Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 R 51/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 220/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente hat.
Die am 00. 00 1942 geborene Klägerin ist die Witwe des am 00.00 1948 geborenen und am 10. Juli 2005 an den Folgen eines Karzinoms verstorbenen Versicherten. Der Versicherte und die Klägerin heirateten am 8. März 2005 während eines Urlaubs in Oberstdorf.
Der Versicherte bezog von der Beklagten auf seinen Antrag vom 3. Januar 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Januar 2005 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 25. September 2004.
Der Beklagten lag ein Befundbericht von Dr. U (Arzt für Allgemeinmedizin) vor. Außerdem zog die Beklagte einen Bericht des F-Krankenhauses Recklinghausen über eine stationäre Behandlung vom 12. Februar 2005 bis 4. März 2005 bei, danach wurde der verstorbene Versicherte wegen folgender Diagnosen behandelt: 1. Bronchialkarzinom rechter Oberlappen, ED wohl 10/04, im Stadium IV T1 N2 M1 G2 histologisch Adenokarzinom 1.1 Zerebrale Metastasierung 1.2 Pulmonale Metastase (rechter Lungenoberlappen) 1.3 Lymphonoduläre Metastasierung 2. Bandscheibenprolaps L3/4, -protrusio L2/3 und L4/5 2.1 Fußheberschwäche links bei Peronaeuslähmung 3. aktuell: Gastroenteritis am ehesten viral 4. Lungenemphysem 5. Lungenembolien 6. Hypokaliämie 7. Dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz 8. Z.n. Milzexstirpation nach Unfall
Des Weiteren holte die Beklagte einen Bericht des N-Krankenhauses Bochum-Langendreer vom 12. November 2004 über eine stationäre Behandlung vom 8. Oktober 2004 bis 12. November 2004 ein. Die behandelnden Ärzte stellten folgende Diagnosen: 1. Adenokarzinom des rechten Oberlappens der Lunge T1, N2, M1, G2 Zerebelläre Filialisierung - 04.10.2004 Exzision von intrazellebralem Tumorgewebe - Ganzhirnbestrahlung mit max. 30 Gy vom 26.10.2004 – 09.11.2004 Nebennierenmetastasen beidseits Einleitung einer palliativen Chemotherapie nach dem Splitcourse-Protokoll (Cisplatin 60 mg/m² Tag 1 und 7, Etoposid 150 mg/m² Tag 3 und 5, Wiederholung Tag 21, I. Zyklus 29.10.2004 – 04.11.2004 PNEUMOVAX-Impfung am 12.11.2004 2. Lungenembolien beidseits 3. Z. n. Milzexstirpation nach Verkehrsunfall
Schließlich lag der Beklagten ein Bericht dieses Krankenhauses vom 29. November 2004 vor. Dort wurden folgende Diagnosen gestellt: 1. Adenokarzinom des rechten Oberlappens der Lunge T1, N2, M1, G2 Zerebelläre Filialisierung - 04.10.2004 Exzision von intrazellebralem Tumorgewebe - Ganzhirnbestrahlung mit max. 30 Gy vom 26.10.2004 – 09.11.2004 Nebennierenmetastasen beidseits Einleitung einer palliativen Chemotherapie nach dem Splitcourse-Protokoll (Cisplatin 60 mg/m² Tag 1 und 7, Etoposid 150 mg/m² Tag 3 und 5, Wiederholung Tag 21, I. Zyklus 29.10.2004 – 04.11.2004 II. Zyklus 23.11.2004 – 29.11.2004 PNEUMOVAX-Impfung am 12.11.2004 2. Lungenembolien beidseits 3. Z. n. Milzexstirpation nach Verkehrsunfall PNEUMOVAX-Impfung am 12.11.2004.
Am 20. Juli 2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenrente.
Zur Begründung legte sie ein Schreiben des Versicherten vor. Hierin führte dieser aus: "Ich bestätige hiermit, dass ich mit meiner Ehefrau vor der Eheschließung bereits seit fünfzehn Jahren eine enge Beziehung unterhalten habe, auch wenn wir in verschiedenen Wohnungen lebten. Wir hatten bereits vor der Eheschließung die Entscheidung getroffen, unser weiteres Leben gemeinsam zu verbringen." Außerdem legte sie ein Attest von Dr. U1 vor. Dieser erklärte, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Klägerin habe ihren auf Pflege angewiesenen Ehegatten bis zum Tag des Todes gepflegt.
Mit Bescheid vom 29. August 2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von großer Witwenrente ab, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht durch besondere Umstände widerlegt sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. September 2005 Widerspruch. Sie führte aus, sie habe mit dem Versicherten bereits seit 15 Jahren eine Lebenspartnerschaft unterhalten. Sie habe die Belange des Versicherten in wirtschaftlicher Hinsicht wahrgenommen. Zur Zeit der Eheschließung habe sie den Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherten nicht gekannt. Im Übrigen habe sie mit Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf eine eigene Altersrente und sei daher wirtschaftlich abgesichert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2006 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte meinte, im November 2004 sei die Erkrankung des Versicherten derart weit fortgeschritten gewesen, dass die Klinik schon zu dieser Zeit eine palliative Therapie eingeleitet habe. Eine Chance auf Heilung habe man nicht mehr gesehen. Im Übrigen verfüge die Klägerin über keine eigene wirtschaftliche Absicherung, da für sie nur 48 Kalendermonate Kindererziehungszeiten sowie eine Übertragung aus dem Versorgungsausgleich in Höhe von 565,00 Euro zu berücksichtigen seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 16. Februar 2006 Klage erhoben. Die Klägerin trägt vor, sie habe zu dem Versicherten bereits vor der Eheschließung eine langjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft unterhalten. Sie habe den Versicherten vor 18 Jahren beim Schützenfest kennen gelernt. Sie seien sofort ein Paar geworden, jedoch nicht zusammengezogen. Von ihrer Wohnung hätte sie ca. 15 Minuten zu Fuß bis zur Wohnung des Versicherten gebraucht. Sie habe für den Versicherten gekocht und seinen Haushalt geführt, sowie zeitweilig bei ihm gewohnt. Insbesondere während der Chemo- therapie habe sie die Betreuung und Versorgung des Versicherten übernommen und während dieser Zeit in seinem Haushalt gelebt. Sie habe von der schwerwiegenden Erkrankung des Versicherten zwar Kenntnis gehabt, ihr sei jedoch ebenso wenig wie dem Versicherten das Ausmaß der Erkrankung bewusst gewesen. Bei den Aufklärungsgesprächen zwischen dem Versicherten und dem Onkologen sei sie nicht anwesend gewesen. Auch mit behandelnden Ärzten habe sie über den Gesundheitszustand nicht gesprochen. Der Versicherte sei auch im Endstadium seiner Erkrankung sehr aktiv und nicht bettlägerig gewesen. Zur Zeit der Eheschließung sei der Tod nicht vorhersehbar gewesen. Der Entschluss zur Heirat liege ca. 10 Jahre und damit lange vor Ausbruch der Krebserkrankung zurück. Seit vielen Jahren hätten sie gemeinsame Urlaube in Oberstdorf und auf dem Campingplatz verbracht. Die letzte gemeinsame Reise nach