilung – in der Regel wohl im Wege eines "Schnellbriefs" –, dass dem Grunde nach eine Förderung nach dem EGKS-V möglich sei, dann wurde vor diesem Hintergrund eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen oder ein Aufhebungsvertrag ge-schlossen und schließlich wurden anhand von Listen (nicht zwingend "Ursprungslisten" mit personenkonkreter Bezeichnung der Ausscheidenden) Beihilfen konkret durch die betroffenen Arbeitnehmer oder Unternehmen beantragt. Da die Bewilligung durch die Hohe Behörde der EGKS nach Art. 56 § 2 Buchst. b Satz 2 EGKS-V im Regelfall von der Bewilligung eines "mindestens gleich hohen Betrages" durch den beteiligten Staat abhängt, folgte dann eine konkrete Bewilligung von deutscher Seite mit Ausführung durch die ehemalige Bundesagentur für Arbeit und nachfolgend eine Bewilligung durch die Hohe Behörde der EGKS und zuletzt - teilweise Jahre später - eine Schlussrechnung über die tatsächlich erforderlichen Beihilfen.
Das macht eine Auslegung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI insbesondere vor der oben genannten Gesetzesentwicklung mit einer weitgehenden Verwirklichung des Vertrauensschutzes durch den Senat erforderlich.
Unter einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V sind Betriebseinstel-lungs-, Betriebseinschränkungs- oder Betriebsänderungsmaßnahmen zu verstehen (Grüner-Dalichau, Gesetzliche Rentenversicherung, Kommentar, § 237 S. 35). Hier war der Kläger bei der EHW Thale AG beschäftigt und arbeitete im Walzwerk. Das Walzwerk wurde aufgrund einer Maßnahme des Artikels 56 § 2 Buchst. b EGKS-V geschlossen. Dies ergibt sich für den Senat aus der vom Kläger vorgelegten Beschei-nigung vom 6. August 1998 des Zeugen D. und dessen Zeugenerklärung vor dem Senat sowie aus der Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 25. Juni 2008.
Die Maßnahme wurde ausweislich der genannten Auskünfte am 31. Mai 1991 und damit vor dem 14. Februar 1996 genehmigt. Diesen zeitlichen Ablauf hat der Zeuge D. vor dem Senat bestätigt. Danach wurden gleichzeitig die Feststellung der Zugehörig-keit zur Montanindustrie und die Bewilligung der Beihilfen nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V beantragt. Die Entscheidung hierüber erfolgte im Wege eines so genannten Schnellbriefs am 31. Mai 1991. Soweit der Zeuge diesen Termin auf Anfang Juni 1991 datiert hat, wertet der Senat dies als Ungenauigkeit in der Erinnerung des Zeugen hinsichtlich eines Ereignisses, das inzwischen 17 Jahre zurückliegt. Bezüglich einer "Genehmigung" der Maßnahme - die, wie angegeben, eigentlich nicht zu erfolgen hatte - vor dem 14. Februar 1996 reicht es aus, dass die zuständigen Behörden im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs die Voraussetzungen im Sinne des Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V als gegeben erachteten. Dies war zur Überzeugung des Senats ausweislich der Bescheinigung des Zeugen D. vom 6. August 1998 und seiner Angaben bei seiner Vernehmung vor dem Senat sowie der Auskunft des Bundesminis-teriums für Wirtschaft und Technologie vom 25. Juni 2008 der Fall.
