L 12 KA 5/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 43 KA 769/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 5/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass die durch die Beklagte vorgenommene Aufrechnung des gegen die Beigeladenen festgesetzten Verordnungsregressbetrags mit der Gesamtvergütungsforderung der Klägerin rechtswidrig war.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand:

Die Klägerin begehrt in Fortsetzung einer für erledigt erklärten Leistungsklage die Feststellung, dass die durch die Beklagte erklärte Aufrechnung eines gegen die Beigeladenen nach Durchschnittswertprüfung festgesetzten Verordnungsregresses mit klägerischen Gesamtvergütungsforderungen rechtswidrig war.
Streitig war zunächst ein Zahlungsanspruch der KVB gegen die AOK Bayern in Höhe von
2.458,69 EUR nebst 5 % Prozesszinsen, die diese ursprünglich im Wege der Leistungsklage verfolgte.

Gegen die beigeladenen Vertragsärzte zu 1. und zu 2. hatte der Beschwerdeausschuss Ärzte Bayern mit Bescheid vom 19. Mai 2003 einen Regress wegen Überschreitung des Arzneimitteldurchschnitts in Höhe von EUR 5.556,63 zugunsten mehrerer Krankenkassen(verbände) festgesetzt. Ein Teilbetrag von 2.458,68 EUR entfiel dabei auf die beklagte AOK Bayern. Nachdem sich die Klägerin geweigert hatte, diesen Betrag sofort an die Beklagte auszuzahlen, erklärte jene die Aufrechnung mit einer fälligen Gesamtvergütungsforderung der Klägerin, die daraufhin Leistungsklage erhob. In Parallelstreitigkeiten wurden ebenso mit Gesamtvergütungsforderungen der Klägerin in Höhe von zunächst 780.000,00 EUR aufgerechnet. Zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung gaben Kläger und Beklagte den derzeit streitigen Betrag mit 422.000 EUR an.

Das Sozialgericht München hat dieser Leistungsklage mit Urteil vom 8. Mai 2007 in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den geforderten Betrag nebst Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen sowie die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Berufung wurde nicht ausdrücklich zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 9. Januar 2008 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2007 zugelassen.

Gegen das sozialgerichtliche Urteil hat die beklagte AOK Bayern Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.

Die beklagte AOK meint, die Klägerin sei mit Bekanntgabe der Beschwerdeausschussentscheidung rechtlich verpflichtet gewesen, den ihr zustehenden Teil der Schadensersatzfestsetzung nach Verrechnung mit dem Honorarkonto des geprüften Arztes an sie abzuführen, weil Klagen von geprüften Ärzten gegen Verordnungsregresse nach Durchschnittswerten keine aufschiebende Wirkung hätten. Zwar bestimme der mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz eingefügte § 106 Abs.5 Satz 7 SGB V, dass (nur) die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte "Honorarkürzung" keine aufschiebende Wirkung habe. Jedoch sei aus der Rechtsentwicklung zu schließen, dass der Begriff der "Honorarkürzung" in einem generellen Zusammenhang als jede "das Honorar tangierende Prüfmaßnahme" zu verstehen sei. Durch das 6. SGG-Änderungsgesetz sei die bisherige Rechtslage nicht dahingehend geändert worden, dass im Gegensatz zum bisherigen Zustand nunmehr eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid nach § 106 SGB V aufschiebende Wirkung zeitigen solle.

Die Einfügung des Satzes 7 sei deshalb erfolgt, weil mit dem 6. SGG-Änderungsgesetz das Regel-/Ausnahmeverhältnis bzgl. des Eintritts aufschiebender Wirkung (bis dahin: grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung) gleichsam umgekehrt wurde. Nach den neuen §§ 86a, b SGG entfalle heute die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nur dann, wenn dies im Gesetz geregelt sei. Unter diesem Gesichtspunkt habe der Gesetzgeber eine Ergänzung im Sinne eines Festhaltens am alten Zustand vorgenommen. Auch der 14. Ausschuss (BT-Drs. 1471/70 S.16) gehe in der Begründung seiner Beschlussempfehlung zum ABAG wie selbstverständlich davon aus, dass sich an der bisherigen Rechtslage nichts geändert habe. Eine Änderung im Sinne der Einführung einer aufschiebenden Wirkung für Verordnungsregresse sei mit der Einfügung des Satzes 7 nicht beabsichtigt worden. Auch sei auf die BT-Drs. 1463/35 S.33 zu verweisen.

Damit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Schadensersatzbetrag - nach Verrechnung auf dem Arztkonto - an die AOK auszukehren. Da sie das nicht getan habe, sei eine Aufrechnungslage entstanden. Auch im öffentlichen Recht sei die Aufrechnung unter den Voraussetzungen der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der beiderseitigen Ansprüche in entsprechender Anwendung des § 387 BGB jedenfalls dann zulässig, wenn sich - wie hier - zwei öffentlich-rechtliche Körperschaften gleichgeordnet gegenüber stünden und beide Forderungen dem öffentlichen Recht angehörten (BSG, Urteil vom
21. November 1986, 6 RKa 5/86). Man habe in Parallelfällen zuvor bereits mehrmals Leistungsklage gegen die KVB erhoben. Bevor jedoch darüber entschieden worden sei, habe das Sozialgericht auf die Arztklage hin eine Entscheidung getroffen, so dass sich das Verfahren erledigt habe. Man habe sich daher zur Aufrechnung entschlossen, um eine Klärung herbeizuführen.

Auch die Beigeladenen hatten die Entscheidung des Beschwerdeausschusses mit Klage zum Sozialgericht München angefochten. Nach den Angaben der Beteiligten endete der Rechtsstreit im Juli 2008 dort durch Vergleich (Reduzierung des Regressbetrags). Während die Beklagte nunmehr 2.458,68 EUR an die Klägerin leistete, schrieb die Klägerin der Beklagten den reduzierten Regressbetrag im laufenden Kontokorrentverkehr gut.

Am 27.11.2008 erklärte die Klägerin im Hinblick auf die Zahlung die Leistungsklage als Feststellungsklage fortsetzen zu wollen und stellte ihre Anträge entsprechend um.

Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 8. Mai 2007 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Berufung zurückzuweisen sowie festzustellen, dass die von der Beklagten vorgenommene streitgegenständliche Aufrechnung rechtswidrig war.

Sie vertritt die Meinung, dass der Klage und der Berufung hier keine aufschiebende Wirkung zukomme. Letztendlich komme es wegen § 52 BMV-Ä/RK und § 10 Abs. 2 Bayerischer Gesamtvertrag-Ärzte/Regionalkassen darauf nicht an. Man habe daher vor Ende des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht zu Recht keine Verrechung auf dem Arztkonto mit anschließender Abführung des Schadensersatzbetrages an die AOK vorgenommen.

Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Beklagte an ihrer pflichtwidrigen Verhaltensweise nach wie vor festhalte. Ohne den Feststellungsantrag könne man eine Klärung der Streitfrage nicht herbeiführen, weil sich die erhobenen Leistungsklagen wegen der kürzeren Verfahrensdauer der Arztklagen, die in der Regel in nur eine Instanz abgeschlossen würden, erledigten. In vielen Parallelverfahren bestünde eine identische Problematik.

In der Klageschrift war ausgeführt worden, dass gem. § 69 Abs.1 Satz 1 SGB V die Rechtsbeziehungen abschließend geregelt seien und eine Anwendung des § 387 BGB unstatthaft sei. Ungeachtet dessen habe die Klage des Vertragsarztes gegen den Verordnungsregress aufschiebende Wirkung. Dies ergebe sich ab dem 2. Januar 2002 aus § 86 Abs.1 Satz 1 SGG. Die aufschiebende Wirkung entfalle nur in Ausnahmefällen, die durch das Gesetz ausdrücklich geregelt seien. Vom Gesetz vorgesehene Ausnahmefälle seien stets eng auszulegen (vgl. § 86a Abs.2 Nr.4 SGG). In § 106 Abs.5 Satz 7 SGB V und
§ 106 Abs.5a Satz 6 SGB V seien solche Bestimmung getroffen worden. Die letztgenannte Norm betreffe nur das Prüfverfahren bei Richtgrößenprüfung. Die erstgenannte Norm betreffe nur eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte Honorarkürzung. Auch Art.3
§ 2 ABAG enthalte nichts Abweichendes. Die von der Gegenseite zitierte Begründung im Ausschussbericht zu Art.3 § 2 ABAG beziehe sich nicht auf das Verhältnis Verordnungsregress - Honorarregress, sondern auf die Prüfverfahren gemäß Übergangsregelung. Im Übrigen bestehe nach § 52 BMV-Ä/RK und § 10 Abs. 2 GV-RK solange keine Forderung, wie eine sozialgerichtliche Entscheidung nicht vorliege.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Übergang von der Leistungsklage zur Feststellungsklage stellt nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 u. 3 SGG keine Klageänderung dar (Meyer-Ladewig, SGG, § 99 Rn. 4 m.w.N.).

Auch ist das Bestehen eines Feststellungsinteresses zu bejahen. Der Senat wendet § 131 Abs. 1 S. 3 SGG auf den Fall der Erledigung einer allgemeinen Leistungsklage entsprechend an (BayVGH, BayVbl 92, 310; Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 131 Rn. 7c m.w.N.). Das berechtigte Interesse ergibt sich aufgrund des Bestehens einer Wiederholungsgefahr.

Die Feststellungsklage erweist sich in der Sache als begründet, weil sich die durch die Beklagte vorgenommene Aufrechnung mit fälligen Gesamtvergütungsforderungen der Klägerin als rechtswidrig darstellt. Die beantragte Feststellung war daher zu treffen und die Berufung der Beklagten als unbegründet abzuweisen.

Der Senat neigt der Ansicht zu, dass seit dem 1. Januar 2004 § 387 BGB bezüglich der Voraussetzungen einer zulässigen Aufrechnung gegen die Gesamtvergütung im Verhältnis der Partner der Sicherstellung auf Landesebene nicht mehr entsprechend anwendbar ist. Nur bis zu diesem Zeitpunkt geht der Senat davon aus, dass § 69 SGB V eine Aufrechnung einer Forderung gegen die KVB mit einer Gesamtvergütungsforderung der KVB nach Maßgabe des § 387 BGB erlaubte.

Nach § 69 Satz 1 SGB V in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung regeln dieses (4.) Kapitel sowie die §§ 63 und 64 die Rechtsbeziehung der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apothekern sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden ( ...) abschließend. Nach Satz 2 gelten für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 im Übrigen die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbart sind.

Eine Aufrechungsbefugnis findet sich im 4. Kapitel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch nicht normiert. Allerdings sind nach § 75 Abs.1 Satz 3 SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung die Krankenkassen zur Einbehaltung eines Teils der Gesamtvergütung befugt, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag aus zu vertretenden Gründen nicht nachkommt.
Davon abgesehen dürfen gem. § 106 Abs.5c Satz 2 SGB V die Krankenkassen nach Maßgabe der Gesamtverträge bei Festsetzung eines Verordnungsregresses nach Richtgrößen die Gesamtvergütung verringern. Auch hier handelt es sich nicht um eine Aufrechnung. Im Gegensatz zur Durchschnittswertprüfung sieht die Richtgrößenprüfung eine Umformung des Schadensersatzanspruches gegen den Arzt in einen solchen gegen die KV vor. Dieses System ist auf Durchschnittswertprüfungen nicht übertragbar.

Eine Aufrechnungsberechtigung ergibt sich allein aus § 10 Abs. 2 des zwischen der KVB und den Regionalkassenverbänden geschlossenen Bayerischen Gesamtvertrags -
(-BayGV-Ä/RK-), die jedoch auf den laufenden Kontokorrentverkehr begrenzt ist (dazu siehe unten).

Aufgrund dessen und auch im Hinblick auf die hohen Pflichten, die das Gesetz (§ 72
Abs. 2 SGB V) an die Partner der gemeinsamen Sicherstellung hinsichtlich einer reibungslosen Zusammenarbeit stellt, nimmt der Senat an, dass niederschwelligere Pflichtverletzungen, als die in § 75 Abs.1 Satz 3 SGB V genannte Verletzung des Sicherstellungsauftrags, eine Krankenkasse nicht zu einer Einbehaltung und insbesondere nicht zu einer auf eine entsprechende Anwendung des § 387 BGB gestützten Aufrechnung mit der Gesamtvergütungsforderung berechtigt.

Denn die Aufrechnung von (vermeintlichen) Forderungen gegen die Gesamtvergütung kann erhebliche Verwerfungen der Systemstabilität mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund beinhaltet § 75 Abs. 1 S. 3 SGB V einen umfassenden Interessensausgleich bei schweren Pflichtverletzungen der Ärzteseite. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber auch bei schweren Leistungsstörungen den Krankenkassen nur ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht zubilligt, dass zu keinem Erlöschen von Gesamtvergütungsansprüchen führt. Da die Norm keinerlei Aufrechnungsbefugnis einräumt, stellt sich die entsprechende Heranziehung des § 387 BGB mit seinen geringeren Voraussetzungen als unvereinbar mit dem Zweck des § 75 Abs. 1 S. 3 SGB V dar. Eine Heranziehung des § 387 BGB ist nur denkbar, soweit nicht eine Aufrechnung einer Krankenkasse mit einer Gesamtvergütungsforderung der KÄV zur Prüfung steht.

Mithin erscheint die Begründung eines Aufrechnungsrechts der Krankenkasse gegen eine Gesamtvergütungsforderung nur auf der Grundlage etwaiger normvertraglich vereinbarter Regelungen ohne Rückgriff auf zivilrechtliche Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches statthaft. Im Übrigen ist ihr zuzumuten, ihre vermeintliche Forderung durch Leistungsklage durchzusetzen.

Aber selbst dann, wenn man - entgegen der Auffassung des Senats - von einer entsprechenden Heranziehung des § 387 BGB ausginge, stellt sich die Aufrechnung als rechtswidrig und unwirksam dar.

Die Aufrechung setzt das Bestehen einer Aufrechnungslage in Gestalt von sich gegenüberstehenden, gleichartigen, fälligen Forderungen voraus. Mithin muss der Forderung der KVB auf Gesamtvergütung eine Geldforderung der Krankenkasse gegen die KVB zustehen. Der Verordnungsregressanspruch stellt jedoch eindeutig eine Schadensersatzforderung der Krankenkasse gegen den seine Wirtschaftlichkeitspflichten vernachlässigenden Vertragsarzt dar.

Vom Regressanspruch der Krankenkasse gegen einen Vertragsarzt zu unterscheiden ist der Weg seiner Festsetzung und Vollziehung. Die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs erfolgt nicht in einem Zweierrechtsverhältnis zwischen der Krankenkasse und dem Arzt, sondern ist besonderen Prüfgremien übertragen. Erst die umsetzende Abwicklung des festgesetzten Regresses vollzieht sich im Verrechnungs- und Auskehrungswege über die KÄV, die für die Festsetzung des Honoraranspruchs des Arztes zuständig ist.

Das bedeutet aber keine Umformung des Schadensersatzanspruches der Kasse gegen den Arzt in einen solchen gegen die KÄV. Für eine solche Umformung der Rechtsbeziehungen, die durch das System der Viereckbeziehung und das Fehlen einer direkten Verbindung zwischen Kasse und Arzt motiviert sein könnte, bedarf es einer entsprechenden Norm. Eine solche Norm ist nur für die Richtgrößenprüfung in § 106 Abs.5c SGB V geschaffen. Diese ist für die Durchschnittswertprüfung nach dem eindeutigen Wortlaut nicht anwendbar.

Handelt es sich jedoch um einen Sekundäranspruch der Kasse gegen den Vertragsarzt, kann eine Aufrechnung gegenüber der KÄV nicht erfolgen (BSG vom 18. Dezember 1996, 6 RKa 66/95, SozR 3-1300 § 113 Nr.3).

Eine Aufrechnung gem. § 387 BGB, seine entsprechende Anwendbarkeit hinzugedacht, kommt erst in Betracht, wenn die Krankenkasse aufgrund des Einziehungsverhältnisses Arzt - KÄV eine Forderung auf Auskehrung des Schadensersatzes gegen die KÄV erwirbt und diese fällig wird. In diesem Zusammenhang käme es auf die zwischen den Beteiligten heftig diskutierte aufschiebende Wirkung erst an, wenn eine Norm eine solche Einziehungspflicht gegenüber dem Arzt bei Auskehrungspflicht an die Kasse an die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes des Arztes gegen den Regress knüpfen würde.

In diesem Zusammenhang haben die Partner der Sicherstellung auf Bundesebene in § 52 Bundesmantelvertrag Ärzte/Regionalkassen (-BMV-Ä/RK-) normiert, dass über die Erfüllung von nachgehenden Berichtigungsansprüchen sowie Schadensersatzansprüchen aus Feststellungen der Prüfgremien die Vertragspartner der Gesamtverträge und die Vertragspartner der Prüfvereinbarung nähere Regelungen treffen. Nach Absatz 2 haben sie bei Ausgestaltung dieser Regelungen den Grundsatz zu berücksichtigen, dass die Kassenärztliche Vereinigung Schadensersatzforderungen der Krankenkasse durch Aufrechnung gegen Honorarforderungen des Vertragsarztes erfüllt, wenn in einem erstinstanzlichen Urteil eines Sozialgerichts die Forderung bestätigt wird.

Aus dem systematischen Zusammenhang der Norm im 12. Abschnitt des Bundesmantelvertrags ist zu schließen, dass die in § 52 BMV-Ä/RK enthaltenen Begriffe "festgestellte Schadensersatzansprüche" und "Schadensersatzforderungen der Krankenkassen" nicht ausschließlich solche meinen, die auf einem sog. "sonstigen Schaden" oder einem "Behandlungsfehler" beruhen, sondern auch Verordnungsregressforderungen umfassen, die ihrer Natur nach Schadensersatzforderungen sind. Der 12. Abschnitt ist als "Prüfung der Abrechnung und der Wirtschaftlichkeit, Sonstiger Schaden" betitelt. Die §§ 45 - 51 BMV-Ä/RK bestimmen u.a. näheres zu Voraussetzungen und Feststellung von Schadensersatzansprüchen aufgrund unterschiedlicher Pflichtverletzungen. So beschäftigt sich § 47 BMV-Ä/RK mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Behandlungs- und Verordnungsweise, während in § 48 BMV-Ä/RK Regelungen zum sonstigen Schaden, in § 50 BMV-Ä/RK zu Schadensersatzansprüchen aufgrund von Behandlungsfehlern und in § 49 BMV-Ä/RK zu Schadensersatzansprüchen aufgrund weiterer Pflichtverletzungen getroffen sind. Der Regelungskontext schließt in Gestalt des § 52 BMV-Ä/RK mit einer Norm ab, in der vereinbart ist, in welcher Weise die Auskehrung der nach den vorangegangenen Normen festgestellten Schadensersatzansprüche erfolgt. Zudem steht auch der Wortlaut des § 44 Abs. 1 BMV-Ä/RK der Auslegung entgegen, dass die Terminologie des Abschnitts unter dem Begriff des Schadensersatzanspruchs nicht den Verordnungsregress erfassen will. Denn dort werden ausdrücklich "Schadensersatzansprüche" erwähnt und diese näher erläutert als solche, "welche eine Krankenkasse ( ...) gegen den Arzt geltend macht und für deren Prüfung und Feststellung nicht die Verfahren nach §§ 47, 48 und § 49, vorgeschrieben sind ...".
§ 47 BMV-Ä/RK betrifft aber gerade Verordnungsregresse. Dieser Eingrenzung hätte es nicht bedurft, wenn Verordnungsregressansprüche und Schadensersatzansprüche begrifflich abgrenzend zu verstehen wären.

Unter Zugrundelegung dessen ergibt sich ein gesamtvertraglicher Regelungsauftrag bezüglich Einziehung und Auskehrung, wobei eine Verknüpfung mit der Entscheidung des Sozialgerichts herzustellen ist.

Als gesamtvertragliche Norm, die eine Umsetzung des Regelungsauftrags nahelegt, stellt sich allein § 10 Abs. 2 BayGV-Ä/RK dar. Während § 10 Abs. 1 BayGV-Ä/RK die Zahlung der Gesamtvergütung und die einschlägigen Zahlungstermine betrifft, regelt dessen Absatz 2, dass Beträge aus rechtswirksamen Honorarkürzungen, auf deren Rückzahlung die Krankenkasse Anspruch hat, sowie Regress- und Schadensbeträge im laufenden Kontokorrentverkehr verrechnet werden und ohne Einfluss auf die Zahlungsfrist sind.

Die Regelung bedarf der Interpretation. Sie gewährt nach ihrem Wortlaut zunächst eine sofortige Aufrechnungsbefugnis und -verpflichtung, die an sich keine ausdrückliche Aufrechnungserklärung voraussetzt, wobei die "Verrechnung" nur innerhalb des laufenden Kontokorrentverkehrs und nicht außerhalb dessen, etwa durch Aufrechnung gegen fällige Gesamtvergütung erfolgen darf. Gegenforderung und Verrechnung sollen ausdrücklich die fristgerechte Zahlung der Gesamtvergütung nicht verhindern oder vermindern ("und sind ohne Einfluss auf die Zahlungsfrist"). Auch bei fälligen Auskehrungsansprüchen soll die Gesamtvergütung ungekürzt gezahlt werden. Mithin stützt auch § 10 Abs. 2 BayGV-Ä/RK eine Aufrechnung gegen fällige Gesamtvergütung nicht. Eine Heranziehung des
§ 387 BGB würde dieser normvertraglichen Regelung zu widerlaufen.

Dagegen wird der Zeitpunkt der Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs der Krankenkasse gegen die KÄV nicht ausdrücklich bestimmt. Der Senat entnimmt jedoch dem Wortlaut "rechtswirksamen ( ...) Regressbeträge" eine Bezugnahme auf die durch § 52 Abs. 2 BMV-Ä/RK vorgegebene Anknüpfung an die erstinstanzliche Entscheidung. Damit tritt die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs erst zum Zeitpunkt der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung des Sozialgerichts über die Klage des Arztes gegen die Schadensersatzfestsetzung ein, sofern eine solche erhoben ist. Die durch die Bundesmantelvertragspartner vereinbarte Risikoverteilung zur Einziehung und Auskehrung ist auch Inhalt der gesamtvertraglichen Vereinbarung zwischen Klägerin und Beklagten. Ein früherer Eintritt der Fälligkeit würde selbst dann nicht eintreten, wenn man - mit der Beklagten - von einer sofortigen Vollziehbarkeit des Regressbescheids aufgrund Durchschnittswertprüfung trotz dagegen fristgerecht erhobener Klage ausgehen würde. Umgekehrt zerstört eine Fortsetzung des Rechtsstreits in höheren Instanzen die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs nicht. Sollte an diesem Interessenausgleich aufgrund fortschreitender Rechtsentwicklung nicht mehr festgehalten werden, obliege es der Autonomie der Bundesmantelvertragspartner, den § 52 BMV-Ä/RK zu ändern, indem man z.B. die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs bei Nicht-Richtgrößenprüfungen an die Vollziehbarkeit des Beschwerdeausschussbescheids anknüpft.

Aber selbst dann, wenn man "rechtswirksam" als Eintritt der Vollziehbarkeit im Sinne des Fehlens aufschiebender Wirkung und zusätzlich die bundesmantelvertragliche Anknüpfung nur als Festlegung des spätesten Zeitpunkts für die Fälligkeit des Auskehrungsanspruchs verstehen würde, käme eine Aufrechnung außerhalb des laufenden Kontokorrentverkehrs nicht in Betracht. Auf die Frage des Eintritts aufschiebender Wirkung einer Klage gegen die Regressfestsetzung bei Durchschnittswertprüfung ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht einzugehen.

Daher waren nach Übergang der Klägerin von der Leistungsklage zu einer fortsetzenden Feststellungsklage festzustellen, dass die durch die Beklagte vorgenommene Aufrechnung des (gegen die Beigeladenen mit Bescheid des Beschwerdeausschusses vom
19. Mai 2003) festgesetzten Verordnungsregresses mit der Gesamtvergütung rechtswidrig war und die Berufung der Beklagten abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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