Oberstdorf, wo der Versicherte verstorben sei, zeige, dass sie bis zum Schluss von einer Besserung ausgegangen sei, ansonsten hätte sie diesen Urlaub nicht mehr geplant. Nach der Scheidung von ihrem ersten Ehemann im Jahre 1976 habe sie Sozialhilfe von der Stadt Datteln bezogen. Seit Mai 2007 erhalte sie Altersrente und Leistungen zur Grundsicherung. Ab März 2005 habe sie mit dem verstorbenen Versicherten zusammengelebt. Bis zur Eheschließung hätten sie kein gemeinsames Konto unterhalten. Über die Frage der Pflege des Versicherten hätten sie vor der Eheschließung nicht gesprochen. Zu Anfang der Ehe habe der Versicherte zwar Hilfestellung beispielsweise beim Anziehen, jedoch keine Pflege benötigt. Sie habe vor der Ehe Verfügungsbefugnis über das Konto des Versicherten gehabt, allerdings habe sie für sich selbst keine Beträge abheben dürfen. Bereits vor 10 Jahren hätten sie Eheringe gekauft und seien sozusagen verlobt gewesen. Der Entschluss zur Eheschließung habe immer bestanden, er sei nur hinausgezögert worden. Im Februar 2005 habe der Versicherte sie gefragt, ob sie heiraten wollte. Sie habe dann das Aufgebot bestellt. Der Versicherte habe gesagt, es sei besser für sie zu heiraten, weil sie sich liebten und zusammengehörten. Weitere Angaben könne sie hierzu nicht machen.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 29. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Zu- grundelegung ihres Antrags vom 20. Juli 2005 große Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt sei. Die Klägerin habe den Beweis des Gegenteils nicht erbringen können. Zur Zeit der Eheschließung hätten die Klägerin und der Versicherte um das fortgeschrittene Karzinom gewusst. Wenn auch der Zeitpunkt des Todes nicht vorhersehbar gewesen sei, müsste zur Zeit der Eheschließung jedoch allen Beteiligten klar gewesen sein, dass ein "mehrjähriges Überleben" der Erkrankung nur zu einem sehr geringen Prozentsatz möglich war. Der Nachweis, dass die Eheschließenden zur Zeit der Hochzeit nicht von dem unmittelbaren Bevorstehen des Todes eines Ehegatten wussten, sei nicht erbracht worden. Die Klägerin und der verstorbene Versicherte hätten sich 18 Jahre vor dem Tod kennen gelernt. Es sei nicht ersichtlich, dass seit mehreren Jahren durchgehend Hinderungsgründe vorlagen, so dass bei einem ernsthaften und dringlichen Heiratswunsch dessen Verwirklichung lange vor dem Bekanntwerden der Krebserkrankung zu erwarten gewesen wäre. Gegen eine konkrete Heiratsabsicht sprächen auch die getrennten Wohnungen bis zum Tode. Wirtschaftlich betrachtet sei ebenfalls von einer Versorgungsehe auszugehen. Die Klägerin erhalte seit dem 1. Juni 2007 eine Regelaltersrente in Höhe von knapp 400,00 Euro. Die Klägerin habe während der Beziehung zu dem verstorbenen Versicherten nicht gearbeitet, keine Einkünfte erzielt und eine eigene Wohnung unterhalten. Nach der Eheschließung habe die Klägerin am 6. Mai 2005 Arbeitslosengeld II beantragt und auch erhalten. Sie sei sogar von der Stadt Datteln gezwungen worden, in eine preisgünstigere Wohnung umzuziehen und habe dies auch getan. Die Beklagte hat einen Rentenbescheid der Klägerin vom 19. März 2007 und Rechtsprechung zur Problematik einer Versorgungsehe vorgelegt. Auf Blatt 67 bis 90 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Das Gericht hat zur Frage des Gesundheitszustands des Versicherten den Hausarzt Dr. U2 als Zeugen gehört. Der Zeuge hat ausgeführt, er habe den verstorbenen Versicherten vom 1. Dezember 1999 bis zu seinem Tode hausärztlich behandelt. Primärtumor sei ein Lungentumor gewesen. Bei dem Hirntumor habe es sich um eine Metastase gehandelt. Er habe den Versicherten über die Schwere seiner Erkrankung aufgeklärt und zwischen den Chemotherapien mit dem Versicherten darüber gesprochen, dass es sich um ein metastasierendes Krebsleiden handele. Am 15. November 2004 habe er den Versicherten darauf hingewiesen, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handele, die zum Tode führen könne. Er habe jedoch keine Zeiträume hinsichtlich der bestehenden Lebenserwartung genannt. Trotz schwerwiegender Diagnosen wisse er aus ärztlicher Erfahrung, dass mit sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufen gerechnet werden müsse. Die Klägerin sei bei den Gesprächen mit dem Versicherten meist dabei gewesen, Einzelgespräche habe er mit ihr nicht geführt. Auch habe er mit ihr nicht über den Zeitraum eines möglichen Ablebens des Versicherten gesprochen. Am 20. Juni 2005 und 23. Juni 2005 habe er Hausbesuche durchgeführt, da der Versicherte nicht mehr in der Lage gewesen sei, in die Praxis zu kommen. Bei dem verstorbenen Versicherten sei eine palliative Chemotherapie durchgeführt worden, man habe versucht, das metastasierende Tumorgeschehen zurückzudrängen. Eine Aussicht auf Heilung und vollständige Gesun- dung habe nicht bestanden. Die Durchführung einer palliativen Chemotherapie bedeute aber nicht, dass der Tod unmittelbar bevorstehe. Vielmehr habe er eine Vielzahl von Pa- tienten, die mit einer palliativen Chemotherapie entgegen ärztlicher Erwartung noch Jahre gelebt hätten. Der verstorbene Versicherte sei sehr lebensbejahend und lebensfroh gewesen und habe die Chemotherapien gut vertragen. Erst im Juni 2005 habe er nicht mehr in die Praxis kommen können.
Des Weiteren hat das Gericht zur Frage der Eheschließung der Klägerin mit dem Versicherten den Bruder der Klägerin C, den Schwiegersohn der Klägerin X, T, L sowie den Sohn der Klägerin L1 und die Schwiegertochter der Klägerin L2 als Zeugen vernommen.
Der Zeuge c1 hat ausgesagt, er kenne den Versicherten seit der Jugendzeit. Später sei er ein Arbeitskollege gewesen. Die Klägerin und der verstorbene Versicherte hätten sich ca. 1988 kennen gelernt. Er habe sich über diese Beziehung sehr gefreut. Seit 1988 seien die beiden ein Paar gewesen und hätten einen verliebten Eindruck gemacht. Insgesamt habe ein harmonisches Verhältnis geherrscht. Ca. 2001 habe er mit dem Versicherten eine Woche Urlaub auf Mallorca verbracht und der Versicherte habe zu dieser Zeit darüber gesprochen, dass er die Klägerin heiraten wolle. Sie fänden jedoch keinen Termin. Warum es im März 2005 zur Heirat gekommen sei, wisse er nicht. Er habe weder mit der Klägerin noch mit dem Versicherten hierüber gesprochen. Er sei jedoch nicht erstaunt gewesen, dass die beiden geheiratet hätten, weil sie seit Jahren ein Paar gewesen seien. Zur Zeit der Hochzeit habe er nicht gewusst, dass der Versicherte schwer krank gewesen sei.
