Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 KR 167/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 68/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Mammareduktionsplastik
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 8. November 2006 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die im Mai 1986 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten eine Mammareduktionsplastik als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Unter dem 18. September 2004 fragte der Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe des Kreiskrankenhauses T. Dr. S bei der Beklagten nach der Übernahme der Kosten einer Mammareduktionsplastik für die Klägerin an. Diese sei wegen einer Makromastie und Ptosis II. Grades, welche bereits seit Jahren starke orthopädische Beschwerden verursachten (Kopf- und Schulterschmerzen, HWS-Syndrom), überwiesen worden. Es bestehe bei normaler Körperstatur (1,63 m, 65 kg) eine ausgeprägte Makromastie (BH-Größe 80 E). Eine Brustverkleinerung auf eine BH-Körbchengröße B sei notwendig, was pro Seite eine Reduktion von ca. 800 g bedeute. Damit bestehe eine klare medizinische Indikation für den Eingriff. Es handele sich nicht lediglich um eine kosmetische Korrektur.
In einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung S. (MDK) vom 9. November 2004 diagnostizierte Frau J. (Bl. 6–10 der Verwaltungsakten (VA)) nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 5. November 2004 eine Hypertrophie der Mamma und Ptose II. Grades bei einer Brustlast von rechts 1100 g und links 1000 g (nach der Körpergewichtsdifferenzmethode). Nach Ansicht der Gutachterin seien die Beschwerden der Klägerin durch eine entsprechende Haltungsschule und eine orthopädische Mitbehandlung durchaus positiv zu beeinflussen. Bisher liege auch offensichtlich kein krankheitswertiger Zustand im Bereich der Halswirbelsäule vor. Eine orthopädische Mitbehandlung oder eine Rückenschule seien noch nicht durchgeführt worden. Damit ergäben sich keine Aspekte, die den Krankheitsbegriff erfüllten. Zudem bestehe kein sicherer Zusammenhang zwischen Brustlast und orthopädischen Beschwerden. Daher könnte keine Empfehlung für die beantragte Operation gegeben werden; eine Haltungsschule und eine aktive Gymnastik zum Ausgleich der Beschwerden sowie eine muskuläre Konditionierung seien vorzuziehen.
Mit Schreiben vom 12. November 2004 lehnte die Beklagte die beantragte Operation unter Verweis auf das Gutachten ab.
Am 4. Januar 2005 überwies der langjährige Hausarzt der Klägerin und Internist Dipl. Med. W. diese an den Orthopäden Dr. W ... Dieser berichtete nach ambulanter Untersuchung mit Schreiben vom 7. Januar 2005 (Bl. 13 VA), dass die Klägerin seit mehreren Jahren rezidivierende Schmerzen an der Hals- und Brustwirbelsäule sowie am Nacken beidseits mit Ausstrahlung in beide Oberarme hinein habe. Die Halswirbelsäule sei frei beweglich, Schmerz werde vor allem bei Rotationsbewegungen angegeben bei unauffälliger Haltung der Halswirbelsäule. Es bestünden eine Blockierung der oberen Brustwirbelsäule mit deutlichen Verspannungen sowie ein mäßiger Druckschmerz an der oberen bis mittleren Brustwirbelsäule bei Flachrücken und Myogelosen. Neurologisch zeige sich kein krankhafter Befund. Eine Mammareduktionsplastik sei zu empfehlen, da ansonsten Haltungsschäden zunehmen würden. Weiterhin empfahl Dr. W. eine manuelle Therapie an der Wirbelsäule nach Probezug.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2005 legte die Klägerin unter Beifügung des Berichts Dr. W. gegen die Ablehnung der Beklagten Widerspruch ein und rügte, die Gutachterin des MDK J. sei von Anfang an voreingenommen gewesen.
In einem weiteren Gutachten des MDK kam Dr. P. (Bl. 19-23 VA) nach ambulanter Untersuchung am 21. Januar 2005 zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für eine Mammareduktionsplastik seien nicht erfüllt, zumal die Klägerin nach eigenen Angaben noch keine Maßnahme in Eigenregie zur Beschwerdelinderung wie z.B. Rückenschule oder gymnastische Übungen durchgeführt habe. Auffälligkeiten an der Haut (Mamillen-Ariola-Komplexe und Unterbrustbereich) seien nicht vorhanden. Bis auf Verspannungen der Schulter-Nacken-Muskulatur seien auch an der Wirbelsäule keine Befunde festzustellen. Große Brüste seien nicht automatisch mit einer Krankheit gleich zu setzen, wenngleich nachvollziehbar erscheine, dass bestehende Rückenbeschwerden verstärkt oder verlängert werden könnten. Es gebe jedoch keine klinischen Studien, die eine entscheidende Verbesserung des muskuloskelettalen Systems nach Mammareduktion belegten.
Mit Schreiben an die Klägerin vom 9. Februar 2005 hielt die Beklagte unter Hinweis auf das Zweitgutachten des MDK an ihrer Ablehnung fest.
Die Klägerin legte den Bericht der Physiotherapie B. vom 5. April 2005 vor (Bl. 30 VA), wonach trotz Durchführung einer verordneten Krankengymnastik zum Ausgleich der Muskeldysbalancen (6X) weiterhin Beschwerden im Rückenbereich sowie wiederkehrende Kopf- und Nackenschmerzen bestünden. Die Physiotherapeutin führte dies auf die diagnostizierte Mammahyperplasie sowie das chronisch wiederkehrende Hals- und Brustwirbelsäulensyndrom zurück und riet ebenfalls zu einer Mammareduktionsplastik.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung ab und vermerkte in ihrer Verwaltungsakte (Bl. 33), dass der Widerspruch "definitiv bestehen" bleibe. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2005 wies sie sodann den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück (Bl. 35-38 VA).
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Juli 2005 Klage erhoben und ihren bisherigen Vortrag unter Beifügung einer Internetrecherche zum Thema Brustgröße weiter vertieft (Bl. 18 Gerichtsakte [GA]).
