L 15 V 8/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 V 4/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 8/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 5/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 2. April 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1932 geborene Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Streitig ist die Zuerkennung von Berufsschadensausgleich, Ausgleichsrente sowie Ehegattenzuschlag, Alterserhöhung zur Grundrente und des Weiteren die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen (Polyneuropathie der Beine, Carpaltunnelsyndrom der rechten Hand, Arm- und Schulterbeschwerden rechts sowie Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule).

Der 1932 geborene Kläger ist am 28.01.1944 in K. in Oberschlesien durch einen Sprengkörper (Handgranate) verletzt worden. Das Versorgungsamt Düsseldorf hat mit Bescheid vom 12.06.1954 als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung anerkannt:
Verlust der Finger I bis IV der linken Hand,
winzige Weichteilstecksplitter im Gesicht
und hierfür ab 01.06.1951 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - nunmehr: Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - von 40 v.H. bewilligt.

Der Kläger hat mit Antrag vom 06.03.1994 beantragt, die bisherige Entscheidung vom 12.06.1954 aufzuheben und den Anspruch auf Versorgung nach dem BVG neu festzustellen, insbesondere "seelische Störungen und Depressionen" als weitere Schädigungsfolgen im Sinne des BVG anzuerkennen. Die MdE sei nach § 30 Abs.2 BVG höher zu bewerten; ihm stehe Berufsschadensausgleich zu. Der Antrag vom 06.03.1994 ist mit Bescheiden des Amtes für Familienförderung M. vom 30.01.1995 und 31.01.1995 abgelehnt worden. Auch in Berücksichtigung einer "Daumensattelgelenkarthrose links" sei eine MdE um 40 v.H. weiterhin angemessen. Die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule sowie beider Schultergelenke seien nicht auf schädigende Einwirkungen des § 1 BVG zurückzuführen; insbesondere handele es sich nicht um einen sogenannten Überlastungsschaden. Für die geltend gemachten "seelischen Störungen" würden nach einem Zeitraum von fast 50 Jahren jegliche Brückensymptome fehlen. Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG liege nicht vor. Bei den nach seiner Umschulung ausgeübten Tätigkeiten im EDV-Bereich habe es sich ausschließlich um Positionen mit Leitungsfunktion gehandelt, die weit überwiegend von der geistigen Leistungsfähigkeit geprägt worden seien. Zudem habe der Kläger den Körperschaden im Kindesalter erlitten und dadurch erlernt, mit dieser Schädigung bei der Ausübung manueller Tätigkeiten besser umzugehen. Dies ergebe sich auch daraus, dass er trotz seiner Schädigung 1949 eine Anlernausbildung als Elektromonteur absolviert und in diesem Beruf auch einige Jahre gearbeitet habe. Auch die zehnjährige Tätigkeit als selbstständiger Obst- und Südfrüchtehändler lasse erkennen, dass ein manueller Einsatz möglich gewesen sei. Aus dem wechselvollen Arbeitsleben in den folgenden Jahrzehnten sei nicht ablesbar, dass die anerkannten Schädigungsfolgen die berufliche Entwicklung nennenswert beeinträchtigt hätten. Auch die wirtschaftliche Entwicklung seines selbstständigen EDV-Unternehmens seit 1981 habe sich gänzlich unabhängig von Art und Ausmaß der Schädigungsfolgen vollzogen. Dementsprechend sei auch die Bewilligung von Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs.3 BVG nicht möglich.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch vom 20.02.1995 ist mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.1995 zurückgewiesen worden. Das Sozialgericht München hat die diesbezügliche Klage mit Urteil vom 30.09.1999 - S 29 V 105/97 - abgewiesen. In dem sich anschließenden Berufungsverfahren hat der Kläger einen Teilerfolg erzielt. Das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) hat mit Urteil vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird der Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 30.09.1999 sowie Abänderung der Bescheide vom 30.01. und 31.01.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1995 verurteilt, bei dem Kläger ab 01.01.1990 Versorgungsrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger zwei Zehntel der außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Maßgebliche Gründe hierfür sind gewesen, dass die Schädigungsfolgen im Bereich der linken Hand gemäß § 30 Abs.1 BVG mit einer MdE von 50 v.H. bewertet worden sind. Weitere Schädigungsfolgen im Bereich der linken und rechten Hand, des rechten Armes, der Schultern, der Wirbelsäule (vor allem Halswirbelsäule) sowie auf psychischem Fachgebiet sind nicht anerkannt worden. Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG ist verneint worden. Insbesondere sei nicht nachweisbar gewesen, dass der Kläger als Bürger der ehemaligen DDR einen mindestens fünf Jahre lang nachweisbaren schädigungsbedingten Einkommensverlust von 20 % habe hinnehmen müssen. Aus den nämlichen Gründen stehe ihm auch ein Renten-Berufsschadensausgleich nicht zu (BayLSG mit Urteil vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 -).

Der Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Ausführungsbescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 02.04.2004 als Folge einer Schädigung im Sinne des BVG wie bisher im Sinne der Entstehung anerkannt:
Verlust der Finger I bis IV der linken Hand,
winzige Weichteilstecksplitter im Gesicht

und die MdE (nunmehr: Grad der Schädigungsfolgen - GdS) ab 01.01.1990 gemäß § 30 Abs.1 BVG mit 50 v.H. festgestellt. Mit gesondertem ebenfalls streitgegenständlichem Berechnungsbescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.04.2004 sind dem Kläger in Ausführung des Urteils des BayLSG vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - insgesamt 13.257,17 EUR nachgezahlt worden.

Der Kläger hat mit Widerspruch vom 06.05.2004 gerügt, dass ihm kein Berufsschadensausgleich, keine Ausgleichsrente, keine Alterserhöhung zur Grundrente und kein Ehegattenzuschlag bewilligt worden sei. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger des Weiteren erneut die Anerkennung einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung, Anpassungsstörungen mit Depressivität, einer psychosomatischen Störung sowie eines Carpaltunnelsyndroms rechts als Schädigungsfolgen und dementsprechend höhere Versorgungsleistungen gemäß § 30 Abs.1 und 2 BVG beantragt.

Gestützt vor allem auf die psychiatrische versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. U. M. vom 15.02.2006 hat der Beklagte mit dem weiteren streitgegenständlichen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern II vom 22.02.2006 den Antrag auf Rücknahme oder Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2004 gemäß § 44 in Verbindung mit § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) abgelehnt. Dieser Bescheid ist gemäß § 96 Abs.1 SGG Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens S 29 bzw.33 V 4/05 geworden.

Der Widerspruch vom 06.05.2004 gegen die Bescheide des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 02.04.2004 und vom 05.04.2004 ist mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 29.05.2006 zurückgewiesen worden. Der Widerspruch sei unzulässig. Die angefochtenen Bescheide würden keine Entscheidung enthalten. Sie hätten das Urteil des BayLSG vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - korrekt umgesetzt. In dem damaligen Rechtsstreit sei es zwar auch um eine besondere berufliche Betroffenheit und einen Berufsschadensausgleich gegangen; doch sei das diese Leistungen verneinende Urteil des BayLSG mittlerweile rechtskräftig geworden, da die Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundessozialgericht (BSG) verworfen worden sei.

Mit Beschluss vom 05.03.2007 hat das Sozialgericht das Klagebegehren hinsichtlich der Gewährung von Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag abgetrennt. Mit weiterem Beschluss vom 12.03.2007 hat das Sozialgericht München die weitere Klage des Klägers vom 29.08.2005 (Streitsache S 29 bzw. 33 V 26/05) mit dem Verfahren S 33 V 4/05 gemäß § 113 Abs.1 SGG verbunden. Da beide Klageverfahren denselben Streitgegenstand betreffen würden, erscheine eine Verbindung zweckdienlich, um u.a. die gesamte Würdigung des klägerischen Vortrags in beiden Klageverfahren sicherzustellen.

Im Folgenden hat das Sozialgericht München wie angekündigt die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2007 - S 33 V 4/05 - abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs.3 ff. BVG verfolgt werde. Insoweit fehle es an einer Verwaltungsentscheidung, die mit einer Klage angegriffen werden könnte; damit sei insoweit die Vorgreiflichkeit des Verwaltungsverfahrens zu beachten. Die Bescheide des Beklagten vom 02.04.2004 und 05.04.2004 hätten lediglich das rechtskräftige Urteil des BayLSG vom 27.11.2003 ausgeführt. Darin sei der Beklagte aber gerade nicht zur Gewährung von Berufsschadensausgleich und auch nicht zur Gewährung eines Renten-Berufsschadensausgleiches verurteilt worden. Soweit die Klage im Übrigen zulässig sei, sei sie als unbegründet abzuweisen. Entsprechend dem weiteren Bescheid vom 22.02.2006, der gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden sei, habe es der Beklagte zu Recht abgelehnt, die MdE (nunmehr: GdS) gemäß § 30 Abs.1 und 2 BVG höher zu bewerten. Vor allem lägen hinsichtlich der erneut geltend gemachten beruflichen Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG keine neuen Tatsachen vor. Ebenso sei die Anerkennung von den nun neuerlich geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet und des Carpaltunnelsyndroms rechts sowie im Bereich der rechten Hand, des Armes, der Schulter und der Halswirbelsäule bereits mit erwähntem Urteil des BayLSG abgelehnt worden. Auch in diesem Zusammenhang sei die Geltendmachung neuer, erheblicher Tatsachen nicht ersichtlich, nachdem sich das BayLSG insbesondere bereits ausführlich mit dem bestehenden fortgeschrittenen Schultergelenksverschleiß rechts auseinandergesetzt und eine Anerkennung als Schädigungsfolge verneint habe. Auch die Ablehnung der Anerkennung der nun erstmals geltend gemachten Polyneuropathie der Beine mit Bescheid vom 22.02.2006 sei nicht zu beanstanden. Das Gericht folge insoweit den überzeugenden Ausführungen der psychiatrischen versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. U. M. vom 15.02.2006, in der festgestellt werde, dass erstmals 2002 (also erst 58 Jahre nach der Schädigung) ärztlicherseits überhaupt eine Polyneuropathie an den Beinen festgestellt worden sei, und im Übrigen medizinisch auch kein Zusammenhang zwischen der Art der erlittenen Schädigung und dem Auftreten einer Polyneuropathie an den Beinen bestünde. Ebenso sei die in den Bescheiden vom 02.04.2004 und 05.04.2004 vorgenommene Gewährung der BVG-Rente als Grundrente nach einer MdE in Höhe von 50 v.H. unter Berücksichtigung einer Alterserhöhung ab Oktober 1997 rechtlich nicht zu beanstanden. Die Alterserhöhung gemäß § 31 Abs.1 Satz 2 BVG sei dem Kläger, wie gesetzlich vorgesehen, ab Vollendung des 65. Lebensjahres sowie in der jeweils gesetzlich vorgesehenen Höhe gewährt worden. Die Gewährung von Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag sei nach der entsprechenden Verfahrensabtrennung mit Beschluss vom 05.03.2007 nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens. Eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs.1 Satz 2 SGG sei nicht veranlasst gewesen, da ein dafür erforderlicher Antrag seitens der BRD nicht gestellt worden sei. Auch eine Beiladung gemäß § 75 Abs.2 SGG sei nicht erforderlich gewesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 30.04.2007 ging am 02.05.2007 beim BayLSG ein. Zur Begründung hob der Kläger hervor, dass der Gerichtsbescheid vom 02.04.2007 mit zwei ehrenamtlichen Richtern hätte erlassen werden müssen. Die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland sei erforderlich. Der Trennungsbeschluss des Sozialgerichts München vom 05.03.2007 werde beanstandet, da insoweit von einer zügigen Verfahrenserledigung nicht gesprochen werden könne. Weiterhin sei die Zusammenlegung der Klagen S 33 V 26/05 und S 33 V 4/05 aufzuheben und die Verfahren seien getrennt fortzuführen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts München im Gerichtsbescheid vom 02.04.2007 seien die geänderten Bescheide vom 30. und 31.01.1995 sowie der Widerspruchsbescheid vom 31.05.1995 Gegenstand der Klage. Soweit sich das Sozialgericht München auf die Ablehnungsgründe im Urteil des BayLSG vom 27.11.2003 berufen habe, müsse auf die dortigen rechtswidrigen Entscheidungsgründe hingewiesen werden. Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG liege vor. Dementsprechend stehe auch ein Berufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs.3 ff. BVG zu. Unbestreitbar sei die Tatsache, dass der Kläger seit der Schädigung im Januar 1944 für sein ganzes Leben besonders beruflich betroffen gewesen sei. Es könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass die den Kläger seit seiner Kindheit belastende Schädigung und die Schädigungsfolgen keinen Einfluss auf sein späteres Leben und seine berufliche Laufbahn gehabt hätten. Weiterhin habe das Sozialgericht München verkannt, dass der Widerspruch sich in der Hauptsache auf die Nichtbewilligung des Berufsschadensausgleichs, der Ausgleichsrente, der Alterserhöhung zur Grundrente und des Ehegattenzuschlags erstreckt habe. Sein Antrag sei umfassend zu verstehen gewesen. Eine Korrektur sei sowohl nach § 44 Abs.1 als auch nach § 48 Abs.1 SGB X erforderlich. Im Rahmen von § 30 Abs.1 Satz 1 BVG seien bei der Bestimmung der MdE auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen in ihrer Auswirkung zu berücksichtigen.

Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs-Akten des Beklagten sowie die zugehörigen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz beigezogen.

Der Kläger beantragte mit ergänzender Berufungsbegründung vom 27.05.2007 nochmals, die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs.1 Satz 2 SGG beizuladen. Ihm stehe Berufsschadensausgleich und Ausgleichsrente zu. Die angefochtenen Verwaltungsakte seien nach § 44 SGB X zurückzunehmen und sein Anspruch nach dem BVG neu festzustellen.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 11.06.2007 u.a. auf die überlange Verfahrensdauer hingewiesen hatte, hat das BayLSG die bei dem Sozialgericht München befindlichen Akten mit Schreiben vom 14.06.2007 von dort erbeten. Auf Anfrage des BayLSG vom 27.06.2007 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Nachricht vom 10.07.2007 mitgeteilt, dass kein Antrag auf Beiladung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, gestellt werde.

Das BayLSG ersuchte das Sozialgericht München mit Schreiben vom 25.09.2007 um baldmöglichste Rückgabe der mit Nachricht des BayLSG vom 31.08.2007 zur Verfügung gestellten Akten, um das hiesige Eilverfahren L 15 B 450/07 ER entscheiden zu können. Der Kläger hat dies mit Schreiben vom 01.10.2007 zum Anlass genommen, den Richter am BayLSG H. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen und auf die Notwendigkeit eines zügigen Verfahrens hinzuweisen. Das BayLSG hat mit Beschluss vom 25.10.2007 - L 15 V 8/07 - ausgesprochen, dass die Ablehnung des Richters am BayLSG H. wegen Besorgnis der Befangenheit unbegründet sei.

Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 11.11.2007 den Richter am BayLSG Dr. K. als ausgeschlossen erachtet, weil dieser bereits bei Erlass des Urteils des BayLSG vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - mitgewirkt habe. Das BayLSG hat mit weiterem Beschluss vom 22.11.2007 - L 15 V 8/07 - ausgesprochen, dass die Ablehnung des Richters am BayLSG Dr. K. wegen Besorgnis der Befangenheit unbegründet sei. Wie sich aus dem Wortlaut des § 41 Nr.6 ZPO ergebe, müsse eine Mitwirkung in der Vorinstanz vorliegen. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen.

Mit 91 Seiten umfassendem Schriftsatz vom 19.12.2007 hat der Kläger gegen den Beschluss des BayLSG vom 22.11.2007 eine Gegenvorstellung samt Beschwerde eingereicht. Zwischenzeitlich hatte das BayLSG mit Beschluss vom 12.12.2007 - L 5 SF 51/07 V, L 5 SF 57/07 V, L 5 SF 58/07 V, L 5 SF 59/07 V, L 5 SF 60/07 und L 5 SF 61/07 V - entschieden, dass das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der 33. Kammer des Sozialgerichts München, Richterin am Sozialgericht R., wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen werde. Das BayLSG hat mit weiterem Beschluss vom 06.04.2008 - L 15 V 8/07 - entschieden, dass das Gesuch des Klägers vom 19.12.2007, den 15. Senat des BayLSG, nämlich den Vorsitzenden Richter am BayLSG S. und die Richter am BayLSG Dr. K. und H. wegen Besorgnis der Befangenheit ihrer Aufgaben zu entbinden, als unzulässig verworfen werde.

Im Folgenden hat das BayLSG mit Beschluss vom 05.05.2008 - L 15 V 8/07 - den Antrag vom 19.12.2007 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es bestehe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO.

Des Weiteren hat das BayLSG mit Beschluss vom 16.07.2008 entschieden, dass die Anhörungsrüge vom 01.06.2008 als unzulässig verworfen werde. Die damit verbundene Beschwerde und Gegenvorstellung werde zurückgewiesen. Die erneute Beschwerde und Gegenvorstellung des Klägers und Beschwerdeführers vom 15.08.2008 wurde mit Beschluss des BayLSG vom 18.09.2008 - L 15 B 751/08 V - zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 66 Abs.1 SGG nicht erforderlich gewesen. Denn bereits der Beschluss des BayLSG vom 05.05.2008 - l 15 V 8/07 - sei gemäß § 177 SGG endgültig gewesen. Außerordentliche Rechtsbehelfe, über die im Beschlusswege zu entscheiden sei, bedürften keiner Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne von § 66 Abs.1 SGG.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2008 stellt der Kläger den Antrag aus dem Schriftsatz vom 17.12.2008:
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 02.04.2007 wird aufgehoben.
Die Bundesrepublik Deutschland wird gemäß § 75 Abs.1 Satz 2 SGG dem Verfahren beigeladen.
Es wird beantragt, die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 05.03.2007 vorgenommene Abtrennung, der mit der vorliegenden Klage S 33 V 4/05 beantragten Gewährung auf Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag aufzuheben und die Klage, wie ursprünglich eingereicht fortzuführen.
Weiterhin wird beantragt, die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 12.03.2007 vorgenommene Zusammenlegung der Klagen S 33 V 4/05 und S 33 V 26/05 aufzuheben und die Verfahren getrennt fortzuführen.
Feststellung und Aufhebung der Verfahrensfehler nach § 103 und § 106 SGG. Mit der Klage nach § 54 SGG wird auch die Feststellung nach § 55 Abs.1 Nr.3 und 4 SGG beantragt.
Die Bescheide des Versorgungsamtes M. vom 30. und 31.01.1995 sowie der Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Bayreuth vom 31.05.1995 werden nach § 44 Abs.1 i.V.m. § 40 Abs.1 und 4 SGB X aufgehoben. Die Bescheide vom 02. und 05.04.2004 sowie der Bescheid vom 29.05.2005 werden aufgehoben.
Die Beklagten zu verurteilen, den Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs.3, 4, 5 Satz 1 und Abs.14b BVG i.V.m. § 2 Abs.1 Satz 2 und § 7 Abs.1, § 4 Abs.1 Ziffer 4 BSchAV zu ermitteln und ab 01.01.1990 zu gewähren. Hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, den Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 bis 11 BVG zu ermitteln und ab 01.01.1990 zu gewähren.
Die Beklagten zu verurteilen, die Ausgleichsrente nach § 32 BVG festzusetzen und ab Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagten zu verurteilen, den Ehegattenzuschlag nach § 33a BVG festzustellen und ab Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Im Fall der Berufungsabweisung wird die Zulassung der Revision an das Bundessozialgericht nach § 160 SGG beantragt.