Der Zeuge x1 hat ausgesagt, er kenne die Klägerin seit ca. 1979. Er wisse nicht, seit wann der Versicherte und die Klägerin ein Paar gewesen seien, sie seien sehr lange zusammen gewesen und hätten ein gutes Verhältnis miteinander gehabt. Die ganze Familie habe gehofft, dass die beiden heirateten. Der Versicherte habe ihm auch Trauringe gezeigt. An das genaue Datum könne er sich nicht erinnern, es sei jedoch zeitlich weit vor dem Jahr 2000 gewesen. Mitte der neunziger Jahre sei die Klägerin Schützenkönigen in Datteln gewesen. Der Schützenverein habe eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt. In der Stadt Datteln habe man darüber geredet, dass jemand, der Leistungen vom Sozialamt beziehen würde, gleichzeitig Schützenkönigin werden könnte. Eine Heirat wäre sehr teuer gewesen, da der Schützenverein an erster Stelle gestanden habe und Einladungen der Schützenbrüder und Schützenschwestern verpflichtend seien. Der Versicherte habe seine Arbeit verloren und habe erhebliche Schulden gemacht. Aus diesem Grund habe man kein Geld für eine Hochzeit besessen. Warum im März 2005 die Hochzeit stattgefunden habe, wisse er nicht. Von der Krankheit des Versicherten habe er erst erfahren, als dieser zum zweiten Mal stationär im Krankenhaus behandelt worden sei. Der Versicherte habe in einem Telefonat mitgeteilt, dass er die Hoffnung nicht aufgeben würde, und dies habe er auch in späteren Gesprächen bestätigt.
Die Zeugin Elisabeth T1 hat dargelegt, dass sie zur Klägerin und zum Versicherten ein gutes Verhältnis gehabt hätte. Diese seien immer als Paar aufgetreten. Während der Woche habe die Klägerin häufig bei dem Versicherten gelebt, am Wochenende hätten sie sich häufig in der Wohnung der Klägerin aufgehalten. Im Jahre 1995 sei die Klägerin zur Schützenkönigin gekürt worden, bereits damals habe man über Heiratsabsichten gesprochen. Ihres Wissens hätten finanzielle Gründe eine Rolle gespielt, dass die Heirat nicht stattgefunden habe. Weder die Klägerin noch der Versicherte hätten einen Grund angegeben, warum sie den 8. März 2005 als Hochzeitsdatum gewählt hätten. Schon 1995 habe sie goldene Ringe gesehen, bei denen es sich ihres Wissens um Verlobungs-/Trauringe der Klägerin und des Versicherten gehandelt habe. Von der Erkrankung des Versicherten habe sie ca. 2004 erfahren. Auch nach der Hirnoperation habe der Versicherte an gesellschaftlichen Aktivitäten teilgenommen.
Die Zeugin L3 hat ausgeführt, sie sei mit der Klägerin und dem Versicherten befreundet gewesen. Sie würden sich aus dem Schützenverein in Datteln kennen. Bereits 1995 hätten die Klägerin und der Versicherte Heiratsabsichten geäußert. Ihr Mann und sie hätten jedoch davon abgeraten, weil eine Hochzeit zu teuer gewesen wäre. Der Schützenverein hätte eingeladen werden müssen und dies hätte zu immensen Kosten geführt. Über das konkrete Hochzeitsdatum hätten weder die Klägerin noch der Versicherte gesprochen. Die Trauringe habe der Versicherte bereits 1995 gezeigt.
Der Zeuge L4 hat ausgeführt, dass die Klägerin und der Versicherte ein sehr gutes Verhältnis gehabt und wie ein Ehepaar gewirkt hätten. Es habe schon immer Heiratsabsichten gegeben, sie seien auch verlobt gewesen. An das genaue Datum könne er sich nicht erinnern. Am Wochenende sei der Versicherte in der Wohnung der Klägerin gewesen. Während der Woche habe die Klägerin häufig in der Wohnung des Versicherten gewohnt. Vor der Hochzeit hätten der Versicherte und die Klägerin über die bevorstehende Hochzeit gesprochen, an den Inhalt der Gespräche könne er sich nicht erinnern. Es sei insbesondere nichts dazu gesagt worden, warum dieses Datum gewählt worden sei.
Die Zeugin L5 hat ausgesagt, dass die Klägerin und der Versicherte sich gut verstanden hätten. Bereits nach drei Jahren hätte der Versicherte Trauringe gekauft. Zur Hochzeit sei es nicht gekommen, weil der Versicherte aufgrund seiner Berufstätigkeit hierzu keine Zeit gefunden hätte. Als er arbeitslos geworden sei, habe er nicht heiraten wollen. Sie wisse nicht, warum die Klägerin und der Versicherte den 8. März 2005 als Hochzeitsdatum gewählt hätten. Hierüber sei nicht gesprochen worden.
Das Gericht hat die Aktenvorgänge der Stadt Datteln - betreffend die Leistungen der Klägerin nach dem Bundessozialhilfegesetz - beigezogen. Des Weiteren sind die Unterlagen des St. Vincenz-Krankenhauses Datteln und des Krankenhauses Bochum-Langendreer - betreffend den Versicherten – beigezogen worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente, weil die gesetzliche Vermutung für das Bestehen einer sogenannten Versorgungsehe nicht widerlegt ist.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die Klägerin ist die Witwe des 2005 verstorbenen Versicherten. Dieser hatte die Wartezeit erfüllt. Die Klägerin hat auch nicht wieder geheiratet und das 45. Lebensjahr vollendet. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 SGB VI sind erfüllt.
Gemäß § 46 Abs. 2 a SGB VI, welcher durch Artikel 1 Nr. 6 b des AVmEG (Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung des kapitalgedeckten Altersversorgungsvermögens – Altersvermögensergänzungsgesetz) vom 21. März 2001 (Bundesgesetzblatt I S. 403) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in das SGB VI eingeführt wurde, besteht der Anspruch jedoch nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Ähnliche Regelungen gibt es in der Unfallversicherung (vgl. § 595 Reichsversicherungsordnung – RVO – bzw. § 65 Abs. 6 Siebtes Buch des Sozialgesetzbuches - SGB VII -) in der Kriegsopferversorgung (vgl. § 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz - BVG -) und in der Beamtenversorgung (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz). Der Ausschluss von Hinterbliebenenversorgung bei einer sog. Versorgungsehe ist auch mit Artikel 6 Grundgesetz (GG) vereinbar, was höchtstrichterlich bereits entschieden wurde (vgl. Bundessozialgericht – BSG vom 23. September 1997 – 2 BU 176/97 – m.w.N.).
Die Vorschrift des § 46 Abs. 2 a SGB VI begründet für alle seit seinem In-Kraft-Treten am 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorungsehe Ziel der Eheschließung war. Die Ehe zwischen dem Versicherten und der Klägerin hat vom 8. März 2005 bis zum Tod des Versicherten am 10. Juli 2005 gedauert. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI greift daher ein.
Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer trotz kurzer Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegend Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Widerlegung der Vermutung erfordert nach § 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozeßordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils. Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Vorliegend war die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI nicht zu widerlegen, weil die Kammer nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht zweifelsfrei hat feststellen können, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben den vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungserwägungen der Eheschließung zumindest gleichgewichtige andere Motive zugrunde lagen (vgl. Urteil LSG Berlin-Brandenburg vom 15.08.2007 – L 16 R 571/07).
Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls, folgende "besondere Umstände" sprechen gegen eine Versorgungsehe: plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z. B. Arbeits-/Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit; die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nicht vorhersehbar; Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier für in ungültiger – nach ausländischem Recht gültiger – Ehe lebende Ausländer; Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder bzw. Schwangerschaft; Erziehung eines minderjährigen Kindes des verstorbenen Versicherten durch den Hinterbliebenen; Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten.
Diese Punkte stellen keine pauschalierten Widerlegungsgründe dar, die eine Versorgungsehe grundsätzlich ausschließen. Maßgeblich sind vielmehr immer die Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. Hessisches LSG Urteil vom 30.11.2007 – L 5 R 133/07m.w.N.).
Es ist nicht feststellbar, auf welchen konkreten Erwägungen im Einzelnen die Eheschließung am 8. März 2005 beruhte. Den Beweis, dass trotz kurzer Ehedauer Umstände vorliegen, die nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen, hat die Klägerin nicht erbracht. Soweit die Klägerin vorträgt, sie verfüge über eine eigene ausreichende Alterssicherung ist dies nicht zutreffend. Die Klägerin hat zunächst über viele Jahre Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von der Stadt Datteln bezogen. Ihre eigene Alterssicherung in Höhe von knapp 400,00 Euro reicht zum Lebensunterhalt nicht aus, so dass sie einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hat.
Das im Verwaltungsverfahren vorgelegte Schreiben des Versicherten, dass er mit seiner Ehefrau vor der Eheschließung seit Jahren eine enge Beziehung unterhalten habe und bereits vor der Eheschließung die Entscheidung das weitere Leben gemeinsam zu verbringen getroffen worden sei, spricht nach Auffassung des Gerichts eher für als gegen eine Versorgungsehe. Ein solches Schreiben aufzusetzen ist äußerst ungewöhnlich und zeigt, dass der schwerkranke Versicherte selbst die Gefahr gesehen und befürchtet hat, dass diese kurz vor seinem Tod geschlossene Ehe als Versorgungsehe eingestuft wird.
Tritt der Tod eines Versicherten aufgrund einer vorher bestehenden Erkrankung ein, schließt die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohenden Charakters der Erkrankung des verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses darstellt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 19.09.2007 L 13 R 357/06 m.w.N.).
Der Versicherte litt an einem metastasierenden Bronchialkarzinom, das ab Oktober 2004 behandelt wurde. Gleichzeitig bestanden Nebennierenmetastasen sowie eine cerebrale Metastasierung. Bereits aus dem Bericht des Krankenhauses Bochum-Langendreer vom 12. November 2004 ergibt sich, dass nur eine palliative Chemotherapie eingeleitet wurde, das heißt, dass nicht mehr die Ursache der Krankheit, sondern lediglich deren einzelne Erscheinungsformen behandelt wurden. Nach Aussage des Hausarztes Dr. U4 hat er den Versicherten über die Schwere der Erkrankung aufgeklärt und zwischen den Chemotherapien mit ihm darüber gesprochen, dass es sich um ein metastasierendes Krebsleiden handelt. Bereits am 15. November 2004 hat er den Versicherten darauf hingewiesen, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handele, die zum Tode führen könne. Bei den Gesprächen war die Klägerin meist anwesend.
Selbst wenn der Hausarzt über die noch zu erwartende Lebensspanne nicht gesprochen hat, gab es keinen Zweifel an der Schwere der zugrunde liegenden Erkrankungen. Bereits aus dem Bericht des Krankenhauses Bochum-Langendreer vom 12. November 2004 geht hervor, dass ein Adenokarzinom des rechten Oberlappens der Lunge mit einer zerebellären Filialisierung sowie Nebennierenmetastasen vorlag. Der Bericht des Elisabeth-Krankenhauses Recklinghausen über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 12. Februar 2005 bis 4. März 2005 weist dazu eine lymphonoduläre Metastasierung und eine pulmonale Metastase auf. An der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bestand somit kein Zweifel. Bei der Eheschließung war sich der Versicherte über seinen Gesundheitszustand bewusst, denn er war ärztlicherseits aufgeklärt. Auch die Klägerin wusste um die Schwere der Erkrankung. Der Einwand der Klägerin, sie habe nicht mit dem Ableben des Versicherten gerechnet, ist daher nicht nachvollziehbar. Der Versicherte starb nur vier Monate nach der Eheschließung. Die gesundheitliche Prognose zur Zeit der Eheschließung war äußerst ungünstig bedingt durch die Metastasen. Daher war, gemessen an den vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten, auch nicht zu erwarten, dass die Ehe zur Zeit der Eheschließung noch mindestens ein Jahr gedauert hätte. Unerheblich ist, dass die Klägerin über die besondere Aggressivität dieser Krebserkrankung nicht aufgeklärt war. Ausreichend ist, dass sie um die Lebensbedrohlichkeit wusste.
Die Eheschließung stellt sich nicht als eine konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis über die lebensbedrohliche Erkrankung bestehenden Heiratsentschlusses dar. Die Zeugen haben übereinstimmend erklärt, dass es sich um eine langjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft handelte. Die Klägerin und der Versicherte lebten zwar in getrennten Wohnungen, zeitweilig jedoch auch zusammen. Die Klägerin führte dem Versicherten den Haushalt und versorgte ihn während der Erkrankung, insbesondere während der Chemotherapie. Eine über viele Jahre bestehende eheähnliche Ehegemeinschaft kann vielmehr auch dafür sprechen, dass gerade keine rechtliche Bindung gewollt ist. Eine Heiratsabsicht bereits vor Kenntnis der schweren Erkrankung und der ungünstigen Prognose des Versicherten kann aus der langjährigen Lebensgemeinschaft nicht abgeleitet werden. Auch wenn die Zeugen übereinstimmend erklärt haben, dass der Versicherte von einer Heiratsabsicht gesprochen und sogar Trauringe gezeigt habe, rechtfertigt dies nicht die Annahme von besonderen Umständen, die die Vermutungsregelung des § 46 Abs. 2 a SGB VI widerlegen. Erforderlich ist, dass eine solche Absicht durch objektiv nachprüfbare Tatsachen erhärtet wird. Die Äußerung der Heiratsabsicht gegenüber Freunden und Verwandten reicht nicht aus, wenn sich aus den objektiven Umständen im zeitlichen Ablauf eine Heiratsabsicht nicht manifestiert. Gerade eine wiederholte Heiratsabsicht im Laufe von vielen Jahren kann an Ernsthaftigkeit verlieren. Nach Aussage der Zeugin Karin Kolodzinski hat der Versicherte bereits drei Jahre, nachdem er die Klägerin kennen gelernt hatte, Trauringe gekauft. Zur Hochzeit sei es nicht gekommen, weil der Versicherte auf Grund seiner Berufstätigkeit keine Zeit hatte. Auch der Zeuge L5 hat ausgeführt, dass "schon immer" Heiratsabsichten bestanden hätten und der Versicherte mit der Klägerin verlobt gewesen sei. Die Zeugin L6 hat ebenfalls bekundet, dass bereits 1995 Heiratsabsichten bestanden. Dies hat auch die Zeugin T3l bestätigt. Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, dass im Laufe von achtzehn Jahren kein geeigneter Zeitpunkt für eine Heirat gefunden wurde, sondern diese Hochzeit erst stattfand, nachdem die lebensbedrohliche Erkrankung weit fortgeschritten war. Die Aussagen der Zeugen eine Hochzeit sei wegen der großen Zahl der einzuladenen Gäste zu teuer gewesen, kann die Kammer nicht nachvollziehen. Offenbar haben der Versicherte und die Klägerin sich bei ihrer Heirat am 8. März 2005 hierüber keine Gedanken mehr gemacht.
Motiv für die Eheschließung war auch nicht die Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des Versicherten. Das Gericht hat die Klägerin hierzu befragt. Die Klägerin hat im Termin erklärt, dass zu Anfang der Ehe der Versicherte Hilfestellungen beispielsweise beim Anziehen benötigt habe. Eine Pflege sei zu der Zeit nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen ist der Versicherte während seines Urlaubs in Oberstdorf gestorben. Bettlägerigkeit hat zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Die Klägerin hat keine besonderen Umstände beschrieben, die die Annahme nicht rechtfertigen, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente hat.
Die am 00. 00 1942 geborene Klägerin ist die Witwe des am 00.00 1948 geborenen und am 10. Juli 2005 an den Folgen eines Karzinoms verstorbenen Versicherten. Der Versicherte und die Klägerin heirateten am 8. März 2005 während eines Urlaubs in Oberstdorf.
Der Versicherte bezog von der Beklagten auf seinen Antrag vom 3. Januar 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Januar 2005 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 25. September 2004.
Der Beklagten lag ein Befundbericht von Dr. U (Arzt für Allgemeinmedizin) vor. Außerdem zog die Beklagte einen Bericht des F-Krankenhauses Recklinghausen über eine stationäre Behandlung vom 12. Februar 2005 bis 4. März 2005 bei, danach wurde der verstorbene Versicherte wegen folgender Diagnosen behandelt: 1. Bronchialkarzinom rechter Oberlappen, ED wohl 10/04, im Stadium IV T1 N2 M1 G2 histologisch Adenokarzinom 1.1 Zerebrale Metastasierung 1.2 Pulmonale Metastase (rechter Lungenoberlappen) 1.3 Lymphonoduläre Metastasierung 2. Bandscheibenprolaps L3/4, -protrusio L2/3 und L4/5 2.1 Fußheberschwäche links bei Peronaeuslähmung 3. aktuell: Gastroenteritis am ehesten viral 4. Lungenemphysem 5. Lungenembolien 6. Hypokaliämie 7. Dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz 8. Z.n. Milzexstirpation nach Unfall
Des Weiteren holte die Beklagte einen Bericht des N-Krankenhauses Bochum-Langendreer vom 12. November 2004 über eine stationäre Behandlung vom 8. Oktober 2004 bis 12. November 2004 ein. Die behandelnden Ärzte stellten folgende Diagnosen: 1. Adenokarzinom des rechten Oberlappens der Lunge T1, N2, M1, G2 Zerebelläre Filialisierung - 04.10.2004 Exzision von intrazellebralem Tumorgewebe - Ganzhirnbestrahlung mit max. 30 Gy vom 26.10.2004 – 09.11.2004 Nebennierenmetastasen beidseits Einleitung einer palliativen Chemotherapie nach dem Splitcourse-Protokoll (Cisplatin 60 mg/m² Tag 1 und 7, Etoposid 150 mg/m² Tag 3 und 5, Wiederholung Tag 21, I. Zyklus 29.10.2004 – 04.11.2004 PNEUMOVAX-Impfung am 12.11.2004 2. Lungenembolien beidseits 3. Z. n. Milzexstirpation nach Verkehrsunfall
Schließlich lag der Beklagten ein Bericht dieses Krankenhauses vom 29. November 2004 vor. Dort wurden folgende Diagnosen gestellt: 1. Adenokarzinom des rechten Oberlappens der Lunge T1, N2, M1, G2 Zerebelläre Filialisierung - 04.10.2004 Exzision von intrazellebralem Tumorgewebe - Ganzhirnbestrahlung mit max. 30 Gy vom 26.10.2004 – 09.11.2004 Nebennierenmetastasen beidseits Einleitung einer palliativen Chemotherapie nach dem Splitcourse-Protokoll (Cisplatin 60 mg/m² Tag 1 und 7, Etoposid 150 mg/m² Tag 3 und 5, Wiederholung Tag 21, I. Zyklus 29.10.2004 – 04.11.2004 II. Zyklus 23.11.2004 – 29.11.2004 PNEUMOVAX-Impfung am 12.11.2004 2. Lungenembolien beidseits 3. Z. n. Milzexstirpation nach Verkehrsunfall PNEUMOVAX-Impfung am 12.11.2004.
Am 20. Juli 2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenrente.
Zur Begründung legte sie ein Schreiben des Versicherten vor. Hierin führte dieser aus: "Ich bestätige hiermit, dass ich mit meiner Ehefrau vor der Eheschließung bereits seit fünfzehn Jahren eine enge Beziehung unterhalten habe, auch wenn wir in verschiedenen Wohnungen lebten. Wir hatten bereits vor der Eheschließung die Entscheidung getroffen, unser weiteres Leben gemeinsam zu verbringen." Außerdem legte sie ein Attest von Dr. U1 vor. Dieser erklärte, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Klägerin habe ihren auf Pflege angewiesenen Ehegatten bis zum Tag des Todes gepflegt.
Mit Bescheid vom 29. August 2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von großer Witwenrente ab, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht durch besondere Umstände widerlegt sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. September 2005 Widerspruch. Sie führte aus, sie habe mit dem Versicherten bereits seit 15 Jahren eine Lebenspartnerschaft unterhalten. Sie habe die Belange des Versicherten in wirtschaftlicher Hinsicht wahrgenommen. Zur Zeit der Eheschließung habe sie den Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherten nicht gekannt. Im Übrigen habe sie mit Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf eine eigene Altersrente und sei daher wirtschaftlich abgesichert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2006 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Die Beklagte meinte, im November 2004 sei die Erkrankung des Versicherten derart weit fortgeschritten gewesen, dass die Klinik schon zu dieser Zeit eine palliative Therapie eingeleitet habe. Eine Chance auf Heilung habe man nicht mehr gesehen. Im Übrigen verfüge die Klägerin über keine eigene wirtschaftliche Absicherung, da für sie nur 48 Kalendermonate Kindererziehungszeiten sowie eine Übertragung aus dem Versorgungsausgleich in Höhe von 565,00 Euro zu berücksichtigen seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 16. Februar 2006 Klage erhoben. Die Klägerin trägt vor, sie habe zu dem Versicherten bereits vor der Eheschließung eine langjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft unterhalten. Sie habe den Versicherten vor 18 Jahren beim Schützenfest kennen gelernt. Sie seien sofort ein Paar geworden, jedoch nicht zusammengezogen. Von ihrer Wohnung hätte sie ca. 15 Minuten zu Fuß bis zur Wohnung des Versicherten gebraucht. Sie habe für den Versicherten gekocht und seinen Haushalt geführt, sowie zeitweilig bei ihm gewohnt. Insbesondere während der Chemo- therapie habe sie die Betreuung und Versorgung des Versicherten übernommen und während dieser Zeit in seinem Haushalt gelebt. Sie habe von der schwerwiegenden Erkrankung des Versicherten zwar Kenntnis gehabt, ihr sei jedoch ebenso wenig wie dem Versicherten das Ausmaß der Erkrankung bewusst gewesen. Bei den Aufklärungsgesprächen zwischen dem Versicherten und dem Onkologen sei sie nicht anwesend gewesen. Auch mit behandelnden Ärzten habe sie über den Gesundheitszustand nicht gesprochen. Der Versicherte sei auch im Endstadium seiner Erkrankung sehr aktiv und nicht bettlägerig gewesen. Zur Zeit der Eheschließung sei der Tod nicht vorhersehbar gewesen. Der Entschluss zur Heirat liege ca. 10 Jahre und damit lange vor Ausbruch der Krebserkrankung zurück. Seit vielen Jahren hätten sie gemeinsame Urlaube in Oberstdorf und auf dem Campingplatz verbracht. Die letzte gemeinsame Reise nach Oberstdorf, wo der Versicherte verstorben sei, zeige, dass sie bis zum Schluss von einer Besserung ausgegangen sei, ansonsten hätte sie diesen Urlaub nicht mehr geplant. Nach der Scheidung von ihrem ersten Ehemann im Jahre 1976 habe sie Sozialhilfe von der Stadt Datteln bezogen. Seit Mai 2007 erhalte sie Altersrente und Leistungen zur Grundsicherung. Ab März 2005 habe sie mit dem verstorbenen Versicherten zusammengelebt. Bis zur Eheschließung hätten sie kein gemeinsames Konto unterhalten. Über die Frage der Pflege des Versicherten hätten sie vor der Eheschließung nicht gesprochen. Zu Anfang der Ehe habe der Versicherte zwar Hilfestellung beispielsweise beim Anziehen, jedoch keine Pflege benötigt. Sie habe vor der Ehe Verfügungsbefugnis über das Konto des Versicherten gehabt, allerdings habe sie für sich selbst keine Beträge abheben dürfen. Bereits vor 10 Jahren hätten sie Eheringe gekauft und seien sozusagen verlobt gewesen. Der Entschluss zur Eheschließung habe immer bestanden, er sei nur hinausgezögert worden. Im Februar 2005 habe der Versicherte sie gefragt, ob sie heiraten wollte. Sie habe dann das Aufgebot bestellt. Der Versicherte habe gesagt, es sei besser für sie zu heiraten, weil sie sich liebten und zusammengehörten. Weitere Angaben könne sie hierzu nicht machen.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 29. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Zu- grundelegung ihres Antrags vom 20. Juli 2005 große Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt sei. Die Klägerin habe den Beweis des Gegenteils nicht erbringen können. Zur Zeit der Eheschließung hätten die Klägerin und der Versicherte um das fortgeschrittene Karzinom gewusst. Wenn auch der Zeitpunkt des Todes nicht vorhersehbar gewesen sei, müsste zur Zeit der Eheschließung jedoch allen Beteiligten klar gewesen sein, dass ein "mehrjähriges Überleben" der Erkrankung nur zu einem sehr geringen Prozentsatz möglich war. Der Nachweis, dass die Eheschließenden zur Zeit der Hochzeit nicht von dem unmittelbaren Bevorstehen des Todes eines Ehegatten wussten, sei nicht erbracht worden. Die Klägerin und der verstorbene Versicherte hätten sich 18 Jahre vor dem Tod kennen gelernt. Es sei nicht ersichtlich, dass seit mehreren Jahren durchgehend Hinderungsgründe vorlagen, so dass bei einem ernsthaften und dringlichen Heiratswunsch dessen Verwirklichung lange vor dem Bekanntwerden der Krebserkrankung zu erwarten gewesen wäre. Gegen eine konkrete Heiratsabsicht sprächen auch die getrennten Wohnungen bis zum Tode. Wirtschaftlich betrachtet sei ebenfalls von einer Versorgungsehe auszugehen. Die Klägerin erhalte seit dem 1. Juni 2007 eine Regelaltersrente in Höhe von knapp 400,00 Euro. Die Klägerin habe während der Beziehung zu dem verstorbenen Versicherten nicht gearbeitet, keine Einkünfte erzielt und eine eigene Wohnung unterhalten. Nach der Eheschließung habe die Klägerin am 6. Mai 2005 Arbeitslosengeld II beantragt und auch erhalten. Sie sei sogar von der Stadt Datteln gezwungen worden, in eine preisgünstigere Wohnung umzuziehen und habe dies auch getan. Die Beklagte hat einen Rentenbescheid der Klägerin vom 19. März 2007 und Rechtsprechung zur Problematik einer Versorgungsehe vorgelegt. Auf Blatt 67 bis 90 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Das Gericht hat zur Frage des Gesundheitszustands des Versicherten den Hausarzt Dr. U2 als Zeugen gehört. Der Zeuge hat ausgeführt, er habe den verstorbenen Versicherten vom 1. Dezember 1999 bis zu seinem Tode hausärztlich behandelt. Primärtumor sei ein Lungentumor gewesen. Bei dem Hirntumor habe es sich um eine Metastase gehandelt. Er habe den Versicherten über die Schwere seiner Erkrankung aufgeklärt und zwischen den Chemotherapien mit dem Versicherten darüber gesprochen, dass es sich um ein metastasierendes Krebsleiden handele. Am 15. November 2004 habe er den Versicherten darauf hingewiesen, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handele, die zum Tode führen könne. Er habe jedoch keine Zeiträume hinsichtlich der bestehenden Lebenserwartung genannt. Trotz schwerwiegender Diagnosen wisse er aus ärztlicher Erfahrung, dass mit sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufen gerechnet werden müsse. Die Klägerin sei bei den Gesprächen mit dem Versicherten meist dabei gewesen, Einzelgespräche habe er mit ihr nicht geführt. Auch habe er mit ihr nicht über den Zeitraum eines möglichen Ablebens des Versicherten gesprochen. Am 20. Juni 2005 und 23. Juni 2005 habe er Hausbesuche durchgeführt, da der Versicherte nicht mehr in der Lage gewesen sei, in die Praxis zu kommen. Bei dem verstorbenen Versicherten sei eine palliative Chemotherapie durchgeführt worden, man habe versucht, das metastasierende Tumorgeschehen zurückzudrängen. Eine Aussicht auf Heilung und vollständige Gesun- dung habe nicht bestanden. Die Durchführung einer palliativen Chemotherapie bedeute aber nicht, dass der Tod unmittelbar bevorstehe. Vielmehr habe er eine Vielzahl von Pa- tienten, die mit einer palliativen Chemotherapie entgegen ärztlicher Erwartung noch Jahre gelebt hätten. Der verstorbene Versicherte sei sehr lebensbejahend und lebensfroh gewesen und habe die Chemotherapien gut vertragen. Erst im Juni 2005 habe er nicht mehr in die Praxis kommen können.
Des Weiteren hat das Gericht zur Frage der Eheschließung der Klägerin mit dem Versicherten den Bruder der Klägerin C, den Schwiegersohn der Klägerin X, T, L sowie den Sohn der Klägerin L1 und die Schwiegertochter der Klägerin L2 als Zeugen vernommen.
Der Zeuge c1 hat ausgesagt, er kenne den Versicherten seit der Jugendzeit. Später sei er ein Arbeitskollege gewesen. Die Klägerin und der verstorbene Versicherte hätten sich ca. 1988 kennen gelernt. Er habe sich über diese Beziehung sehr gefreut. Seit 1988 seien die beiden ein Paar gewesen und hätten einen verliebten Eindruck gemacht. Insgesamt habe ein harmonisches Verhältnis geherrscht. Ca. 2001 habe er mit dem Versicherten eine Woche Urlaub auf Mallorca verbracht und der Versicherte habe zu dieser Zeit darüber gesprochen, dass er die Klägerin heiraten wolle. Sie fänden jedoch keinen Termin. Warum es im März 2005 zur Heirat gekommen sei, wisse er nicht. Er habe weder mit der Klägerin noch mit dem Versicherten hierüber gesprochen. Er sei jedoch nicht erstaunt gewesen, dass die beiden geheiratet hätten, weil sie seit Jahren ein Paar gewesen seien. Zur Zeit der Hochzeit habe er nicht gewusst, dass der Versicherte schwer krank gewesen sei.
Der Zeuge x1 hat ausgesagt, er kenne die Klägerin seit ca. 1979. Er wisse nicht, seit wann der Versicherte und die Klägerin ein Paar gewesen seien, sie seien sehr lange zusammen gewesen und hätten ein gutes Verhältnis miteinander gehabt. Die ganze Familie habe gehofft, dass die beiden heirateten. Der Versicherte habe ihm auch Trauringe gezeigt. An das genaue Datum könne er sich nicht erinnern, es sei jedoch zeitlich weit vor dem Jahr 2000 gewesen. Mitte der neunziger Jahre sei die Klägerin Schützenkönigen in Datteln gewesen. Der Schützenverein habe eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt. In der Stadt Datteln habe man darüber geredet, dass jemand, der Leistungen vom Sozialamt beziehen würde, gleichzeitig Schützenkönigin werden könnte. Eine Heirat wäre sehr teuer gewesen, da der Schützenverein an erster Stelle gestanden habe und Einladungen der Schützenbrüder und Schützenschwestern verpflichtend seien. Der Versicherte habe seine Arbeit verloren und habe erhebliche Schulden gemacht. Aus diesem Grund habe man kein Geld für eine Hochzeit besessen. Warum im März 2005 die Hochzeit stattgefunden habe, wisse er nicht. Von der Krankheit des Versicherten habe er erst erfahren, als dieser zum zweiten Mal stationär im Krankenhaus behandelt worden sei. Der Versicherte habe in einem Telefonat mitgeteilt, dass er die Hoffnung nicht aufgeben würde, und dies habe er auch in späteren Gesprächen bestätigt.
Die Zeugin Elisabeth T1 hat dargelegt, dass sie zur Klägerin und zum Versicherten ein gutes Verhältnis gehabt hätte. Diese seien immer als Paar aufgetreten. Während der Woche habe die Klägerin häufig bei dem Versicherten gelebt, am Wochenende hätten sie sich häufig in der Wohnung der Klägerin aufgehalten. Im Jahre 1995 sei die Klägerin zur Schützenkönigin gekürt worden, bereits damals habe man über Heiratsabsichten gesprochen. Ihres Wissens hätten finanzielle Gründe eine Rolle gespielt, dass die Heirat nicht stattgefunden habe. Weder die Klägerin noch der Versicherte hätten einen Grund angegeben, warum sie den 8. März 2005 als Hochzeitsdatum gewählt hätten. Schon 1995 habe sie goldene Ringe gesehen, bei denen es sich ihres Wissens um Verlobungs-/Trauringe der Klägerin und des Versicherten gehandelt habe. Von der Erkrankung des Versicherten habe sie ca. 2004 erfahren. Auch nach der Hirnoperation habe der Versicherte an gesellschaftlichen Aktivitäten teilgenommen.
Die Zeugin L3 hat ausgeführt, sie sei mit der Klägerin und dem Versicherten befreundet gewesen. Sie würden sich aus dem Schützenverein in Datteln kennen. Bereits 1995 hätten die Klägerin und der Versicherte Heiratsabsichten geäußert. Ihr Mann und sie hätten jedoch davon abgeraten, weil eine Hochzeit zu teuer gewesen wäre. Der Schützenverein hätte eingeladen werden müssen und dies hätte zu immensen Kosten geführt. Über das konkrete Hochzeitsdatum hätten weder die Klägerin noch der Versicherte gesprochen. Die Trauringe habe der Versicherte bereits 1995 gezeigt.
Der Zeuge L4 hat ausgeführt, dass die Klägerin und der Versicherte ein sehr gutes Verhältnis gehabt und wie ein Ehepaar gewirkt hätten. Es habe schon immer Heiratsabsichten gegeben, sie seien auch verlobt gewesen. An das genaue Datum könne er sich nicht erinnern. Am Wochenende sei der Versicherte in der Wohnung der Klägerin gewesen. Während der Woche habe die Klägerin häufig in der Wohnung des Versicherten gewohnt. Vor der Hochzeit hätten der Versicherte und die Klägerin über die bevorstehende Hochzeit gesprochen, an den Inhalt der Gespräche könne er sich nicht erinnern. Es sei insbesondere nichts dazu gesagt worden, warum dieses Datum gewählt worden sei.
Die Zeugin L5 hat ausgesagt, dass die Klägerin und der Versicherte sich gut verstanden hätten. Bereits nach drei Jahren hätte der Versicherte Trauringe gekauft. Zur Hochzeit sei es nicht gekommen, weil der Versicherte aufgrund seiner Berufstätigkeit hierzu keine Zeit gefunden hätte. Als er arbeitslos geworden sei, habe er nicht heiraten wollen. Sie wisse nicht, warum die Klägerin und der Versicherte den 8. März 2005 als Hochzeitsdatum gewählt hätten. Hierüber sei nicht gesprochen worden.
Das Gericht hat die Aktenvorgänge der Stadt Datteln - betreffend die Leistungen der Klägerin nach dem Bundessozialhilfegesetz - beigezogen. Des Weiteren sind die Unterlagen des St. Vincenz-Krankenhauses Datteln und des Krankenhauses Bochum-Langendreer - betreffend den Versicherten – beigezogen worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2006 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente, weil die gesetzliche Vermutung für das Bestehen einer sogenannten Versorgungsehe nicht widerlegt ist.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die Klägerin ist die Witwe des 2005 verstorbenen Versicherten. Dieser hatte die Wartezeit erfüllt. Die Klägerin hat auch nicht wieder geheiratet und das 45. Lebensjahr vollendet. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 SGB VI sind erfüllt.
Gemäß § 46 Abs. 2 a SGB VI, welcher durch Artikel 1 Nr. 6 b des AVmEG (Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung des kapitalgedeckten Altersversorgungsvermögens – Altersvermögensergänzungsgesetz) vom 21. März 2001 (Bundesgesetzblatt I S. 403) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in das SGB VI eingeführt wurde, besteht der Anspruch jedoch nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Ähnliche Regelungen gibt es in der Unfallversicherung (vgl. § 595 Reichsversicherungsordnung – RVO – bzw. § 65 Abs. 6 Siebtes Buch des Sozialgesetzbuches - SGB VII -) in der Kriegsopferversorgung (vgl. § 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz - BVG -) und in der Beamtenversorgung (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz). Der Ausschluss von Hinterbliebenenversorgung bei einer sog. Versorgungsehe ist auch mit Artikel 6 Grundgesetz (GG) vereinbar, was höchtstrichterlich bereits entschieden wurde (vgl. Bundessozialgericht – BSG vom 23. September 1997 – 2 BU 176/97 – m.w.N.).
Die Vorschrift des § 46 Abs. 2 a SGB VI begründet für alle seit seinem In-Kraft-Treten am 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorungsehe Ziel der Eheschließung war. Die Ehe zwischen dem Versicherten und der Klägerin hat vom 8. März 2005 bis zum Tod des Versicherten am 10. Juli 2005 gedauert. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI greift daher ein.
Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Sie ist widerlegt, wenn besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer trotz kurzer Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegend Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Widerlegung der Vermutung erfordert nach § 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozeßordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils. Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Vorliegend war die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI nicht zu widerlegen, weil die Kammer nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht zweifelsfrei hat feststellen können, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben den vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungserwägungen der Eheschließung zumindest gleichgewichtige andere Motive zugrunde lagen (vgl. Urteil LSG Berlin-Brandenburg vom 15.08.2007 – L 16 R 571/07).
Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls, folgende "besondere Umstände" sprechen gegen eine Versorgungsehe: plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z. B. Arbeits-/Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit; die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nicht vorhersehbar; Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier für in ungültiger – nach ausländischem Recht gültiger – Ehe lebende Ausländer; Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder bzw. Schwangerschaft; Erziehung eines minderjährigen Kindes des verstorbenen Versicherten durch den Hinterbliebenen; Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten.
Diese Punkte stellen keine pauschalierten Widerlegungsgründe dar, die eine Versorgungsehe grundsätzlich ausschließen. Maßgeblich sind vielmehr immer die Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. Hessisches LSG Urteil vom 30.11.2007 – L 5 R 133/07m.w.N.).
Es ist nicht feststellbar, auf welchen konkreten Erwägungen im Einzelnen die Eheschließung am 8. März 2005 beruhte. Den Beweis, dass trotz kurzer Ehedauer Umstände vorliegen, die nicht auf eine Versorgungsehe schließen lassen, hat die Klägerin nicht erbracht. Soweit die Klägerin vorträgt, sie verfüge über eine eigene ausreichende Alterssicherung ist dies nicht zutreffend. Die Klägerin hat zunächst über viele Jahre Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von der Stadt Datteln bezogen. Ihre eigene Alterssicherung in Höhe von knapp 400,00 Euro reicht zum Lebensunterhalt nicht aus, so dass sie einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hat.
Das im Verwaltungsverfahren vorgelegte Schreiben des Versicherten, dass er mit seiner Ehefrau vor der Eheschließung seit Jahren eine enge Beziehung unterhalten habe und bereits vor der Eheschließung die Entscheidung das weitere Leben gemeinsam zu verbringen getroffen worden sei, spricht nach Auffassung des Gerichts eher für als gegen eine Versorgungsehe. Ein solches Schreiben aufzusetzen ist äußerst ungewöhnlich und zeigt, dass der schwerkranke Versicherte selbst die Gefahr gesehen und befürchtet hat, dass diese kurz vor seinem Tod geschlossene Ehe als Versorgungsehe eingestuft wird.
Tritt der Tod eines Versicherten aufgrund einer vorher bestehenden Erkrankung ein, schließt die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohenden Charakters der Erkrankung des verstorbenen Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese Eheschließung die konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis bestehenden Heiratsentschlusses darstellt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 19.09.2007 L 13 R 357/06 m.w.N.).
Der Versicherte litt an einem metastasierenden Bronchialkarzinom, das ab Oktober 2004 behandelt wurde. Gleichzeitig bestanden Nebennierenmetastasen sowie eine cerebrale Metastasierung. Bereits aus dem Bericht des Krankenhauses Bochum-Langendreer vom 12. November 2004 ergibt sich, dass nur eine palliative Chemotherapie eingeleitet wurde, das heißt, dass nicht mehr die Ursache der Krankheit, sondern lediglich deren einzelne Erscheinungsformen behandelt wurden. Nach Aussage des Hausarztes Dr. U4 hat er den Versicherten über die Schwere der Erkrankung aufgeklärt und zwischen den Chemotherapien mit ihm darüber gesprochen, dass es sich um ein metastasierendes Krebsleiden handelt. Bereits am 15. November 2004 hat er den Versicherten darauf hingewiesen, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handele, die zum Tode führen könne. Bei den Gesprächen war die Klägerin meist anwesend.
Selbst wenn der Hausarzt über die noch zu erwartende Lebensspanne nicht gesprochen hat, gab es keinen Zweifel an der Schwere der zugrunde liegenden Erkrankungen. Bereits aus dem Bericht des Krankenhauses Bochum-Langendreer vom 12. November 2004 geht hervor, dass ein Adenokarzinom des rechten Oberlappens der Lunge mit einer zerebellären Filialisierung sowie Nebennierenmetastasen vorlag. Der Bericht des Elisabeth-Krankenhauses Recklinghausen über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 12. Februar 2005 bis 4. März 2005 weist dazu eine lymphonoduläre Metastasierung und eine pulmonale Metastase auf. An der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bestand somit kein Zweifel. Bei der Eheschließung war sich der Versicherte über seinen Gesundheitszustand bewusst, denn er war ärztlicherseits aufgeklärt. Auch die Klägerin wusste um die Schwere der Erkrankung. Der Einwand der Klägerin, sie habe nicht mit dem Ableben des Versicherten gerechnet, ist daher nicht nachvollziehbar. Der Versicherte starb nur vier Monate nach der Eheschließung. Die gesundheitliche Prognose zur Zeit der Eheschließung war äußerst ungünstig bedingt durch die Metastasen. Daher war, gemessen an den vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten, auch nicht zu erwarten, dass die Ehe zur Zeit der Eheschließung noch mindestens ein Jahr gedauert hätte. Unerheblich ist, dass die Klägerin über die besondere Aggressivität dieser Krebserkrankung nicht aufgeklärt war. Ausreichend ist, dass sie um die Lebensbedrohlichkeit wusste.
Die Eheschließung stellt sich nicht als eine konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Erlangung dieser Kenntnis über die lebensbedrohliche Erkrankung bestehenden Heiratsentschlusses dar. Die Zeugen haben übereinstimmend erklärt, dass es sich um eine langjährige eheähnliche Lebensgemeinschaft handelte. Die Klägerin und der Versicherte lebten zwar in getrennten Wohnungen, zeitweilig jedoch auch zusammen. Die Klägerin führte dem Versicherten den Haushalt und versorgte ihn während der Erkrankung, insbesondere während der Chemotherapie. Eine über viele Jahre bestehende eheähnliche Ehegemeinschaft kann vielmehr auch dafür sprechen, dass gerade keine rechtliche Bindung gewollt ist. Eine Heiratsabsicht bereits vor Kenntnis der schweren Erkrankung und der ungünstigen Prognose des Versicherten kann aus der langjährigen Lebensgemeinschaft nicht abgeleitet werden. Auch wenn die Zeugen übereinstimmend erklärt haben, dass der Versicherte von einer Heiratsabsicht gesprochen und sogar Trauringe gezeigt habe, rechtfertigt dies nicht die Annahme von besonderen Umständen, die die Vermutungsregelung des § 46 Abs. 2 a SGB VI widerlegen. Erforderlich ist, dass eine solche Absicht durch objektiv nachprüfbare Tatsachen erhärtet wird. Die Äußerung der Heiratsabsicht gegenüber Freunden und Verwandten reicht nicht aus, wenn sich aus den objektiven Umständen im zeitlichen Ablauf eine Heiratsabsicht nicht manifestiert. Gerade eine wiederholte Heiratsabsicht im Laufe von vielen Jahren kann an Ernsthaftigkeit verlieren. Nach Aussage der Zeugin Karin Kolodzinski hat der Versicherte bereits drei Jahre, nachdem er die Klägerin kennen gelernt hatte, Trauringe gekauft. Zur Hochzeit sei es nicht gekommen, weil der Versicherte auf Grund seiner Berufstätigkeit keine Zeit hatte. Auch der Zeuge L5 hat ausgeführt, dass "schon immer" Heiratsabsichten bestanden hätten und der Versicherte mit der Klägerin verlobt gewesen sei. Die Zeugin L6 hat ebenfalls bekundet, dass bereits 1995 Heiratsabsichten bestanden. Dies hat auch die Zeugin T3l bestätigt. Für die Kammer ist nicht nachvollziehbar, dass im Laufe von achtzehn Jahren kein geeigneter Zeitpunkt für eine Heirat gefunden wurde, sondern diese Hochzeit erst stattfand, nachdem die lebensbedrohliche Erkrankung weit fortgeschritten war. Die Aussagen der Zeugen eine Hochzeit sei wegen der großen Zahl der einzuladenen Gäste zu teuer gewesen, kann die Kammer nicht nachvollziehen. Offenbar haben der Versicherte und die Klägerin sich bei ihrer Heirat am 8. März 2005 hierüber keine Gedanken mehr gemacht.
Motiv für die Eheschließung war auch nicht die Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des Versicherten. Das Gericht hat die Klägerin hierzu befragt. Die Klägerin hat im Termin erklärt, dass zu Anfang der Ehe der Versicherte Hilfestellungen beispielsweise beim Anziehen benötigt habe. Eine Pflege sei zu der Zeit nicht erforderlich gewesen. Im Übrigen ist der Versicherte während seines Urlaubs in Oberstdorf gestorben. Bettlägerigkeit hat zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Die Klägerin hat keine besonderen Umstände beschrieben, die die Annahme nicht rechtfertigen, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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