L 29 B 2244/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 33328/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 2244/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Antragstellerinnen begehren, den Antragsgegner zur vorläufigen Zahlung von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in tatsächlicher Höhe über den 31. Oktober 2008 hinaus zu verpflichten.

Die Antragstellerin zu 1) und ihre Tochter, die Antragstellerin zu 2), beziehen von dem Antragsgegner seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnen eine rund 78 m² große 3-Zimmer-Wohnung mit einem monatlichen Gesamtmietzins von 645,57 EUR ab dem 1. November 2008.

Erstmalig mit Schreiben vom 30. März 2007 forderte der Antragsgegner die Antragsteller zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf, weil für einen 2-Personen-Haushalt nur eine Bruttowarmmiete von 444,00 EUR/monatlich als angemessen anzusehen sei. Hierauf entgegnete die Antragstellerin zu 1) mit Schreiben vom April 2007, sie sei seit über einem Jahr arbeitsunfähig erkrankt und daher nicht in der Lage, Maßnahmen zur Senkung der Wohnkosten zu ergreifen. Mit weiterem Schreiben vom 2. April 2008 forderte der Antragsgegner die Antragsteller erneut zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf, woraufhin die Antragstellerin zu 1) erneut auf ihre Arbeitsunfähigkeit verwies. Der Antragsgegner setzte daraufhin mit Schreiben vom 23. April 2008 eine Frist zur Senkung der Kosten bis zum 31. Oktober 2008. Bis zu diesem Datum (31. Oktober 2008) bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 3. September 2008 den Antragstellern Kosten der Unterkunft in Höhe von zuletzt insgesamt 573,82 EUR. Ebenfalls mit diesem Bescheid (vom 3. September 2008) bewilligte er ab dem 1. November 2008 unter Zugrundelegung eines Betrages von 444,- EUR nach Einkommensanrechnung bei der Antragstellerin zu 2) nur noch monatlich 423,- EUR für die KdU.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin zu 1) am 18. September 2008 mit der Begründung Widerspruch, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, sich wohnlich zu verändern. Sie habe einen Rentenantrag gestellt und betreibe ein Gerichtsverfahren, bis zu dessen Entscheidung ihr Lebensunterhalt vom Arbeitsamt zu zahlen sei. Entsprechend seien weiterhin die Wohnkosten in voller Höhe zu übernehmen. Diesen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2008 zurück.

Am 24. Oktober 2008 hat die Antragstellerin zu 1) bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, umgehend Unterkunfts- und Heizkosten in voller Höhe ab dem 1. November 2008 fortlaufend bis zur Klärung des Rentenverfahrens unter dem Aktenzeichen S 14 R 3431/06 weiter zu gewähren.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 7. November 2008 den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Antragstellerin zu 1) sei aus gesundheitlichen Gründen nicht gehindert, umzuziehen. Aus den im Rentenverfahren eingeholten Gutachten ergebe sich ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Antragstellerin zu 1).

Gegen diesen der Antragstellerin zu 1) am 12. November 2008 zugestellten Beschluss hat sie am 17. November 2008 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Ihr drohe Obdachlosigkeit. Sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ihre Wohnverhältnisse zu ändern. Ihre Tochter besuche zurzeit die 12. Klasse und ihr sei daher ein Umzug ebenfalls nicht zuzumuten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin (S 14 R 3431/06) nebst Verwaltungsakten der Deutschen Rentenversicherung Bund (VSNR ) und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( ), die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Antragstellerinnen, den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 645,57 EUR monatlich auch über den 31. Oktober 2008 hinaus zu übernehmen, zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R – in SozR 4-4200 § 22 Nr. 1) war das Begehren nach § 123 SGG (zunächst) dahingehend auszulegen, dass nicht nur Ansprüche der Antragstellerin zu 1), sondern der gesamten Bedarfsgemeinschaft geltend gemacht werden sollen (so genanntes "Meistbegünstigungsprinzip "), es sei denn, einer solchen Auslegung wird durch die betroffenen Personen widersprochen beziehungsweise eine Bedarfsgemeinschaft bestritten oder einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind offensichtlich vom Leistungsverzug nach dem SGB II ausgeschlossen (BSG a.a.O.). Der Senat hat sich daran zu orientieren, was als Leistung möglich ist, wenn jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSG a.a.O.). Materiellrechtliche Grundlage für die Auslegung des Prozessrechts ist, dass das SGB II keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher, die keine juristische Person darstellt, kennt, sondern dass - außer bei ausdrücklichem gesetzlichen Ausschluss - Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (BSGE a.a.O.). Danach ist neben der Antragstellerin zu 1) auch ihre Tochter als Antragstellerin zu 2) aufzunehmen. Das Aktivrubrum war von Amts wegen entsprechend zu berichtigen.