Der Bevollmächtigte des Beklagten stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2007 die Klage gegen die Bescheide vom 02.04.2004, 05.04.2004 und 22.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2006 zutreffend abgewiesen.

Das BayLSG sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es die Berufung aus den in allen Punkten zutreffenden Gründen der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Zu den wesentlichen Vorbringen des Klägers ist lediglich ergänzend auf Folgendes hinzuweisen: § 75 Abs.1 Satz 2 SGG bestimmt, dass in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen ist. Die Beiladung muss auf Antrag der Bundesrepublik ausgesprochen werden, nicht jedoch eines anderen Beteiligten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, Rz.9a zu § 75 SGG mit weiteren Nachweisen, vor allem Hinweis auf BSG in SozEntsch § 75 Nr.11, 29). Hier hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Anfrage des BayLSG mit Schreiben vom 10.07.2007 ausdrücklich mitgeteilt, es werde kein Antrag auf Beiladung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, gestellt. Entgegen den Anträgen des Klägers mit Schreiben vom 17.12.2008 handelt es sich somit nur um einen Beklagten, den Freistaat Bayern.

Weiterhin übersieht der Kläger, dass mit Bescheiden des Beklagten vom 02.04.2004 und 05.04.2004 lediglich das Urteil des BayLSG vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - ausgeführt worden ist. Dieses Urteil beinhaltet nicht mehr und auch nicht weniger, als dass mit Wirkung ab 01.01.1990 Versorgungsleistungen nach einer MdE (nunmehr: GdS) um 50 v.H. gemäß § 30 Abs.1 BVG zutreffend einzuweisen waren.

Soweit der Kläger unverändert eine Alterserhöhung zur Grundrente begehrt, ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte mit dem Berechnungsbescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 05.04.2004 ab Oktober 1997 eine Grundrente mit Alterserhöhung nach einer MdE von 50 v.H. (= 439,00 DM) eingewiesen hat.

Weiterhin hat das BayLSG mit Urteil vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - eingehend dargelegt, dass eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG nicht anzuerkennen gewesen ist und dem Kläger auch kein Berufsschadensausgleich bzw. Renten-BSA gemäß §§ 30 Abs.3 ff. BVG zusteht. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des BayLSG vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - ist mit Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.10.2004 - B 9 V 12/04 B - als unzulässig verworfen worden.

Auch wenn der Kläger vorstehend bezeichnete Entscheidungen unverändert nicht zu akzeptieren scheint, ist mangels neuer Gesichtspunkte gemäß von § 44 Abs.1 SGB X daran festzuhalten. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, der nach § 44 SGB X zurückgenommen werden müsste, sind auch hinsichtlich § 30 Abs.2 BVG sowie § 30 Abs.3 ff. BVG nicht gegeben

Die Gewährung von Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag ist nach der entsprechenden Verfahrensabtrennung mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 05.03.2007 - S 33 V 4/05 - nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens. Die Entscheidung des Sozialgerichts München ist gemäß § 113 Abs.1 SGG für das BayLSG bindend und kann auch nicht im Wege einer instanzenübergreifenden Entscheidung korrigiert werden.

Bei dem Kläger sind somit verbindlich als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung anerkannt:
Verlust der Finger I bis IV der linken Hand,
winzige Weichteilstecksplitter im Gesicht.

Soweit hierfür beginnend ab 01.01.1990 Versorgungsleistungen nach einer MdE bzw. nunmehr einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 gemäß § 30 Abs.1 BVG eingewiesen worden sind, entspricht dies den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996 bis 2008" in Randziffer 26.18. Denn dort ist vorgesehen, dass der Verlust von vier Fingern mit Einschluss des Daumens einen GdS von 50 bedingt, sonst 40. Hier ist es gerechtfertigt und geboten gewesen, den höheren GdS von 50 gemäß § 30 Abs.1 BVG zugrunde zu legen, da die Schädigungsfolgen im Bereich der linken Hand faktisch eine weitgehende Gebrauchsunfähigkeit derselben bedingen.

Weiterhin hat das BayLSG mit Urteil vom 27.09.2003 - L 15 V 55/99 - ausgeführt, dass die vom Kläger geltend gemachten Überlastungsschäden im Bereich Halswirbelsäule/rechter Schulter/rechtem Arm wegen schädigungsbedingt geringerer Gebrauchsfähigkeit der linken Hand nicht mit Wahrscheinlichkeit zu bejahen seien. Hieran ist auch in Berücksichtigung der aktuellen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" festzuhalten. Es bestehen unverändert keine validen medizinischen Erkenntnisse dahingehend, dass bei einer nahezu bestehenden Gebrauchsunfähigkeit einer (hier: der linken) Hand sich im Bereich der oberen Extremitäten oder der Wirbelsäule besonders im HWS-Bereich Überlastungsschäden einstellen.

Entsprechend dem Urteil des BayLSG vom 27.11.2003 - L 15 V 55/99 - ist auch unverändert davon auszugehen, dass die bei dem Kläger bestehenden seelischen Störungen nicht auf die gravierende Verletzung mit einem Sprengkörper (Handgranate) vom 28.01.1944 kausal zurückzuführen sind, sondern auf die späteren multiplen Schicksalsschläge, die der Kläger hat hinnehmen müssen (Heimaufenthalte in den Jahren 1947/48 und 1950/51, frühe Scheidung der Eltern, Schwierigkeiten in der Nachkriegszeit usw.). Auf die schlüssige und überzeugende psychiatrisch-versorgungsärztliche Stellungnahme der Dr. U. M. vom 15.02.2006 wird Bezug genommen. Diese hat sich auch mit den aktenkundigen Behandlungsunterlagen des Nervenarztes Dr. E. und dem nervenfachärztlichem Gutachten von Dr. H. K. vom 16.12.1998 auseinandergesetzt.

Soweit es der Beklagte mit Bescheid vom 22.02.2006 weiterhin abgelehnt hat, die nunmehr erstmals geltend gemachte "Polyneuropathie der Beine" als Schädigungsfolge anzuerkennen, ist dies in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sozialgerichts München mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2007 nicht zu beanstanden. Denn auch in Berücksichtigung der aktuellen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" in Rz.67 können Polyneuropathien infektiös, parainfektiös, toxisch oder stoffwechselbedingt sein und auch serogenetisch auftreten. Daneben gibt es idiopathische Formen, bei denen eine Kann-Versorgung in Betracht kommt. Letzteres setzt einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Schädigung und dem Auftreten der Polyneuropathie voraus. Nach einem Zeitraum von 58 Jahren nach der Schädigung ist ein solcher Ursachenzusammenhang jedoch zweifelsfrei nicht mehr anzunehmen.

Verfahrensrechtlich ist zu ergänzen, dass der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 02.04.2007 gemäß § 105 SGG zutreffend ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter ergangen ist.

Ein Neufeststellungsantrag nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) ist verwaltungsseitig einzureichen. Dem Kläger wird anheimgestellt entsprechend tätig zu werden. Gleiches gilt für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit der Kennzeichnung "Kriegsbeschädigter" (§ 2 Abs.1 SchwbAwVO).

Das in dem im Termin am 17.12.2008 vorgelegten Schriftsatz beiläufig erstmals erwähnte Fibromyalgie-Syndrom ist ggf. ebenfalls bei der Verwaltung geltend zu machen.

Nach alle dem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 02.04.2007 zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved