L 30 R 960/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 R 3261/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 R 960/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die rentenrechtliche Feststellung höherer Entgelte für das Jahr 1978 und die Berücksichtigung zypriotischer Versicherungszeiten.

Der am O in S geborene Kläger ist deutscher Staatsbürger und hat seit 1984 seinen ständigen Wohnsitz in Zypern.

Mit Schreiben vom 9. August 2005, bei der Beklagten eingegangen am 15. August 2005, beantragte der Kläger eine Kontenklärung, da er beabsichtige in "Frührente" zu gehen. Zudem beantragte er über die deutsche Botschaft in N am 28. September 2005 eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte informierte den Kläger mit Rentenauskunft vom 20. September 2005 über die voraussichtliche Altersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres und wies ihn unter Beifügung des Versicherungsverlaufes darauf hin, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt seien.

Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 zurück; dieser Widerspruchsbescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger bei dem Sozialgericht Berlin mit Schriftsatz vom 28. März 2007, am 5. April 2007 bei dem Sozialgericht eingegangen, mit der Begründung Klage erhoben, die zu erwartende Rente sei lächerlich gering. Den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 habe er ca. eine Woche später erhalten. Er habe die Dreimonatsfrist nicht einhalten können, da er sich einige Monate im Ausland befunden habe.

Das Sozialgericht hat den Kläger mit Schreiben vom 22. Mai 2007 und 9. August 2007 auf eine voraussichtliche Unzulässigkeit der Klage hingewiesen, weil die Klage nicht innerhalb der Klagefrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden sei. Der Kläger habe selbst erklärt, den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 ca. eine Woche später (um den 14. Dezember 2006) erhalten zu haben. Dies habe zur Folge, dass die am 5. April 2007 erhobene Klage verspätet sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand käme nur in Betracht, wenn der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, die Klagefrist einzuhalten. Bei einer Abwesenheit von Zuhause von länger als 6 Wochen müsse im Hinblick auf eine eventuelle Fristwahrung jedoch Vorsorge getragen werden, sogleich von etwaigen Posteingängen Kenntnis zu erlangen. Dies gelte erst recht, wenn der Betreffende aufgrund eines laufenden Widerspruchsverfahrens mit einem Posteingang rechnen müsse. Der Kläger sei nach den von ihm vorgelegten Unterlagen vom 8. Dezember 2006 bis zum 7. März 2007 während eines laufenden Widerspruchsverfahrens ortsabwesend gewesen, ohne sich um Posteingang zu kümmern. Der Kläger erklärte hierauf mit Schriftsatz vom 25. August 2007, der Richterbrief vom 7. August 2007 sei absurd; es bedürfe keiner weiteren Erklärungen, diese "Kleinkariertheit" werde nicht nur von ihm als absolut ungerecht empfunden.

Mit Schreiben vom 4. September 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Beteiligten zu einer Entscheidung gemäß § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört.

Das Sozialgericht hat schließlich mit Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2007 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil die Klagefrist versäumt sei. Die Klage sei bei einer Bekanntgabe im Ausland innerhalb von drei Monaten zu erheben. Vorliegend sei dem Kläger nach eigener Auskunft der Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 jedenfalls noch im Dezember 2006 bekannt gegeben worden. Danach sei die Klagefrist spätestens im März 2007 abgelaufen. Die Klagerhebung sei jedoch erst am 5. April 2007 erfolgt.

Gegen diesen dem Kläger am 14. Mai 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 22. Mai 2008 Berufung bei dem Sozialgericht Berlin eingelegt. Er habe zwar den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2006 ca. eine Woche später erhalten. Da er "im Lande" unterwegs gewesen sei, habe er ihn jedoch erst am 28. März 2007 lesen können. Es sei lächerlich, von einem Adressaten eine "Standby-Situation" zu erwarten.

Dem Vorbringen des Klägers ist der sinngemäße Antrag zu entnehmen,

1. ihm hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sowie 2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2007 aufzuheben, und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2006 zu verurteilen, seine ausländischen (zypriotischen) Versicherungszeiten sowie für das Jahr 1978 höhere Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (VSNR 63 231046 D 001), die Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zwar zulässig; insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2007 die Klage abgewiesen. Die Klage ist unzulässig.

Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate (§ 87 Abs.1 Satz 2 SGG). Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 87 Abs. 2 SGG).

Zur Beurteilung, ob eine Bekanntgabe erfolgt ist, ist entscheidend auf den Zugangszeitpunkt abzustellen (vgl. § 37 Abs. 2 S. 2 SGB X); es gelten die Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 64 Rn. 4). Danach ist maßgebend der Zeitpunkt, in dem das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass er unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann (Keller, a.a.O.).

Danach ist von einem Zugang regelmäßig auszugehen, wenn das Schriftstück bei einer postalischen Übermittlung in den Briefkasten oder das Postschließfach des Adressaten gelangt ist. Unter normalen Umständen ist das Schriftstück in diesem Augenblick in den Machtbereich des Adressaten gelangt, weil er die Möglichkeit des Zugriffs und der Kenntnisnahme erhält.

Demgegenüber kommt es für den Zugang nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme an. Dass der Kläger den Widerspruchsbescheid erst am 28. März 2007 und damit nochmals erst drei Wochen nach seiner behaupteten Rückkehr am 7. März 2007 gelesen haben will, ist daher unerheblich. Wie bereits dargestellt, kommt es lediglich auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme an. Nach der Auskunft des Klägers selbst erfolgte vorliegend die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2006 ca. eine Woche später und damit jedenfalls noch im Dezember 2006. Unter normalen Umständen hätte der Kläger ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt.

Fristbeginn für die Klagefrist war somit in jedem Fall noch im Dezember 2006. Für die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung bei dem Sozialgericht ist ebenfalls auf deren Zugang abzustellen; maßgeblich ist damit regelmäßig der Eingangsstempel des Gerichts (vgl. Keller, a.a.O., § 64 Rn. 6a, m.w.N.).

Vorliegend ist danach die Klagefrist des § 87 SGG nicht eingehalten. Bei einem Fristbeginn noch im Dezember 2006 war die Dreimonatsfrist des § 87 Abs.1 Satz 2 SGG in jedem Fall bei einem Zugang der Klage beim Sozialgericht Berlin am 5. April 2007 (laut Eingangsstempel) verstrichen.

Wie das Sozialgericht Berlin weiter zutreffend ausgeführt hat, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist nach § 67 Abs.1 SGG nicht in Betracht, weil der Kläger die Frist nicht unverschuldet versäumt hat. Insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und umfassenden Entscheidungsgründe der sozialgerichtlichen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Der Vortrag des Klägers insbesondere im Berufungsverfahren führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Weder stellt die Beachtung prozessualer Regeln (insbesondere der Klagefrist, § 87 SGG) eine " lächerliche" "Kleinkariertheit" dar, sondern dient der Rechtssicherheit, noch ist der von dem Kläger erhobene Klageanspruch für die Berechnung der Klagefrist von Relevanz. Sollte im Übrigen der nunmehrige Vortrag des Klägers zutreffend sein, er sei an einer rechtzeitigen Klageerhebung gehindert gewesen, weil er "unterwegs im Lande" war, so stünde dies im Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag und einer Wiedereinsetzung umso mehr entgegen. Die Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinne von § 67 Abs. 2 S. 2 SGG ist nicht gelungen, wenn als Hinderungsgrund für eine rechtzeitige Klageerhebung erstinstanzlich unter Vorlage von Flugbuchungen ein Auslandsaufenthalt behauptet wird und in der zweiten Instanz eine Inlandsreise.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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