Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Potsdam (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
40
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 40 AS 4140/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Abänderung des Bescheides vom 22.03.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2006 an den Kläger für den Zeitraum 01.03.2006 bis 31.08.2006 für die Kosten der Unterkunft monatlich 166,17 Euro zu zahlen. 2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen des Leistungsbezuges nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) die Übernahme der Kosten seiner Unterkunft in Höhe von 166,17 Euro für den Zeitraum 01.03.2006 bis 31.08.2006.
Der 1978 geborene Kläger beantragte am 22.09.2005 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Dabei gab er an, gemeinsam mit seiner 1980 geborenen Schwester eine 86,74 m² große Dreizimmerwohnung in M zu bewohnen. Den von ihm bewohnten Wohnflächenanteil gab er mit 43 m² an. Die Höhe der monatlichen Gesamtmiete ist im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung mit 358,00 Euro angegeben, davon auf den Kläger entfallend die Hälfte (179,00 Euro). Der Kläger reichte offenbar mit Antragstellung die Kopie eines am 01.11.2001 geschlossenen Mietvertrages zwischen seiner Mutter als Vermieterin und seiner Schwester und ihm als Mieter ein. Die Gesamtmiete (Grundmiete, Nebenkosten, Heizkosten, Strom und Wasser) ist darin mit 700,00 DM angegeben. Unter § 19 des Vertrages (weitere Vereinbarungen) heißt es wörtlich: "Mietzahlung erfolgt von J J (die Schwester des Klägers, Anmerkung des Gerichts), die Hälfte wird in bar von D J (der Kläger, Anmerkung des Gerichts) an J J gezahlt." Hinter der Kopie des Mietvertrages finden sich im Verwaltungsvorgang Kopien von Quittungen über die anteilige Mietzahlung in Höhe von jeweils 179,00 Euro in bar durch den Kläger an seine Schwester für die Monate März bis August 2005. Diese wurden offensichtlich ebenfalls mit Antragstellung eingereicht. Auf eine entsprechende Aufforderung der Beklagten hin, reichte der Kläger noch eine unter dem 01.11.2001 unterzeichnete Anlage zum Mietvertrag ein, in der die Mietgesamtkosten in Grundmiete (650,00 DM), anteilig Strom (30,00 DM) und anteilig Heizkosten (20,00 DM) aufgesplittet sind.
Mit Bescheid vom 22.03.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 01.03.2006 bis 31.08.2006 monatliche Leistungen in Höhe der Regelleistung von 331,00 Euro. Ebenfalls unter dem 22.03.2006 teile die Beklagte dem Kläger mit formlosem Schreiben mit, dass über seinen Antrag vorläufig ohne Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung entschieden worden sei und bat ihn, lückenlose Nachweise über monatliche Mietzahlungen in Form von Kontoauszügen einzureichen, Quittungen würden nicht anerkannt. Der Kläger erhob am 21.04.2006 Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.03.2006. Darin heißt es unter anderem wörtlich: "Ich war im guten Glauben, dass die Bearbeitung so lange dauert. Ich konnte meine Schwester nur immer wieder vertrösten, dass sie die anteilige Miete noch bekomme. Was nun? Sie drohte mir daher, des Öfteren mich rauszuschmeißen und ich solle mir eine eigene Wohnung nehmen!"
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe die tatsächliche Zahlung der Miete nicht nachgewiesen.
Der Kläger hat am 08.01.2007 Klage erhoben. Er trägt vor, seine Mietzahlungen durch Quittungen nachgewiesen zu haben. Er habe seinen Mietanteil bis zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II bezahlt. Danach habe er das Geld nicht mehr aufbringen können. Die Miete sei dann in voller Höhe von seiner Schwester bezahlt worden. Er müsse ihr seinen Anteil zurückzahlen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.03.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.05.2006 – beide in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.12.2006 – zu verpflichten, an ihn für den Zeitraum 01.03.2006 bis 31.08.2006 für Kosten der Unterkunft monatlich 166,17 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft die Gründe der angegriffenen Bescheide und macht ergänzend geltend, die hier vorgetragenen Geschehensabläufe hielten einem so genannten Fremdvergleich nicht stand.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie denjenigen der Gerichtsakten in den Verfahren S 40 AS 4145/08 und S 40 AS 4154/08 und der entsprechenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die – soweit maßgeblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum einen Rechtsanspruch auf Leistung seiner Kosten der Unterkunft in der tenorierten Höhe (vgl. § 54 Absatz 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Anspruchsgrundlage hierfür ist § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), wonach erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung erhalten. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum zum Leistungserwerb nach dem SGB II gemäß § 7 SGB II berechtigt. Er hatte gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet, war auch erwerbsfähig (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Insbesondere war er im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9,11,12 SGB II auch hilfebedürftig, weil er seinen Lebensunterhalt aus Vermögen oder Einkommen nicht sichern konnte.
Der Streitgegenstand ist hier, dem Antrag entsprechend, auf die Kosten der Unterkunft beschränkt. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendung erbracht, soweit diese angemessen sind.
Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts tatsächliche Aufwendungen für seine Unterkunft durch hierzu geeignete und ausreichende Unterlagen nachgewiesen. Dies zunächst durch den gemeinsam mit dem Leistungsantrag vorgelegten Mietvertrag vom 01.11.2001. Selbst wenn man - in Anlehnung an die ständige Rechtssprechung des Bundesfinanzhofes - Verträge zwischen Angehörigen der Leistungsgewährung nur dann zu Grunde legen dürfte, wenn sie zum einen bürgerlichrechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (so genannter Fremdvergleich; so: LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 13.07.2007 - L 8 AS 2589/06 -, zitiert nach Juris; ablehnend: BSG im Verfahren B 4 AS 37/08 R -, vgl. Terminbericht Nr. 14/09, Ziffer 5, wo es wörtlich heißt: "Eine Übertragung der Maßstäbe des Fremdvergleichs auf das SGB II scheidet aus. ( ) Grundsicherungsrechtlich ist es sogar erwünscht, wenn der vereinbarte Mietzins etwa aus Gründen der verwandtschaftlichen Verbundenheit niedriger ist, als dieses in einem Mietverhältnis unter Fremden der Fall wäre." ), sind diese Kriterien vorliegend erfüllt. Die Hauptpflichten der Vertragsparteien, das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichtenden Miete, sind klar und eindeutig im Mietvertrag vom 1.11.2001 vereinbart worden und - nach Überzeugung des Gerichts - auch entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt worden. Die Zahlung der Gesamtmiete durch die Schwester des Klägers per Überweisung ist durch Vorlage von entsprechenden Kontoauszügen lückenlos für den Zeitraum März 2005 bis Februar 2007 nachgewiesen. Der Kläger hat die Barzahlung seines Mietanteils für den Zeitraum März bis August 2005 durch Vorlage der entsprechenden Quittungen ebenfalls nachgewiesen. Quittungen sind ein im Rechtsverkehr übliches Beweismittel (vgl. auch zur Zahlungsglaubhaftmachung durch Mietquittungen: LSG Niedersachen - Bremen, Beschluss vom 22.06.2006 - L 8 AS 165/06 ER -, zitiert nach Juris). Anhaltspunkte für eine nachträgliche Fertigung dieser Unterlagen, um sich diesbezügliche Leistungen der Beklagten zu erschleichen, liegen nicht vor. Hiergegen spricht auch der zeitliche Ablauf. Der Mietvertrag datiert bereits mehrere Jahre vor der Antragstellung nach dem SGB II. Sowohl Mietvertrag als auch