L 20 R 762/08 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 298/07**
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 762/08 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Beklagten, die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.07.2008 auszusetzen, wird abgelehnt.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungs-
verfahrens zu erstatten.



Gründe:

I.
Am 15.07.2008 hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) die Beklagte verurteilt, ab 01.07.2007 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das Urteil des SG sei aufzuheben, der Kläger könne auf ihm zumutbare Tätigkeiten verwiesen werden. Auch sei die Rente zu befristen.
Zudem hat die Beklagte beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil des SG auszusetzen. Die Aussetzung komme nicht nur in Ausnahmefällen in Betracht. Eine Abwägung sei vorzunehmen, insbesondere wenn die Erfolgsaussichten offen seien. Es bestehe die Gefahr, dass eine Rückerstattung u.a. im Falle des Vorliegens einer besonderen Härte nicht realisierbar sei. Der Kläger hingegen erhalte bei einer Aussetzung der Vollstreckung im Falle seines Obsiegens die Rente vollständig nachgezahlt.

II.
Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 199 Abs 1 SGG liegt vor.

Die Berufung der Beklagten hat hinsichtlich der Beträge, die für die Zeit nach Erlass des angefochtenen Urteils bezahlt werden sollen, keine aufschiebende Wirkung (§ 154 Abs 2 SGG). Die Beklagte ist daher verpflichtet, die sogenannte Urteilsrente anzuweisen, die aber wieder zu erstatten ist, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.

Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.

Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Auflage § 199 Rdnr 8), wobei der in § 154 Abs 2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).

Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten der Berufung ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine im Ergebnis rechtswidrig gezahlte Urteilsrente vom Begünstigten nicht zurückgefordert werden dürfe, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim Begünstigten könne ein solcher "Härtefall" bestehen (vgl. BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl. hierzu auch die § 86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).

Vorliegend können die Erfolgsaussichten der Berufung im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nicht eindeutig abgeschätzt werden. Hierzu sind zumindest weitere Überlegungen erforderlich, die dem Senat im Rahmen des Hauptsacheverfahrens vorbehalten bleiben müssen.

Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein Nachteil im o.g. Sinne von der Beklagten glaubhaft dargelegt worden ist. Dies ist nicht der Fall. Die Beklagte hat lediglich allgemein auf eine eventuell fehlende Rückforderungsmöglichkeit bei Vorliegen eines Härtefalles hingewiesen. Sie hat jedoch keinerlei Angaben dazu gemacht, weshalb im konkreten Einzelfall eine Rückerstattungsmöglichkeit ausgeschlossen sei.

Mangels Darlegung und Glaubhaftmachung eines Nachteils im o.g. Sinne ist das Vorliegen eines überwiegenden Interesses des Vollstreckungsgläubigers nicht weiter zu prüfen.

Von einem Ausnahmefall ist damit nicht auszugehen, der Antrag ist abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG), er kann jederzeit aufgehoben werden (§ 199 Abs 2 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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