Auch das so verstandene Begehren konnte keinen Erfolg haben.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung -ZPO-).

In Bezug auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit ab dem 1. November 2008 bis zur Entscheidung des erkennenden Senates steht den Antragstellerinnen kein Anordnungsgrund zur Seite. Maßgebend sind - auch im Beschwerdeverfahren - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Schoch, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Stand März 2008, § 123 Rdnrn. 165, 166 m. w. N. zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht- BVerfG-, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 ). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Derartige Umstände sind jedoch nicht ersichtlich.

Zum einen ist weder glaubhaft gemacht, dass den Antragstellerinnen der Verlust der Wohnung wegen eines Mietrückstands droht (eine Kündigung durch den Vermieter ist weder ausgesprochen noch angedroht worden), noch ist erkennbar, dass die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Zahlungen über den 31. Oktober 2008 hinaus geeignet wären, eine bei einem etwaigen Auflaufen weiterer Mietschulden zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise drohende Kündigung abzuwenden. Eine Glaubhaftmachung der behaupteten drohenden Obdachlosigkeit ist den Antragstellerinnen nicht gelungen. Von ihnen ist nicht einmal vorgetragen, dass aufgrund der geringeren Leistungen für Kosten und Unterkunft eine Kündigung durch den Vermieter oder gar der Verlust der Wohnung konkret bevorsteht.

Zum anderen setzt die ausnahmsweise Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume voraus, dass ein Anordnungsanspruch jedenfalls glaubhaft gemacht ist. Hieran mangelt es im vorliegenden Fall. Die Antragstellerinnen haben nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keinen Anspruch auf Leistung weiterer Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auch über den 31. Oktober 2008 hinaus, weil die Aufwendungen für ihre Unterkunft (in Höhe von 645,57 EUR monatlich brutto warm) den angemessenen Umfang übersteigen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Aus den zur Verfügung stehenden Daten über Wohnlagen, ortsübliche Mieten in Berlin und zu den durchschnittlichen Betriebskosten ergibt sich hier jedenfalls, dass die von dem Antragsgegner mit Bescheid vom 3. September 2008 anerkannten Wohnkosten von 444,00 Euro für die Antragstellerinnen ausreichen, um ihren Bedarf für Aufwendungen für eine im Sinne des § 22 SGB II angemessene Unterkunft zu decken.

Zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten bedarf es zunächst der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße. Hier ist die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen (insbesondere die Werte nach dem Gesetz über die soziale Wohnraumförderung - WoFG – i.V.m. den landesrechtlichen Bestimmungen; vgl. BSG, Urteile vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R – in juris und SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 - und B 7b AS 18/06 R, in juris und NDV-RD 2007, 34). Danach ist in Berlin, mangels Richtlinien zu § 10 WoFG, zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen anzuknüpfen, wie sie sich aus der Mitteilung Nr. 8/2004 vom 15. Dezember 2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ergeben. In Berlin wird die maßgebliche Wohnungsgröße für den Wohnberechtigungsschein in der Regel nach Raumzahl bestimmt (Ziff. 8 Abs.1 Mitt. 8/04). Angemessen ist danach grundsätzlich ein Raum für jeden Haushaltsangehörigen. Zum anderen ist zur Bestimmung des angemessenen Wohnflächenbedarfs an die Durchführungsregelungen im sozialen Wohnungsbau anzuknüpfen (§ 39 Abs. 1 II. WobauG, vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn. 43). In Berlin sind insoweit mangels den Mietwohnungsbau betreffender Bestimmungen die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25. Mai 1999 - Eigentumsförderungssätze 1999 - (ABl. 1999, S. 2918ff) heranzuziehen. Nach Ziffer 3 (3) der Eigentumsförderungssätze 1999 ist für zwei Personen eine Wohnfläche von maximal 60 m² förderungsfähig. Unter Anwendung dieser Maßstäbe wäre hier eine Wohnungsgröße von bis zu 60 m² für die Antragstellerinnen angemessen (vgl. im Übrigen auch die ehemals für den sozialen Wohnungsbau in Berlin geltenden Ziffer 8 Abs. 1 der zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz - WobindG - i. V. m. § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz - WoFG - erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 - Mitteilung Nr. 8/2004 - und Abschnitt II Ziffer 1 Buchstabe a der Anlage 1 der Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin - Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 [WFB 1990] vom 16. Juli 1990, ABl 1990, 1379 ff. i. V. m. Abschnitt I Nr. 13 a der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13. Dezember 1992 [VVÄndWFB 1990, ABl 1993, 98 f.]).

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs sind die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist" (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 18/06 R, in juris und NDV-RD 2007, 34), zu ermitteln. Abzustellen ist dabei auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, welches sich in der Wohnungsmiete niederschlägt (Produkttheorie, BSG, a.a.O.). Nach der dem Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen eingeschränkten Ermittlungen sind hier die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (ein neuerer Mietspiegel für die Folgejahre liegt noch nicht vor) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten (Abl. Nr. 30 vom 11. Juli 2007, S. 1797) zu Grunde zu legen. Für eine Wohnfläche von 60 m² und mehr ergibt sich daraus eine Netto-Kaltmiete von gerundet 4,55 EUR/m² (2,90 EUR/m² + 4,26 EUR/m² + 3,18 EUR/m² + 4,66 EUR/m² + 4,31 EUR/m² + 4,11 EUR/m² + 4,35 EUR/m² + 5,29 EUR/m² + 6,38 EUR/m² + 4,38 EUR/m² + 6,25 EUR/m² = insgesamt 50,07 EUR/m² / 11 = durchschnittlich 4,55 EUR/m²) = 273,- EUR monatliche gesamte Netto-Kaltmiete.

Hierzu sind die durchschnittlichen "kalten" Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten sind, zu ermitteln. Unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund - DMB - mit dem Betriebskostenspiegel für Deutschland zuletzt für das Jahr 2007 veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de), ergeben sich bei Nichtberücksichtigung der für Heizung und Warmwasser angegebenen Kosten durchschnittliche Betriebskosten in Höhe von 1,75 EUR/m² (inkl. Steuern und Abgaben). Daraus ergeben sich "kalte" Betriebskosten für eine Wohnung von 60 m² in Höhe von 105,- EUR monatlich.

Des Weiteren sind die von dem Antragsgegner nach § 22 SGB II zu leistenden Heizkosten zu ermitteln. Nach dem Betriebskostenspiegel 2007 des DMB sind diese mit 0,85 EUR/m² anzusetzen, so dass sich für eine Wohnungsgröße von 60 m² ein Betrag von 51,- EUR monatlich ergibt. Ein höherer Betrag ist nicht anzusetzen, zumal nach zwischenzeitlicher Steigerung der Energiekosten insbesondere im Jahr 2008 derzeit ein deutlicher Preisrückgang zu verzeichnen ist.

Dies ergibt eine Brutto-Warmmiete einschließlich der Kostenanteile für Warmwasser Wohnungsgröße von 60 m² in Höhe von insgesamt 429,- EUR monatlich.

Da Kostenanteile für Warmwasser bereits im Regelsatz enthalten sind, sind im vorliegenden Fall nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden Prüfung die vom Antragsgegner gewährten 444,- EUR monatlich (Brutto-Warmmiete) ausreichend, um den angemessenen Wohnbedarf der Antragstellerinnen zu decken.

Daraus ergibt sich, dass die Miete für die von den Antragstellerinnen zurzeit bewohnte Wohnung in Höhe von 645,57 EUR nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist.

Eine (vorübergehende) Fortzahlung der nicht angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung kommt nicht in Betracht. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind zwar, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, dies in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin zu 1) frühzeitig, bereits mit Schreiben vom 30. März 2007 und zuletzt im April 2008, mitgeteilt, dass die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu hoch seien und dass die tatsächlichen Aufwendungen nur noch bis zum 31. Oktober 2008 übernommen werden könnten. Gründe, die zu einer Verlängerung des Zeitraumes führen könnten, in denen die tatsächlichen Kosten übernommen werden, sind im Falle der Antragstellerinnen nicht ersichtlich. Als solche kämen nur vom Durchschnitt abweichende besondere Belastungssituationen in Betracht wie zum Beispiel eine aktuelle schwere Erkrankung, eine Behinderung oder ein ohnehin aus anderem Grunde anstehender weiterer Umzug (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 59).

Solche Gründe des Einzelfalles, die dazu führen könnten, dass im Falle der Antragstellerinnen von den oben ermittelten angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung abgewichen werden könnte, sind nicht ersichtlich. Die von den Antragstellerinnen vorgetragenen Gründe sind nicht geeignet, im Einzelfall einen höheren Mietzins als angemessen anzusehen.

So ist bereits eine fehlende Möglichkeit der Kostensenkung von den Antragstellerinnen nicht glaubhaft gemacht.

Es kommt sowohl eine Senkung der Kosten durch einen Wohnungswechsel als auch durch eine Untervermietung eines Zimmers der 3-Zimmer-Wohnung in Betracht. Für beides sind Hinderungsgründe nicht ersichtlich. Zu der Möglichkeit einer Untervermietung haben die Antragsteller nicht einmal Hinderungsgründe vorgetragen, solche Gründe sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.

Aber auch Gründe, die einen Umzug als unzumutbar erscheinen lassen, sind von den Antragstellerinnen nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin zu 1) eine fehlende Umzugsmöglichkeit mit ihrem gesundheitlichen Zustand und dem laufenden Rentenverfahren begründet, kann dem das Gericht nicht folgen. Zum einen wäre ein Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung gegen den Antragsgegner überhaupt nicht gegeben, wenn die Behauptung der Antragstellerin zu 1) aus dem Rentenverfahren zutreffen sollte, dass sie nicht erwerbsfähig ist. Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II werden nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II nur an Hilfebedürftige erbracht, die erwerbsfähig sind, also unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein können (§ 8 Abs. 1 SGB II). Zum anderen konnte die von der Antragstellerin zu 1) behauptete Erwerbsunfähigkeit auch durch die im Gerichtsverfahren von dem Sozialgericht (S 14 R 3431/06) eingeholten Gutachten nicht bestätigt werden. Sowohl im neurologisch/psychiatrischen Gutachten (Prof. Dr. med. K, Gutachten vom 31. August 2007) als auch im internistischen Gutachten (Dr. , Gutachten vom 21. Januar 2008) wird der Antragstellerin zu 1) ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt. Dr. J führt hierzu in seinem Gutachten aus, die subjektive Leistungsfähigkeit gebe die Antragstellerin zu 1) zwar nur mit 30 Minuten an, objektivierbare Gründe seien hierfür jedoch nicht zu erkennen. Prof. Dr. med. K führt in seinem Gutachten aus, weder eine nervenärztliche noch eine seelische Erkrankung sei feststellbar. Es falle eine leichte Verstimmung auf, ohne dass diese jedoch den Wert einer Krankheit erreiche. Nach diesen Feststellungen der Gutachter im Rentenverfahren ist nicht einmal eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) erkennbar, geschweige denn gesundheitliche Gründe, die einem Umzug entgegenstünden.

Auch der Besuch der 12. Schulklasse durch die Antragstellerin zu 2) steht einem Umzug nicht entgegen. Es ist nicht vorgetragen, dass durch einen Umzug erhebliche Nachteile beim Schulbesuch drohen. Die Glaubhaftmachung eines Eintritts solcher Nachteile ist für den Senat auch nicht ersichtlich. Es existiert kein Erfahrungssatz dahingehend, dass bei einem Umzug während des Besuchs der 12. Schulklasse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Eintritt erheblicher schulischer Nachteile konkret droht.

Schließlich ist die Behauptung der Antragstellerin zu 1) unzutreffend, auf dem derzeitigen Wohnungsmarkt sei eine zumutbare Wohnung für zwei Personen für einen monatlichen Mietzins in Höhe von 440,- EUR nicht zu erlangen.

Bereits im unmittelbaren Umfeld der von den Antragstellerinnen bisher bewohnten Wohnung fanden sich bei einer Recherche am 11. Februar 2008 angemessene Mietangebote, so zum Beispiel eine Zweizimmerwohnung mit einer Wohnfläche von ca. 57 m² in der GS in Fmit einer Bruttowarmmiete von 427,28 EUR und eine Zweizimmerwohnung von ca. 56 m² in der G S in P B mit einer Bruttowarmmiete von 407,58 EUR (zu finden unter www.immonet.de).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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