Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 16 KR 253/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 33/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beheizbare Handschuhe; Raynaud-Syndrom
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin beheizbare Handschuhe zu gewähren.
Die am 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversi-chert. Sie leidet an Sklerodermie sowie an einem progressiven schweren Raynaud-Syndrom, eine durch Gefäßkrämpfe bedingte, anfallsweise auftretende Durchblutungsstörung an den Fingern.
Am 21. Februar 2006 beantragte sie bei der Beklagten ein Paar beheizbare Handschuhe und legte eine entsprechende Verordnung ihrer Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Dr. H. , vom 23. Januar 2006 bei. Noch am gleichen Tag lehnte die Beklagte den Antrag ab, da das gewünschte Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden sei, und nahm den von der Klägerin hiergegen eingelegten Widerspruch auf. Die Klägerin gab an, wegen der Durchblutungsstörungen habe sie akute Schmerzen und müsse selbst im Sommer Handschuhe tragen. Eine bei der Beklagten Versicherte aus den alten Bun-desländern habe solche Handschuhe erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2006, der Klägerin zugegangen am 9. August 2006, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Wider-spruch der Klägerin zurück, da kein Anspruch auf die begehrte Leistung bestehe. Auch unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung könne es zu keiner anderen Beurteilung kommen. Auf eine Nachfrage in der Abteilung für Grundsatzfragen in Bochum sei mitgeteilt worden, dass eine Einzelfallentscheidung dieser Art nicht bekannt sei und nach den gesetzlichen Grundlagen auch nicht getroffen werden könne.
Hiergegen hat die Klägerin am 7. September 2006 Klage erhoben. Sie hat das bei ihr vorliegende Raynaud-Syndrom als ein von erheblichen Schmerzen begleitetes und mit Taubheit, Kribbeln und brennendem Gefühl verbundenes Anfallsleiden beschrieben, bei welchem die Finger zunächst weiß und wie abgestorben aussähen, dann blau und schließlich rot würden. Die Arterie ziehe sich bei sol-chen Anfällen krampfartig zusammen, wodurch die Blutversorgung der Finger unterbrochen werde. Auslöser für die Anfälle seien neben Gefühlsregungen vor allem Kälte und insbesondere Temperaturänderungen, beispielsweise wenn sie kalte Gegenstände, wie Metall, berühre oder in den Kühlschrank hineingreife. Das Krankheitsbild reiche von leichten Beschwerden bis hin zum Entstehen von Geschwüren oder sogar Wundbrand. Sie könne den Krankheitsverlauf nur durch die Vermeidung von Temperaturänderungen positiv beeinflussen. Dazu benötige sie beheizbare Handschuhe, die daher für sie keine allgemeinen Gebrauchsge-genstände des täglichen Lebens seien, sondern Hilfsmittel zum Ausgleich ihrer Behinderung und zur Vorbeugung einer Verschlimmerung. Sie dienten der Le-bensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse, hier dem Greifen. Die von ihr benötigten Handschuhe seien nicht in Mode- und Bekleidungsgeschäften erhältlich, sondern würden in Sanitätshäusern zu einem Preis von 139,08 EUR vertrieben. Die für Wintersport, Motorradfahren oder Ähnliches hergestellten beheizbaren Handschuhe seien wegen ihres stabilen Aufbaus und ihrer Unförmigkeit für ihre Bedürfnisse völlig ungeeignet. Hilfsweise habe die Beklagte aber zumindest einen Zuschuss zu zahlen, da das Produkt jedenfalls nur anteilig Gebrauchsgegenstand sei, dem Wesen nach jedoch mehr Hilfsmittel. Die Klägerin hat ein Schreiben von Dr. H. vom 7. September 2006 beigefügt, in welchem diese ausführt, die Klägerin leide an einer schwerwiegenden systemischen Autoagressionserkrankung mit Beteiligung des Hautorgans, des Verdauungstraktes, des Gefäß- und des Immunsystems. Da die Ursache unbekannt sei, richteten sich die Therapiemaßnahmen auf eine symptomatische Behandlung der Störun-gen. Die Klägerin leide an erheblichen Ödemen und an einem Spannungsgefühl besonders an den Fingern. Das Feingefühl sei eingeschränkt, der Lymphabfluss gestört. Außerdem hat die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. P. vom 29. Mai 2007 vorgelegt, der auf Grund der nachgewiesenen Kälteautoimmun-Aggressionserkrankung die Anwendung von beheizbaren Handschuhen befürwortet.
Die Beklagte hat ausgeführt, Hilfsmittel, die bereits von ihrer Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke, Behinderte und/oder pflegebedürftige Menschen gedacht seien, seien als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung selbst dann ausgenommen, wenn sie im Einzelfall für einen Behinderten und/oder kranken Menschen nützlicher seien, als für gesunde Menschen. Ausschlaggebend sei die Primärfunktion (Zweckbestimmung) als normaler Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Wärmehandschuhe mit Akku würden nach den vorliegenden Produktbeschrei-bungen insbesondere zum Wandern und für den Wintersport angeboten und damit in erster Linie für Gesunde hergestellt, gekauft und genutzt. Es handele sich damit um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, unabhängig davon, ob die Klägerin die Handschuhe - wäre sie gesund - nicht oder nicht in diesem Um-fang verwendet hätte. Dem erhöhten Bedarf von Behinderten werde durch eine steuerliche Entlastung Rechnung getragen. Diesbezüglich werde die Auffassung der Beklagten von dem im Bereich Hilfsmittel federführenden IKK Bundesverband geteilt, so dass eine Kostenerstattung durch andere Krankenkassen nicht nachvollziehbar sei. Überdies könne eine andere Auffassung anderer Krankenkassen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu einer anderen Entscheidung führen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dr. P. vom 17. März 2008 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, die Klägerin leide bei Kälteexposition an starken Schmerzen in beiden Händen und im Gesicht. Sie könne daher bei Kälte das Haus nicht verlassen. Die Befunde hätten sich erheblich verschlechtert, die Raynaud-Anfälle träten täglich auf. Dem Bericht waren verschiedene Arztbriefe beigefügt.
Das Sozialgericht Halle hat die Klage mit Urteil vom 15. April 2008 abgewiesen, da die begehrten beheizbaren Handschuhe als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen seien. Darüber hinaus komme eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auch nach § 34 Abs. 4 Fünftes Buch Sozial-gesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) nicht in Betracht. Die beheizbaren Handschuhe würden für den Sport- und Freizeitbereich hergestellt und seien nicht speziell auf die Bedürfnisse Kranker oder Behinderter ausgerichtet. Ihr Hauptzweck sei damit nicht medizinisch geprägt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 21. Mai 2008 zugestellte Urteil am Montag, den 23. Juni 2008, Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie gerade nicht die für sportliche Aktivitäten wie Wintersport, Flugsport oder Wassersport zum Schutz der Hände besonders derb konzipierten beheizbaren Handschuhe benötige, da diese für die Verrichtung der allgemein anfallenden Tätigkeiten in einem Haushalt völlig unbrauchbar seien. Die von ihr benötigten Handschuhe müssten dünner und flexibler sein und seien daher über den Sanitätshandel zu beziehen. Jedenfalls müsse aber die Beklagte einen Zuschuss in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Kosten für beheizbare Handschuhe für den Sport- und Freizeitbereich und solchen, die von der Klägerin benötigt werden, übernehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 20. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr beheizbare Handschuhe als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen in erster Instanz sowie auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Halle.
Die Beteiligten sind im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 11. November 2008 darauf hingewiesen worden, dass nach § 1 Ziff. 4 der Ver-ordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis Applikationshilfen für Wärme und Kälte von der Versorgung ausgeschlossen sind. Sie haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht nach § 124 Sozialgerichts-gesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Der Senat ist an die Entscheidung des Sozialgerichts, die Berufung zuzulassen, gebunden. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2006 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, denn diese hat keinen Anspruch auf die Gewährung beheizbarer Handschuhe.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abga-bepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Von dieser Verordnungsermächtigung ist durch den Erlass der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis vom 13. Dezember 1989 Gebrauch gemacht worden. Nach deren § 1 Ziff. 4 in der Fassung vom 17. Januar 1995 sind Applikationshilfen für Wärme und Kälte als sächliche Mittel mit geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen von der Versorgung ausgeschlossen.
Neben Wärmflaschen, Heizdecken u. ä. dienen auch beheizbare Handschuhe der Applikation von Wärme, so dass deren Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden können. Der eindeutige Wortlaut der Verordnung lässt hier keine andere Auslegung zu. Applikationshilfen für Wärme oder Kälte sind danach von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, unabhängig von der Ursache, aufgrund welcher sie im Einzelfall Verwendung finden sollen.
Gegen die Rechtmäßigkeit oder Verfassungsmäßigkeit dieser Verordnung bestehen - jedenfalls soweit diese hier einschlägig ist - keine Bedenken.
Die Rechtsverordnung hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Die zunächst an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) mit Zustimmung des Bundesrates gerichtete Verordnungsermächtigung in § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist ab 1. Januar 1992 auf den Bundesminister für Gesundheit (BMG) übergegangen (Zweites Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB 5 ÄndG 2 – vom 20. Dezember 1991 – BGBl I 2325 –); im übrigen gelten die Vorschriften unverändert fort. Die Wirksamkeit der zuvor vom BMA erlassenen Rechtsverordnung wird dadurch nicht in Frage gestellt (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 8. Juni 1994, Az.: 3/1 RK 54/93 sowie Urt. v. 25. Oktober 1994, Az.: 3/1 RK 57/93, zitiert nach Juris).
Der Verordnungsgeber hat durch die Aufnahme von Applikationshilfen für Wärme und Kälte in die Liste der von der Versorgung ausgeschlossenen Hilfsmittel wegen geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen - soweit hier von Interesse - die gesetzlichen Vorgaben eingehalten. Die mit Wirkung zum 1. Januar 1989 eingeführte Regelung des § 34 SGB V zählt verschiedene, von der Versor-gung ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel auf. Ziel der Einführung die-ser Vorschriften war die Kostenentlastung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesetzgeber legte mehr Gewicht auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und hielt die Übernahme der Kosten für Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel durch die Versicherten selbst für zumutbar, wenn diese nur von geringer Höhe sind oder üblicher-weise bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet bzw. vom Versicherten selbst gekauft werden (vgl. hierzu KassKomm-Hess § 34 SGB V RdNr. 2). Die Vorschrift dient damit der Konkretisierung der in §§ 1, 2 und 12 SGB V normierten Wechselbeziehungen zwischen Solidarität und Eigenverantwortung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes.
Der Ausschluss von Applikationshilfen für Wärme und Kälte von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankversicherung dient der Verwirklichung dieses gesetzgeberischen Ziels, indem er diese Hilfsmittel dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuweist. Üblicherweise werden Applikationshilfen für Wärme und Kälte bei geringfügigen Gesundheitsstörungen von den Versicherten selbst er-worben. Zudem haben Hilfsmittel, mit denen dem Körper Wärme oder Kälte zu-geführt wird, regelmäßig allenfalls einen geringen therapeutischen Nutzen. Das Wort therapeutisch bedeutet die Behandlung oder Heilung von Krankheiten betreffend bzw. das Heilverfahren betreffend (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wör-terbuch, 257 Auflage 1994). Meist überwiegt bei der Verwendung dieser Hilfsmit-tel das dadurch hervorgerufene Wohlbefinden gegenüber einem nachweisbaren medizinischen Nutzen. Auch im Fall der Klägerin wird allenfalls ein geringer therapeutischer Nutzen deutlich. Die Klägerin hat selbst ausgeführt, dass die Ursachen des Raynaud-Syndroms derzeit nicht bekannt seien und die Krankheit daher auch nicht heilbar sei. Es gebe lediglich verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes, insbesondere im Hinblick auf die Durchblutung der Hände. Die krankheitsbedingt auftretende Unterbrechung der Durchblutung wird jedoch durch den Einsatz von beheizbaren Handschuhen in keiner Weise therapiert, also medizinisch behandelt oder gar einer Heilung zugeführt. Es wird lediglich verhindert, dass die Hände der Klägerin einer Temperaturänderung ausgesetzt werden, die einen solchen Anfall des krampfartigen Zusammenziehens der Arterie und der damit einhergehenden Unterbrechung der Blutversorgung der Finger auslösen kann. Da auch die durch die Anfälle verur-sachten Symptome durch die Handschuhe keine medizinische Behandlung erfah-ren, bewirken die Handschuhe auch keine symptomatische Therapie. Lediglich die im allgemeinen günstige Wirkung von Wärme für schlechte Durchblutungs-verhältnisse stellt einen gewissen therapeutischen Nutzen der Handschuhe dar. Überwiegend dienen sie dem Ausgleich einer Behinderung, indem die Klägerin mittels einer äußerlichen Einwirkung von einem – von verschiedenen – Auslösern der Anfälle ferngehalten wird. Es entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, Hilfsmittel, mit denen verhindert werden soll, dass der Körper einer für ihn belastenden Situation ausgesetzt wird, dem Bereich der Eigenverantwortung zuzuschreiben. Dies auch deshalb, weil diese Hilfsmittel regelmäßig zu relativ geringen Abgabe-preisen selbst erworben werden können und weil sie von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens nur unter erheblichen Schwierigkeiten abgrenzbar sind.
Verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung, Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Versorgung auszuschließen, bestehen nicht. Der Gesetzgeber hat bei der Abgrenzung, für welche Risiken die Krankenkasse und für welche der Versicherte im Rahmen seiner Eigenverantwortung aufzukommen hat, einen weiten Gestal-tungsspielraum (vgl. BSG, Urt. v. 08.03.1995, Az. 1 RK 7/94, E 76, 40, SozR 3-2500 § 30 Nr. 5, m. w. N.; zur Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung jüngst BSG, Urt. v. 06.11.2008, B 1 KR 6/08 R). Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist schon nach den in §§ 1 und 2 sowie 12 SGB V normierten Grundsätzen der Eigenverantwortung und der Wirtschaftlichkeit mit grundsätzlichen Leistungsbegrenzungen angelegt. Es gilt hierbei die Interessen der Beitragszahler gegen die des behandlungsbedürftigen Versicherten abzuwägen. Ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang lässt sich dem Grundgesetz (GG) weder in den Grundrechten noch im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG entnehmen (BVerfG, Beschl. v. 03.04.1979, 1 BvL 30/76, E 51, 115, 125, SozR 4100 § 112 Nr. 10 S. 33; BVerfG, Beschl. v. 29.05.1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, zitiert nach Juris Rz. 83, E 82, 60, 80, SozR 3-5870 § 10 Nr. 1 S. 5 jeweils m. w. N.).
Dem Sozialstaatsprinzip wird im Hinblick auf medizinisch unabweisbar notwendi-ge Hilfsmittel, deren Kosten nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, bei entsprechender Bedürftigkeit durch Ansprüche gegen den Sozialhilfeträger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) bzw. gegen den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) hinreichend Rechnung getragen. Veranlassung für eine Beiladung dieser Träger nach § 75 Abs. 2 2. Alt., Abs. 5 SGG sah der Senat nicht, da keine Anhaltspunkte für eine mögliche Leistungspflicht dieser Träger gegenüber der Klägerin vorliegen. Da diese zu ihrer Einkommens- und Vermögenssituation keine aussagekräftigen Angaben gemacht hat und auch für ihre Anwaltskosten Prozesskostenhilfe nicht beantragt hat, sah sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen bezüglich der Bedürftigkeit der Klägerin im Sinne des SGB XII bzw. des SGB II veranlasst.
Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kann kein Anspruch auf Bereithaltung spezieller Gesundheitsleistungen hergeleitet werden (vgl. BVerfG, Bschl. v. 05.03.1997 – 1 BvR 1071/95 – NJW 1997, 3085: Edelfosin; – 1 BvR 1953/97 – MedR 1997, 318: Jomol; Bschl. v. 15.12.1997 – 1 BvR 1953/97 – NJW 1998, 1775, 1776: Heilprak-tiker). Der Staat hat zwar die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut Leben bzw. körperliche Unversehrtheit zu stellen und das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist in diesem Sinne auszulegen. Die Gestal-tungsfreiheit des Gesetzgebers wird dadurch jedoch nur insoweit eingeschränkt, als die Vorkehrungen zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sein dürfen. Diese Grenze wird durch die gesetzliche Regelung, Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Versorgung auszuschließen, offensichtlich nicht erreicht (vgl. auch BSG, Urt. v. 06.11.2008 – B 1 KR 6/08 R – für den gesetzlich bestimmten Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick auf das Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Von dem auf Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bezogenen Leistungsausschluss sind alle Versicherten in gleicher Weise betrof-fen und alle Applikationshilfen für Wärme und Kälte sind gleichermaßen einbezogen. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Unterscheidung anhand der Gründe für das benötigte Hilfsmittel zu treffen. Ein ursachenbezogener Versicherungsschutz ist dem Schutzzweck der gesetzlichen Krankenversicherung fremd und könnte zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen. Ein Leistungsausschluss, der sich nur auf Leistungen beziehen würde, die medizinisch nicht notwendig sind, wäre überflüssig, da die gesetzliche Krankenversicherung ohnehin nur bei medizinischer Notwendigkeit leistungspflichtig ist.
Da somit die Versorgung der Klägerin mit den begehrten beheizbaren Handschuhen schon nach §§ 33 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 34 Abs. 4 SGB V und § 1 Ziff. 4 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, kommt auch ein Anspruch in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Kosten für beheizbare Handschuhe für den Sport- und Freizeitbereich und den von der Klägerin begehrten dünneren und flexibleren Handschuhen nicht in Betracht. Unerheblich ist, ob und inwieweit es sich bei den begehrten beheizbaren Handschuhen um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt.
Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat misst der Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung bei, da er keine offene, klärungsbedürftige Rechtsfrage sieht. Der Begriff der Applikationshilfen für Wärme und Kälte in der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung ist im Hinblick auf die hier begehrten beheizbaren Handschuhe eindeutig, so dass die Anwendbarkeit dieser Vorschrift keine offene Rechtsfrage darstellt. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Vorschrift wird auf die zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts sowie des Bundesverfassungsgerichts verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin beheizbare Handschuhe zu gewähren.
Die am 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversi-chert. Sie leidet an Sklerodermie sowie an einem progressiven schweren Raynaud-Syndrom, eine durch Gefäßkrämpfe bedingte, anfallsweise auftretende Durchblutungsstörung an den Fingern.
Am 21. Februar 2006 beantragte sie bei der Beklagten ein Paar beheizbare Handschuhe und legte eine entsprechende Verordnung ihrer Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Dr. H. , vom 23. Januar 2006 bei. Noch am gleichen Tag lehnte die Beklagte den Antrag ab, da das gewünschte Produkt nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden sei, und nahm den von der Klägerin hiergegen eingelegten Widerspruch auf. Die Klägerin gab an, wegen der Durchblutungsstörungen habe sie akute Schmerzen und müsse selbst im Sommer Handschuhe tragen. Eine bei der Beklagten Versicherte aus den alten Bun-desländern habe solche Handschuhe erhalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2006, der Klägerin zugegangen am 9. August 2006, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Wider-spruch der Klägerin zurück, da kein Anspruch auf die begehrte Leistung bestehe. Auch unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung könne es zu keiner anderen Beurteilung kommen. Auf eine Nachfrage in der Abteilung für Grundsatzfragen in Bochum sei mitgeteilt worden, dass eine Einzelfallentscheidung dieser Art nicht bekannt sei und nach den gesetzlichen Grundlagen auch nicht getroffen werden könne.
Hiergegen hat die Klägerin am 7. September 2006 Klage erhoben. Sie hat das bei ihr vorliegende Raynaud-Syndrom als ein von erheblichen Schmerzen begleitetes und mit Taubheit, Kribbeln und brennendem Gefühl verbundenes Anfallsleiden beschrieben, bei welchem die Finger zunächst weiß und wie abgestorben aussähen, dann blau und schließlich rot würden. Die Arterie ziehe sich bei sol-chen Anfällen krampfartig zusammen, wodurch die Blutversorgung der Finger unterbrochen werde. Auslöser für die Anfälle seien neben Gefühlsregungen vor allem Kälte und insbesondere Temperaturänderungen, beispielsweise wenn sie kalte Gegenstände, wie Metall, berühre oder in den Kühlschrank hineingreife. Das Krankheitsbild reiche von leichten Beschwerden bis hin zum Entstehen von Geschwüren oder sogar Wundbrand. Sie könne den Krankheitsverlauf nur durch die Vermeidung von Temperaturänderungen positiv beeinflussen. Dazu benötige sie beheizbare Handschuhe, die daher für sie keine allgemeinen Gebrauchsge-genstände des täglichen Lebens seien, sondern Hilfsmittel zum Ausgleich ihrer Behinderung und zur Vorbeugung einer Verschlimmerung. Sie dienten der Le-bensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse, hier dem Greifen. Die von ihr benötigten Handschuhe seien nicht in Mode- und Bekleidungsgeschäften erhältlich, sondern würden in Sanitätshäusern zu einem Preis von 139,08 EUR vertrieben. Die für Wintersport, Motorradfahren oder Ähnliches hergestellten beheizbaren Handschuhe seien wegen ihres stabilen Aufbaus und ihrer Unförmigkeit für ihre Bedürfnisse völlig ungeeignet. Hilfsweise habe die Beklagte aber zumindest einen Zuschuss zu zahlen, da das Produkt jedenfalls nur anteilig Gebrauchsgegenstand sei, dem Wesen nach jedoch mehr Hilfsmittel. Die Klägerin hat ein Schreiben von Dr. H. vom 7. September 2006 beigefügt, in welchem diese ausführt, die Klägerin leide an einer schwerwiegenden systemischen Autoagressionserkrankung mit Beteiligung des Hautorgans, des Verdauungstraktes, des Gefäß- und des Immunsystems. Da die Ursache unbekannt sei, richteten sich die Therapiemaßnahmen auf eine symptomatische Behandlung der Störun-gen. Die Klägerin leide an erheblichen Ödemen und an einem Spannungsgefühl besonders an den Fingern. Das Feingefühl sei eingeschränkt, der Lymphabfluss gestört. Außerdem hat die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. P. vom 29. Mai 2007 vorgelegt, der auf Grund der nachgewiesenen Kälteautoimmun-Aggressionserkrankung die Anwendung von beheizbaren Handschuhen befürwortet.
Die Beklagte hat ausgeführt, Hilfsmittel, die bereits von ihrer Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke, Behinderte und/oder pflegebedürftige Menschen gedacht seien, seien als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung selbst dann ausgenommen, wenn sie im Einzelfall für einen Behinderten und/oder kranken Menschen nützlicher seien, als für gesunde Menschen. Ausschlaggebend sei die Primärfunktion (Zweckbestimmung) als normaler Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Wärmehandschuhe mit Akku würden nach den vorliegenden Produktbeschrei-bungen insbesondere zum Wandern und für den Wintersport angeboten und damit in erster Linie für Gesunde hergestellt, gekauft und genutzt. Es handele sich damit um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, unabhängig davon, ob die Klägerin die Handschuhe - wäre sie gesund - nicht oder nicht in diesem Um-fang verwendet hätte. Dem erhöhten Bedarf von Behinderten werde durch eine steuerliche Entlastung Rechnung getragen. Diesbezüglich werde die Auffassung der Beklagten von dem im Bereich Hilfsmittel federführenden IKK Bundesverband geteilt, so dass eine Kostenerstattung durch andere Krankenkassen nicht nachvollziehbar sei. Überdies könne eine andere Auffassung anderer Krankenkassen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu einer anderen Entscheidung führen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dr. P. vom 17. März 2008 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, die Klägerin leide bei Kälteexposition an starken Schmerzen in beiden Händen und im Gesicht. Sie könne daher bei Kälte das Haus nicht verlassen. Die Befunde hätten sich erheblich verschlechtert, die Raynaud-Anfälle träten täglich auf. Dem Bericht waren verschiedene Arztbriefe beigefügt.
Das Sozialgericht Halle hat die Klage mit Urteil vom 15. April 2008 abgewiesen, da die begehrten beheizbaren Handschuhe als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen seien. Darüber hinaus komme eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auch nach § 34 Abs. 4 Fünftes Buch Sozial-gesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) nicht in Betracht. Die beheizbaren Handschuhe würden für den Sport- und Freizeitbereich hergestellt und seien nicht speziell auf die Bedürfnisse Kranker oder Behinderter ausgerichtet. Ihr Hauptzweck sei damit nicht medizinisch geprägt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 21. Mai 2008 zugestellte Urteil am Montag, den 23. Juni 2008, Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie gerade nicht die für sportliche Aktivitäten wie Wintersport, Flugsport oder Wassersport zum Schutz der Hände besonders derb konzipierten beheizbaren Handschuhe benötige, da diese für die Verrichtung der allgemein anfallenden Tätigkeiten in einem Haushalt völlig unbrauchbar seien. Die von ihr benötigten Handschuhe müssten dünner und flexibler sein und seien daher über den Sanitätshandel zu beziehen. Jedenfalls müsse aber die Beklagte einen Zuschuss in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Kosten für beheizbare Handschuhe für den Sport- und Freizeitbereich und solchen, die von der Klägerin benötigt werden, übernehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 20. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr beheizbare Handschuhe als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen in erster Instanz sowie auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Halle.
Die Beteiligten sind im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 11. November 2008 darauf hingewiesen worden, dass nach § 1 Ziff. 4 der Ver-ordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis Applikationshilfen für Wärme und Kälte von der Versorgung ausgeschlossen sind. Sie haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht nach § 124 Sozialgerichts-gesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Der Senat ist an die Entscheidung des Sozialgerichts, die Berufung zuzulassen, gebunden. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2006 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, denn diese hat keinen Anspruch auf die Gewährung beheizbarer Handschuhe.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abga-bepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Von dieser Verordnungsermächtigung ist durch den Erlass der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis vom 13. Dezember 1989 Gebrauch gemacht worden. Nach deren § 1 Ziff. 4 in der Fassung vom 17. Januar 1995 sind Applikationshilfen für Wärme und Kälte als sächliche Mittel mit geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen von der Versorgung ausgeschlossen.
Neben Wärmflaschen, Heizdecken u. ä. dienen auch beheizbare Handschuhe der Applikation von Wärme, so dass deren Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden können. Der eindeutige Wortlaut der Verordnung lässt hier keine andere Auslegung zu. Applikationshilfen für Wärme oder Kälte sind danach von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, unabhängig von der Ursache, aufgrund welcher sie im Einzelfall Verwendung finden sollen.
Gegen die Rechtmäßigkeit oder Verfassungsmäßigkeit dieser Verordnung bestehen - jedenfalls soweit diese hier einschlägig ist - keine Bedenken.
Die Rechtsverordnung hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Die zunächst an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) mit Zustimmung des Bundesrates gerichtete Verordnungsermächtigung in § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist ab 1. Januar 1992 auf den Bundesminister für Gesundheit (BMG) übergegangen (Zweites Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB 5 ÄndG 2 – vom 20. Dezember 1991 – BGBl I 2325 –); im übrigen gelten die Vorschriften unverändert fort. Die Wirksamkeit der zuvor vom BMA erlassenen Rechtsverordnung wird dadurch nicht in Frage gestellt (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 8. Juni 1994, Az.: 3/1 RK 54/93 sowie Urt. v. 25. Oktober 1994, Az.: 3/1 RK 57/93, zitiert nach Juris).
Der Verordnungsgeber hat durch die Aufnahme von Applikationshilfen für Wärme und Kälte in die Liste der von der Versorgung ausgeschlossenen Hilfsmittel wegen geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen - soweit hier von Interesse - die gesetzlichen Vorgaben eingehalten. Die mit Wirkung zum 1. Januar 1989 eingeführte Regelung des § 34 SGB V zählt verschiedene, von der Versor-gung ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel auf. Ziel der Einführung die-ser Vorschriften war die Kostenentlastung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesetzgeber legte mehr Gewicht auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und hielt die Übernahme der Kosten für Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel durch die Versicherten selbst für zumutbar, wenn diese nur von geringer Höhe sind oder üblicher-weise bei geringfügigen Gesundheitsstörungen verordnet bzw. vom Versicherten selbst gekauft werden (vgl. hierzu KassKomm-Hess § 34 SGB V RdNr. 2). Die Vorschrift dient damit der Konkretisierung der in §§ 1, 2 und 12 SGB V normierten Wechselbeziehungen zwischen Solidarität und Eigenverantwortung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes.
Der Ausschluss von Applikationshilfen für Wärme und Kälte von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankversicherung dient der Verwirklichung dieses gesetzgeberischen Ziels, indem er diese Hilfsmittel dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuweist. Üblicherweise werden Applikationshilfen für Wärme und Kälte bei geringfügigen Gesundheitsstörungen von den Versicherten selbst er-worben. Zudem haben Hilfsmittel, mit denen dem Körper Wärme oder Kälte zu-geführt wird, regelmäßig allenfalls einen geringen therapeutischen Nutzen. Das Wort therapeutisch bedeutet die Behandlung oder Heilung von Krankheiten betreffend bzw. das Heilverfahren betreffend (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wör-terbuch, 257 Auflage 1994). Meist überwiegt bei der Verwendung dieser Hilfsmit-tel das dadurch hervorgerufene Wohlbefinden gegenüber einem nachweisbaren medizinischen Nutzen. Auch im Fall der Klägerin wird allenfalls ein geringer therapeutischer Nutzen deutlich. Die Klägerin hat selbst ausgeführt, dass die Ursachen des Raynaud-Syndroms derzeit nicht bekannt seien und die Krankheit daher auch nicht heilbar sei. Es gebe lediglich verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes, insbesondere im Hinblick auf die Durchblutung der Hände. Die krankheitsbedingt auftretende Unterbrechung der Durchblutung wird jedoch durch den Einsatz von beheizbaren Handschuhen in keiner Weise therapiert, also medizinisch behandelt oder gar einer Heilung zugeführt. Es wird lediglich verhindert, dass die Hände der Klägerin einer Temperaturänderung ausgesetzt werden, die einen solchen Anfall des krampfartigen Zusammenziehens der Arterie und der damit einhergehenden Unterbrechung der Blutversorgung der Finger auslösen kann. Da auch die durch die Anfälle verur-sachten Symptome durch die Handschuhe keine medizinische Behandlung erfah-ren, bewirken die Handschuhe auch keine symptomatische Therapie. Lediglich die im allgemeinen günstige Wirkung von Wärme für schlechte Durchblutungs-verhältnisse stellt einen gewissen therapeutischen Nutzen der Handschuhe dar. Überwiegend dienen sie dem Ausgleich einer Behinderung, indem die Klägerin mittels einer äußerlichen Einwirkung von einem – von verschiedenen – Auslösern der Anfälle ferngehalten wird. Es entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, Hilfsmittel, mit denen verhindert werden soll, dass der Körper einer für ihn belastenden Situation ausgesetzt wird, dem Bereich der Eigenverantwortung zuzuschreiben. Dies auch deshalb, weil diese Hilfsmittel regelmäßig zu relativ geringen Abgabe-preisen selbst erworben werden können und weil sie von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens nur unter erheblichen Schwierigkeiten abgrenzbar sind.
Verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung, Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Versorgung auszuschließen, bestehen nicht. Der Gesetzgeber hat bei der Abgrenzung, für welche Risiken die Krankenkasse und für welche der Versicherte im Rahmen seiner Eigenverantwortung aufzukommen hat, einen weiten Gestal-tungsspielraum (vgl. BSG, Urt. v. 08.03.1995, Az. 1 RK 7/94, E 76, 40, SozR 3-2500 § 30 Nr. 5, m. w. N.; zur Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung jüngst BSG, Urt. v. 06.11.2008, B 1 KR 6/08 R). Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist schon nach den in §§ 1 und 2 sowie 12 SGB V normierten Grundsätzen der Eigenverantwortung und der Wirtschaftlichkeit mit grundsätzlichen Leistungsbegrenzungen angelegt. Es gilt hierbei die Interessen der Beitragszahler gegen die des behandlungsbedürftigen Versicherten abzuwägen. Ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang lässt sich dem Grundgesetz (GG) weder in den Grundrechten noch im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG entnehmen (BVerfG, Beschl. v. 03.04.1979, 1 BvL 30/76, E 51, 115, 125, SozR 4100 § 112 Nr. 10 S. 33; BVerfG, Beschl. v. 29.05.1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, zitiert nach Juris Rz. 83, E 82, 60, 80, SozR 3-5870 § 10 Nr. 1 S. 5 jeweils m. w. N.).
Dem Sozialstaatsprinzip wird im Hinblick auf medizinisch unabweisbar notwendi-ge Hilfsmittel, deren Kosten nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, bei entsprechender Bedürftigkeit durch Ansprüche gegen den Sozialhilfeträger nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) bzw. gegen den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) hinreichend Rechnung getragen. Veranlassung für eine Beiladung dieser Träger nach § 75 Abs. 2 2. Alt., Abs. 5 SGG sah der Senat nicht, da keine Anhaltspunkte für eine mögliche Leistungspflicht dieser Träger gegenüber der Klägerin vorliegen. Da diese zu ihrer Einkommens- und Vermögenssituation keine aussagekräftigen Angaben gemacht hat und auch für ihre Anwaltskosten Prozesskostenhilfe nicht beantragt hat, sah sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen bezüglich der Bedürftigkeit der Klägerin im Sinne des SGB XII bzw. des SGB II veranlasst.
Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kann kein Anspruch auf Bereithaltung spezieller Gesundheitsleistungen hergeleitet werden (vgl. BVerfG, Bschl. v. 05.03.1997 – 1 BvR 1071/95 – NJW 1997, 3085: Edelfosin; – 1 BvR 1953/97 – MedR 1997, 318: Jomol; Bschl. v. 15.12.1997 – 1 BvR 1953/97 – NJW 1998, 1775, 1776: Heilprak-tiker). Der Staat hat zwar die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut Leben bzw. körperliche Unversehrtheit zu stellen und das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist in diesem Sinne auszulegen. Die Gestal-tungsfreiheit des Gesetzgebers wird dadurch jedoch nur insoweit eingeschränkt, als die Vorkehrungen zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sein dürfen. Diese Grenze wird durch die gesetzliche Regelung, Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Versorgung auszuschließen, offensichtlich nicht erreicht (vgl. auch BSG, Urt. v. 06.11.2008 – B 1 KR 6/08 R – für den gesetzlich bestimmten Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick auf das Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Von dem auf Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bezogenen Leistungsausschluss sind alle Versicherten in gleicher Weise betrof-fen und alle Applikationshilfen für Wärme und Kälte sind gleichermaßen einbezogen. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Unterscheidung anhand der Gründe für das benötigte Hilfsmittel zu treffen. Ein ursachenbezogener Versicherungsschutz ist dem Schutzzweck der gesetzlichen Krankenversicherung fremd und könnte zu schwierigen Abgrenzungsfragen führen. Ein Leistungsausschluss, der sich nur auf Leistungen beziehen würde, die medizinisch nicht notwendig sind, wäre überflüssig, da die gesetzliche Krankenversicherung ohnehin nur bei medizinischer Notwendigkeit leistungspflichtig ist.
Da somit die Versorgung der Klägerin mit den begehrten beheizbaren Handschuhen schon nach §§ 33 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 34 Abs. 4 SGB V und § 1 Ziff. 4 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist, kommt auch ein Anspruch in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Kosten für beheizbare Handschuhe für den Sport- und Freizeitbereich und den von der Klägerin begehrten dünneren und flexibleren Handschuhen nicht in Betracht. Unerheblich ist, ob und inwieweit es sich bei den begehrten beheizbaren Handschuhen um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt.
Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat misst der Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung bei, da er keine offene, klärungsbedürftige Rechtsfrage sieht. Der Begriff der Applikationshilfen für Wärme und Kälte in der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung ist im Hinblick auf die hier begehrten beheizbaren Handschuhe eindeutig, so dass die Anwendbarkeit dieser Vorschrift keine offene Rechtsfrage darstellt. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Vorschrift wird auf die zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts sowie des Bundesverfassungsgerichts verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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