Mietquittungen wurden zeitgleich mit der Antragstellung vorgelegt. Dass für den Kläger die Barzahlung keine unübliche Zahlungsweise ist, zeigt auch eine im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindliche Quittung über die bare Zahlung der Kfz-Versicherung durch den Kläger im Juli 2007. Für das Hinwirken auf weitergehende Mitwirkungsobliegenheiten des Klägers gemäß §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), die im Rahmen des SGB II ebenfalls gelten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R -, amtl. Umdruck) steht der Beklagten keine Ermächtigungsgrundlage zur Seite. Insbesondere war sie vorliegend im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflichten (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht befugt, vom Kläger einen Nachweis der Mietzahlungen durch Vorlage von Kontoauszügen zu verlangen. Zum einen stand diesem vor dem Hintergrund, dass der Kläger seine Zahlungen mangels Mitteln bereits ab September 2005 eingestellt hatte, die tatsächliche Unmöglichkeit entgegen. Zum anderen gewährt Artikel 2 Grundgesetz auch Empfängern von Grundsicherungsleistungen ein Mindestmaß an freier Selbstgestaltung ihrer Lebensumstände. Der Grundrechtsschutz würde es vorliegend verbieten, einen Hilfeempfänger durch hoheitliches Handeln zwingen zu wollen, seinen mietvertraglichen Zahlungsverpflichtungen auf eine ganz bestimmte Art und Weise, etwa durch Überweisung oder Einrichtung eines Dauerauftrags nachzukommen.
Dem Leistungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Schwester des Klägers die vollständige Mietzahlung im streitgegenständlichen Zeitraum übernommen hat. Der Kläger muss sich einen diesbezüglichen Wegfall seines Bedarfs nicht entgegen halten lassen. Zwar werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts grundsätzlich nach Maßgabe des Nachrang- und Selbsthilfegrundsatzes gewährt (vgl. §§ 2, 9 Absatz 1 SGB II). Vor diesem Hintergrund hat bereits das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtssprechung den Grundsatz betont, dass keine Sozialhilfe für die Vergangenheit geleistet werden kann. Ausnahmen vom Erfordernis eines tatsächlich fortbestehenden Bedarfs hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch insbesondere bei einer zwischenzeitlichen Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder durch die Hilfe dritter Personen immer in zwei Fallgestaltungen zugelassen, nämlich in Eilfällen, um der Effektivität der gesetzlichen Gewährung des Rechtsanspruchs des Hilfebedürftigen auf Fürsorgeleistungen zu genügen und bei Einlegung von Rechtsbehelfen, um der Effektivität des Rechtschutzes hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 12/87 -, zitiert nach Juris). Die Hilfe eines Dritten schließt den Leistungsanspruch dann nicht aus, wenn der Dritte vorläufig an Stelle des Leistungsträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens nur deshalb einspringt, weil der Leistungsträger nicht rechtzeitig geholfen hat. Diese Ausnahmen greifen vorliegend unter zwei Gesichtspunkten ein. Zum einen hat der Kläger die Nichtgewährung seiner Kosten der Unterkunft mit den entsprechenden Rechtsbehelfen angegriffen. Zum anderen ist das Gericht nach Würdigung des Vortrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie aller vorliegenden Unterlagen davon überzeugt, dass die Schwester des Klägers dessen Mietanteil nicht Schenkungsweise, sondern unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens vorläufig anstelle des Leistungsträgers für ihn übernommen hat. Hiefür streiten bereits die vertraglichen Regelungen im Mietvertrag sowie die vorliegenden Zahlungsquittungen des Klägers vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit. Weiterhin auch der durchgehende entsprechende Vortrag des Klägers seit Widerspruchseinlegung am 21.04.2006. Zudem ein im Prozesskostenhilfeverfahren zur Akte S 40 AS 4154/08 gereichtes Schreiben des Klägers vom 27.01.2009, in dem es unter anderem heißt: "Des Weiteren darf ich bis zur gerichtlichen Klärung weiter bei meiner Schwester wohnen, die anteiligen Mietschulden werden bis auf weiteres gestundet. Es heißt, wenn ich genügend einnehme, muss ich die gestundeten Mietrückstände ausgleichen." Dieses Schriftstück ist auch von der Schwester des Klägers bestätigend unterzeichnet worden. Insbesondere vor dem Hintergrund der laufenden Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren, ist auch kein Grund für eine Schenkung ersichtlich.
Die monatliche Zahlung für Kosten der Unterkunft war der Höhe nach wie beantragt zu tenorieren. Sie ergibt sich aus der Hälfte des vereinbarten Mietzinses abzüglich der anteiligen Heiz- und Stromkosten. Letztere sind gemäß § 20 Abs. 1 SGB II von der Regelleistung umfasst. Da Kosten für die Zubereitung von Warmwasser ebenfalls gemäß § 20 Abs. 1 SGB II von der Regelleistung umfasst sind, ist von dem Heizkostenanteil des Klägers in Höhe von umgerechnet 5,11 Euro eine Warmwasserpauschale in Höhe von 5,97 Euro für den streitgegenständlichen Zeitraum abzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11 BAS 15/07 R- , amtl. Umdruck), so dass vorliegend Heizkosten vollständig ausfallen. Die Hälfte der reinen Kaltmiete in Höhe von 650,00 DM beträgt 325,00 DM, umgerechnet den tenorierten Betrag in Höhe von 166,17 Euro. An der Angemessenheit der Unterkunftskosten in dieser Höhe bestehen keine Zweifel. Abzustellen ist hierbei auf den Kläger als Einzelperson (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11 BAS 61/06 R -, amtl. Umdruck; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2005 - L 3 AS 3266/05 -, zitiert nach Juris). Insbesondere unterschreitet der mit 43 m² angegebene Wohnanteil des Klägers die für eine Person als angemessen anzunehmende Wohnungsgröße von bis zu 50 m² (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7 b AS 44/06 R -, amtl. Umdruck; § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFB, BGBL I 2376) i.V.m. Punkt 4.1 zu § 10 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen- und Verkehr zum Wohnraumförderungs- und Wohnungsbindungsgesetz vom 15.10.2002 (Amtsblatt für Brandenburg, 1022).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen des Leistungsbezuges nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) die Übernahme der Kosten seiner Unterkunft in Höhe von 166,17 Euro für den Zeitraum 01.03.2006 bis 31.08.2006.
Der 1978 geborene Kläger beantragte am 22.09.2005 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Dabei gab er an, gemeinsam mit seiner 1980 geborenen Schwester eine 86,74 m² große Dreizimmerwohnung in M zu bewohnen. Den von ihm bewohnten Wohnflächenanteil gab er mit 43 m² an. Die Höhe der monatlichen Gesamtmiete ist im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung mit 358,00 Euro angegeben, davon auf den Kläger entfallend die Hälfte (179,00 Euro). Der Kläger reichte offenbar mit Antragstellung die Kopie eines am 01.11.2001 geschlossenen Mietvertrages zwischen seiner Mutter als Vermieterin und seiner Schwester und ihm als Mieter ein. Die Gesamtmiete (Grundmiete, Nebenkosten, Heizkosten, Strom und Wasser) ist darin mit 700,00 DM angegeben. Unter § 19 des Vertrages (weitere Vereinbarungen) heißt es wörtlich: "Mietzahlung erfolgt von J J (die Schwester des Klägers, Anmerkung des Gerichts), die Hälfte wird in bar von D J (der Kläger, Anmerkung des Gerichts) an J J gezahlt." Hinter der Kopie des Mietvertrages finden sich im Verwaltungsvorgang Kopien von Quittungen über die anteilige Mietzahlung in Höhe von jeweils 179,00 Euro in bar durch den Kläger an seine Schwester für die Monate März bis August 2005. Diese wurden offensichtlich ebenfalls mit Antragstellung eingereicht. Auf eine entsprechende Aufforderung der Beklagten hin, reichte der Kläger noch eine unter dem 01.11.2001 unterzeichnete Anlage zum Mietvertrag ein, in der die Mietgesamtkosten in Grundmiete (650,00 DM), anteilig Strom (30,00 DM) und anteilig Heizkosten (20,00 DM) aufgesplittet sind.
Mit Bescheid vom 22.03.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 01.03.2006 bis 31.08.2006 monatliche Leistungen in Höhe der Regelleistung von 331,00 Euro. Ebenfalls unter dem 22.03.2006 teile die Beklagte dem Kläger mit formlosem Schreiben mit, dass über seinen Antrag vorläufig ohne Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung entschieden worden sei und bat ihn, lückenlose Nachweise über monatliche Mietzahlungen in Form von Kontoauszügen einzureichen, Quittungen würden nicht anerkannt. Der Kläger erhob am 21.04.2006 Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.03.2006. Darin heißt es unter anderem wörtlich: "Ich war im guten Glauben, dass die Bearbeitung so lange dauert. Ich konnte meine Schwester nur immer wieder vertrösten, dass sie die anteilige Miete noch bekomme. Was nun? Sie drohte mir daher, des Öfteren mich rauszuschmeißen und ich solle mir eine eigene Wohnung nehmen!"
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger habe die tatsächliche Zahlung der Miete nicht nachgewiesen.
Der Kläger hat am 08.01.2007 Klage erhoben. Er trägt vor, seine Mietzahlungen durch Quittungen nachgewiesen zu haben. Er habe seinen Mietanteil bis zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II bezahlt. Danach habe er das Geld nicht mehr aufbringen können. Die Miete sei dann in voller Höhe von seiner Schwester bezahlt worden. Er müsse ihr seinen Anteil zurückzahlen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.03.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.05.2006 – beide in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.12.2006 – zu verpflichten, an ihn für den Zeitraum 01.03.2006 bis 31.08.2006 für Kosten der Unterkunft monatlich 166,17 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft die Gründe der angegriffenen Bescheide und macht ergänzend geltend, die hier vorgetragenen Geschehensabläufe hielten einem so genannten Fremdvergleich nicht stand.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie denjenigen der Gerichtsakten in den Verfahren S 40 AS 4145/08 und S 40 AS 4154/08 und der entsprechenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die – soweit maßgeblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum einen Rechtsanspruch auf Leistung seiner Kosten der Unterkunft in der tenorierten Höhe (vgl. § 54 Absatz 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Anspruchsgrundlage hierfür ist § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), wonach erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung erhalten. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum zum Leistungserwerb nach dem SGB II gemäß § 7 SGB II berechtigt. Er hatte gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet, war auch erwerbsfähig (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Insbesondere war er im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9,11,12 SGB II auch hilfebedürftig, weil er seinen Lebensunterhalt aus Vermögen oder Einkommen nicht sichern konnte.
Der Streitgegenstand ist hier, dem Antrag entsprechend, auf die Kosten der Unterkunft beschränkt. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendung erbracht, soweit diese angemessen sind.
Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts tatsächliche Aufwendungen für seine Unterkunft durch hierzu geeignete und ausreichende Unterlagen nachgewiesen. Dies zunächst durch den gemeinsam mit dem Leistungsantrag vorgelegten Mietvertrag vom 01.11.2001. Selbst wenn man - in Anlehnung an die ständige Rechtssprechung des Bundesfinanzhofes - Verträge zwischen Angehörigen der Leistungsgewährung nur dann zu Grunde legen dürfte, wenn sie zum einen bürgerlichrechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (so genannter Fremdvergleich; so: LSG Baden- Württemberg, Urteil vom 13.07.2007 - L 8 AS 2589/06 -, zitiert nach Juris; ablehnend: BSG im Verfahren B 4 AS 37/08 R -, vgl. Terminbericht Nr. 14/09, Ziffer 5, wo es wörtlich heißt: "Eine Übertragung der Maßstäbe des Fremdvergleichs auf das SGB II scheidet aus. ( ) Grundsicherungsrechtlich ist es sogar erwünscht, wenn der vereinbarte Mietzins etwa aus Gründen der verwandtschaftlichen Verbundenheit niedriger ist, als dieses in einem Mietverhältnis unter Fremden der Fall wäre." ), sind diese Kriterien vorliegend erfüllt. Die Hauptpflichten der Vertragsparteien, das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichtenden Miete, sind klar und eindeutig im Mietvertrag vom 1.11.2001 vereinbart worden und - nach Überzeugung des Gerichts - auch entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt worden. Die Zahlung der Gesamtmiete durch die Schwester des Klägers per Überweisung ist durch Vorlage von entsprechenden Kontoauszügen lückenlos für den Zeitraum März 2005 bis Februar 2007 nachgewiesen. Der Kläger hat die Barzahlung seines Mietanteils für den Zeitraum März bis August 2005 durch Vorlage der entsprechenden Quittungen ebenfalls nachgewiesen. Quittungen sind ein im Rechtsverkehr übliches Beweismittel (vgl. auch zur Zahlungsglaubhaftmachung durch Mietquittungen: LSG Niedersachen - Bremen, Beschluss vom 22.06.2006 - L 8 AS 165/06 ER -, zitiert nach Juris). Anhaltspunkte für eine nachträgliche Fertigung dieser Unterlagen, um sich diesbezügliche Leistungen der Beklagten zu erschleichen, liegen nicht vor. Hiergegen spricht auch der zeitliche Ablauf. Der Mietvertrag datiert bereits mehrere Jahre vor der Antragstellung nach dem SGB II. Sowohl Mietvertrag als auch Mietquittungen wurden zeitgleich mit der Antragstellung vorgelegt. Dass für den Kläger die Barzahlung keine unübliche Zahlungsweise ist, zeigt auch eine im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindliche Quittung über die bare Zahlung der Kfz-Versicherung durch den Kläger im Juli 2007. Für das Hinwirken auf weitergehende Mitwirkungsobliegenheiten des Klägers gemäß §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), die im Rahmen des SGB II ebenfalls gelten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R -, amtl. Umdruck) steht der Beklagten keine Ermächtigungsgrundlage zur Seite. Insbesondere war sie vorliegend im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflichten (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht befugt, vom Kläger einen Nachweis der Mietzahlungen durch Vorlage von Kontoauszügen zu verlangen. Zum einen stand diesem vor dem Hintergrund, dass der Kläger seine Zahlungen mangels Mitteln bereits ab September 2005 eingestellt hatte, die tatsächliche Unmöglichkeit entgegen. Zum anderen gewährt Artikel 2 Grundgesetz auch Empfängern von Grundsicherungsleistungen ein Mindestmaß an freier Selbstgestaltung ihrer Lebensumstände. Der Grundrechtsschutz würde es vorliegend verbieten, einen Hilfeempfänger durch hoheitliches Handeln zwingen zu wollen, seinen mietvertraglichen Zahlungsverpflichtungen auf eine ganz bestimmte Art und Weise, etwa durch Überweisung oder Einrichtung eines Dauerauftrags nachzukommen.
Dem Leistungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Schwester des Klägers die vollständige Mietzahlung im streitgegenständlichen Zeitraum übernommen hat. Der Kläger muss sich einen diesbezüglichen Wegfall seines Bedarfs nicht entgegen halten lassen. Zwar werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts grundsätzlich nach Maßgabe des Nachrang- und Selbsthilfegrundsatzes gewährt (vgl. §§ 2, 9 Absatz 1 SGB II). Vor diesem Hintergrund hat bereits das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtssprechung den Grundsatz betont, dass keine Sozialhilfe für die Vergangenheit geleistet werden kann. Ausnahmen vom Erfordernis eines tatsächlich fortbestehenden Bedarfs hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch insbesondere bei einer zwischenzeitlichen Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder durch die Hilfe dritter Personen immer in zwei Fallgestaltungen zugelassen, nämlich in Eilfällen, um der Effektivität der gesetzlichen Gewährung des Rechtsanspruchs des Hilfebedürftigen auf Fürsorgeleistungen zu genügen und bei Einlegung von Rechtsbehelfen, um der Effektivität des Rechtschutzes hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 12/87 -, zitiert nach Juris). Die Hilfe eines Dritten schließt den Leistungsanspruch dann nicht aus, wenn der Dritte vorläufig an Stelle des Leistungsträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens nur deshalb einspringt, weil der Leistungsträger nicht rechtzeitig geholfen hat. Diese Ausnahmen greifen vorliegend unter zwei Gesichtspunkten ein. Zum einen hat der Kläger die Nichtgewährung seiner Kosten der Unterkunft mit den entsprechenden Rechtsbehelfen angegriffen. Zum anderen ist das Gericht nach Würdigung des Vortrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie aller vorliegenden Unterlagen davon überzeugt, dass die Schwester des Klägers dessen Mietanteil nicht Schenkungsweise, sondern unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens vorläufig anstelle des Leistungsträgers für ihn übernommen hat. Hiefür streiten bereits die vertraglichen Regelungen im Mietvertrag sowie die vorliegenden Zahlungsquittungen des Klägers vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit. Weiterhin auch der durchgehende entsprechende Vortrag des Klägers seit Widerspruchseinlegung am 21.04.2006. Zudem ein im Prozesskostenhilfeverfahren zur Akte S 40 AS 4154/08 gereichtes Schreiben des Klägers vom 27.01.2009, in dem es unter anderem heißt: "Des Weiteren darf ich bis zur gerichtlichen Klärung weiter bei meiner Schwester wohnen, die anteiligen Mietschulden werden bis auf weiteres gestundet. Es heißt, wenn ich genügend einnehme, muss ich die gestundeten Mietrückstände ausgleichen." Dieses Schriftstück ist auch von der Schwester des Klägers bestätigend unterzeichnet worden. Insbesondere vor dem Hintergrund der laufenden Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren, ist auch kein Grund für eine Schenkung ersichtlich.
Die monatliche Zahlung für Kosten der Unterkunft war der Höhe nach wie beantragt zu tenorieren. Sie ergibt sich aus der Hälfte des vereinbarten Mietzinses abzüglich der anteiligen Heiz- und Stromkosten. Letztere sind gemäß § 20 Abs. 1 SGB II von der Regelleistung umfasst. Da Kosten für die Zubereitung von Warmwasser ebenfalls gemäß § 20 Abs. 1 SGB II von der Regelleistung umfasst sind, ist von dem Heizkostenanteil des Klägers in Höhe von umgerechnet 5,11 Euro eine Warmwasserpauschale in Höhe von 5,97 Euro für den streitgegenständlichen Zeitraum abzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11 BAS 15/07 R- , amtl. Umdruck), so dass vorliegend Heizkosten vollständig ausfallen. Die Hälfte der reinen Kaltmiete in Höhe von 650,00 DM beträgt 325,00 DM, umgerechnet den tenorierten Betrag in Höhe von 166,17 Euro. An der Angemessenheit der Unterkunftskosten in dieser Höhe bestehen keine Zweifel. Abzustellen ist hierbei auf den Kläger als Einzelperson (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/11 BAS 61/06 R -, amtl. Umdruck; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2005 - L 3 AS 3266/05 -, zitiert nach Juris). Insbesondere unterschreitet der mit 43 m² angegebene Wohnanteil des Klägers die für eine Person als angemessen anzunehmende Wohnungsgröße von bis zu 50 m² (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7 b AS 44/06 R -, amtl. Umdruck; § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFB, BGBL I 2376) i.V.m. Punkt 4.1 zu § 10 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen- und Verkehr zum Wohnraumförderungs- und Wohnungsbindungsgesetz vom 15.10.2002 (Amtsblatt für Brandenburg, 1022).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
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