Der Senat geht davon aus, dass der Arbeitsplatz des Klägers "aufgrund" dieser Maßnahme weggefallen ist. Zwar ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 19. März 1991 zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem die Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V noch nicht genehmigt war. Auch ist der Kläger nicht als Beihilfe-berechtigter anerkannt und auf keiner der Ursprungslisten des Arbeitsamtes registriert worden. Dies ist jedoch nach Auffassung des Senats nicht Vorraussetzung für die Inanspruchnahme des vom Gesetzgeber geschaffenen Vertrauensschutzes. Denn der Gesetzgeber hat den Vertrauensschutztatbestand lediglich an den Umstand geknüpft, dass der Arbeitsplatz aufgrund einer Maßnahme, für die der Arbeitgeber eine Beihilfe erhalten hat und die er genehmigen lassen musste, seinen Arbeitsplatz verloren hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes, wonach der Versicherte aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V ausgeschieden sein muss, ist unschädlich, wenn die Kündigung vor der Genehmigung der Maßnahme erfolgte. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn - wie hier - die Genehmigung der Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V noch vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb erteilt wurde. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist zum 30. Juni 1991 beendet, die Maßnahme am 31. Mai 1991 genehmigt worden. Dem Kündigungsschrei-ben vom 19. März 1991 ist zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung bereits die Notwendigkeit der Einstellung der Produktion im Bereich des Block- und Blech-walzwerkes der EHW T. AG und damit die Beendigung sämtlicher damit im Zusammenhang stehender Arbeitsverhältnisse feststand. Ferner wurde in dem Kündigungsschreiben auf eventuelle Sozialplanleistungen aus dem EGKS-Fonds der Europäischen Gemeinschaft Bezug genommen. Damit wurden Beihilfen für den Fall der Genehmigung der Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V in Aussicht gestellt. Folglich ist der Arbeitsplatz des Klägers wegen einer vor dem 14. Februar 1996 genehmigten Stilllegungsmaßnahme weggefallen. Dies wird auch von dem Zeugen D. bestätigt, der bei seiner Vernehmung aufgezeigt hat, dass in die erst ab dem 1. Juli 1991 erstellten Ursprungslisten auch Arbeitnehmer aufgenommen wurden, deren Arbeitsverhältnisse angesichts der bevorstehenden Stilllegungsmaßnahme zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt worden waren. Insoweit geht der Senat davon aus, dass die vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Voraussetzungen für die Inanspruch-nahme des Vertrauensschutzes erfüllt sind. Hinweise darauf, dass die Vertrauens-schutzregelung an die tatsächliche Gewährung von Beihilfen oder die Aufnahme in eine so genannte Ursprungsliste abhängig gemacht werden sollte, sind für den Senat nicht ersichtlich. Ausreichend ist, dass es dem Kläger hier durch die Angaben des früheren Arbeitgebers bzw. dessen Rechtsnachfolger gelungen ist, den Zusammen-hang zwischen dem Wegfall seines Arbeitsplatzes und der nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V genehmigten Maßnahme nachzuweisen und damit auszuschließen, dass er seinen Arbeitsplatz aufgrund anderer Ursachen, z.B. aus personenbedingten Gründen, aufgeben musste.
Einer Tatbestandswirkung der Erfassung auf der Ursprungsliste steht auch entgegen, dass hier keine Regelungen ersichtlich sind, die eine notwendige Einbeziehung des Versicherten vorsahen. Diese wären aber Voraussetzung einer zwingenden Zugrunde-legung des Vorhandenseins einer solchen Ursprungsliste und der Erfassung des Versicherten auf einer solchen Liste für die Zubilligung des Vertrauensschutzes nach Maßgabe des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV (vgl. zur notwendigen Bekanntgabe als Grundlage einer Tatbestandswirkung: BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 17/07 R - Rdnr. 6, juris). Im Übrigen bieten die rechtlichen Regelungen keine hinrei-chende Gewähr für eine Richtigkeit der Ursprungslisten. Dies ergibt sich eindrucksvoll aus den Angaben des Zeugen D ... Danach seien in Erwartung der "Genehmigung" der Beihilfen für die Arbeitnehmer, die zum Metall erzeugenden Betrieb gehörten, Nummern vergeben und geplant worden, in welcher Höhe Leistungen an die zu entlassenden Arbeitnehmer fließen sollten. Erst nachdem die Beihilfen bewilligt worden waren, seien diese Mittel auf die entlassenen Arbeitnehmer verteilt worden. Die Vorgehensweise bei der Vergabe dieser Mittel sei nicht immer korrekt gewesen. Mehrere Arbeitnehmer - wie der Kläger -, die in der Montanindustrie zwar von einer Stilllegungsmaßnahme, für die Beihilfen nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V geneh-migt wurden, betroffen und deshalb ihren Arbeitsplatz verloren haben, hätten aus nicht nachvollziehbaren Gründen keine Gelder aus den Beihilfen erhalten. Insoweit konnte der Zeuge D. nicht erklären, weshalb dem Kläger bereits vor der Genehmigung der Maßnahme die Bescheinigung vom 25. Mai 1991 ausgestellt worden war, wonach er - der Kläger - keine EGKS-Beihilfen erhalte. Der Kläger habe vielmehr zu dem Perso-nenkreis gehört, für den Beihilfen beantragt und bewilligt worden seien, und ihm hätten eine EGKS-V-Beihilfe sowie die Zuteilung einer Referenznummer zugestanden. 1998 vorgenommene Bemühungen, die nachträgliche Aufnahme in die Referenzliste zu erreichen, seien gescheitert. Ferner ergibt sich aus der Aussage des Zeugen, dass auch die Arbeitnehmer, denen ein Arbeitsplatz in dem neu gegründeten Industriepark vermittelt werden konnte und mit denen ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden war, keine Gelder aus den Beihilfen erhalten hatten. Diese Arbeitnehmer haben dann auch keine der Nummern behalten bzw. erhalten, die als so genannte Referenznum-mer in die spätere Ursprungsliste aufgenommen worden war. Sie waren jedoch auch nicht (beihilfe-)bedürftig, da ihnen in dem neu gegründeten Industriepark ein neuer Arbeitsplatz vermittelt werden konnte. Ihre zunächst in Erwartung eines Beihilfean-spruchs zugeteilte Nummer wurde nicht frei gelassen, sondern anderen - wahrschein-lich nicht in der Montanindustrie, sondern in dem Metall verarbeitenden Betriebsteil Beschäftigten und damit eigentlich nicht beihilfeberechtigten - Arbeitnehmern zugeteilt. Das Anknüpfen an eine (Referenz-) Nummer gewährleistete somit gerade nicht, dass ein in der Montanindustrie tätiger Arbeitnehmer von einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V betroffen war.
Auch die Frage, ob dem Arbeitnehmer im Einzelfall Leistungen auf der Grundlage der nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V gewährten Beihilfen zugeflossen sind, kann nicht von Bedeutung sein. Soweit der Gesetzgeber eine Gewährung von Vertrauensschutz in Bezug auf den abschlagsfreien Rentenzugang an den Bezug von Leistungen knüpfen wollte - wie z.B. in § 237 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 SGB VI -, hat er dies ausdrücklich geregelt.
Schließlich kann nicht das Vorliegen einer "Einzelvereinbarung" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich eines Ausscheidens auf Grund einer Maßnahme nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V Voraussetzung einer Anerkennung des Vertrauens-schutzes nach § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EGKS-V sein. Bei einer Stilllegungsmaßnah-me, von der ca. 1700 Arbeitnehmer betroffen waren und bei der ein Sozialplan vorlag, wäre die Forderung nach einer solchen Einzelvereinbarung für den einzelnen Arbeitnehmer lebensfremd, zumal die arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die dies hätte haben können, unüberschaubar wären. Vor dem Hintergrund, dass die weitere Beschränkung des Vertrauensschutzes auf den von § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfassten Personenkreis erst nach dem Beschluss der Stilllegungsmaßnahme in Kraft getreten ist, hätte das Unternehmen auch diesen Gesichtspunkt nicht in seine Überlegungen einstellen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da – soweit ersichtlich – bislang eine höchst-richterliche Entscheidung zu der Rechtsfrage, was unter dem Tatbestandsmerkmal "aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchst. b EGKS-V" zu verstehen ist, nicht ergangen ist. Ferner weicht der Senat von dem Leitsatz des Sächsischen Landessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2005 – L 6 KN 88/04 – ab, wonach ein Anspruch auf Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente entweder an eine Einzelvereinbarung des Betriebes mit dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer geknüpft ist oder daran, dass der Versicherte in der Liste der von der Schließungsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer aufgeführt ist.
Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe I. Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulas-sung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Pro-zessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bundessozialgericht Kassel, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, einzule-gen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozi-algericht eingegangen sein.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a) die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereini-gungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Land-wirtschaft und von Vereinigungen der Kriegsopfer, die kraft Satzung oder Voll-macht zur Prozessvertretung befugt sind. Gleiches gilt für Bevollmächtigte, die als Angestellte bestimmter juristischer Personen handeln, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der genannten Vereinigungen stehen und die ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Vereinigung nach deren Satzung durchführen. Dazu ist die Haftung der Vereinigung für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten Voraussetzung.
b) Rechtsanwälte.
Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen sich nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich zu begründen.
In der Begründung muss
die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt
oder
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der das Urteil abweicht,
oder
ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch einen Bevollmächtigten der unter I a) genannten Gewerkschaften oder Vereinigungen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bun-dessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsan-walt benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
gez. Klamann gez. Schäfer gez. Müller-Rivinius
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved