L 5 B 625/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 109 AS 26633/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 625/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Leistungen nach dem SGB II sind nach § 115 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigendes Einkommen des Beteiligten, dem sie zuzuordnen sind.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht der Klägerin, die seinerzeit neben einem Erwerbseinkommen in Höhe von 855,46 EUR netto und Kindergeld in Höhe von 154,- EUR für sich und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 210,50 EUR und 185,69 EUR, mithin insgesamt 396,19 EUR bezog, für ein Verfahren um höheres Arbeitslosengeld II Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten mit Ratenzahlungsverpflichtung in Höhe von monatlich 45,- EUR bewilligt. Dabei ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass auch die von der Beklagten bezogenen Leistungen für Unterkunft und Heizung einzusetzendes Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass das Arbeitslosengeld II nicht zum einzusetzenden Einkommen zu zählen sei. Es diene der Sicherung des Lebensunterhalts und dürfe nicht zur Bezahlung von Prozesskosten herangezogen werden.

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin angenommen, dass der Klägerin nach § 73 a SGG i. V. m. §§ 114, 115 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe nur mit der Maßgabe zu gewähren ist, dass sie monatliche Raten zu zahlen hat. Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach § 114 Satz 1 ZPO unter anderem, dass die betreffende Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Einkommen einzusetzen. Zu diesem gehören nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Nach eigenen Angaben und dem Berechnungsbogen des Bewilligungsbescheides der Beklagten vom 15. Oktober 2007 hat die Klägerin monatliche Nettoeinkünfte von 855,46 EUR erzielt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist das von ihr bezogene Kindergeld für die bei ihr lebende Tochter allerdings nur in der den Freibetrag für das Kind nach Abzug von Einkommen (185,69 EUR SGB II-Leistungen) übersteigenden Höhe von 72,69 EUR als ihr Einkommen anzurechnen. Dadurch ergeben sich jedoch für die Ratenhöhe keine Änderungen. Kindergeld stellt für das Prozesskostenhilferecht Einkommen der Eltern dar, soweit das Kindergeld nicht für die Bestreitung des Lebensunterhalts eines (minderjährigen) Kindes benötigt wird (BGH, Beschluss vom 26.01.2005 – XII ZB 234/03FamRZ 2005, 605 = MDR 2005, 767). Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und § 82 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts benötigt wird (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14 AS 55/07 RSGb 2008, 472). Nur in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages ist Kindergeld demzufolge Einkommen der Eltern, und zwar aus sozialhilferechtlicher Sicht, die mit der unterhaltsrechtlichen nicht deckungsgleich ist, desjenigen Anspruchsberechtigten, dem es gemäß §§ 64 Einkommenssteuergesetz (EStG), 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zufließt. Diese Zurechnung des Kindergeldes beim minderjährigen Kind, das typischerweise in einem gemeinsam wirtschaftenden Familienhaushalt lebt, hat zum Ziel, die Sozialhilfebedürftigkeit möglichst vieler Kinder zu beseitigen (BGH a.a.O. unter Verweis auf BT-Drucks. 15/1514 S. 65). Der vorgenannten gesetzlichen Regelung kommt wegen der Bezogenheit des Einkommensbegriffs des § 115 Abs. 1 ZPO auf denjenigen des Sozialhilferechts auch für die Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe Bedeutung zu.

Darüber hinaus erhält die Klägerin über das Job-Center monatliche SGB II-Leistungen in Höhe von 210,50 EUR als Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. Bescheid vom 15.10.2007 im PKH-Heft). Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II sind als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu behandeln, auch wenn sie neben der Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Soweit nach § 22 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, sind diese an die Stelle des früheren Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz getreten, welches grundsätzlich als Einkommen im Sinne des § 115 ZPO behandelt worden ist (h. M., Zöller/Philippi, 26. Auflage, § 115 ZPO Rn. 15 mit Rechtsprechungsnachweisen). Im Übrigen ist das Arbeitslosengeld II jedenfalls dann als Einkommen im Sinne des § 115 ZPO zu berücksichtigen, wenn die Prozesskostenhilfe begehrende Partei neben dem Arbeitslosengeld II weitere Einkünfte hat, die ihrerseits einzusetzendes Einkommen sind und die zusammen mit dem Arbeitslosengeld II die nach § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO vorzunehmenden Abzüge übersteigen (BGH, Beschluss vom 08.01.2008 – VIII ZB 18/06NJW-RR 2008, 595 = MDR 2008, 523 =FamRZ 2008, 781). Es kann nicht darauf ankommen, dass es sich hierbei um eine staatliche Leistung handelt. Bliebe die SGB II-Leistung außer Betracht, würde die Partei deutlich besser gestellt als eine Partei, die als Arbeitnehmer Einkünfte in gleicher Höhe beziehen würde. Anders als § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, der ausdrücklich bestimmt, dass Leistungen anderer Träger (z. B. des Justizfiskus) nicht deshalb versagt werden dürfen, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind, bestimmt § 5 Abs. 1 SGB II lediglich, dass (auf Rechtsvorschriften) beruhende Leistungen anderer Träger durch die im SGB II vorgesehenen Leistungen nicht berührt werden. Hieraus kann ein Grundsatz, wonach nach dem SGB II gewährte Leistungen im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht herangezogen werden dürften, nicht entnommen werden. Die von der Klägerin bezogenen Leistungen nach dem SGB II sind daher neben ihrem Erwerbseinkommen zu berücksichtigen. Allerdings sind sie nur in der ihr bewilligten Höhe zu berücksichtigen. Bei den Leistungen nach dem SGB II handelt es sich trotz des Konstrukts der Bedarfsgemeinschaft um individuelle Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 RBSGE 97,217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = SGb 2007, 308 = NZS 2007, 328). Nur die aus der Bewilligung resultierenden Einzelansprüche sind als Einkommen zu berücksichtigen. Deshalb ist nur der auf die Klägerin entfallene Anteil in Höhe von 210,50 EUR als Einkommen anrechenbar. Hiernach ergibt sich folgende Berechnung:

Einkünfte Erwerbseinkommen netto 855,46 EUR SGB II-Leistungen 210,50 EUR Kindergeld 72,69 EUR Summe der Einkünfte 1.138,65 EUR

abzüglich Freibeträge für Erwerbstätige, (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b ZPO) 174,00 EUR für die Partei (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO) 382,00 EUR

Für das Kind, gemindert um Einkommen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO) 0,00 EUR

Summe der Freibeträge 556,00 EUR

abzüglich Wohnkosten 476,65 EUR

verbleibendes Einkommen 106,00 EUR

Weitere Absetzungsbeträge waren nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin trotz Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 09. Januar 2009 die angeforderten Nachweise zu den in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegebenen Zahlungsverpflichtungen nicht eingereicht hat und nach dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigte vom 04. Februar 2009 auch nicht einreichen kann.

Aufgrund des einzusetzenden Einkommens sind gemäß § 115 Abs. 2 ZPO monatliche Raten von 45,- EUR auf die Prozesskosten zu erbringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a SGG i. V. m. § 127 Absatz 4 ZPO. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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