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dipl.-Med. W. vom 3. September 2005 (Bl. 29-30 GA) und Dr. W. e vom 9. September 2005 (Bl. 31-32 GA); bei diesem hatte sich die Klägerin nur am 7. Januar 2005 vorgestellt. Ferner hat das Sozialgericht ein Gutachten von Dipl.-Med. W. , Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie und Akupunktur vom 9. März 2006 eingeholt, dem eine Untersuchung der Klägerin am 6. März 2006 vorausging (Bl. 47-55 GA). Danach habe die Klägerin Schmerzen "die Wirbelsäule lang runter" geklagt. Es tue auch beim Sitzen weh, auch in beiden Schultern. Der Befund ergab einen Druck- und Klopfschmerz über den Wirbelkörpern und paravertebral im Brustwirbelsäulenbereich TH 1 bis 6 und im Lendenwirbelsäulenbereich L2 bis L5. Das Zeichen nach Lasèque war negativ. Die Gutachterin diagnostizierte neben einer X-Stellung der Beine beidseits und Knickfüßen beidseits ein rezidivierendes Cervikalsyndrom bei gestörter Statik, Spondylarthrose C5/6 und muskulären Dysbalancen, ein rezidivierendes Thorakalsyndrom mit mehreren Blockierungen im oberen Brustwirbelsäulenbereich, ein rezidivierendes Lumbalsyndrom bei muskulären Dysbalancen sowie eine Hyperthrophie der Mammae. Die Erkrankungen seien auf keinen Fall auf die Makromastie zurückzuführen. Allerdings verstärke diese die Beschwerden und Schmerzen. Die rezidivierenden Blockierungen würden sich ohne die Makromastie besser behandeln und beheben lassen. Eine Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden sei notwendig, um die Schmerzen zu lindern. In Frage kämen fachorthopädische und physiotherapeutische Behandlungen mit Deblockierung und Aufbau der Muskulatur, Haltungsschule und Sport. Alle diese Behandlungen seien durch die Makromastie erschwert. Die Erkrankung sei durch eine Mammareduktionsplastik nicht zu heilen. Die Beschwerden könnten so aber gelindert und einer Verschlimmerung vorgebeugt werden. Andere Behandlungsmethoden allein hätten einen geringeren Effekt und einem Rezidiv könnte wesentlich schlechter vorgebeugt werden. Den besten Effekt könne man durch eine Kombination der Behandlungen erreichen (sowohl Mammareduktionsplastik als auch fachärztliche und physiotherapeutische Behandlung). Die Makromastie sei mitverantwortlich für die bestehenden Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Von einer entstellenden Wirkung könne man ihrer Ansicht nach nicht sprechen. Es bestehe aber eine deutlich abweichende übergroße Brust.
Ein im Auftrag der Beklagten hierzu nach Aktenlage erstattetes Gutachten des MDK vom 20. Juni 2006 (Dipl.-Med. Sch. , Bl. 63-65 GA) hob das Fehlen wissenschaftlicher Beweise dafür hervor, dass durch eine Reduktion der Mammae die aufgeführten Beschwerden sicher reduziert werden könnten. Bei der Makromastie handele es sich um keinen krankhaften Befund. Krankengymnastik sowie sportliche Trainingstherapie seien vorzuziehen.
Mit Urteil vom 8. November 2006, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht antragsgemäß die Bescheide der Beklagten vom 12. November 2004 und 9. Februar 2005, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2006, aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Mammareduktionsplastik als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat es unter Berufung auf das Gutachten von Dipl.-Med. W. und die behandelnden Ärzte der Klägerin ausgeführt, die Mammareduktion sei jedenfalls in Verbindung mit physiotherapeutischen Maßnahmen geeignet und erforderlich, die Beschwerden der Klägerin zu lindern und eine Verschlimmerung zu verhüten.
Gegen das ihr am 15. November 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. November 2006 Berufung eingelegt und zur Begründung u. a. auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen, wonach die mittelbare Behandlung eines erkrankten Organs – hier der Wirbelsäule – durch den Eingriff an einem gesunden Organ – hier der Brust – voraussetze, dass die unmittelbar an dem erkrankten Organ ansetzenden konservativen Behandlungsmöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft und der Eingriff an dem gesunden Organ (Mammareduktion) das letzte Mittel zur Behandlung sei. Vorliegend sei die konservative Behandlung der Wirbelsäule noch nicht ausgeschöpft. Zudem sehe § 12 SGB V auch keine unter allen Aspekten optimale Behandlung vor. Eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlung genüge.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 8. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die weitere Entwicklung belege, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien.
Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin angegeben, seit etwa Anfang des Jahres 2000 Beschwerden zu haben, die sich immer intensiver entwickelt hätten. Physiotherapeutische Maßnahmen seien bisher in unregelmäßigen Abständen jeweils unter Anleitung einer Physiotherapeutin durchgeführt worden. Zurzeit befinde sie sich wieder in physiotherapeutischer Behandlung. Durch die physiotherapeutische Praxis sei ihr ein Hausübungsprogramm zur Kräftigung der Hals- und Brustwirbelsäule zur Verfügung gestellt worden, welches sie regelmäßig anwende. Auf Grund der körperlichen Beschwerden und des sehr hohen Gewichtes der Brust habe sie Schwierigkeiten, diese Übungen optimal und erfolgbringend durchzuführen. Auf weitere Nachfrage hat die Klägerin ausgeführt, solche physiotherapeutischen Behandlungen seien im Jahre 2005 und 2007 jeweils auf ärztliche Verordnung durch den Hausarzt durchgeführt worden. 2006 seien keine Behandlungen verordnet worden, was aber eine Durchführung der Übungen des Hausübungsprogramms durch sie nicht ausschließe. Im Dezember 2007 hat die Klägerin ihr aktuelles Körpergewicht mit 67 kg angegeben. Im ersten und zweiten Quartal des Jahres 2007 habe sie jeweils sechs physiotherapeutische Anwendungen durchgeführt. Weiterhin gehe sie einmal pro Woche ca. 45 bis 60 Minuten schwimmen und mache einmal pro Woche Nordic Walking (3 bis 5 km) zur Stärkung der Rückenmuskulatur.
Der Senat hat den weiteren Befundbericht von Dipl.-Med. W. vom 22. Juni 2008 eingeholt (Bl. 118-119 GA). Danach hat er bei der Klägerin in der Zeit vom 3. September 2005 bis zum 22. Juni 2008 die Diagnosen akute Gastritis, Schulter-Nacken-Myalgien, Otitis media und Übelkeit gestellt. Die Befunde hätten sich nicht wesentlich verändert. In einem weiteren Befundbericht vom 20. Dezember 2008 (Bl. 150-151 GA) teilte er mit, Rückenbeschwerden seien ihm bei der Klägerin seit dem 4. Januar 2005 bekannt. Krankschreibungen seien insoweit nicht erfolgt.
Schließlich hat der Senat ein Gutachten des MDK zur Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden durch operative Brustverkleinerungen vom 8. Mai 2002 beigezogen, in dem verschiedene, überwiegend amerikanische Studien zu dieser Problematik kritisch untersucht werden.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist deshalb nicht zu beanstanden. Dabei ist klarzustellen, dass sich die Anfechtung nicht nur gegen die im Tenor des sozialgerichtlichen Urteils genannten Bescheide richtet, sondern der Sache nach auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2005, der unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung den Antrag der Klägerin in Form der Wiederholung des Bescheides vom 12. November 2004 abschließend förmlich ablehnte. Dies hat die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren berücksichtigt (vgl. Vermerk Bl. 33 VA). Das erstinstanzliche Urteil hat den vorgenannten Bescheid der Beklagten zu Unrecht für rechtswidrig gehalten und war daher aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Krankenhausbehandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, 13.7.2004 - B 1 KR 11/04 - SozR 4-2500 § 13 Nr. 4; BSG, 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 3; zuletzt BSG, 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R - JURIS).
1. Bei der Klägerin liegt, was allein den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit vor, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellen Größe, Form und Gewicht ihrer Brust keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Keinem Befundbericht der behandelnden Ärzte lässt sich dies entnehmen. Die eingeholten Gutachten beschreiben die Mammae ausdrücklich als gesundes Organ, an dem keine objektivierbare gesundheitliche Beeinträchtigung bestehe. Etwas anderes wird auch von der Klägerin nicht behauptet.
2. Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht mit äußerlicher Entstellung begründen. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG, 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R - JURIS). In diesem Zusammenhang hat das BSG eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust abgelehnt (BSG, 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 3).
Eine Entstellung in diesem Sinne beklagt die Klägerin selber nicht. Nach eigenen Angaben trägt sie BH-Größe 80 E. Dies kann unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust nicht als entstellend gewertet werden, zumal Konfektions-BHs bis zur Größe H handelsüblich sind. Demgemäß beschreiben alle aufgrund körperlicher Untersuchung erstellten Gutachten (Julich, Dr. P. und Dipl. Med. W. ) die Brust der Klägerin zwar als ungewöhnlich groß, aber auch im Verhältnis zu ihrer schlanken Körperkonstitution nicht als entstellend. Auch die sonstigen ärztlichen Stellungnahmen widersprechen dem nicht. Es deckt sich schließlich mit dem Eindruck, den der Senat aufgrund eigener Augenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat.
3. Unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beeinträchtigung ist die Beklagte ebenfalls nicht leistungspflichtig. Eine solche Erkrankung ist bei der Klägerin weder erkennbar noch behauptet; sie würde auch regelmäßig nicht zur Leistungspflicht der Beklagten führen (vgl. BSG, 10.02.1993 - 1 RK 14/92 - BSGE 72, 96 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 zur Beinverlängerung bei Kleinwuchs; BSG, 9.6.1998 - B 1 KR 18/96 R - BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f zu einer Hodenprothese).
4. Schließlich lassen die orthopädischen Beschwerden der Klägerin nicht die Notwendigkeit einer operativen Mammareduktion erkennen.
Grundsätzlich kann die Leistungspflicht der Krankenversicherung allerdings auch eine mittelbare Therapie an einem anderen als dem erkrankten Körperteil umfassen, wenn diese im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 3 und 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht (BSG, 19.2.2003 - 1 KR 1/02 R SozR 4-2500 § 137c Nr. 1 = BSGE 90, 289-295 zum Magenband bei Übergewicht). Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz allerdings eingeschränkt: Wird durch eine solche Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie dies bei einer Brustverkleinerung geschieht, bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung. Dabei sind Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, der zu erwartende Nutzen der Therapie nebst ihren Risiken und möglichen Folgekosten sowie etwaige Behandlungsalternativen gegeneinander abzuwägen (BSG, a.a.O. m.w.N).
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass nach Art und Schwere der Erkrankung die Dringlichkeit der Intervention eher niedrig (dazu unter a), das Risiko etwaiger Komplikationen und Folgekosten hoch (dazu unter b) und der zu erwartende Nutzen der Therapie zweifelhaft ist (vgl. c). Gleichzeitig stehen nicht ausgeschöpfte ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlungsalternativen zur Verfügung, die dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen (siehe d). Bei diesem Bild ergibt die Abwägung, dass die Voraussetzungen für eine Brustverkleinerung zur mittelbaren Behandlung orthopädischer Beschwerden als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfüllt sind.
a) Die vorhandenen Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin sind nicht schwer. Während Frau J. einen krankheitswertigen Zustand generell verneint, diagnostizieren die Orthopäden Dr. W. und Dipl. Med. W. sowie der Hausarzt Dipl.-Med. W. ein wiederkehrendes chronisches Brust- und Halswirbelsäulensyndrom bei Muskeldysbalance und Dipl. Med. W. zusätzlich eine Spondylarthrose sowie Blockierungen im Brustwirbelsäulenbereich. Schwerwiegende Aufbrauchserscheinungen an der Wirbelsäule wurden nicht festgestellt; das Zeichen nach Lasèque als Indiz für eine Wurzelreizung war stets negativ. Das Fehlen einer schweren Erkrankung belegt der Umstand, dass die Klägerin keinerlei Schmerztabletten nimmt. Auch hat sich die Klägerin, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich wurde, zu keinem Zeitpunkt überhaupt in orthopädische Behandlung begeben (siehe unter d). Eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieser Beschwerden gab es bisher nicht. Bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben sich keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der Beschwerden ergeben; dies hat die Klägerin auch nicht behauptet.
b) Zu Lasten der Klägerin ist auch die erhebliche Gefahr von Komplikationen nach einer Mammareduktionsplastik zu berücksichtigen. So hat bereits Dr. S. auf die Möglichkeit von Entzündungen, Fettgewebsnekrose, Nachblutungen und Nachoperationen, Sensibilitätsstörungen, Bürzelbildung u.a. hingewiesen. Zu bedenken ist ferner, dass die Stillfunktion infolge eines derartigen Eingriffs verloren gehen kann (vgl. die Studien des MDK). Solche Komplikationen treten - wie die vom MDK beigezogenen Studien belegen - häufig auf (bis zu 50% der Fälle). Das Risiko von Komplikationen und ihren Folgekosten wird im Gutachten Dipl. Med. W. , das sich allein auf den orthopädischen Nutzen der Brustverkleinerung fokussiert, nicht erwähnt, was nach Auffassung des Senats medizinisch zu kurz greift und nicht mit der Rspr. des BSG im Einklang steht. Hinsichtlich der von der Beklagten und dem MDK in den Vordergrund gestellten konservativen Maßnahmen sind solche Komplikationen nicht zu befürchten.
c) Aus dem beigezogenen Gutachten des MDK vom 8. Mai 2002 ist zu ersehen, dass ein therapeutischer Zusammenhang zwischen einer Mammareduktion und der Besserung von Wirbelsäulenbeschwerden wissenschaftlich umstritten ist. Dies belegen auch die von der Beklagten vorgelegten aktuelleren Stellungnahmen des MDK. Angesichts der Gesamtumstände kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob ein wissenschaftlich belegbarer Zusammenhang zwischen Größe und Gewicht der weiblichen Brust und Wirbelsäulenbeschwerden besteht.
Der Senat gibt allerdings zu bedenken, dass die nicht wenigen Frauen, die handelsübliche BHs in den Konfektionsgrößen E bis H tragen, in signifikantem Umfang häufiger an Wirbelsäulenbeschwerden leiden müssten als andere Frauen oder etwa Männer, wenn ein solcher Zusammenhang bestünde. Eine Studie, die das bestätigt, ist aber nicht bekannt.
d) Die Behandlungsalternativen sind bei der Klägerin noch keinesfalls ausgeschöpft; dies behauptet auch kein einziger Arzt. Daher kann sich der Senat auch nicht den positiven Stellungnahmen der behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. W. und Dr. S. anschließen, die eine operative Brustverkleinerung befürworten. Ausschlaggebend ist für den Senat, dass sich die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht nur ein einziges Mal bei einem Orthopäden im 120 km entfernten B. vorgestellt hat. Dieses eine Mal geschah nach Auffassung des Senats auch lediglich zur Erlangung einer Bescheinigung gegenüber der Beklagten, wonach die orthopädischen Beschwerden durch die eingeklagte Mammareduktion zu lindern seien. Denn in dem eingeholten Befundbericht vom 29. August 2005 hat Dr. W. keinerlei Behandlungen angegeben. Sinn und Zweck der Vorstellung bei einem Orthopäden sollte es allerdings sein, orthopädische Therapien zu besprechen und einzuleiten. Im Ergebnis hat sich die Klägerin damit bisher noch überhaupt nicht in orthopädische Behandlung begeben; dies schließt zwangsläufig aus, dass die orthopädische Behandlung bisher ausgeschöpft ist. Die Klägerin hätte sich nach Ansicht des Senats seit Januar 2005 ohne weiteres in eine orthopädische Behandlung begeben können, wenn sie dies tatsächlich gewollt hätte. Der Senat kann nicht nachvollziehen, dass die Klägerin einen Termin bei einem Facharzt für Orthopädie kurzfristig während des Widerspruchsverfahrens zur Erlangung einer entsprechenden Bescheinigung erhalten konnte, aber zur Linderung ihrer Beschwerden seit vier Jahren keinen solchen Arzttermin bekommt. Möglicherweise müsste die Klägerin auf einen solchen Arzttermin länger warten. Dies erklärt aber nicht eine fehlende Inanspruchnahme von Orthopäden über einen Zeitraum von vier Jahren.
Dabei könnten z.B. auch noch Kurmaßnahmen oder die von Dr. W. empfohlene manuelle Therapie an der Wirbelsäule nach Probezug in Betracht kommen. Auch die Sachverständige Dr. W. geht in ihrem Gutachten nicht davon aus, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten bisher ausgeschöpft worden seien. Sie hält lediglich aus medizinischer Sicht eine kombinierte Behandlung und Mammareduktion, Sport, Physiotherapie und Haltungsschule für angemessen. Dem vermag sich der Senat aus Rechtsgründen nicht anzuschließen, solange im vorliegenden Fall die dargelegten Behandlungsmöglichkeiten noch nicht erfolglos vollständig ausgeschöpft sind.
Der Senat hat auch durchgreifende Zweifel, ob die Maßnahmen der Physiotherapie von der Klägerin bereits ausgeschöpft worden sind. Die Klägerin war auf ausdrückliche Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, Übungen aus der Physiotherapie zu demonstrieren (was auch im Sitzen möglich ist) oder sie näher zu beschreiben. Auf weitere Nachfrage nach dem Hausübungsprogramm berichtete die Klägerin dann zuerst, sie habe gelernt, wie man schwere Gegenstände vom Fußboden aufhebe. Eine anschauliche und lebensnahe Schilderung bestimmter Bewegungsübungen zur Kräftigung der Muskulatur gab sie nicht. Insoweit hat der Senat durchgreifende Zweifel, ob die Klägerin diese Übungen bisher überhaupt richtig verstanden und umgesetzt hat. Es bleibt im Wesentlichen die subjektive Haltung der Klägerin, dass ihre Rückenbeschwerden allein auf die Brust zurückzuführen und nur durch deren Verkleinerung zu heilen seien, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat. Dies ermöglicht nicht die Feststellung, dass sämtliche Behandlungsalternativen ausgeschöpft sind.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage handelt.
Tatbestand:
Die im Mai 1986 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten eine Mammareduktionsplastik als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Unter dem 18. September 2004 fragte der Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe des Kreiskrankenhauses T. Dr. S bei der Beklagten nach der Übernahme der Kosten einer Mammareduktionsplastik für die Klägerin an. Diese sei wegen einer Makromastie und Ptosis II. Grades, welche bereits seit Jahren starke orthopädische Beschwerden verursachten (Kopf- und Schulterschmerzen, HWS-Syndrom), überwiesen worden. Es bestehe bei normaler Körperstatur (1,63 m, 65 kg) eine ausgeprägte Makromastie (BH-Größe 80 E). Eine Brustverkleinerung auf eine BH-Körbchengröße B sei notwendig, was pro Seite eine Reduktion von ca. 800 g bedeute. Damit bestehe eine klare medizinische Indikation für den Eingriff. Es handele sich nicht lediglich um eine kosmetische Korrektur.
In einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung S. (MDK) vom 9. November 2004 diagnostizierte Frau J. (Bl. 6–10 der Verwaltungsakten (VA)) nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 5. November 2004 eine Hypertrophie der Mamma und Ptose II. Grades bei einer Brustlast von rechts 1100 g und links 1000 g (nach der Körpergewichtsdifferenzmethode). Nach Ansicht der Gutachterin seien die Beschwerden der Klägerin durch eine entsprechende Haltungsschule und eine orthopädische Mitbehandlung durchaus positiv zu beeinflussen. Bisher liege auch offensichtlich kein krankheitswertiger Zustand im Bereich der Halswirbelsäule vor. Eine orthopädische Mitbehandlung oder eine Rückenschule seien noch nicht durchgeführt worden. Damit ergäben sich keine Aspekte, die den Krankheitsbegriff erfüllten. Zudem bestehe kein sicherer Zusammenhang zwischen Brustlast und orthopädischen Beschwerden. Daher könnte keine Empfehlung für die beantragte Operation gegeben werden; eine Haltungsschule und eine aktive Gymnastik zum Ausgleich der Beschwerden sowie eine muskuläre Konditionierung seien vorzuziehen.
Mit Schreiben vom 12. November 2004 lehnte die Beklagte die beantragte Operation unter Verweis auf das Gutachten ab.
Am 4. Januar 2005 überwies der langjährige Hausarzt der Klägerin und Internist Dipl. Med. W. diese an den Orthopäden Dr. W ... Dieser berichtete nach ambulanter Untersuchung mit Schreiben vom 7. Januar 2005 (Bl. 13 VA), dass die Klägerin seit mehreren Jahren rezidivierende Schmerzen an der Hals- und Brustwirbelsäule sowie am Nacken beidseits mit Ausstrahlung in beide Oberarme hinein habe. Die Halswirbelsäule sei frei beweglich, Schmerz werde vor allem bei Rotationsbewegungen angegeben bei unauffälliger Haltung der Halswirbelsäule. Es bestünden eine Blockierung der oberen Brustwirbelsäule mit deutlichen Verspannungen sowie ein mäßiger Druckschmerz an der oberen bis mittleren Brustwirbelsäule bei Flachrücken und Myogelosen. Neurologisch zeige sich kein krankhafter Befund. Eine Mammareduktionsplastik sei zu empfehlen, da ansonsten Haltungsschäden zunehmen würden. Weiterhin empfahl Dr. W. eine manuelle Therapie an der Wirbelsäule nach Probezug.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2005 legte die Klägerin unter Beifügung des Berichts Dr. W. gegen die Ablehnung der Beklagten Widerspruch ein und rügte, die Gutachterin des MDK J. sei von Anfang an voreingenommen gewesen.
In einem weiteren Gutachten des MDK kam Dr. P. (Bl. 19-23 VA) nach ambulanter Untersuchung am 21. Januar 2005 zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für eine Mammareduktionsplastik seien nicht erfüllt, zumal die Klägerin nach eigenen Angaben noch keine Maßnahme in Eigenregie zur Beschwerdelinderung wie z.B. Rückenschule oder gymnastische Übungen durchgeführt habe. Auffälligkeiten an der Haut (Mamillen-Ariola-Komplexe und Unterbrustbereich) seien nicht vorhanden. Bis auf Verspannungen der Schulter-Nacken-Muskulatur seien auch an der Wirbelsäule keine Befunde festzustellen. Große Brüste seien nicht automatisch mit einer Krankheit gleich zu setzen, wenngleich nachvollziehbar erscheine, dass bestehende Rückenbeschwerden verstärkt oder verlängert werden könnten. Es gebe jedoch keine klinischen Studien, die eine entscheidende Verbesserung des muskuloskelettalen Systems nach Mammareduktion belegten.
Mit Schreiben an die Klägerin vom 9. Februar 2005 hielt die Beklagte unter Hinweis auf das Zweitgutachten des MDK an ihrer Ablehnung fest.
Die Klägerin legte den Bericht der Physiotherapie B. vom 5. April 2005 vor (Bl. 30 VA), wonach trotz Durchführung einer verordneten Krankengymnastik zum Ausgleich der Muskeldysbalancen (6X) weiterhin Beschwerden im Rückenbereich sowie wiederkehrende Kopf- und Nackenschmerzen bestünden. Die Physiotherapeutin führte dies auf die diagnostizierte Mammahyperplasie sowie das chronisch wiederkehrende Hals- und Brustwirbelsäulensyndrom zurück und riet ebenfalls zu einer Mammareduktionsplastik.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung ab und vermerkte in ihrer Verwaltungsakte (Bl. 33), dass der Widerspruch "definitiv bestehen" bleibe. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2005 wies sie sodann den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück (Bl. 35-38 VA).
Hiergegen hat die Klägerin am 26. Juli 2005 Klage erhoben und ihren bisherigen Vortrag unter Beifügung einer Internetrecherche zum Thema Brustgröße weiter vertieft (Bl. 18 Gerichtsakte [GA]).
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten von Dipl.-Med. W. vom 3. September 2005 (Bl. 29-30 GA) und Dr. W. e vom 9. September 2005 (Bl. 31-32 GA); bei diesem hatte sich die Klägerin nur am 7. Januar 2005 vorgestellt. Ferner hat das Sozialgericht ein Gutachten von Dipl.-Med. W. , Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie und Akupunktur vom 9. März 2006 eingeholt, dem eine Untersuchung der Klägerin am 6. März 2006 vorausging (Bl. 47-55 GA). Danach habe die Klägerin Schmerzen "die Wirbelsäule lang runter" geklagt. Es tue auch beim Sitzen weh, auch in beiden Schultern. Der Befund ergab einen Druck- und Klopfschmerz über den Wirbelkörpern und paravertebral im Brustwirbelsäulenbereich TH 1 bis 6 und im Lendenwirbelsäulenbereich L2 bis L5. Das Zeichen nach Lasèque war negativ. Die Gutachterin diagnostizierte neben einer X-Stellung der Beine beidseits und Knickfüßen beidseits ein rezidivierendes Cervikalsyndrom bei gestörter Statik, Spondylarthrose C5/6 und muskulären Dysbalancen, ein rezidivierendes Thorakalsyndrom mit mehreren Blockierungen im oberen Brustwirbelsäulenbereich, ein rezidivierendes Lumbalsyndrom bei muskulären Dysbalancen sowie eine Hyperthrophie der Mammae. Die Erkrankungen seien auf keinen Fall auf die Makromastie zurückzuführen. Allerdings verstärke diese die Beschwerden und Schmerzen. Die rezidivierenden Blockierungen würden sich ohne die Makromastie besser behandeln und beheben lassen. Eine Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden sei notwendig, um die Schmerzen zu lindern. In Frage kämen fachorthopädische und physiotherapeutische Behandlungen mit Deblockierung und Aufbau der Muskulatur, Haltungsschule und Sport. Alle diese Behandlungen seien durch die Makromastie erschwert. Die Erkrankung sei durch eine Mammareduktionsplastik nicht zu heilen. Die Beschwerden könnten so aber gelindert und einer Verschlimmerung vorgebeugt werden. Andere Behandlungsmethoden allein hätten einen geringeren Effekt und einem Rezidiv könnte wesentlich schlechter vorgebeugt werden. Den besten Effekt könne man durch eine Kombination der Behandlungen erreichen (sowohl Mammareduktionsplastik als auch fachärztliche und physiotherapeutische Behandlung). Die Makromastie sei mitverantwortlich für die bestehenden Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Von einer entstellenden Wirkung könne man ihrer Ansicht nach nicht sprechen. Es bestehe aber eine deutlich abweichende übergroße Brust.
Ein im Auftrag der Beklagten hierzu nach Aktenlage erstattetes Gutachten des MDK vom 20. Juni 2006 (Dipl.-Med. Sch. , Bl. 63-65 GA) hob das Fehlen wissenschaftlicher Beweise dafür hervor, dass durch eine Reduktion der Mammae die aufgeführten Beschwerden sicher reduziert werden könnten. Bei der Makromastie handele es sich um keinen krankhaften Befund. Krankengymnastik sowie sportliche Trainingstherapie seien vorzuziehen.
Mit Urteil vom 8. November 2006, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht antragsgemäß die Bescheide der Beklagten vom 12. November 2004 und 9. Februar 2005, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2006, aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Mammareduktionsplastik als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat es unter Berufung auf das Gutachten von Dipl.-Med. W. und die behandelnden Ärzte der Klägerin ausgeführt, die Mammareduktion sei jedenfalls in Verbindung mit physiotherapeutischen Maßnahmen geeignet und erforderlich, die Beschwerden der Klägerin zu lindern und eine Verschlimmerung zu verhüten.
Gegen das ihr am 15. November 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. November 2006 Berufung eingelegt und zur Begründung u. a. auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen, wonach die mittelbare Behandlung eines erkrankten Organs – hier der Wirbelsäule – durch den Eingriff an einem gesunden Organ – hier der Brust – voraussetze, dass die unmittelbar an dem erkrankten Organ ansetzenden konservativen Behandlungsmöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft und der Eingriff an dem gesunden Organ (Mammareduktion) das letzte Mittel zur Behandlung sei. Vorliegend sei die konservative Behandlung der Wirbelsäule noch nicht ausgeschöpft. Zudem sehe § 12 SGB V auch keine unter allen Aspekten optimale Behandlung vor. Eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlung genüge.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 8. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die weitere Entwicklung belege, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien.
Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin angegeben, seit etwa Anfang des Jahres 2000 Beschwerden zu haben, die sich immer intensiver entwickelt hätten. Physiotherapeutische Maßnahmen seien bisher in unregelmäßigen Abständen jeweils unter Anleitung einer Physiotherapeutin durchgeführt worden. Zurzeit befinde sie sich wieder in physiotherapeutischer Behandlung. Durch die physiotherapeutische Praxis sei ihr ein Hausübungsprogramm zur Kräftigung der Hals- und Brustwirbelsäule zur Verfügung gestellt worden, welches sie regelmäßig anwende. Auf Grund der körperlichen Beschwerden und des sehr hohen Gewichtes der Brust habe sie Schwierigkeiten, diese Übungen optimal und erfolgbringend durchzuführen. Auf weitere Nachfrage hat die Klägerin ausgeführt, solche physiotherapeutischen Behandlungen seien im Jahre 2005 und 2007 jeweils auf ärztliche Verordnung durch den Hausarzt durchgeführt worden. 2006 seien keine Behandlungen verordnet worden, was aber eine Durchführung der Übungen des Hausübungsprogramms durch sie nicht ausschließe. Im Dezember 2007 hat die Klägerin ihr aktuelles Körpergewicht mit 67 kg angegeben. Im ersten und zweiten Quartal des Jahres 2007 habe sie jeweils sechs physiotherapeutische Anwendungen durchgeführt. Weiterhin gehe sie einmal pro Woche ca. 45 bis 60 Minuten schwimmen und mache einmal pro Woche Nordic Walking (3 bis 5 km) zur Stärkung der Rückenmuskulatur.
Der Senat hat den weiteren Befundbericht von Dipl.-Med. W. vom 22. Juni 2008 eingeholt (Bl. 118-119 GA). Danach hat er bei der Klägerin in der Zeit vom 3. September 2005 bis zum 22. Juni 2008 die Diagnosen akute Gastritis, Schulter-Nacken-Myalgien, Otitis media und Übelkeit gestellt. Die Befunde hätten sich nicht wesentlich verändert. In einem weiteren Befundbericht vom 20. Dezember 2008 (Bl. 150-151 GA) teilte er mit, Rückenbeschwerden seien ihm bei der Klägerin seit dem 4. Januar 2005 bekannt. Krankschreibungen seien insoweit nicht erfolgt.
Schließlich hat der Senat ein Gutachten des MDK zur Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden durch operative Brustverkleinerungen vom 8. Mai 2002 beigezogen, in dem verschiedene, überwiegend amerikanische Studien zu dieser Problematik kritisch untersucht werden.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Mammareduktionsplastik. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist deshalb nicht zu beanstanden. Dabei ist klarzustellen, dass sich die Anfechtung nicht nur gegen die im Tenor des sozialgerichtlichen Urteils genannten Bescheide richtet, sondern der Sache nach auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2005, der unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung den Antrag der Klägerin in Form der Wiederholung des Bescheides vom 12. November 2004 abschließend förmlich ablehnte. Dies hat die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren berücksichtigt (vgl. Vermerk Bl. 33 VA). Das erstinstanzliche Urteil hat den vorgenannten Bescheid der Beklagten zu Unrecht für rechtswidrig gehalten und war daher aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Krankenhausbehandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, 13.7.2004 - B 1 KR 11/04 - SozR 4-2500 § 13 Nr. 4; BSG, 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 3; zuletzt BSG, 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R - JURIS).
1. Bei der Klägerin liegt, was allein den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit vor, die der ärztlichen Behandlung bedarf. Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellen Größe, Form und Gewicht ihrer Brust keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten wäre. Keinem Befundbericht der behandelnden Ärzte lässt sich dies entnehmen. Die eingeholten Gutachten beschreiben die Mammae ausdrücklich als gesundes Organ, an dem keine objektivierbare gesundheitliche Beeinträchtigung bestehe. Etwas anderes wird auch von der Klägerin nicht behauptet.
2. Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht mit äußerlicher Entstellung begründen. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die nahe liegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG, 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R - JURIS). In diesem Zusammenhang hat das BSG eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust abgelehnt (BSG, 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 3).
Eine Entstellung in diesem Sinne beklagt die Klägerin selber nicht. Nach eigenen Angaben trägt sie BH-Größe 80 E. Dies kann unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust nicht als entstellend gewertet werden, zumal Konfektions-BHs bis zur Größe H handelsüblich sind. Demgemäß beschreiben alle aufgrund körperlicher Untersuchung erstellten Gutachten (Julich, Dr. P. und Dipl. Med. W. ) die Brust der Klägerin zwar als ungewöhnlich groß, aber auch im Verhältnis zu ihrer schlanken Körperkonstitution nicht als entstellend. Auch die sonstigen ärztlichen Stellungnahmen widersprechen dem nicht. Es deckt sich schließlich mit dem Eindruck, den der Senat aufgrund eigener Augenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat.
3. Unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Beeinträchtigung ist die Beklagte ebenfalls nicht leistungspflichtig. Eine solche Erkrankung ist bei der Klägerin weder erkennbar noch behauptet; sie würde auch regelmäßig nicht zur Leistungspflicht der Beklagten führen (vgl. BSG, 10.02.1993 - 1 RK 14/92 - BSGE 72, 96 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 zur Beinverlängerung bei Kleinwuchs; BSG, 9.6.1998 - B 1 KR 18/96 R - BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f zu einer Hodenprothese).
4. Schließlich lassen die orthopädischen Beschwerden der Klägerin nicht die Notwendigkeit einer operativen Mammareduktion erkennen.
Grundsätzlich kann die Leistungspflicht der Krankenversicherung allerdings auch eine mittelbare Therapie an einem anderen als dem erkrankten Körperteil umfassen, wenn diese im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 3 und 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht (BSG, 19.2.2003 - 1 KR 1/02 R SozR 4-2500 § 137c Nr. 1 = BSGE 90, 289-295 zum Magenband bei Übergewicht). Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz allerdings eingeschränkt: Wird durch eine solche Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie dies bei einer Brustverkleinerung geschieht, bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung. Dabei sind Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, der zu erwartende Nutzen der Therapie nebst ihren Risiken und möglichen Folgekosten sowie etwaige Behandlungsalternativen gegeneinander abzuwägen (BSG, a.a.O. m.w.N).
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass nach Art und Schwere der Erkrankung die Dringlichkeit der Intervention eher niedrig (dazu unter a), das Risiko etwaiger Komplikationen und Folgekosten hoch (dazu unter b) und der zu erwartende Nutzen der Therapie zweifelhaft ist (vgl. c). Gleichzeitig stehen nicht ausgeschöpfte ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlungsalternativen zur Verfügung, die dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen (siehe d). Bei diesem Bild ergibt die Abwägung, dass die Voraussetzungen für eine Brustverkleinerung zur mittelbaren Behandlung orthopädischer Beschwerden als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfüllt sind.
a) Die vorhandenen Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin sind nicht schwer. Während Frau J. einen krankheitswertigen Zustand generell verneint, diagnostizieren die Orthopäden Dr. W. und Dipl. Med. W. sowie der Hausarzt Dipl.-Med. W. ein wiederkehrendes chronisches Brust- und Halswirbelsäulensyndrom bei Muskeldysbalance und Dipl. Med. W. zusätzlich eine Spondylarthrose sowie Blockierungen im Brustwirbelsäulenbereich. Schwerwiegende Aufbrauchserscheinungen an der Wirbelsäule wurden nicht festgestellt; das Zeichen nach Lasèque als Indiz für eine Wurzelreizung war stets negativ. Das Fehlen einer schweren Erkrankung belegt der Umstand, dass die Klägerin keinerlei Schmerztabletten nimmt. Auch hat sich die Klägerin, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich wurde, zu keinem Zeitpunkt überhaupt in orthopädische Behandlung begeben (siehe unter d). Eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund dieser Beschwerden gab es bisher nicht. Bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben sich keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der Beschwerden ergeben; dies hat die Klägerin auch nicht behauptet.
b) Zu Lasten der Klägerin ist auch die erhebliche Gefahr von Komplikationen nach einer Mammareduktionsplastik zu berücksichtigen. So hat bereits Dr. S. auf die Möglichkeit von Entzündungen, Fettgewebsnekrose, Nachblutungen und Nachoperationen, Sensibilitätsstörungen, Bürzelbildung u.a. hingewiesen. Zu bedenken ist ferner, dass die Stillfunktion infolge eines derartigen Eingriffs verloren gehen kann (vgl. die Studien des MDK). Solche Komplikationen treten - wie die vom MDK beigezogenen Studien belegen - häufig auf (bis zu 50% der Fälle). Das Risiko von Komplikationen und ihren Folgekosten wird im Gutachten Dipl. Med. W. , das sich allein auf den orthopädischen Nutzen der Brustverkleinerung fokussiert, nicht erwähnt, was nach Auffassung des Senats medizinisch zu kurz greift und nicht mit der Rspr. des BSG im Einklang steht. Hinsichtlich der von der Beklagten und dem MDK in den Vordergrund gestellten konservativen Maßnahmen sind solche Komplikationen nicht zu befürchten.
c) Aus dem beigezogenen Gutachten des MDK vom 8. Mai 2002 ist zu ersehen, dass ein therapeutischer Zusammenhang zwischen einer Mammareduktion und der Besserung von Wirbelsäulenbeschwerden wissenschaftlich umstritten ist. Dies belegen auch die von der Beklagten vorgelegten aktuelleren Stellungnahmen des MDK. Angesichts der Gesamtumstände kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob ein wissenschaftlich belegbarer Zusammenhang zwischen Größe und Gewicht der weiblichen Brust und Wirbelsäulenbeschwerden besteht.
Der Senat gibt allerdings zu bedenken, dass die nicht wenigen Frauen, die handelsübliche BHs in den Konfektionsgrößen E bis H tragen, in signifikantem Umfang häufiger an Wirbelsäulenbeschwerden leiden müssten als andere Frauen oder etwa Männer, wenn ein solcher Zusammenhang bestünde. Eine Studie, die das bestätigt, ist aber nicht bekannt.
d) Die Behandlungsalternativen sind bei der Klägerin noch keinesfalls ausgeschöpft; dies behauptet auch kein einziger Arzt. Daher kann sich der Senat auch nicht den positiven Stellungnahmen der behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. W. und Dr. S. anschließen, die eine operative Brustverkleinerung befürworten. Ausschlaggebend ist für den Senat, dass sich die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht nur ein einziges Mal bei einem Orthopäden im 120 km entfernten B. vorgestellt hat. Dieses eine Mal geschah nach Auffassung des Senats auch lediglich zur Erlangung einer Bescheinigung gegenüber der Beklagten, wonach die orthopädischen Beschwerden durch die eingeklagte Mammareduktion zu lindern seien. Denn in dem eingeholten Befundbericht vom 29. August 2005 hat Dr. W. keinerlei Behandlungen angegeben. Sinn und Zweck der Vorstellung bei einem Orthopäden sollte es allerdings sein, orthopädische Therapien zu besprechen und einzuleiten. Im Ergebnis hat sich die Klägerin damit bisher noch überhaupt nicht in orthopädische Behandlung begeben; dies schließt zwangsläufig aus, dass die orthopädische Behandlung bisher ausgeschöpft ist. Die Klägerin hätte sich nach Ansicht des Senats seit Januar 2005 ohne weiteres in eine orthopädische Behandlung begeben können, wenn sie dies tatsächlich gewollt hätte. Der Senat kann nicht nachvollziehen, dass die Klägerin einen Termin bei einem Facharzt für Orthopädie kurzfristig während des Widerspruchsverfahrens zur Erlangung einer entsprechenden Bescheinigung erhalten konnte, aber zur Linderung ihrer Beschwerden seit vier Jahren keinen solchen Arzttermin bekommt. Möglicherweise müsste die Klägerin auf einen solchen Arzttermin länger warten. Dies erklärt aber nicht eine fehlende Inanspruchnahme von Orthopäden über einen Zeitraum von vier Jahren.
Dabei könnten z.B. auch noch Kurmaßnahmen oder die von Dr. W. empfohlene manuelle Therapie an der Wirbelsäule nach Probezug in Betracht kommen. Auch die Sachverständige Dr. W. geht in ihrem Gutachten nicht davon aus, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten bisher ausgeschöpft worden seien. Sie hält lediglich aus medizinischer Sicht eine kombinierte Behandlung und Mammareduktion, Sport, Physiotherapie und Haltungsschule für angemessen. Dem vermag sich der Senat aus Rechtsgründen nicht anzuschließen, solange im vorliegenden Fall die dargelegten Behandlungsmöglichkeiten noch nicht erfolglos vollständig ausgeschöpft sind.
Der Senat hat auch durchgreifende Zweifel, ob die Maßnahmen der Physiotherapie von der Klägerin bereits ausgeschöpft worden sind. Die Klägerin war auf ausdrückliche Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, Übungen aus der Physiotherapie zu demonstrieren (was auch im Sitzen möglich ist) oder sie näher zu beschreiben. Auf weitere Nachfrage nach dem Hausübungsprogramm berichtete die Klägerin dann zuerst, sie habe gelernt, wie man schwere Gegenstände vom Fußboden aufhebe. Eine anschauliche und lebensnahe Schilderung bestimmter Bewegungsübungen zur Kräftigung der Muskulatur gab sie nicht. Insoweit hat der Senat durchgreifende Zweifel, ob die Klägerin diese Übungen bisher überhaupt richtig verstanden und umgesetzt hat. Es bleibt im Wesentlichen die subjektive Haltung der Klägerin, dass ihre Rückenbeschwerden allein auf die Brust zurückzuführen und nur durch deren Verkleinerung zu heilen seien, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat. Dies ermöglicht nicht die Feststellung, dass sämtliche Behandlungsalternativen ausgeschöpft sind.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved