Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 U 34/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 50/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 23. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 hat die Beklagte bei dem 1948 geborenen Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit festgestellt (Ziff. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung). Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Die Beklagte stützte sich auf die Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. P. vom 15. Februar 1996 und der Orthopäden Dr. B./P. vom 3. Juli 1997.
Am 1. März 2004 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides, da sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Er übersandte ein Attest des Allgemeinarztes
Dr. B. vom 26. Februar 2004, der chronische Schmerzen aufgrund ausgeprägter degenerativer Veränderungen der Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke bestätigte.
Im Gutachten vom 21. September 2004 führte der Orthopäde Dr. H. aus, die Gesamtbeweglichkeit habe sich weiter verringert, die subjektiv geäußerte Beschwerdesymptomatik deutlich zugenommen, und die röntgenologisch nachweisbaren Wirbelsäulenveränderungen wiesen eine leichte Zunahme auf. Im Hinblick auf die anlagebedingten Formveränderungen der Wirbelsäule im Sinn einer thorakolumbalen Seitverbiegung mit vermehrter Rundrückenbildung, die die Entstehung und das Fortschreiten degenerativer Prozesse an den kleinen Wirbelgelenken förderten, sei von einer anlagebedingten Mitverursachung von 50% auszugehen. Bei einer unabhängig von der Verursachung festzustellenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. sei die beruflich bedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule also mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten.
Mit Bescheid vom 3. November 2004 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis der Untersuchung mit und übersandte ihm das Gutachten.
Der Kläger wandte mit Widerspruch vom 6. Dezember 2004 ein, sein Gesundheitszustand sei nicht zutreffend bewertet. Er leide an Verschleiß der Lendenwirbel, Bandscheibenvorfall, starken Kopfschmerzen, Schmerzen in beiden Beinen und Knien, Versteifung des Rückens.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 23. Juni 2005 erklärte Dr. H., die Kern-spintomographie vom 12. August 2003 zeige mittelgradige spondylarthrotische Veränderungen der mittleren und unteren Lendenwirbelsäule. Hinweise auf einen kompletten Bandscheibenvorfall oder höhergradige degenerative Veränderungen ergäben sich nicht. Die Aufnahmen bestätigten die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2006 zurück.
Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus, die Schmerzen an der Lendenwirbelsäule hätten an Intensität stark zugenommen. Es bestünden ein Bandscheibenprolaps bei L4/L5, außerdem Schmerzausstrahlungen in beide Beine und ein chronisches Schmerzsyndrom sowie eine Verringerung der Gesamtbeweglichkeit. Die MdE sei mit mindestens 20 v.H. zu bewerten.
Das Sozialgericht zog Berichte der behandelnden Ärzte bei und ernannte den Chirurgen Dr. M. zum ärztlichen Sachverständigen.
Im Gutachten vom 19. Oktober 2006 führte Dr. M. aus, derzeit bestehe eine akute Lumboischialgie, die aber nicht Grundlage für die Bewertung der MdE sein könne, da das durchschnittliche Ausmaß der Erkrankung und nicht eine vorübergehende akute Erkrankung zu Grunde zu legen sei. Die Messung nach Schober, die die Entfaltungsmöglichkeit der Wirbelsäule betreffe, habe sich nicht geändert. Es ergäben sich heute etwa die gleichen Funktionswerte wie 2004, so dass die MdE weiterhin mit 10 v.H. zu bewerten sei.
Der Kläger übersandte ein Attest des Allgemeinmediziners B. vom 11. August 2005: der Kläger sei arbeitsunfähig wegen ausgeprägter degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Skoliose, Coxarthrose, Arthrose des oberen Sprunggelenks, Spinalkanalstenose, Kyphose der Brustwirbelsäule, Gonarthrose. Außerdem bestünden eine Hyperurikämie und Hypertonie sowie ein chronisches Schmerzsyndrom. Im Gutachten vom 18. Juli 2006 in der Schwerbehindertenstreitsache des Klägers bewertete der ärztliche Sachverständige Dr. K. die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Schultergelenke mit einem GdB von 30, die Funktionsbehinderung der Hüft- und Kniegelenke und eine Fußfehlform beidseits mit einem GdB von 20. Es bestünden Nerven- und Muskelreizerscheinungen.
Die auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopädin Dr. N. führte im Gutachten vom 13. Juni 2007 aus, die Beweglichkeit sei in allen Wirbelsäulenabschnitten erheblich eingeschränkt, obwohl jetzt keine akute Exazerbation der Lumboischialgie bestehe. Im Vergleich zu den Gutachten von 1997 und 2004 habe sich die Beweglichkeit weiter verschlechtert. Inzwischen bestehe ein neurologischer Ausfall im Dermatom S1 am rechten Unterschenkel. Diese Hyposensibilität werde bereits im Bericht des Dr. D. vom 7. August 2006 und von Dr. K. im Gutachten vom 18. Juli 2006 beschrieben. Die Röntgenbefunde hätten sich insofern verschlechtert, als es inzwischen zu einer Stenose von mehreren Neuroforamina im Bereich der HWS und der LWS gekommen sei. Die degenerativen Veränderungen an den Hüften, Kniegelenken und Schultern bestünden unverändert weiter. Die MdE sei mit 40 v.H. zu bewerten, wobei allerdings 50% auf die anlagebedingte Kyphoskoliose zurückzuführen seien. Die durch die Berufskrankheit bedingte MdE betrage 20 v.H ...
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2007 ab und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. M ... Wenn Dr. N. eine MdE von 40 v.H. für erhebliche funktionelle Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten annehme und unter Berücksichtigung des Vorschadens die MdE für die Berufskrankheit mit 20 v.H. bewerte, verkenne sie, dass die Berufskrankheit lediglich Schäden an der Lendenwirbelsäule erfasse und daher auch nur die an der Lendenwirbelsäule vorhandenen Gesundheitsstörungen zu bewerten seien. Wenn Dr. N. dies beachtet hätte, hätte sie die MdE niedriger eingeschätzt.
Im Berufungsverfahren erklärte der Kläger, Dr. N. bewerte die Wirbelsäulenbeschwerden mit einer Gesamt-MdE von 40 v.H., wovon 50% auf anlagebedingte Schäden, 50% auf die Folgen der Berufskrankheit entfielen.
Auf Anfrage des Senats erklärte Dr. N. in der ergänzenden Stellungnahme vom 15. April 2008, die funktionellen Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten seien in ihrer Gesamtheit mit einer MdE von 50 bis 70 v.H. zu bewerten. Die MdE von 40 v.H. beziehe sich allein auf die Lendenwirbelsäule, wovon dann 50% als durch die berufliche Belastung bedingt gewertet würden.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten vom 26. Mai 2008 aus, bei weitgehend unverändertem Bewegungsbefund, einer generalisierten Zunahme der radiologisch beschriebenen Verschleißerscheinungen auf der Basis eines metabolischen Syndroms und einer segmental nicht zuzuordnenden Sensibilitätsstörung am Unterschenkel sei keine Änderung im Sinne einer Verschlimmerung festzustellen. Ein wesentlicher Teil der vom Kläger verstärkt empfundenen subjektiven Beschwerden sei multifaktoriell bedingt. In den Objektivbefunden sei mit Sicherheit keine Verschlimmerung hinsichtlich des Funktionsstatus eingetreten, da Dr. N. im Gutachten vom 13. Juni 2007 ein Schober-Zeichen von 10: 14 cm beschrieben habe, und in den beiden Vergleichsgutachten Schober-Zeichen zwischen 10: 14,5 cm und 10: 13, 5 cm festgehalten seien. Innerhalb der üblichen Messbreite sei also die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule annähernd gleich geblieben. Aus einer unklaren Sensibilitätsstörung am Unterschenkel im Dermatom S1auf eine neurologische Symptomatik im Sinne der Verschlimmerung zu schließen, sei mehr als gewagt. Zudem sei der Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper gefunden worden, betreffe also nicht das Segment S1. Nur die segmentale Zuordnung neurologischer Ausfallerscheinungen sei als Berufskrankheit zu werten. Die von Dr. N. als Verschlimmerung bezeichneten zunehmenden radiologischen Veränderungen beträfen, wie auch Dr. N. selbst ausdrücklich erwähne, nicht nur die Lendenwirbelsäule, sondern auch die Halswirbelsäule. Sie seien also Hinweis auf eine schicksalsbedingte Zunahme der Verschleißschäden. Eine Neuroforamenstenose könne nicht als bandscheibenbedingte Erkrankung definiert werden. Denn solche Stenosen entwickelten sich in der Regel auf der Basis einer Zunahme knöcherner Anbauten von Wirbelbogengelenken, die beim Kläger Ausdruck des wiederholt beschriebenen metabolischen Syndroms seien.
Der Kläger erklärte hierzu im Schreiben vom 25. Juli 2008, nicht nur Bandscheibenvorfälle könnten zu neurologischen Ausfällen führen, sondern auch die Degeneration der Bandscheibe, in seinem Fall bei L5/S1. Daher sei die Stenose im Zusammenhang mit der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu sehen. Eine akute Lumboischialgie sei zwar keine Grundlage für die MdE-Bewertung, bei sehr häufig auftretenden Lumboischialgien handle es sich aber um ein zu berücksichtigendes Beschwerdeausmaß. Beantragt wurde die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG von Dr. N ... Es bestehe noch Erklärungsbedarf, da Dr. F. ein metabolisches Syndrom als Ursache für die radiologischen Veränderungen ansehe. Mit diesem Aspekt habe sich Dr. N. noch nicht auseinander gesetzt.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Regensburg vom 23. November 2007 sowie des Bescheides vom 3. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2006 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. ab 7. August 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Der vom Senat zur weiteren Klärung der medizinischen Problematik gehörte Sachverständige, der Orthopäde Dr. F., hat überzeugend erläutert, dass eine wesentliche Verschlimmerung der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2108 nicht gegeben ist.
In Übereinstimmung mit Dr. H., Dr. M. und auch Dr. N. hat Dr. F. darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher Teil der vom Kläger geklagten Beschwerden multifaktoriell bedingt ist. So bestehen Schmerzen an der gesamten Wirbelsäule, also nicht nur an der Lendenwirbelsäule, an den Schultern, Hüften und Knien. Dr. N. hat auf die ständigen Nackenschmerzen hingewiesen. Festzustellen sind zudem ein Beckentiefstand und eine Wirbelsäulenskoliose mit Hohl-Rundrücken.
In den Objektivbefunden ist mit Sicherheit keine Verschlimmerung hinsichtlich des Funktionsstatus eingetreten. Dr. N. hat ein Schober-Zeichen von 10: 14 cm beschrieben; in den Gutachten von 1996 und 1997 waren Schober-Zeichen zwischen 10: 14,5 cm und
10: 13,5 cm angegeben. Innerhalb der üblichen Messbreite ist also die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule annähernd gleich geblieben. Eine Zunahme der Bewegungseinschränkung, wie sie Dr. N. im Gutachten als Ausdruck der Verschlimmerung angibt, ist daher nicht zu objektivieren.
Die von Dr. M. festgestellte akute Lumboischialgie kann keine Grundlage für die Bewertung der MdE sein, da das durchschnittliche Ausmaß der Erkrankung und nicht ein vorübergehender akuter Zustand zu Grunde zu legen ist. Wie die von Dr. N. erhobenen Werte zeigen, war zum Zeitpunkt der Untersuchung bei ihr die akute Nervenwurzelreizsymptomatik in Form der Ischialgie bereits wieder abgeklungen.
Außerhalb der Zunahme der Bewegungseinschränkung führte Dr. N. neurologische Ausfälle in Form einer Hyposensibilität am rechten Unterschenkel als Ausdruck der Verschlimmerung an. Dabei handelt es sich um eine verminderte Sensibilität im Dermatom S1, nicht zu vereinbaren, wie Dr. F. betont, mit dem im Entlassungsbericht vom Heilverfahren vom 13. Oktober 2005 beschriebenen Bandscheibenvorfall bei L4/5. Nur die segmentale Zuordnung neurologischer Ausfallerscheinungen ist als Berufskrankheit zu werten; dies hat Dr. N. nicht berücksichtigt. Die Sensibilitätsstörung geht nicht von dem von degenerativen Erscheinungen am meisten betroffenen Segment aus.
Die von Dr. N. als Verschlimmerungsfaktor bezeichneten zunehmenden radiologischen Veränderungen betreffen, worauf sie selbst hingewiesen hat, nicht nur die Lendenwirbelsäule, sondern auch die Halswirbelsäule. Insofern sind sie Hinweis auf eine schicksalbedingte Zunahme der Verschleißschäden, wobei eine Neuroforamenstenose, so Dr. F., nicht als bandscheibenbedingte Erkrankung definiert werden kann. Foramenstenosen entwickeln sich in der Regel auf der Basis einer Zunahme knöcherner Anbauten von Wirbelbogengelenken, beim Kläger Ausdruck des wiederholt beschriebenen metabolischen Syndroms.
Wesentliche objektive Befunde, die eine Verschlimmerung belegen könnten, sind also bei weitgehend unverändertem Bewegungsbefund, einer generalisierten Zunahme der radiologisch festzustellenden Verschleißerscheinungen und einer segmental nicht zuzuordnenden Sensibilitätsstörung nicht nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Laufe des Lebens Frequenz und Intensität bandscheibenbedingter Erkrankungen ein Maximum im mittleren Lebensabschnitt zwischen 30 und 45 Jahre erreichen und dann ab dem 50. Lebensjahr allmählich abklingen. Im Normalfall reduziert sich eine bandscheibenbedingte Erkrankung innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre aufgrund der Unterlassung wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten und bei adäquater konservativer Behandlung auf ein lokales Lumbalsyndrom mit einer MdE von unter 10 v.H ... Als Gründe für die Spontanbesserung werden Schrumpfen des Prolapses, rückläufige neurologische Symptomatik und Verfestigung der Bandscheiben genannt.
Eine weitere medizinische Sachaufklärung war im Hinblick auf die ärztlichen Gutachten von Dr. H. im Verwaltungsverfahren sowie von Dr. M., Dr. N., Dr. F. im Klage- und Berufungsverfahren nicht veranlasst. Dr. F. hat in seinen Ausführungen ausdrücklich Bezug genommen auf das Gutachten des Dr. M., zu dem Dr. N. ihrerseits Stellung nehmen konnte. Neue Tatsachen wurden nicht eingeführt. Eine erneute Einholung eines Gutachtens von Dr. N. ist daher nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 hat die Beklagte bei dem 1948 geborenen Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit festgestellt (Ziff. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung). Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Die Beklagte stützte sich auf die Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. P. vom 15. Februar 1996 und der Orthopäden Dr. B./P. vom 3. Juli 1997.
Am 1. März 2004 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides, da sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Er übersandte ein Attest des Allgemeinarztes
Dr. B. vom 26. Februar 2004, der chronische Schmerzen aufgrund ausgeprägter degenerativer Veränderungen der Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke bestätigte.
Im Gutachten vom 21. September 2004 führte der Orthopäde Dr. H. aus, die Gesamtbeweglichkeit habe sich weiter verringert, die subjektiv geäußerte Beschwerdesymptomatik deutlich zugenommen, und die röntgenologisch nachweisbaren Wirbelsäulenveränderungen wiesen eine leichte Zunahme auf. Im Hinblick auf die anlagebedingten Formveränderungen der Wirbelsäule im Sinn einer thorakolumbalen Seitverbiegung mit vermehrter Rundrückenbildung, die die Entstehung und das Fortschreiten degenerativer Prozesse an den kleinen Wirbelgelenken förderten, sei von einer anlagebedingten Mitverursachung von 50% auszugehen. Bei einer unabhängig von der Verursachung festzustellenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. sei die beruflich bedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule also mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten.
Mit Bescheid vom 3. November 2004 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis der Untersuchung mit und übersandte ihm das Gutachten.
Der Kläger wandte mit Widerspruch vom 6. Dezember 2004 ein, sein Gesundheitszustand sei nicht zutreffend bewertet. Er leide an Verschleiß der Lendenwirbel, Bandscheibenvorfall, starken Kopfschmerzen, Schmerzen in beiden Beinen und Knien, Versteifung des Rückens.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 23. Juni 2005 erklärte Dr. H., die Kern-spintomographie vom 12. August 2003 zeige mittelgradige spondylarthrotische Veränderungen der mittleren und unteren Lendenwirbelsäule. Hinweise auf einen kompletten Bandscheibenvorfall oder höhergradige degenerative Veränderungen ergäben sich nicht. Die Aufnahmen bestätigten die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2006 zurück.
Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus, die Schmerzen an der Lendenwirbelsäule hätten an Intensität stark zugenommen. Es bestünden ein Bandscheibenprolaps bei L4/L5, außerdem Schmerzausstrahlungen in beide Beine und ein chronisches Schmerzsyndrom sowie eine Verringerung der Gesamtbeweglichkeit. Die MdE sei mit mindestens 20 v.H. zu bewerten.
Das Sozialgericht zog Berichte der behandelnden Ärzte bei und ernannte den Chirurgen Dr. M. zum ärztlichen Sachverständigen.
Im Gutachten vom 19. Oktober 2006 führte Dr. M. aus, derzeit bestehe eine akute Lumboischialgie, die aber nicht Grundlage für die Bewertung der MdE sein könne, da das durchschnittliche Ausmaß der Erkrankung und nicht eine vorübergehende akute Erkrankung zu Grunde zu legen sei. Die Messung nach Schober, die die Entfaltungsmöglichkeit der Wirbelsäule betreffe, habe sich nicht geändert. Es ergäben sich heute etwa die gleichen Funktionswerte wie 2004, so dass die MdE weiterhin mit 10 v.H. zu bewerten sei.
Der Kläger übersandte ein Attest des Allgemeinmediziners B. vom 11. August 2005: der Kläger sei arbeitsunfähig wegen ausgeprägter degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Skoliose, Coxarthrose, Arthrose des oberen Sprunggelenks, Spinalkanalstenose, Kyphose der Brustwirbelsäule, Gonarthrose. Außerdem bestünden eine Hyperurikämie und Hypertonie sowie ein chronisches Schmerzsyndrom. Im Gutachten vom 18. Juli 2006 in der Schwerbehindertenstreitsache des Klägers bewertete der ärztliche Sachverständige Dr. K. die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Schultergelenke mit einem GdB von 30, die Funktionsbehinderung der Hüft- und Kniegelenke und eine Fußfehlform beidseits mit einem GdB von 20. Es bestünden Nerven- und Muskelreizerscheinungen.
Die auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopädin Dr. N. führte im Gutachten vom 13. Juni 2007 aus, die Beweglichkeit sei in allen Wirbelsäulenabschnitten erheblich eingeschränkt, obwohl jetzt keine akute Exazerbation der Lumboischialgie bestehe. Im Vergleich zu den Gutachten von 1997 und 2004 habe sich die Beweglichkeit weiter verschlechtert. Inzwischen bestehe ein neurologischer Ausfall im Dermatom S1 am rechten Unterschenkel. Diese Hyposensibilität werde bereits im Bericht des Dr. D. vom 7. August 2006 und von Dr. K. im Gutachten vom 18. Juli 2006 beschrieben. Die Röntgenbefunde hätten sich insofern verschlechtert, als es inzwischen zu einer Stenose von mehreren Neuroforamina im Bereich der HWS und der LWS gekommen sei. Die degenerativen Veränderungen an den Hüften, Kniegelenken und Schultern bestünden unverändert weiter. Die MdE sei mit 40 v.H. zu bewerten, wobei allerdings 50% auf die anlagebedingte Kyphoskoliose zurückzuführen seien. Die durch die Berufskrankheit bedingte MdE betrage 20 v.H ...
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2007 ab und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. M ... Wenn Dr. N. eine MdE von 40 v.H. für erhebliche funktionelle Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten annehme und unter Berücksichtigung des Vorschadens die MdE für die Berufskrankheit mit 20 v.H. bewerte, verkenne sie, dass die Berufskrankheit lediglich Schäden an der Lendenwirbelsäule erfasse und daher auch nur die an der Lendenwirbelsäule vorhandenen Gesundheitsstörungen zu bewerten seien. Wenn Dr. N. dies beachtet hätte, hätte sie die MdE niedriger eingeschätzt.
Im Berufungsverfahren erklärte der Kläger, Dr. N. bewerte die Wirbelsäulenbeschwerden mit einer Gesamt-MdE von 40 v.H., wovon 50% auf anlagebedingte Schäden, 50% auf die Folgen der Berufskrankheit entfielen.
Auf Anfrage des Senats erklärte Dr. N. in der ergänzenden Stellungnahme vom 15. April 2008, die funktionellen Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten seien in ihrer Gesamtheit mit einer MdE von 50 bis 70 v.H. zu bewerten. Die MdE von 40 v.H. beziehe sich allein auf die Lendenwirbelsäule, wovon dann 50% als durch die berufliche Belastung bedingt gewertet würden.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. F. führte im Gutachten vom 26. Mai 2008 aus, bei weitgehend unverändertem Bewegungsbefund, einer generalisierten Zunahme der radiologisch beschriebenen Verschleißerscheinungen auf der Basis eines metabolischen Syndroms und einer segmental nicht zuzuordnenden Sensibilitätsstörung am Unterschenkel sei keine Änderung im Sinne einer Verschlimmerung festzustellen. Ein wesentlicher Teil der vom Kläger verstärkt empfundenen subjektiven Beschwerden sei multifaktoriell bedingt. In den Objektivbefunden sei mit Sicherheit keine Verschlimmerung hinsichtlich des Funktionsstatus eingetreten, da Dr. N. im Gutachten vom 13. Juni 2007 ein Schober-Zeichen von 10: 14 cm beschrieben habe, und in den beiden Vergleichsgutachten Schober-Zeichen zwischen 10: 14,5 cm und 10: 13, 5 cm festgehalten seien. Innerhalb der üblichen Messbreite sei also die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule annähernd gleich geblieben. Aus einer unklaren Sensibilitätsstörung am Unterschenkel im Dermatom S1auf eine neurologische Symptomatik im Sinne der Verschlimmerung zu schließen, sei mehr als gewagt. Zudem sei der Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper gefunden worden, betreffe also nicht das Segment S1. Nur die segmentale Zuordnung neurologischer Ausfallerscheinungen sei als Berufskrankheit zu werten. Die von Dr. N. als Verschlimmerung bezeichneten zunehmenden radiologischen Veränderungen beträfen, wie auch Dr. N. selbst ausdrücklich erwähne, nicht nur die Lendenwirbelsäule, sondern auch die Halswirbelsäule. Sie seien also Hinweis auf eine schicksalsbedingte Zunahme der Verschleißschäden. Eine Neuroforamenstenose könne nicht als bandscheibenbedingte Erkrankung definiert werden. Denn solche Stenosen entwickelten sich in der Regel auf der Basis einer Zunahme knöcherner Anbauten von Wirbelbogengelenken, die beim Kläger Ausdruck des wiederholt beschriebenen metabolischen Syndroms seien.
Der Kläger erklärte hierzu im Schreiben vom 25. Juli 2008, nicht nur Bandscheibenvorfälle könnten zu neurologischen Ausfällen führen, sondern auch die Degeneration der Bandscheibe, in seinem Fall bei L5/S1. Daher sei die Stenose im Zusammenhang mit der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu sehen. Eine akute Lumboischialgie sei zwar keine Grundlage für die MdE-Bewertung, bei sehr häufig auftretenden Lumboischialgien handle es sich aber um ein zu berücksichtigendes Beschwerdeausmaß. Beantragt wurde die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG von Dr. N ... Es bestehe noch Erklärungsbedarf, da Dr. F. ein metabolisches Syndrom als Ursache für die radiologischen Veränderungen ansehe. Mit diesem Aspekt habe sich Dr. N. noch nicht auseinander gesetzt.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Regensburg vom 23. November 2007 sowie des Bescheides vom 3. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2006 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. ab 7. August 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Der vom Senat zur weiteren Klärung der medizinischen Problematik gehörte Sachverständige, der Orthopäde Dr. F., hat überzeugend erläutert, dass eine wesentliche Verschlimmerung der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2108 nicht gegeben ist.
In Übereinstimmung mit Dr. H., Dr. M. und auch Dr. N. hat Dr. F. darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher Teil der vom Kläger geklagten Beschwerden multifaktoriell bedingt ist. So bestehen Schmerzen an der gesamten Wirbelsäule, also nicht nur an der Lendenwirbelsäule, an den Schultern, Hüften und Knien. Dr. N. hat auf die ständigen Nackenschmerzen hingewiesen. Festzustellen sind zudem ein Beckentiefstand und eine Wirbelsäulenskoliose mit Hohl-Rundrücken.
In den Objektivbefunden ist mit Sicherheit keine Verschlimmerung hinsichtlich des Funktionsstatus eingetreten. Dr. N. hat ein Schober-Zeichen von 10: 14 cm beschrieben; in den Gutachten von 1996 und 1997 waren Schober-Zeichen zwischen 10: 14,5 cm und
10: 13,5 cm angegeben. Innerhalb der üblichen Messbreite ist also die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule annähernd gleich geblieben. Eine Zunahme der Bewegungseinschränkung, wie sie Dr. N. im Gutachten als Ausdruck der Verschlimmerung angibt, ist daher nicht zu objektivieren.
Die von Dr. M. festgestellte akute Lumboischialgie kann keine Grundlage für die Bewertung der MdE sein, da das durchschnittliche Ausmaß der Erkrankung und nicht ein vorübergehender akuter Zustand zu Grunde zu legen ist. Wie die von Dr. N. erhobenen Werte zeigen, war zum Zeitpunkt der Untersuchung bei ihr die akute Nervenwurzelreizsymptomatik in Form der Ischialgie bereits wieder abgeklungen.
Außerhalb der Zunahme der Bewegungseinschränkung führte Dr. N. neurologische Ausfälle in Form einer Hyposensibilität am rechten Unterschenkel als Ausdruck der Verschlimmerung an. Dabei handelt es sich um eine verminderte Sensibilität im Dermatom S1, nicht zu vereinbaren, wie Dr. F. betont, mit dem im Entlassungsbericht vom Heilverfahren vom 13. Oktober 2005 beschriebenen Bandscheibenvorfall bei L4/5. Nur die segmentale Zuordnung neurologischer Ausfallerscheinungen ist als Berufskrankheit zu werten; dies hat Dr. N. nicht berücksichtigt. Die Sensibilitätsstörung geht nicht von dem von degenerativen Erscheinungen am meisten betroffenen Segment aus.
Die von Dr. N. als Verschlimmerungsfaktor bezeichneten zunehmenden radiologischen Veränderungen betreffen, worauf sie selbst hingewiesen hat, nicht nur die Lendenwirbelsäule, sondern auch die Halswirbelsäule. Insofern sind sie Hinweis auf eine schicksalbedingte Zunahme der Verschleißschäden, wobei eine Neuroforamenstenose, so Dr. F., nicht als bandscheibenbedingte Erkrankung definiert werden kann. Foramenstenosen entwickeln sich in der Regel auf der Basis einer Zunahme knöcherner Anbauten von Wirbelbogengelenken, beim Kläger Ausdruck des wiederholt beschriebenen metabolischen Syndroms.
Wesentliche objektive Befunde, die eine Verschlimmerung belegen könnten, sind also bei weitgehend unverändertem Bewegungsbefund, einer generalisierten Zunahme der radiologisch festzustellenden Verschleißerscheinungen und einer segmental nicht zuzuordnenden Sensibilitätsstörung nicht nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass im Laufe des Lebens Frequenz und Intensität bandscheibenbedingter Erkrankungen ein Maximum im mittleren Lebensabschnitt zwischen 30 und 45 Jahre erreichen und dann ab dem 50. Lebensjahr allmählich abklingen. Im Normalfall reduziert sich eine bandscheibenbedingte Erkrankung innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre aufgrund der Unterlassung wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten und bei adäquater konservativer Behandlung auf ein lokales Lumbalsyndrom mit einer MdE von unter 10 v.H ... Als Gründe für die Spontanbesserung werden Schrumpfen des Prolapses, rückläufige neurologische Symptomatik und Verfestigung der Bandscheiben genannt.
Eine weitere medizinische Sachaufklärung war im Hinblick auf die ärztlichen Gutachten von Dr. H. im Verwaltungsverfahren sowie von Dr. M., Dr. N., Dr. F. im Klage- und Berufungsverfahren nicht veranlasst. Dr. F. hat in seinen Ausführungen ausdrücklich Bezug genommen auf das Gutachten des Dr. M., zu dem Dr. N. ihrerseits Stellung nehmen konnte. Neue Tatsachen wurden nicht eingeführt. Eine erneute Einholung eines Gutachtens von Dr. N. ist daher nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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